Bringt dar dem Herrn, ihr Himmlischen, bringt dar dem Herrn Ehre und Macht! Bringt dar dem Herrn die Ehre seines Namens, werft euch nieder vor dem Herrn in heiliger Majestät!
Ps 29,1-2
Psalm 29 ist ein Psalm der Theophanie, er beschreibt in machtvollen Bildern die Erscheinung Gottes vor der Welt. Man nimmt an, dass diese Bilder aus der Umwelt Israels stammen und von den Gläubigen auf ihren Gott übertragen wurden. Wie der kanaanäische Hauptgott El erhebt sich der Gott Israels inmitten der Versammlung der Götter und fordert deren Unterwerfung. Er ist der Gott, dem allein Ehre und Anbetung gebührt. Wie der Gott Baal offenbart er sich im Gewitter und zeigt so seine Macht über die Erde.
Die Stimme des Herrn über den Wassern: Der Gott der Ehre hat gedonnert, der Herr über gewaltigen Wassern. Die Stimme des Herrn voller Kraft, die Stimme des Herrn voll Majestät.
Ps 29,3-4
Gottes stimme erschallt voll Macht über den Wassern. Der Psalm greift
hier das Bild eines heftigen Gewitters auf. Bis heute staunen die
Menschen über Gewitter und heftige Stürme. Bis heute haben die Menschen
kaum Mittel dazu, sich deren Macht entgegenzustellen. Es bleibt nur das
Staunen über die Mächte der Natur und über den, der noch größer ist als
die Naturgewalten.
Und doch ist die gewaltige Erscheinung im Sturm nur ein Bild dafür,
wie Gott sich der Welt offenbart. Dem Prophet Elija erscheint Gott am
Horeb nicht in diesen Naturphänomenen, sondern sein wirkliches Angesicht
erscheint erst, als diese vorüber sind, in einem sanften Säuseln, einer
“Stimme verschwebenden Schweigens” (Martin Buber).
Die “Stimme des Herrn über den Wassern” lässt uns auch noch an ein
anderes Ereignis denken, in dem in ganz besonderer Weise Theophanie,
Erscheinung Gottes, geschieht. Es ist die Taufe Jesu im Jordan, bei der
Gottes Stimme aus dem Himmel Jesus Christus als Gott geliebten Sohn
offenbart.
Am Jordan erschallt die Stimme Gottes nicht machtvoll wie ein
Gewittersturm, sondern wohl eher unscheinbar, denn nur wenige erkennen,
was hier geschieht, allen voran Johannes der Täufer selbst. Gott
offenbart seinen Sohn vor der Welt, aber nur wer bereit ist, Gottes
leise Töne zu hören, erkennt ihn. Ein weiteres Mal ertönt die Stimme
Gottes bei der Verklärung Jesu. Selbst hier tun sich die drei Apostel,
die bereits längere Zeit mit Jesus unterwegs sind, schwer, diese Stimme
zu hören, und meinen eher einen entfernten Donner gehört zu haben.
Gottes Stimme – machtvoll und leise zugleich. Gottes Wort setzt sich
durch und bewirkt, wozu es ausgesandt ist, wie der Prophet Jesaja sagt:
“Es kehrt nicht leer zu mir zurück, ohne zu bewirken, was ich will, und
das zu erreichen, wozu ich es ausgesandt habe” (Jes 55,11).
Und doch tun wir uns schwer, Gottes Wort zu hören. Wäre es doch
machtvoll wie ein Gewittersturm, dann würden die Menschen niederfallen
und Gott anbeten, denken wir vielleicht. Aber Gott will nicht, dass die
Menschen aus Furcht vor ihm niederfallen. Er will uns auf Augenhöhe
begegnen, will unser Gesprächspartner sein. Er will keine
Massenhuldigung, sondern will das vertraute Gespräch mit jedem
einzelnen. Und doch ist Gott anders und größer als wir. er lässt sich
von den Menschen nicht beeinflussen und entzieht sich jedem Versuch der
Manipulation.
Gottes Stimme ist immer da, auch wenn es niemand gäbe, der bereit ist,
sie zu hören. Wir können Gott nicht totschweigen, er findet immer einen
Weg, sich Gehör zu verschaffen. Gott ruft zu allen Zeiten Menschen, die
seine Stimme hören, und in seinem Namen zu den Menschen sprechen.
Um Gottes Stimme zu hören, müssen wir unser Gehör schulen, wir müssen
lernen, die Stille zu hören, Zeiten finden, in denen der Lärm des
Alltags von uns weg bleibt, Zeiten, in denen wir mit seinem Wort, das
uns in der Heiligen Schrift überliefert ist, allein sind. Dann werden
wir die Kraft erfahren, die in Gottes Wort steckt, und die machtvoller
ist als der stärkste Donner.
Herr, mein Gott,
machtvoll bis du
und voll Herrlichkeit
und doch wendest du dich
in Liebe jedem einzelnen zu.
Du willst uns nahe sein
durch dein Wort,
so wie du der Welt nahe warst
im Erdenleben Jesu Christi.
Er ist dein geliebter Sohn,
dein Wort,
durch das du vor Urzeiten
die Welt erschaffen hast,
und in ihm sprichst du zu uns
bis heute.
Lass uns auf sein Wort hören.
Amen.