Neujahr – Segen

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Im Buch lässt Gott den Priester Aaron im Auftrag des Mose den Segen über die Versammlung des Volkes sprechen (Num 6,22-27) :

Der Herr sprach zu Mose:

Sag zu Aaron und seinen Söhnen: So sollt ihr die Israeliten segnen; sprecht zu ihnen:

Der Herr segne dich und behüte dich.

Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig.

Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil.

So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, und ich werde sie segnen.

Seither wurden diese Segensworte unzählige Male gesprochen. Sie waren fester Bestandteil des Tempelkults und gehören bis heute zum Synagogengottesdienst. Das Christentum übernahm diese Segensworte in der Liturgie zunächst nicht, erst die Reformatoren empfahlen sie als Segensspruch zum Abschluss des Gottesdienstes und seit der Liturgiereform des II. Vatikanums sind sie auch in der katholischen Liturgie als Variante des Schlusssegens möglich. Als Lesungstext am Neujahrstag stellt die Kirche diese Segensworte an den Anfang eines jeden neuen Jahres.

Menschen sehnen sich nach dem Zuspruch des Segens, der ihr Leben vor gefährlichen Ereignissen und Schicksalsschlägen schützen soll. Viele scheuen hier nicht vor Aberglauben und Scharlatanerie zurück, in der Astrologie erhofft man sich durch günstige Interpretation der Sternbilder Sicherheit. Kann es aber überhaupt so etwas wie Segen geben? Stehen nicht alle in gleicher Weise den Launen des Schicksals gegenüber, das dem einen günstig, dem anderen übel gesonnen ist? Oder kommt es allein darauf an, positiv zu denken, womit positive oder negative Ereignisse dann allein die Folge unserer inneren Einstellung wären?

Leben bleibt immer eine Herausforderung für jeden Menschen. Es wird Zeiten geben, in denen es uns gut geht und uns alles leicht fällt, und Zeiten, in denen manches schwer fällt. Unser Leben ist eingebettet in globale, ja kosmische Zusammenhänge, die wir als einzelne kaum beeinflussen und oft nicht einmal durchschauen können. Der Ort, an dem wir leben, trägt viel zu den Chancen bei, die wir im Leben haben. Aber es gibt immer unendliche Möglichkeiten, die wir verpassen können, die wir aber auch Wirklichkeit werden lassen können.

Ich brauche aber noch etwas anderes in meinem Leben. Ich brauche den Zuspruch von Menschen und die Erfahrung, dass ich angenommen und geliebt bin. Menschen, die diese Erfahrung in ihrer Kindheit nicht machen konnten, leiden oft ihr ganzes Leben lang darunter. So viel Unheil geschieht in der Welt, weil Menschen einander verachten und verstoßen. Menschen irren ziellos umher, weil sie nirgendwo den Zuspruch erfahren, wirklich angenommen und geliebt zu sein.

Segen bedeutet die feste Zusage: du bist angenommen, du bist geliebt. Im Segen ist diese Zusage nicht zeitlich oder räumlich begrenzt, sondern sie wird absolut, weil sie sich von den Menschen löst, die diese Zusage geben, und rückgebunden wird an Gott. Menschen sind veränderlich. Sie können die Zusage ihrer Liebe begrenzen. Sie können ihre Liebe an Bedingungen knüpfen. Im Streit kann Liebe zerbrechen, oder wir verlieren einen geliebten Menschen durch Trennung oder durch den Tod. Gott bleibt und mit ihm seine Zusage an jeden Menschen: du bist angenommen, du bist geliebt.

Segen ist nicht nur ein frommes Wünschen, sondern ein Geschehen in Gottes Namen, hinter dem Gott selbst steht. Gottes Segen trägt uns durch unser ganzes Leben, richtet uns auf, wenn wir fallen und hält uns, wenn wir nach oben steigen. Gottes Zusage an uns ist an keine Bedingungen geknüpft. Nur wir selbst können Gott von uns weisen, wenn wir ihn nicht in unser Leben lassen. Aber seine Hand bleibt stets ausgestreckt, um uns zu halten, wenn wir danach greifen.

Der Herr segne dich und behüte dich.

Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig.

Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil.

Der Aaronsegen besteht aus drei Teilen. Jeder Teil bedeutet eine Steigerung des vorangegangenen. Das wir im Urtext auch in der Struktur deutlich. Der erste Teil besteht aus drei Worten, der zweite aus fünf und der dritte aus sieben Worten.

Der Herr segne dich und behüte dich.

Im ersten Teil des Segens wird dem Menschen im Namen Gottes Glück und Heil zugesprochen, die Bewahrung vor allem Übel und allem Unheil. Gottes Segen behütet den Menschen vor allem Bösen, und allem, was ihm schadet. Gott bereitet mit seinem Segen so die Grundlage, dass Leben möglich ist. Doch Leben bedeutet mehr. Wir sind keine Maschinen, die nur Treibstoff benötigen.

Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig.

Gottes Segen ist wie die Sonne an schönen Tagen. Wir können auch gut leben, wenn die Sonne einmal nicht scheint, natürlich. Aber jeder weiß, wie das Leben an einem Sonnentag schöner ist. So sagt uns der erste Teil des Segens das zu, was wir zum Leben brauchen, der zweite Teil aber, was unser Leben noch schöner macht.

Gottes liebende Wärme strahlt auf mich. Wie die Sonne, die uns mit ihren Strahlen wärmt, spüre ich Gottes Liebe, die mich durchdringt. Wie gesund und wohltuend sind die Strahlen der Sonne (im rechten Maß genossen). Sie scheint für alle. Wir müssen uns nur den richtigen Platz suchen ohne Schatten, wenn wir sie empfangen wollen. So strahlt Gottes Segen von seinem Antlitz auf uns, in grenzenloser Fülle.

Gottes Angesicht leuchtet. Kein Mensch vermag Gottes Angesicht zu sehen, das war eine Überzeugung der Menschen des Alten Testaments. Und doch ist Gottes Antlitz Garant für die Nähe Gottes bei seinem Volk. Gott ist für das Volk, was die Sonne für die Erde ist. Wenn sein Antlitz nicht über den Menschen leuchtet, vergeht das Volk, so wie auf der Erde ohne Sonne kein Leben möglich ist.

Gottes Liebe zeigt sich in seiner Gnade. Gnade, dieses in unserer modernen Sprache so fremde Wort meint ein unverdientes Geschenk. Gott gibt uns, was wir zum Leben brauchen, aber er gibt uns noch mehr. Das Leben besteht nicht nur im sättigen der materiellen Bedürfnisse. Klar, wir brauchen Essen, ein Dach über dem Kopf. Aber Leben ist mehr. Wir freuen uns über Musik, Bewegung, Schönheit. Gott schenkt uns geistige Schönheit, Lieder, die wir freudig singen, Bilder, die Glanz in unser Leben bringen. Gott gibt uns Anteil an seiner Schönheit.

Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil.

Was kann noch großer sein, als im Glanz von Gottes Gnade zu ruhen? Hier im Segen erfahren wir es. Gott wendet uns sein Antlitz zu. Gottes Liebe scheint nicht auf uns wie das Licht der Sonne, das sich unpersönlich in alle Richtungen ausbreitet. Gott wendet sich uns konkret zu. Gott ist kein diffuses Gebilde, Gott ist Person. Mit Gott ist Kommunikation möglich. Er schaut auf uns, auf jeden einzelnen.

Das den Menschen zugewandte Antlitz Gottes ist in Jesus Christus konkret geworden. In ihm hat Gott uns sein Antlitz gezeigt, ein menschliches Antlitz voll Güte und Liebe. Jesus schaut die Menschen an, sieht ihre äußeren und inneren Nöte und allein dieser Blick schon ist der erste Weg der Heilung. Wer diesen Blick zulässt, ist gerettet.

Gott will in eine persönliche Beziehung eintreten mit mir, in einen lebendigen Dialog. Oft ist das ein Dialog der Stille, wenn ich vor Gottes Blick ruhe, mich von allem löse, was mich umgibt und so vor ihm stehe, wie ich bin. Der Dialog mit Gott geht aber auch im Alltag weiter, wenn ich alles, was ich tue, versuche, in seinem Namen zu tun. Gott begleitet all mein tun. Er schaut auf mich in allen Situationen meines Lebens. Er will mich führen und leiten.

Das Leben vor Gottes Angesicht ist ein Leben in Heil und Frieden. Das letzte Wort des Segens ist Schalom. Was Schalom bedeutet, lässt sich nicht in einem deutschen Wort wiedergeben. Schalom meint Frieden und Heil in seiner ganzen Fülle, einen ganz und gar lebenswerten Zustand, das Ziel unserer Sehnsucht nach Leben in Fülle. Es ist ein Zustand, in dem alles an mir heil ist, wenn aller Hass – das Gegenteil von Segen – besiegt ist. Wenn ich mich bei Gott geborgen weiß. Schalom ist die höchste Gabe des Segens.

Viele Worte können das nicht erklären, was in dem kurzen Segenswort liegt. Lassen wir uns die Worte des Aaronsegens immer wieder zusprechen, sprechen wir sie uns selbst zu, betrachten wir sie und lassen sie an uns wirken. Lassen wir Gottes Segen an uns konkret werden.

Das wünsche ich Ihnen für das neue Jahr, dass Gottes Segen in Ihrem Leben immer mehr konkret wird.

 

Weihnachten 2015

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Weihnachten lässt uns staunen. Wir denken an die glänzenden Augen der Kinder, die sich über den Weihnachtsbaum und die Geschenke darunter freuen, wenn es nach langem Warten endlich Zeit für die Bescherung ist.
Das Staunen gilt aber ganz besonders dem Kind in der Krippe. Engel und Menschen drängen sich um den Stall von Bethlehem, und sie stauen darüber, was dort geschehen ist.
Unscheinbar liegt da ein Kind in einer Krippe und neben ihm ruht seine Mutter Maria. Meist etwas abseits sieht der heilige Josef dem ungewöhnlichen Ereignis zu. Seine Rolle spielt am Rand und doch ist er es, der das Kind und dessen Mutter beschützt.
Wir staunen über die Schönheit des Kindes in der Krippe. Woher kommt diese Schönheit? Es ist der Glanz des Göttlichen, der hier aus dem Menschenkind leuchtet. Leo der Große sagt:

Durch diese wunderbare Geburt hat die gottgeweihte Jungfrau in ihrem Kinde die eine wahrhaft göttliche und zugleich wahrhaft menschliche Person zur Welt gebracht.

In Jesus Christus sind Gottheit und Menschheit eins. Das kleine Kind in der Krippe ist Gottes Sohn. So unscheinbar, und doch ist es das größte Wunder, das jemals auf Erden geschehen ist. Johannes Chrysostomus zeigt uns ein Beispiel, das uns hilft, die Größe dieses Wunder besser zu verstehen:

Denn wie würde es uns vorkommen, sähen wir die Sonne vom Himmel herabsteigen, auf der Erde umher wandeln und von hier aus allen Menschen ihre Strahlen zusenden? Würde nicht dieses Ereignis alle Zuschauer mit Staunen erfüllen?

Ja, würde die Sonne plötzlich ihre Position verändern, das würde uns zum Staunen bringen. Aber was hier geschieht, ist ein noch größeres Wunder. Gott, der größer ist als alle Sonnen, kommt auf unsere Erde. Was zeichnet diesen Glanz des Göttlichen aus? Ephräm der Syrer zeigt sein Staunen in folgenden Worten:

Wie demütig bist du und wie gewaltig zugleich, o Kindlein! Dein Gericht ist gewaltig, deine Liebe hold, wer vermag dir zu widerstehen? Dein Vater wohnt im Himmel, deine Mutter auf der Erde, wer kann dein Wesen erklären? … Wir sind gekommen, dich als Gott zu schauen, und siehe, du bist ein Mensch! Wir kamen, dich als Mensch zu sehen; da schimmerte hell das Licht deiner Gottheit hervor.

Der Glanz göttlicher Schönheit kommt von der absoluten Reinheit. Was Gottes Sohn von den Menschen unterscheidet, ist sein Freisein von der Sünde. Sünde ist Hässlichkeit. Die Sünde trübt den Glanz, den jeder Mensch in sich trägt. Gottes Sohn ist gekommen, um uns göttlichen Glanz zu schenken. Wenn wir im göttlichen Kind den Glanz der Schönheit Gottes erblicken, soll dieser Glanz auch unsere Schönheit leuchtend erstrahlen lassen.

Denn erschienen ist der Herr Jesus Christus, um von uns alle Befleckung zu nehmen, nicht um sich beflecken zu lassen, nicht um unseren Gebrechen zu unterliegen, sondern um sie zu heilen.
Die von der alten Befleckung gereinigte menschliche Natur gewinnt ihre frühere Würde wieder, der Tod wird durch den Tod bezwungen, die Geburt durch die Geburt erneuert; denn gleichzeitig wird durch die Erlösung die Knechtschaft aufgehoben, durch die Wiedergeburt die Geburt geändert und durch den Glauben der Sünder gerechtfertigt.

Diese Worte Leos des Großen zeigen uns, warum Gott Mensch geworden ist. Gott will uns unsere Schönheit wieder geben. Das Kind in der Krippe will uns zu sich ziehen. Es will die Scheu von uns nehmen, dass wir uns bloßstellen könnten, wenn wir uns klein machen vor ihm. Wenn Erwachsene mit Kindern spielen, so werden sie selbst oft lockerer, kindlicher, machen Dinge, die sie sonst nie tun würden. Gottes Sohn verlangt danach, dass wir so mit ihm spielend unsere Schönheit wieder erlangen. Ephräm der Syrer sagt:

Wie bist du, o Kind, so liebevoll munter! Allen überlässt du dich freundlich, lächelst jedem zu, der zu dir kommt, nach jedem, der dich ansieht, verlangst du liebreich. Deine Liebe sehnt sich nach den Menschen. Du unterscheidest deine Eltern nicht von den Fremden. Bringt dies deine kindliche Heiterkeit mit sich oder deine Liebe, o Allliebender? Was regt dich so an, jedem, der dich sieht, frei dich hinzugeben, Reichen sowohl als Armen? Es zieht dich zu ihnen, ohne dass sie dich riefen. Woher kommt es, dass du so nach den Menschen verlangst?
Wer sah je ein Kind, das nach den Nahen sehnsüchtig verlangt und vom Mutterschoß aus den Entfernten sich entgegenstreckt? Lieblicher Anblick: ein Kind, das sinnend so ganz nach jedem hinstrebt, dass alle es sähen! Wen irgendeine Sorge drückt, von dem entflieht, wenn er kommt und dich sieht, seine Sorge. Wer kummervoll nachsinnt, vergisst bei dir seinen Kummer.
Werde ruhig und still, und entlass die Menschen zu ihren Geschäften! Du bist ja ein Sohn von Armen; du weißt, wie den Armen zu Mute ist, die da feiernd kommen! O liebevoller Menschenfreund! Durch deine anziehende Heiterkeit hast du die Menschen zahlreich an dich gezogen.

Verweilen auch wir an der Krippe, Jesu Schönheit betrachtend, lassen wir uns verwandeln und gehen wir so als neue Menschen hinaus in unser Leben. Ich wünsche uns allen, dass wir immer mehr vom Glanz der Schönheit Gottes in uns tragen.

Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest!

4. Advent – Begegnung (2)

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Nach Franz von Sales ist der Grund für den Besuch Marias bei Elisabeth ein zweifacher:

„Sie ging hin, um das große Wunder oder die große Gnade zu sehen, die Gott dieser betagten und unfruchtbaren Frau erwiesen hatte, dass sie trotz ihrer Unfruchtbarkeit einen Sohn empfing. Sie wusste ja sehr wohl, dass es im Alten Bund eine Schande war, unfruchtbar zu sein. Da aber die gute Frau alt war, ging sie auch hin, um ihr in ihrer Schwangerschaft zu dienen und ihr jede Erleichterung zu verschaffen, die ihr möglich war. Zweitens geschah es, um ihr das tiefe Geheimnis der Menschwerdung mitzuteilen, das sich in ihr verwirklicht hat.“

Nicht allein um ihrer selbst willen eilt Maria zu Elisabeth. Nicht nur wegen der großen Wunder, die mit den beiden Frauen geschehen sind. Franz von Sales holt die Begegnung zwischen den beiden Frauen auf den Boden des Alltags. Maria hat eben erst empfangen, Elisabeth aber ist im sechsten Monat. Und in Maria bleibt drei Monate bei Elisabeth, wie wir später erfahren (Lk 1,56). Maria bleibt bei Elisabeth für die letzten Monate der Schwangerschaft, die Zeit, in der Elisabeth besonders nötig Hilfe brauchte.
Heiligkeit ist kein Schweben auf den Wolken. Heiligkeit ist vollendeter Alltag. Sie bedeutet, „das Gewöhnliche außergewöhnlich tun“, wie Franz von Sales sagt. Über die drei Monate, die Maria bei Elisabeth war, schreibt Lukas nichts, aber wir können uns vorstellen, wie sie ausgesehen haben. Maria hat Elisabeth beim Haushalt geholfen, beim Kochen, Putzen, Waschen. Wir sehen die beiden in der Küche beisammen sitzen, mit der Hausarbeit beschäftigt. Zwei ganz normale schwangere Frauen.
Heiligkeit lernen wir, wenn wir die Geheimnisse des Alltags entdecken. Gott finden in allen Dingen. In jeder noch so kleinen Kleinigkeit können wir Gott entdecken, jedes noch so kleine Tun kann ein Dienst für Gott sein. Alles was geschieht, kann uns Gott näher bringen. Mit offenen Augen durchs Leben gehen. Das Große zu entdecken, das sich hinter dem Unscheinbaren verbirgt, schult meine Dankbarkeit. Ich werde sensibel dafür, dass es viel mehr Gutes in der Welt gibt, als ich wahrnehme. So werde ich dann auch fähig, selbst das Gewöhnliche so zu tun, als wäre es etwas Außergewöhnliches: mit Freude und Liebe.

“Begegnen wir lieben Menschen, so freuen wir uns, sie zu sehen. Wir können also über die Begegnung mit einem lieben Menschen gar nicht anders als erfreut und glücklich sein.”

So sagt Franz von Sales. Begegnungen gehören zu unserem Alltag. Sobald wir auf die Straße gehen, begegnen wir anderen Menschen. Ein Großteil von ihnen geht an uns vorüber, ohne dass es zu einer wirklichen Begegnung kommt. Über manche Menschen ärgern wir uns vielleicht, sie stören uns, wenn sie unseren Weg kreuzen. Aber manchmal bleibe ich vielleicht stehen und es kommt unerwartet zu einem Gespräch.
Kann ich achtsamer werden gegenüber den Menschen, denen ich begegne? Wenigstens ein Lächeln schenken, statt eines teilnahmslosen oder gar mürrischen Blicks? Es hängt von mir ab, wie sich Begegnung ereignet. Begegnung kann das Leben bereichern. Ein kurzer Austausch mit einem fremden Menschen kann Fragen beantworten, die ich mir schon lange stelle, kann mir eine neue Sichtweise eröffnen. „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, hat Martin Buber einmal gesagt.

Begegnungen können ganz unscheinbar sein, und doch tiefe Wirkungen hervorrufen. Ein Mensch kann sich ein Leben lang dankbar an eine kleine Hilfe erinnern. Vielleicht können wir im Gedränge des Alltags auch Gott begegnen, wenn wir die Menschen um uns herum bewusst wahrnehmen. Unser Leben mit Gott ist immer auch Begegnung. Wir können Gott nur erfahren, wenn wir ihm begegnen. Unser Alltag bietet dafür mehr Gelegenheiten, als wir für möglich halten.
Gerade der Evangelist Lukas berichtet uns immer wieder von Begegnung, der Begegnung von Menschen mit Jesus von Nazaret. Diese Begegnung verändert das Leben meist tiefgreifend. Auch bei der Begegnung zwischen Maria und Elisabeth ist Jesus schon dabei im Leib Mariens. Johannes im Schoß der Elisabeth hüpft vor Freude und auch Elisabeth erkennt das Geheimnis, das Maria birgt: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.“

Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ. (Lk 1, 41-45)

Freude liegt in der Begegnung dieser beiden schwangeren Frauen. Es ist eine vollkommene Freude, die nur Menschen erfahren, die ihre Freude in Gott suchen. Meine Freude ist es, deinen Willen, Gott zu tun, sagt der Psalmist. Das Kind in Mariens Schoß ist die Frucht dieser Freude am Ja zu Gottes Willen. Diese Freude spürt auch das Kind im Schoße Elisabeths.
Als Maria bei Elisabeth eintritt, spricht diese als Gruß an Maria die Worte, die wir bis heute im Ave Maria beten: Du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes. Elisabeth preist Maria selig, weil sie geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr durch den Engel sagen ließ. Diesen ihren Glauben besingt Maria unmittelbar nach der Begrüßung im Magnificat (Lk 1,46-55). Die Freude über das Leben, das Gott so wunderbar in ihrem Schoß gewirkt hat, das verbindet die beiden Frauen Maria und Elisabeth. Dieses Leben ist nicht der Besitz dieser Frauen. Sie stehen beide im großen Zusammenhang des göttlichen Heilswirkens an den Menschen. Durch die Kinder dieser beiden Frauen will Gott der ganzen Welt Heil und Leben schenken.
An Weihnachten feiern wir den Anbruch der Zeit des Heils durch die Geburt des Kindes in der Krippe von Betlehem. Dieses Kind ruft auch uns zur Begegnung mit ihm. Bereiten wir uns auf diese Begegnung vor. Nur noch wenige Tage und dann feiern wir das Fest der lebendigen Begegnung, wenn Gottes Sohn auf Erden kommt, um unter den Menschen zu sein. Er ist immer nahe, gerade da, wo Begegnung geschieht, wie er selbst gesagt hat:

„Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20)

Weihnachten – Fest der Begegnung. Finden wir in all dem Weihnachtstrubel Raum für echte Begegnung, mit unseren Familien, Freunden und Verwandten – und mit Gott.

4. Advent – Begegnung (1)

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Beim Evangelist Lukas hören wir von der Begegnung Marias mit Elisabeth:

Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. (Lk 1,39-40)

Nur wenige Tage, nachdem der Engel bei Maria eingetreten war, und ihr verkündet hatte, dass sie den Sohn Gottes gebären werde, macht sie sich auf den Weg. Sie kann nicht still in ihrer Kammer sitzen. Dieses Ereignis hat sie aufgewühlt. Sie braucht jemand, mit dem sie teilen kann, was sie erlebt hat, jemanden, dem sie sich mit-teilen kann.

Die Dynamik, die in diesem Aufbruch steckt, wird in einer wörtlichen Übersetzung noch deutlicher. Im Originaltext ist zudem das erste Wort des Satzes “aufbrechend”, was im Deutschen so nicht wörtlich wiedergegeben werden kann.

Maria aber brach auf in jenen Tagen und ging mit Eile weg in das Bergland in eine Stadt Judäas und trat ein in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth.

An erster Stelle steht der Aufbruch, dann heißt es, dass Maria weg geht, in Eile, wie besonders hervorgehoben wird. Sie geht ins Bergland. Ein nicht unbeschwerlicher Weg mit manchen Steigungen. Da geht man ja eher langsam, aber Maria nicht. Schon ist sie im Haus des Zacharias, sie tritt ein und begrüßt Elisabeth und es kommt zur Begegnung der beiden Frauen.

Es geht alles sehr schnell. Maria weiß, wo sie hin will, sie weiß, was sie will. Sie hält sich unterwegs nicht auf. Irgendwie zeigt uns dieser eine Satz Maria als eine Frau, die anpackt, voller Entschiedenheit und mit Durchsetzungskraft. Das ist ein ganz anderes Bild, als es uns oft vermittelt wird. Es ist aber ein Bild das anspricht, besonders heute.

Maria drängt es zu ihrer Verwandten Elisabeth. Sie will ganz dringend zu ihr. Mit Elisabeth verband Maria eine so innige Freundschaft, dass sie sicher sein konnte, dass diese auch das Unbegreifliche, das an ihr geschehen ist, verstehen wird. Elisabeth selbst hatte ja sechs Monate zuvor in hohem Alter ihren Sohn empfangen, als nach menschlichem Ermessen eine Schwangerschaft bereits unmöglich war. Die Schwangerschaft Mariens aber übertrifft dieses Wunder bei weitem. Maria ist noch jung, aber ihr Kind nicht von einem Mann, sondern empfangen durch den Heiligen Geist.

 

18.12 Hl. Wunibald (701-761)

WunibaldDer Heilige Wunibald ist einer der Großen unter den angelsächsischen Missionaren, die im 8. Jahrhundert ihre Heimat verlassen haben, um den christlichen Glauben in unserer Heimat zu festigen. Sein Onkel war der heilige Bonifatius, der Apostel der Deutschen, seine Schwester die heilige Äbtissin Walburga und sein Bruder war der heilige Willibald, der erste Bischof von Eichstätt.

Wunibald wurde im Jahr 701 als Sohn der heiligen Wunna und des heiligen Richard in Wessex geboren. Die Mutter ist wohl sehr früh gestorben, der Vater starb im Jahr 721 bei einer Pilgerreise nach Rom, an der auch Wunibald zusammen mit seinem Bruder Willibald teilgenommen hatte. Willibald reiste von Rom aus weiter ins Heilige Land, Wunibald blieb in der ewigen Stadt, lebte dort in einem Kloster und widmete sich dem Studium der Theologie.

Im Jahr 727 kehrte Wunibald für kurze Zeit in seine Heimat zurück, um Verwandte für den „heiligen Kriegsdienst gewinnen und mit sich nehmen“ zu können. Mit einem jüngeren Bruder reiste er dann nach drei Jahren wieder nach Rom, wo er sich erneut dem Leben im Kloster und dem Studium widmete. Im Jahr 738 konnte ihn schließlich Bonifatius für die Mission in Germanien gewinnen.

Im November 739 verließ Wunibald mit einigen Gefährten Rom, zog „durch die verschiedenen Dörfer der Bayern, durch die Landschaften und Gebiete Germaniens, bis nach Thüringen“. Dort weihte Bonifatius ihn zum Priester und übertrug ihm die Leitung von sieben Kirchen. Nach einigen Jahren aber wollte Wunibald „die ihm noch unbekannten Bewohner Bayerns kennenlernen“ und missionierte von 744 bis 747 im Gebiet der heutigen Oberpfalz.

Nach seiner Missionstätigkeit in Thüringen und Bayern war Wunibald bis zum Jahr 751 Prediger in Mainz, jedoch war das Stadtleben nichts für ihn, sondern er fühlte sich zum Klosterleben hingezogen. Als sein Bruder Willibald, der inzwischen Bischof von Eichstätt geworden war, die Gründung eines Klosters in seiner Diözese anstrebte, konnte er mit der Unterstützung Wunibalds rechnen.

In einem abgelegenen, von Wäldern bedeckten Hochtal gründeten die beiden Brüder im Jahr 752 das Kloster Heidenheim. Es sollte zum Missionszentrum für die vielfach wieder ins Heidentum zurückgefallene Bevölkerung dieser Gegend werden. Wunibald wurde Abt des Männerklosters in Heidenheim, seine Schwester Walburga Äbtissin des ebenfalls dort gegründeten Frauenklosters. Wunibald wirkte als „begabter und gefeierter Lehrer“. In seinen letzten Lebensjahren wurde er jedoch von einer ständig zunehmenden Gicht geplagt.

Vom nahen Tod seines Bruders informiert, reiste Willibald nach Heidenheim. Er traf am frühen Morgen des 18. Dezember 761 dort ein, und die beiden Brüder konnten den letzten Tag Wunibalds gemeinsam verbringen. Nach einer Abschiedsrede an den Konvent starb Wunibald am Abend, die Trauerfeiern für ihn dauerten sieben Tage. Nach der Fertigstellung einer größeren Kirche in Heidenheim erhob Willibald am 24. September 777 feierlich die Gebeine seines Bruders. Im 11. Jahrhundert wurde Wunibald unter die Patrone das Bistums Eichstätt aufgenommen und mehrere Kirchen wurden nach ihm benannt.

 

Wo finde ich Advent?

KerzenWo finde ich Advent? Wenn ich im Dezember durch die Stadt gehe, sehe ich, wie überall versucht wird, eine besondere Stimmung zu verbreiten. Es gibt bald keinen Platz mehr, auf dem es keinen Weihnachtsmarkt gibt. Was finde ich dort? Zum einen jede Menge zu Essen und zu Trinken. Nicht nur Glühwein, sondern alle möglichen und unmöglichen warmen und kalten Getränke und Speisen aus nah und fern, öko, bio und vegan. Es gibt Mützen, Pantoffel, Schmuck, heilende Steine, vielleicht sogar Krippenfiguren. Und jede Menge Lichter.

Ist das Advent? Klar, Adventsmärkte bieten eine wunderbare Möglichkeit, sich zu treffen, sich zu unterhalten und ein wenig zu verweilen. Aber ist das schon Advent? In den Geschäften wird überall das perfekte Weihnachtsgeschenk angepriesen. Schnell noch dies und jenes besorgen für das Fest und ja genau das darf auch nicht fehlen. Kaufen, kaufen, kaufen. Ist das Advent?

In Kirchen und Konzertsälen aber auch auf öffentlichen Plätzen gibt es viele Konzerte mit besinnlicher Musik. Ich kann mich von den erhebenden Klängen einstimmen lassen in diese besondere Zeit, zur Ruhe kommen. Zuhause zünde ich dann eine Kerze an und trinke gemütlich einen Tee. Ist das jetzt Advent?

Im Advent möchten wir in eine besondere Stimmung versetzt werden. Wir suchen mehr als zu anderen Zeiten im Jahr nach einer tiefen Zufriedenheit, vielleicht auch Geborgenheit. Schließlich steht ja das große Fest bevor, an dem wir eine heile Welt haben möchten mit Geschenken und gutem Essen unterm Tannenbaum im Kreis der Familie. Und dann kommt an Silvester der große Knall und das neue Jahr beginnt und wir stehen wieder in der alten Tretmühle von Leistung und Gelderwerb. Was ist dann geblieben vom Advent?

Vielleicht finden wir den Advent, wenn wir eine Tür nach innen öffnen. Advent ist nicht draußen, sondern beginnt in mir. Advent bedeutet den Mut, mich anzusehen, so wie ich bin. Was finde ich toll an mir? Was könnte noch etwas besser werden? Bin ich bereit dazu, Advent zu sein? Advent ist dort, wo ich ihn in die Welt bringe. Ich bin Advent. Tiefe Adventsstimmung kommt nicht von außen durch Schmuck, Lichter und Musik. Sie entsteht durch Menschen, die den Advent in die Welt tragen.

Advent, das ist ein kleines Lächeln inmitten der Hektik, wenn anonyme Menschenmassen durch die Straßen drängeln. Advent, das ist eine aufgehaltene Tür am Kaufhauseingang. Advent ist ein Anruf oder gar Besuch bei einem Menschen, für den ich schon lange keine Zeit mehr hatte. Ich halte einen Moment inne und überlege mir eine Handlung, in der ich Advent konkret werden lassen kann. Dabei kann mich das folgende Gebet begleiten:

Segen sei mit dir,

der Segen strahlenden Lichtes,

Licht um dich her

und innen in deinem Herzen.

Aus deinen Augen strahle

gesegnetes Licht

wie zwei Kerzen

in den Fenstern deines Hauses,

die den Wanderer locken,

Schutz zu suchen dort drinnen

vor der stürmischen Nacht.

Wem du auch begegnest,

wenn du über die Straße gehst,

ein freundlicher Blick von dir

möge ihn treffen.

Altirischer Segenswunsch

 

3. Advent – Gaudete!

Gaudete_2

Alfred Delp SJ denkt zu Beginn seiner während der Inhaftierung durch die Nazis heimlich entstandenen Schrift „Im Angesicht des Todes“ über die Freude nach. Er zeigt dabei deutlich, dass der Grund der Freude nicht allein ein irdischer sein kann.

„Was ist die Freude, die wahre Freude? Die Philosophen sagen, es wäre die Zufriedenheit und Gehobenheit des Gemütes über ihm zur Verfügung stehende Güter. Das mag für irgendwelche Phänomene der Freude stimmen, aber die Freude ist das nicht. Wie sollte ich sonst in dieser Zeit und in dieser Lage zu einer wahren Freude kommen? Hat es überhaupt Sinn, sich über die Freude viel Gedanken zu machen? Gehört es nicht zu den Luxusartikeln des Lebens, die in dem schmalen Privatraum, den das Kriegsgespräch zulässt, keinen Platz hat? Und erst recht nicht in einer Kerkerzelle, in der man hin und her pendelt, die Hände in Eisen, das Herz in alle Winde der Sehnsucht gespannt, den Kopf voller Sorgen und Fragen?

Und dann muss es einem in solcher Lage immer wieder geschehen, dass plötzlich das Herz die Fülle des zuströmenden Lebens und Glückes nicht mehr zu fassen vermag. Es gab und gibt die Stunden, in denen man getröstet ist und innerlich gehoben, in denen man die Sachlage genauso real und aussichtslos sieht wie sonst und doch nicht gram wird darüber, sondern es wirklich fertig bringt, das Ganze dem Herrn zu überlassen. Und das ist nun das entscheidende Wort. Die Freude im Menschenleben hat mit Gott zu tun.

Die Kreatur kann dem Menschen in vielerlei Gestalt Freude bringen oder Anlass zu Freude und Freuden sein; aber ob dies echt gelingt, das hängt davon ab, ob der Mensch der Freude noch fähig und kundig ist. … Wie müssen wir leben, um der wahren Freude fähig zu sein oder zu werden? Die Frage muss uns heute mehr als sonst beschäftigen. Der Mensch soll seine Freude so ernst nehmen, wie er sich selbst nimmt. Und er soll es sich und seinem Herzen und seinem Herrgott glauben, auch in der Nacht und in der Not, dass er für die Freude geschaffen ist. Das heißt aber: für ein erfülltes Leben, das um seinen Sinn weiß, das seiner Fähigkeiten sicher ist, das sich auf dem rechten Weg weiß zu seiner Vollendung und im Bündnis mit allen guten Geistern und Kräften Gottes.“

Confirma!

 

AC2_Confirma

Festige das, o Gott, was du in uns gewirkt hast, von deinem heiligen Tempel aus, der in Jerusalem ist.

Dieser Vers aus Psalm 68 (Ps 68,29f.) kam mir beim Betrachten des Wortes aus dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper in den Sinn:

Ich vertraue darauf, dass er, der bei euch das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird bis zum Tag Christi Jesu. (Phil 1,6)

Gott hat sein Werk in der Gemeinde begonnen. Der Glaube ist nicht Menschenwerk, sondern ein Geschenk Gottes. Er ist eine Ehre, die durch die Verkündigung des Evangeliums allen Menschen zu Teil werden soll. Glaube ist keine lästige Pflicht, keine zusätzliche Belastung für unser Leben, sondern Gottes Werk an uns, der seine Heiligkeit an uns vollenden will zu unserer Freude und zu unserem Heil.

Wie weit weicht die Einstellung vieler Menschen zum Glauben von dieser Aussage ab. Glaube wird als lästige Pflicht gesehen, derer sich viele entledigt haben. Vielleicht hat die Kirche hier selbst in ihrer Verkündigung etwas falsch gemacht. Gebote und Moral wurden den Menschen oft als Ziel vor Augen gestellt, das mit viel Mühe erreicht werden soll. Aber Gebote und Moral sind nicht Selbstzweck, sondern Weg zu einem Ziel, das viel größer und schöner ist, als wir es uns erdenken können.

Glaube führt uns auf den Weg der Heiligkeit, dessen Ziel unsere Vollendung ist. Wir reden heute viel von Selbstverwirklichung. Gerade das ist es, was Gott in uns wirken will, dass jeder Mensch voll und ganz zu dem wird, was in ihm steckt. Gott handelt an uns wie ein Künstler, der aus einem unförmigen Stück Holz oder Stein ein wundervolles Kunstwerk schafft. An uns liegt es, all die Teile abzugeben, die der Künstler aus uns herausschlägt. Das Bild, das Gott von uns schafft, ist schon in uns, aber es ist verdeckt. Wir halten so vieles von dem fest, was unser Bild verdeckt, so dass es nicht zur Geltung kommen kann. Lassen wir Gott an uns wirken. Lassen wir uns von ihm „bearbeiten“. Gott verunstaltet uns nicht, sondern holt das Beste aus uns heraus.

Gott ist es, der in uns wirkt. Glaube ist ein Geschenk. Wir dürfen glauben, wir dürfen Gott an uns wirken lassen. Er macht uns heilig, macht uns strahlend schön. Vertrauen wir uns ihm an!

Zweiter Advent

AC2_Liebe

Liebe kann wachsen. Es gibt ein mehr und weniger in der Liebe. Liebe wird auch in Verbindung gebracht mit Einsicht und Verständnis. Ich kann nur das wirklich verstehen, was ich auch liebe. Die Liebe treibt dazu, tiefer zu gehen. Die Liebe führt dazu, dass mich jemand oder etwas erst wirklich interessiert. Durch die Liebe holen wir Personen und Geschehnisse an uns heran, in uns hinein, wir verbinden uns mit dem Schicksal anderer und lernen größere Zusammenhänge zu verstehen. Ich kann etwas aus reinem Pflichtgefühl tun, auch das ist sicher oft notwendig, aber ich kann etwas auch aus Liebe tun. Erst, wenn etwas aus Liebe geschieht, wird es zu einer erfüllten und sinnstiftenden Handlung.

Fragen wir uns einmal ganz ehrlich, wen und was liebe ich? Wohin geht meine Sehnsucht?

Die Liebe weist uns den Weg. Lernen wir, auf unser Herz zu hören. Dann finden wir den Weg zu der Vollendung, die Paulus des Philippern wünscht. Dann können wir verstehen und beurteilen, worauf es ankommt, können uns richtig entscheiden und so gerecht handeln. Das ist keine Eigenschaft, die man mal hat und mal nicht, sondern dieses Verstehen, wenn es einmal erlangt ist, geht in Fleisch und Blut über. Es ist ein Geschenk, das wir nur mit Liebe ersehnen können.

Ein Weg, in der Liebe zu Gott zu wachsen, ist seine Nähe zu suchen. Gottes Nähe finden wir im Gebet und im Betrachten der heiligen Schrift. Mutter Theresa hat einmal gesagt:

„Aus dem Gebet wächst der Glaube, aus dem Glauben wächst die Liebe, aus der Liebe wächst der Dienst.“

Wer beten lernt, macht die Erfahrung, dass wir auf einem tragfähigen Grund, dass wir in einer lebendigen Beziehung stehen. Das ist Glaube. Gott hört auf, ein ferner Bezugspunkt zu sein, er wird zum Partner, wird Gegenüber, Hörender und Rufender. Gott wird erfahren als der, der schon immer Ja zu mir gesagt hat, der Ja sagt zum Menschen, zu jedem einzelnen. Diese Erfahrung der Geborgenheit in Gott lässt mich auf seine Liebe mit meinem Ja antworten. Auf meinem liebenden Weg mit Gott erfahre ich ihn immer tiefer. Diese innere Erfahrung der Liebe Gottes lässt mich nach außen gehen, auf meine Mitmenschen und die Dinge um mich herum zu. Ich kann ihnen nicht anders begegnen als in Liebe, weil ich mich von Gott unendlich geliebt weiß.

Herr, schenke mir die Erfahrung deiner unendlichen Liebe.

Schenke mir die Fähigkeit, zu lieben.

Lass mich lieben ohne Vorbehalte.

Lass mich in der Liebe wachsen

und mach mich so immer mehr zu deinem Bild

zu dem du mich geschaffen hast.

Amen.