Paulus auf dem Areopag

Bei seiner 2. Missionsreise kommt Paulus auf seinem Weg durch Griechenland auch nach Athen. Diese Stadt hatte damals ihre politische Bedeutung verloren, die sie einst als mächtiger griechischer Stadtstaat gehabt hatte. Dennoch lebte ihr Ruhm als Stadt der Philosophen weiter und das Erbe der großen Philosophen wie Aristoteles, Platon und Epikur wurde hier weiter gepflegt. Doch trotz der differenzierten philosophischen Weltanschauung war auch der traditionelle Götterglaube in Athen fest verwurzelt und überall standen die Statuen dieser Götter. Griechische Bildhauerei war in der Antike berühmt, griechische Statuen besonders auch in Rom begehrt und noch heute können wir in vielen Museen solche antiken Statuen bewundern. Für Paulus aber waren sie keine wertvollen Kunstwerke, sondern erregten vor allem seinen Zorn. Wie viele Juden hatte er eine tiefe Verachtung gegenüber der heidnischen Vielgötterei.

Auch in Athen beginnt Paulus sogleich von seinem Glauben an Jesus Christus zu erzählen. Hier sind es aber nicht wie in vielen anderen Städten die Juden, mit denen er über die Auslegung der Heiligen Schriften und deren Deutung auf Jesus Christus hin diskutiert, sondern die Mitglieder der Philosophenschulen. Diese werden bald auf den fremden Wanderprediger aufmerksam und wollen mehr über seine Lehre erfahren. Sie laden Paulus ein, auf dem Areopag, dem altehrwürdigen Versammlungsort Athens, eine Rede zu halten.

Sicher war das damals eine besondere Ehre und es zeigt, dass Paulus als ernstzunehmender Diskussionspartner wahrgenommen wurde. Für Paulus war eine solche Rede aber weit schwieriger als die Predigt unter Juden und Gottesfürchtigen, bei denen er mit der Heiligen Schrift argumentieren konnte, die er in und auswendig kannte. Wahrscheinlich hatte Paulus in seiner Erziehung aber auch die Grundzüge griechischer Philosophie gelernt und genau dieses Wissen baut er nun geschickt in seine Rede ein.

Doch obwohl Paulus seine Rede mit einem Lob der Athener als besonders fromme Menschen beginnt und auf dem Höhepunkt seiner Rede sogar einen Philosophen wörtlich zitiert – was sicher bei seinen Zuhörern Eindruck machte – lehnen die meisten Athener seine Lehre ab. Zu stolz sind sie auf das Erbe ihrer großen Philosophen und zu fremdartig erscheint ihnen das, was Paulus sagt. Auferstehung passt in keines der philosophischen Konzepte und ein Erlöser aus dem unbedeutenden Judäa war auch nicht gerade attraktiv.

Es wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn sich die Schüler der Philosophen so schnell für den christlichen Glauben entschieden hätten. Die Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie prägt die ersten Jahrhunderte des Christentums. Und selbst als im 6. Jahrhundert unter Kaiser Justinian die letzte Philosophenschule in Athen geschlossen wurde, lebte die Lehre der Philosophen noch weiter fort. Gerade Platon und Aristoteles spielen bis heute eine bedeutende Rolle in der Theologie.

Während die Götter Griechenlands verschwunden sind, besteht die Kunst philosophischen Denkens bis heute fort und es ist gut, wenn sich Philosophie und Theologie gegenseitig ergänzen, denn in beiden Wissenschaften geht es ja um das Wahre, Schöne und Gute und um die rechte Lebensweise. Der Erfolg des Paulus war zwar nicht direkt offensichtlich, nur wenige Anhänger findet er in Athen, aber er stößt eine Entwicklung an, die bis heute von großer Bedeutung ist.

Er verkündete Christus

Philippus aber kam in die Hauptstadt Samariens hinab und verkündete dort Christus. (Apg 8,5)

Dieser Satz aus der Apostelgeschichte erscheint zunächst unscheinbar, aber es lohnt sich, länger bei ihm zu verweilen. Lukas hat zuvor berichtet vom Pfingstfest, von der Urgemeinde in Jerusalem, von der Verfolgung durch Saulus und den Tod des ersten Märtyrers Stephanus. Genau wie Stephanus gehört auch Philippus zu den sieben Diakonen (Apg 6,1-7), die von der Urgemeinde ausgewählt wurden. Philippus nahm unter ihnen den zweiten Platz nach Stephanus ein.

Während die Apostel in Jerusalem blieben, begleiteten die Diakone die durch die Verfolgung zerstreute Gemeinde. Samarien lag in direkter Nachbarschaft zu Judäa und war somit der nächstgelegene Fluchtpunkt für die Verfolgten. Vor allem hatten die Anführer der Juden dort keinen Einfluss, denn es galt als entwürdigend für einen Juden, mit den Samaritern zu verkehren und ihr Gebiet zu betreten. Auch in den Evangelien ist der Streit zwischen Juden und Samaritern ein Thema und Jesus lehrt seine Jünger, dass die Samariter ebenso Kinder Gottes sind wie die Juden. Die Begegnung mit der Samariterin am Jakobsbrunnen und das Gleichnis vom barmherzigen Samariter sind zwei Beispiele, wie Jesus die Ausgrenzung der Samariter durchbricht.

Jesus hat also bereits den Grund dafür gelegt, dass das Evangelium in Samarien verkündet werden kann. Die Bewohner Samariens sind die ersten Fremden, zu denen die junge Kirche kommt. Vielleicht erinnern sich manche von ihnen noch daran, wie Jesus durch ihr Gebiet gezogen ist und hören nun voller Staunen, was Philippus über diesen Wanderprediger erzählt, dass er in Jerusalem hingerichtet wurde, nach drei Tagen aber auferstanden ist.

Philippus verkündet Christus. Er verkündet das Wesentliche. Er spricht von der Person, auf die allein es im Christentum ankommt. Er spricht von Christus, von der Erlösung, die er durch seinen Tod und seine Auferstehung bewirkt hat, das neue Leben, das alle erwartet, die an ihn glauben. Und er macht das Reich Gottes erfahrbar, indem er ebenso wie Christus heilt und Dämonen austreibt.

Philippus tritt auf wie Christus. Er hat nichts anderes zu sagen, als das, was Jesus kurze Zeit davor gepredigt hat. Er tut, was Christus getan hat. In seinen Boten wird Christus erfahrbar und durch die Boten Christi erfährt jeder Gläubige das Wirken Christi selbst. So geht Glaube. Glaube bedeutet nichts anderes, als Christus erfahren. So ging Glaube damals und so geht Glaube heute.

Es ist eigentlich ganz einfach. In diesem einen Satz ist alles zusammengefasst. Er verkündet Christus. Christus lebt, Christus rettet, Christus heilt. Er ist auferstanden, in ihm ist das Leben. Als der Auferstandene ist er in seiner Kirche immer gegenwärtig. Sein Wirken bleibt allezeit erfahrbar. Das muss auch unsere Verkündigung heute sein. Nichts wissen, außer Christus, nichts tun, außer das, was Christus getan hat. Das ist alles und wenn wir so Christus die Ehre geben, wird sein Heil auch heute gegenwärtig und erfahrbar.

Priska und Aquila

Hierauf verließ Paulus Athen und ging nach Korinth. Dort traf er einen aus Pontus stammenden Juden namens Aquila, der vor Kurzem aus Italien gekommen war, und dessen Frau Priscilla. Claudius hatte nämlich angeordnet, dass alle Juden Rom verlassen müssten. Diesen beiden schloss er sich an, und da sie das gleiche Handwerk betrieben, blieb er bei ihnen und arbeitete dort. Sie waren Zeltmacher von Beruf. (Apg 18,1-3)

Auf seiner zweiten Missionsreise kommt Paulus nach seiner Mission in Athen nach Korinth. Diese blühende Stadt, mit Einwohnern aus allen bekannten Völkern mit ihren verschiedenen Religionen, bot ein breites Missionsfeld. Zunächst sucht Paulus, wie in anderen Städten auch, die jüdische Gemeinde auf. Dort begegnet er Aquila und dessen Frau Priszilla (oder Priska), die ihn bei seiner weiteren Missionstätigkeit unterstützen werden.
Aquila und Priska/Priszilla sind griechisch-römische Namen, Aquila bedeutet Adler, Priszilla ist die Verkleinerungsform von Priska, “die Ehrwürdige”. In den Paulusbriefen finden wir den Namen Priska, während Lukas in der Apostelgeschichte den Namen Priszilla verwendet. Oft wird Priska vor ihrem Mann Aquila genannt, was möglicherweise darauf hinweist, dass Priska eine bedeutendere Stellung hatte als ihr Mann. Ein schickliches “ladies first” wie heutzutage kannte man in der patriarchalisch ausgerichteten Gesellschaft der Antike nicht. Auf jeden Fall wird die große Wertschätzung des Apostels für das Ehepaar deutlich und deren wichtige Bedeutung für das Missionswerk des Paulus.
Priska und Aquila waren Juden. Aquila kam ursprünglich aus Pontus an der Südküste des Schwarzen Meeres, während Priska wahrscheinlich aus Rom stammte. Die beiden lebten als Ehepaar zusammen in Rom und sind höchstwahrscheinlich bereits dort zu Christen geworden. Wann die christliche Gemeinde in Rom genau entstanden ist und wer dort als erstes missioniert hat, wissen wir nicht mit Sicherheit. Paulus schreibt seinen Römerbrief bereits an eine christliche Gemeinde in Rom, um dieser vor seinem Besuch seine Lehre darzulegen. Wahrscheinlich ist die Gemeinde auch noch vor der Ankunft des Petrus entstanden, der ja bekanntlich in Rom gewirkt hat und dort das Martyrium erlitten hat. Bei der vielfältigen Reisetätigkeit im Römischen Reich und bei der Bedeutung Roms als Mittelpunkt des Reiches ist es nicht verwunderlich, wenn bereits kurze Zeit nach Jesu Tod Menschen aus Judäa oder Syrien nach Rom gekommen sind, die Jesus und die Urkirche kannten und den Glauben in Rom verkündet haben.
In Rom war es dann auch zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Judenchristen gekommen, die den Kaiser Claudius im Jahr 49 dazu veranlasst haben, die Unruhestifter aus der Stadt zu weisen. Der römische Geschichtsschreiber Sueton berichtet in seiner Vita der römischen Kaiser, dass Claudius die Juden aus Rom verwiesen hat, weil “sie wegen eines gewissen Chrestus Unruhen anzettelten.” (Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit.)
So mussten auch Priska und Aquila Rom verlassen und kamen nach Korinth, wo sie Paulus begegnet sind. Zufälligerweise übten sie das gleiche Handwerk aus wie dieser. Sie waren Zelttuchmacher, ein wie die meisten Handwerksberufe im Römischen Reich nicht sehr angesehener, dafür aber sehr anstrengender Beruf. Zelttücher brauchte man nicht nur für Zelte, wie sie unter anderem das Militär benutzte, sondern auch als Sonnenschutz für Marktstände oder Theater und Arenen. Paulus arbeitete mit den beiden zusammen. Er wird später im Ersten Korintherbrief (1Kor 4,12 und 9,15) darauf hinweisen, dass er sich in Korinth seinen Lebensunterhalt eigenhändig verdient hat, und nicht wie es manch andere Missionare tun und wie es einem Missionar auch zustehen würde, auf Kosten der Gemeinde gelebt hat.
Doch bald nachdem seine Mitarbeiter Silas und Timotheus eingetroffen sind, widmet sich Paulus ganz der Mission und wohnt nun im Haus eines gottesfürchtigen – das bedeutet dem Judentum nahestehenden – Heiden. Wegen entstehender Unruhen unter den Juden grenzt Paulus sich nun mehr und mehr von der Synagoge ab und wendet sich an die Heiden, was aber zu erneutem Streit mit den Juden führt, vor allem weil sich auch weiterhin Juden zum Christentum bekehrten und sich taufen lassen.

Paulus blieb noch längere Zeit. Dann verabschiedete er sich von den Brüdern und segelte zusammen mit Priscilla und Aquila nach Syrien ab. In Kenchreä hatte er sich aufgrund eines Gelübdes den Kopf kahl scheren lassen. Sie gelangten nach Ephesus. Dort trennte er sich von den beiden; er selbst ging in die Synagoge und redete zu den Juden. (Apg 18,18-19)

Bei seiner Abreise aus Korinth nimmt Paulus das Ehepaar Priska und Aquila mit nach Ephesus. Von einer Mission des Paulus in dieser Stadt erfahren wir zu diesem Zeitpunkt wenig. Lediglich in der Synagoge hat Paulus gepredigt, wollte aber nicht länger in Ephesus verweilen, denn er hatte es eilig, nach Jerusalem zu kommen, das er auf dem Seeweg über Cäsarea erreichte. Lukas berichtet nicht weiter über den Jerusalemaufenthalt des Paulus. So schnell wie er dort angekommen ist, scheint er nach dem Bericht des Lukas die Stadt auch wieder verlassen zu haben. Nun wandert Paulus auf dem bereits vertrauten Weg von Antiochia durch das galatische Land und auf der alten Königsstraße weiter nach Ephesus.

Während der Jerusalemreise des Paulus sind Priska und Aquila in Ephesus geblieben. Lukas berichtet nichts genaues, aber wahrscheinlich haben sie während der Abwesenheit des Paulus dort missioniert. Sie begegnen in Ephesus einem aus der ägyptischen Metropole Alexandria stammenden Juden namens Apollos. Dieser war ähnlich wie Paulus als Missionar tätig. Paulus erwähnt ihn in seinen Briefen und es wird deutlich, dass die beiden nicht immer einer Meinung waren und Paulus darum bemüht war, sein Missionsfeld von dem des Apollos klar abzugrenzen.
Zunächst aber benötigt Apollos noch eine tiefere Unterweisung im Glauben an Jesus Christus. Wir wissen nicht, von wem er zuerst die christliche Botschaft gehört hat. Jedenfalls kannte er zu diesem Zeitpunkt nur die Johannestaufe und nicht die Taufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Ein Jude namens Apollos kam nach Ephesus. Er stammte aus Alexandria, war redekundig und in der Schrift bewandert. Er war unterwiesen im Weg des Herrn. Er sprach mit glühendem Geist und trug die Lehre von Jesus genau vor; doch kannte er nur die Taufe des Johannes. Er begann, mit Freimut in der Synagoge zu sprechen. Priscilla und Aquila hörten ihn, nahmen ihn zu sich und legten ihm den Weg Gottes noch genauer dar. Als er nach Achaia gehen wollte, schrieben die Brüder den Jüngern und ermunterten sie, ihn aufzunehmen. Nach seiner Ankunft wurde er den Gläubigen durch die Gnade eine große Hilfe. Denn mit Nachdruck widerlegte er die Juden, indem er öffentlich aus der Schrift nachwies, dass Jesus der Christus sei. (Apg 18,24-28)

Priska und Aquila leisten einen bedeutenden Beitrag zur Vertiefung des Glaubens. Und es wird nicht nur Apollos gewesen sein, den sie unterrichtet haben, sondern auch viele andere. Ihre Spur verliert sich hier in der Apostelgeschichte. Für Paulus bleiben sie weiterhin wichtige Mitarbeiter bei seinem Missionswerk. Wahrscheinlich sind sie im Jahr 54 nach dem Tod des Kaisers Claudius, wie viele andere Juden wieder nach Rom zurückgekehrt. Als Paulus um das Jahr 56/57 von Korinth aus seinen Brief an die Römer schreibt, sind Priska und Aquila ein wichtiger Bezugspunkt zur Gemeinde dieser Stadt, in der das Ehepaar mittlerweile eine Schlüsselposition eingenommen hat. Paulus schreibt am Schluss dieses Briefes:

Grüßt Prisca und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die für mein Leben ihren eigenen Kopf hingehalten haben; nicht allein ich, sondern alle Gemeinden der Heiden sind ihnen dankbar. Grüßt auch die Gemeinde, die sich in ihrem Haus versammelt! Grüßt meinen lieben Epänetus, der die Erstlingsgabe der Provinz Asien für Christus ist! Grüßt Maria, die für euch viel Mühe auf sich genommen hat! Grüßt Andronikus und Junia, die zu meinem Volk gehören und mit mir zusammen im Gefängnis waren; sie ragen heraus unter den Aposteln und haben sich schon vor mir zu Christus bekannt. (Röm 16,3-7)

Priska und Aquila hatten in Rom eine Hausgemeinde, in der sich ein wichtiger Teil der Christen Roms versammelt hat. Sie konnten den Römern von Paulus berichten. Was sie genau für Paulus getan haben, als sie für sein Leben ihren Kopf hingehalten haben, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Aber allein schon die Tatsache, dass die beiden bereit waren, für den Völkerapostel ihr eigenes Leben hinzugeben, zeigt die enge Beziehung dieses Ehepaares zu Paulus. Interessant ist, dass Paulus mit Andronikus und Junia noch ein weiteres Ehepaar erwähnt, dass ihm sehr nahe steht und das gemeinsam für die Verkündigung des Glaubens eine so große Bedeutung hatte, dass Paulus sogar sagt, dass sie unter den Aposteln herausragen. Da sie bereits vor Paulus zu Christen geworden sind, müssen sie sich bald nach Jesu Tod in Jerusalem oder Judäa den ersten Christen angeschlossen haben. Möglicherweise gehören sie auch zu den ersten Christen, die nach Rom gekommen sind.
Eine weitere Erwähnung von Priska und Aquila findet sich im Ersten Korintherbrief, den Paulus um das Jahr 54/55 schrieb, als er sich zusammen mit Priska und Aquila in Ephesus aufgehalten hat. Priska und Aquila lassen durch diesen Brief ihre Grüße nach Korinth übermitteln. Hier sehen wir, dass die beiden in Ephesus ebenso wie später in Rom eine Hausgemeinde hatten und somit für die Mission in Ephesus eine entscheidende Bedeutung hatten.

Es grüßen euch die Gemeinden in der Provinz Asien. Aquila und Prisca und ihre Hausgemeinde senden euch viele Grüße im Herrn. Es grüßen euch alle Brüder. Grüßt einander mit dem heiligen Kuss! (1Kor 16,19-20)

Eine weitere Erwähnung finden Priska und Aquila im Zweiten Brief an Timotheus. Die Stelle ist sehr interessant, weil uns hier viele bekannte Namen begegnen:

Lukas ist als Einziger bei mir. Nimm Markus und bring ihn mit; denn er ist für mich nützlich zum Dienst. Tychikus habe ich nach Ephesus geschickt. Wenn du kommst, bring den Mantel mit, den ich in Troas bei Karpus gelassen habe, auch die Bücher, vor allem die Pergamente! Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses getan; der Herr wird ihm vergelten, wie es seine Taten verdienen. Nimm auch du dich vor ihm in Acht, denn er hat sich unseren Worten heftig widersetzt!
Bei meiner ersten Verteidigung ist niemand für mich eingetreten; alle haben mich im Stich gelassen. Möge es ihnen nicht angerechnet werden. Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Völker sie hören; und so wurde ich dem Rachen des Löwen entrissen. Der Herr wird mich allem bösen Treiben entreißen und retten in sein himmlisches Reich. Ihm sei die Ehre in alle Ewigkeit. Amen.
Grüße Prisca und Aquila und das Haus des Onesiphorus! (2Tim 4,11-19)

Wir begegnen hier Lukas und Markus, bei denen es sich wahrscheinlich um die beiden Evangelisten handelt und deren enge Verbindung zu Paulus hier deutlich wird. Der Brief spielt an die Situation der Mission in Ephesus an, die wir aus der Apostelgeschichte Kapitel 19 kennen. Unter Juden und Heiden kann Paulus in dieser Stadt viele Menschen für den Glauben an Jesus Christus gewinnen. Die christliche Gemeinde ist bereits so groß, dass die zahlreichen Silberschmiede, die ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Andenken der großen Artemis von Ephesus verdienen, um ihr Geschäft fürchten. Der Artemis-Tempel in Ephesus zählte zu den Weltwundern der Antike und wurde jedes Jahr von unzähligen Menschen besucht. Die Silberschmiede zetteln einen ungeheuren Tumult an, der die Stadtältesten sogar eine Intervention römischer Truppen fürchten lässt. Paulus kommt mit einem blauen Auge davon, macht sich aber schnell auf, die Stadt zu verlassen. Priska und Aquila setzen zusammen mit Timotheus, Onesiphorus und anderen die Mission in Ephesus fort.
Wenn wir die Anzahl der Nennungen von Priska und Aquila mit denen anderer Personen im Neuen Testament vergleichen, so wird deutlich, welch große Bedeutung diesem Ehepaar in der Verkündigung des Glaubens in der Frühzeit des Christentums zukommt. Zwar stehen sie stets im Schatten des Paulus, aber es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn wir sagen, dass sie in den Städten Korinth, Ephesus und Rom nachhaltiger für die Festigung des Glaubens gesorgt haben, als der Apostel Paulus selbst. Paulus hat die Menschen begeistert, hat mit seinen Briefen den Gemeinden eine ausführliche Darlegung des Glaubens und eine Anweisung zum christlichen Leben hinterlassen. Aber Glaube wird vor allem da lebendig, wo sich Menschen Sonntag für Sonntag im Namen Jesu versammeln.
Paulus war eine bedeutende Persönlichkeit und hat die Menschen beeindruckt. Aber er hatte kaum Zeit für den Einzelnen und war ständig unterwegs. Kaum hatte er in einer Stadt Fuß gefasst, musste er weiter ziehen. Priska und Aquila blieben. Zunächst in Ephesus und später in Rom haben sich die Christen in ihrem Haus versammelt. Hier hat man zusammen Eucharistie gefeiert und sich danach zur Agape getroffen, bei der sich die Einzelnen über ihre Erfahrungen mit dem Glauben ausgetauscht haben, und einander davon erzählten, welche Bedeutung Jesus Christus für ihr Leben hat, wo man auch über die Sorgen und Nöte des Alltags sprach und darüber, welche Lösungen man gemeinsam als Christen finden konnte.

Priska und Aquila sind Vorbilder dafür, wie Glauben lebendig wird. Auch in unseren Gemeinden brauchen wir solche Menschen. Gemeinde lebt davon, dass sich die Menschen neben der Eucharistie auch zum gegenseitigen Austausch treffen, dass die Christen wieder lernen, über ihren Glauben zu sprechen, dass jemand da ist, der von seinem Glauben an Jesus Christus erzählt, nicht nur der Priester in der Predigt, sondern Menschen, die einander davon erzählen, was Jesus Christus für sie und ihr Leben bedeutet.

Erfahrung der Auferstehung im gemeinsamen Mahl

In jenen Tagen begann Petrus zu reden und sagte: Ihr wisst, was im ganzen Land der Juden geschehen ist, angefangen in Galiläa, nach der Taufe, die Johannes verkündet hat: wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm. Und wir sind Zeugen für alles, was er im Land der Juden und in Jerusalem getan hat. (Apg 10,37-39a)

Petrus hält bei der Taufe des Kornelius eine kurze Katechese vor den in dessen Haus versammelten Menschen. Kornelius ist der erste Heide, der in die Kirche aufgenommen wird, und deshalb schildert Lukas in der Apostelgeschichte diese Begebenheit sehr ausführlich.
Zunächst weist Petrus auf das Auftreten Jesu in Galiläa hin, das den Zuhörern vertraut ist. Auch wir wissen davon durch die Evangelien. Das Auftreten Jesu begann mit der Taufe durch Johannes, danach zog Jesus im Land umher und tat den Menschen Gutes und befreite sie aus der Macht des Bösen. Petrus und die anderen Apostel sind Zeugen dafür, dass die Überlieferungen über Jesus wahr sind. Dann zog Jesus mit seinen Jüngern schließlich weiter nach Judäa und Jerusalem, wo er getötet wurde.

Ihn haben sie an den Pfahl gehängt und getötet. (Apg 10,39b)

Mit diesen knappen Worten beschreibt Petrus die Passion Jesu, um dann ausführlicher auf das zu sprechen zu kommen, was die feste Grundlage christlichen Glaubens ist:

Gott aber hat ihn am dritten Tag auferweckt und hat ihn erscheinen lassen, zwar nicht dem ganzen Volk, wohl aber den von Gott vorherbestimmten Zeugen: uns, die wir mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken haben. (Apg 10,40-41)

Die Katechese des Petrus ist knapp und darum sind die einzelnen Worte sehr bedeutsam. Gott hat Jesus am dritten Tag auferweckt. Das ist für Petrus eine unumstößliche Tatsache und dafür ist er selbst Zeuge. Hierbei sind die Erscheinungen des Auferstandenen das wichtigste Argument und vor allem auch die Tatsache, dass Jesus nach seiner Auferstehung mit den Jüngern gegessen und getrunken hat.
Dass hier in Verbindung mit der Auferstehung gerade von Essen und Trinken die Rede ist und dies die Hälfte des kurzen Zeugnisses über die Auferstehung umfasst, sollte uns, wenn wir den Text aufmerksam lesen, stutzig machen. Wenn wir dann die Auferstehungsberichte im Lukasevangelium genau lesen, so sehen wir, dass auch hier das Essen mit dem Auferstandenen wichtig ist. Bei Matthäus und Markus erfahren wir davon nichts, nur im Anhang des Johannesevangeliums wird noch davon berichtet, dass der Auferstandene bei seiner Erscheinung am See von Tiberias den Jüngern Fisch und Brot zu essen gab.
Für Lukas ist das gemeinsame Essen mit dem Auferstandenen ein besonderes Zeichen für die Realität der Auferstehung. Bereits in seinem irdischen Wirken war es Jesus wichtig, die Gemeinschaft mit ihm im gemeinsamen Mahl erfahrbar zu machen. Das trug ihm manchmal den Spott seiner Gegner ein, die ihn einen “Fresser und Säufer” nannten. Im Johannesevangelium wirkt Jesus sein erstes Wunder bei einer Hochzeit, auf der er Wasser in Wein verwandelt. Er pflegt Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern und an die Menge, die ihm den ganzen Tag zugehört hat, verteilt er am Abend Fisch und Brot.
Das bedeutendste Essen Jesu ist das letzte Abendmahl mit seinen Jüngern. Brot und Wein sind fortan das Zeichen, in dem sich seine Gegenwart in der Welt zeigt. Am Brechen des Brotes erkennen die Emmausjünger den Auferstandenen. Christlicher Gottesdienst ist Eucharistie, Danksagung, ein gemeinsames Mahl mit dem Herrn. Früher schloss sich an das liturgische Mahl auch ein gemeinsames Essen an, wie wir es heute noch von dem Agapemahl nach der Osternacht kennen. Aber vielleicht könnten unsere Gemeinden heute wieder mehr zusammenwachsen und lebendiger werden, wenn wir uns nach der Sonntagsmesse zu einem gemeinsamen Essen treffen wie es in manchen Gemeinden auch praktiziert wird.
Der Auferstandene ist beim gemeinsamen Mahl mitten unter seinen Jüngern gegenwärtig. Sie erfahren seine Nähe wie zu der Zeit, als er noch mit ihnen umhergezogen ist. Jesus ist überall dort lebendig, wo – wie er selbst sagt – “zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind”. Im gemeinsamen Gespräch tun sich neue Horizonte auf, finden sich Lösungen und Antworten, auf die man beim einsamen Nachdenken nicht gekommen wäre. Jesus wirkt durch seinen Geist beim Gespräch während des gemeinsamen Mahles. Vielleicht ist diese Art der Gemeinschaft effektiver als manche Vorträge und Sitzungen, die oft sehr steif verlaufen.
Feiern wir die Gemeinschaft mit dem Auferstandenen auch in der lockeren Atmosphäre eines gemütlichen Beisammenseins. Machen wir uns bewusst, dass Jesus unter uns ist, wenn wir zusammen sind, nicht nur in der Kirche, sondern überall wo es Gemeinschaft gibt. Lassen wir uns davon überraschen, was der Geist den einzelnen Teilnehmern eingibt. Auch so wird Auferstehung erfahrbar.

Herr, komm du in unsere Mitte,
wo wir als Menschen zusammen kommen.
Lass uns dich nie vergessen,
wenn wir uns zu Tisch setzen
und wenn wir beieinander sind.
Wie du als der Auferstandene
einst deine Jünger überrascht hast
so überrasche auch uns
mit deiner Gegenwart.
Lass und seine lebendige Nähe erfahren
und aus dieser Erfahrung heraus leben.
Amen.

Taufe des Herrn

Da begann Petrus zu reden und sagte: Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist. Er hat das Wort den Israeliten gesandt, indem er den Frieden verkündete durch Jesus Christus; dieser ist der Herr aller. (Apg 10,34-36)

Die kurze Predigt des Apostels Petrus, die uns die Apostelgeschichte hier überliefert, findet anlässlich der Taufe des Hauptmanns Kornelius statt. Dieser gehört zu den ersten Heiden, die überhaupt die Taufe empfangen. Daher wird dieses Ereignis in der Apostelgeschichte auch entsprechend entfaltet.

Kornelius war ein Gottesfürchtiger, das bedeutet, dass er der Religion der Juden nahestand. Da aber das Judentum eine Religion ist, die zugleich an die Volkszugehörigkeit gebunden ist, kann man vollwertiger Jude nur durch Geburt werden. So fromm und gesetzestreu Kornelius also auch sein mochte, er konnte nie wirklich ein Jude werden. Es war ihm nicht möglich, das Ziel seiner Sehnsucht durch eigene Anstrengung zu erreichen.

Nun aber lebte er glücklicherweise in einer Zeit, zu welcher der Gott Israels einen neuen Weg aufgetan hat, um die Menschen in die Gemeinschaft mit sich zu rufen. Gott ist gerade dabei, sich ein neues Volk zu schaffen, ein Volk, zu dem man nicht mehr durch Geburt Zutritt hat, sondern allein durch den Glauben. Sichtbares Zeichen des Glaubens und zugleich das Eintrittstor in das neue Volk Gottes ist die Taufe.

Gott sieht die Sehnsucht des Kornelius. Er schickt ihm einen Engel, der ihm zeigt, dass er Petrus zu sich kommen lassen soll, der ihm den neuen Weg zu Gott zeigen wird. Bisher haben sich die ersten Christen nur an Juden gewandt. So wie Jesus waren auch die ersten Christen ausnahmslos Juden. “Gott hat das Wort zu den Israeliten gesandt”, heißt es hier. Das Volk Israel war durch die Propheten auf das Kommen des Messias vorbereitet. Mit Jesus Christus wollte Gott ein neues Zeitalter in der Beziehung mit seinem Volk eröffnen.

Doch die Israeliten haben Jesus nicht als Sohn und Gesandten Gottes angenommen, sie haben ihn vielmehr als Gotteslästerer hinrichten lassen. Aber Gott hat ihn auferweckt und damit begann etwas ganz Neues. Aus den ersten Jüngern Jesu entsteht nach der Auferstehung Jesu ein neues Volk Gottes, das sich über die ganze Erde verbreitet hat. Doch zunächst einmal mussten die Jünger Jesu, die ja streng im jüdischen Glauben erzogen waren, ihre Scheu vor den Heiden verlieren.

Nach Gottes Gesetz galten die Heiden als unrein und den Juden war die Gemeinschaft mit ihnen auf göttliches Gebot hin untersagt. Gott selbst also musste zeigen, dass dieses Gebot keine Gültigkeit mehr hat. Jesus selbst hat zwar bereits immer wieder deutlich gemacht, dass er die strengen Reinheitsvorschriften der Juden als hinfällig ansieht, aber dennoch blieb sein Handeln auf das Land Israel und das Volk der Juden begrenzt.

Nun aber öffnet sich die Kirche, das neue Volk Gottes, zu den Heiden. Petrus selbst, den Jesus zum Anführer der Apostel berufen hat, bekommt von Gott den Auftrag zu den Heiden zu gehen. Nun steht allen Menschen, die an Jesus Christus glauben, der Weg zu Gott offen und die Taufe führt jeden Gläubigen in die Gemeinschaft mit Gott. Für Kornelius gibt es nun  einen Weg, das Ziel seiner Sehnsucht zu erlangen und er steht stellvertretend für die vielen Menschen, die sich nach der Gemeinschaft mit Gott sehnen.

Mit dem Wunsch zur Taufe wendet sich zum einen der Gläubige an die Kirche und damit an Gott selbst. Er bekennt: ich glaube an Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, ich glaube an den Gott, der alles geschaffen hat, der die Welt durch seinen Sohn Jesus Christus erlöst hat und der alle Menschen in sein Reich ruft. In der Taufe wird dieser Glaube dann besiegelt, der Mensch wird von seinen Sünden befreit und kann so ein neues Leben beginnen, dessen Mittelpunkt Gott bildet. Und Gott schenkt in der Taufe jedem seinen Heiligen Geist als Beistand.

Wenn auch die meisten von uns bereits als Kinder getauft wurden, sollen wir uns doch stets bewusst machen, welch großes Geschenk die Taufe ist. Durch sie sind wir Kinder Gottes geworden. Gott ist unser liebender Vater, der uns durch unser Leben führen will. Auch wenn wir nicht immer so leben, wie er es von uns will, können wir immer wieder zu ihm zurückkommen in seine liebenden Arme. Durch Gott hat unser Leben einen Sinn, eine Richtung, ein Ziel, und wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott immer bei uns ist und nur eines für uns will, dass wir glücklich werden und ein erfülltes Leben haben.

Judas Barsabbas

Von Judas Barsabbas berichtet uns Lukas in der Apostelgeschichte im Zusammenhang mit dem Apostelkonzil in Jerusalem (Apg 15). Paulus hat auf seiner ersten Missionsreise das Evangelium sowohl Juden als auch Heiden verkündet und dabei von den Heiden nicht die für Juden verpflichtende Bescheidung verlangt. Auch die Befolgung der jüdischen Speisevorschriften und anderer jüdischer Gesetze sah er für Heidenchristen nicht als geboten an. Darüber kam es in nahezu allen Städten, in denen Paulus gepredigt hat, zum Streit mit den Juden.

Schon vor Paulus hat sich Petrus in seiner Verkündigung des Evangeliums bereits an Heiden gewandt. In der Jerusalemer Gemeinde, deren Vorsteher wahrscheinlich Jakobus war, herrschte aber noch eine strengere Beachtung jüdischer Gesetze vor, von der sich Petrus und die anderen Jerusalemer Christen nicht in gleicher Weise lösen konnten wie Paulus. In Jerusalem lebte die Kirche inmitten einer jüdischen Welt, während Paulus sich mit seiner Mission vor allem an Menschen in den multikulturell geprägten Großstädten des Römischen Reiches wandte.

Der Streit um die Befolgung jüdischer Gesetze bedurfte also einer gesamtkirchlichen Lösung. Daher bestellte man Paulus und seine Mitarbeiter nach Jerusalem, um diese Frage dort im Kreis der Apostel und anderer führender Männer der christlichen Gemeinde zu diskutieren. Nachdem Petrus als erster der Apostel das Wort ergriffen hat, dürfen Paulus uns Barnabas ihr Anliegen vortragen und anschließend ergreift Jakobus als Leiter der Jerusalemer Gemeinde das Wort. Auch für ihn ist es unstrittig, dass es Gottes Wille ist, den Heiden das Evangelium zu verkünden. Dabei soll von den Heiden nicht die Beachtung aller jüdischen Gesetze gefordert werden, sondern es genügen einige wenige gemeinsame Regeln:

Darum halte ich es für richtig, den Heiden, die sich zu Gott bekehren, keine Lasten aufzubürden; man weise sie nur an, Verunreinigung durch Götzen(opferfleisch) und Unzucht zu meiden und weder Ersticktes noch Blut zu essen. (Apg 15,19-20)

Der Vorschlag des Jakobus wird einstimmig angenommen, worin die Kirche bis heute das Wirken des Heiligen Geistes sieht, der stets in ihr gegenwärtig ist. Um diese Beschlüsse den Gemeinden außerhalb Jerusalems zu überbringen, werden aus der Jerusalemer Gemeinde zwei Männer ausgewählt, die Paulus und Barnabas begleiten sollen und so die Einheit zwischen der Jerusalemer Gemeinde und den beiden Glaubensboten zeigen sollen.

Da beschlossen die Apostel und die Ältesten zusammen mit der ganzen Gemeinde, Männer aus ihrer Mitte auszuwählen und sie zusammen mit Paulus und Barnabas nach Antiochia zu senden, nämlich Judas, genannt Barsabbas, und Silas, führende Männer unter den Brüdern. (Apg 15,22)

Judas Barsabbas und Silas werden als führende Männer aus der Jerusalemer Christengemeinde vorgestellt. In einem der folgenden Verse werden sie zudem als Propheten charakterisiert. Wahrscheinlich gehörten sie bereits vor Jesu Tod zum Kreis der Jünger Jesu. Silas wird auch an anderen Stellen mehrmals erwähnt. Er hat hier seine Berufung gefunden und sich Paulus angeschlossen und ihn auf seinen Missionsreisen begleitet.

Judas Barsabbas aber wird nur hier erwähnt. Zu Beginn der Apostelgeschichte hören wir von einem anderen Barsabbas, Jusef Barsabbas, der zusammen mit Matthias als Kandidat für die Nachwahl in den Kreis der Zwölf aufgestellt war. Das Los fiel auf Matthias, über Josef Barsabbas erfahren wir nichts mehr. Wir wissen aber aus dieser Episode, dass er von der Taufe Jesu an zum Jüngerkreis gehörte, zudem sagt sein Beiname Justus, der Gerechte, mehr als 1000 Worte über sein Leben aus.

Viele Kommentatoren gehen davon aus, dass Josef und Judas Barsabbas Brüder waren. Ähnlich wie die Brüderpaare Petrus und Andreas und Jakobus und Johannes gehörten sie vielleicht beide auch zu den Jüngern, die Jesus gleich nach seiner Taufe im Jordan berufen hat. Sie stammen also wahrscheinlich auch aus Galiläa, möglicherweise waren sie auch Fischer am See Gennesaret. Jesu Auftreten damals hat also nicht nur auf die in den Evangelien erwähnten Fischer eine große Wirkung ausgeübt. Wir können uns gut vorstellen, dass damals viele Fischer unterwegs waren und eine große Anzahl von ihnen von Jesus begeistert war.

In der Heiligen Schrift stehen nur wenige Menschen im Mittelpunkt. Selbst aus dem Kreis der Zwölf werden nur wenige ausführlich erwähnt und nicht von allen Aposteln wird uns ein Wort überliefert. Noch viel weniger wissen wir über die anderen Jünger, die Jesus nachgefolgt sind, etwa den Kreis der 72. Es sind viele Namenlose, die aber dennoch zu dem Kreis der ersten Zeugen von Jesu Leben und Auferstehung gehören. Aus diesem weiteren Kreis der Jünger Jesu werden dann doch einige namentlich erwähnt. Unter ihnen sind Josef und Judas Barsabbas. Damit ragen sie aus der Schar der Namenlosen heraus, werden für uns greifbar, auch wenn wir sonst nichts weiter über ihr Leben erfahren.

Wenn es schon damals, als der Kreis der Jünger noch klein war, so viele Namenlose gab, wieviel mehr dann erst später, als die Kirche sich immer weiter ausgebreitet hat. So ist es bis heute geblieben. Es gibt einige wenige große Heilige, die in der ganzen Kirche bekannt sind. Doch die Zahl der Heiligen ist viel größer. So viele wirken im kleinen Kreis, sind nur wenigen bekannt und doch haben sie eine nicht zu unterschätzende Wirkung für die ganze Kirche. Die Kirche braucht die großen Heiligen als leuchtende Vorbilder für alle, sie braucht aber genauso die die vielen unscheinbaren Heiligen, die mit ihrem Gebet und ihrem Tun Jesus Christus in ihrer Nähe erfahrbar werden lassen.

Jeder von uns kann ein solcher Heiliger sein. Die Heilige Schrift gibt uns die Anleitung zum Leben. Jeder Mensch hat seine Fähigkeiten und mit diesen kann er an seinem Ort den Willen Gottes verwirklichen. Keiner soll sagen, er sei zu unbedeutend, zu unerfahren, zu schwach. Schon eine kleine gute Tat kann eine große Wirkung haben, ein unscheinbares gutes Wort kann für einen anderen Anlass zur Bekehrung sein. Denken wir nicht zu klein von uns. Seien wir Zeugen des Auferstandenen und bringen wir Gottes Liebe und Gottes Licht in diese Welt.

Sie gaben ihnen folgendes Schreiben mit: Die Apostel und die Ältesten, eure Brüder, grüßen die Brüder aus dem Heidentum in Antiochia, in Syrien und Zilizien. Wir haben gehört, dass einige von uns, denen wir keinen Auftrag erteilt haben, euch mit ihren Reden beunruhigt und eure Gemüter erregt haben. Deshalb haben wir uns geeinigt und beschlossen, Männer auszuwählen und zusammen mit unseren lieben Brüdern Barnabas und Paulus zu euch zu schicken, die beide für den Namen Jesu Christi, unseres Herrn, ihr Leben eingesetzt haben. Wir haben Judas und Silas abgesandt, die euch das Gleiche auch mündlich mitteilen sollen.
Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weitere Last aufzuerlegen als diese notwendigen Dinge: Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktes und Unzucht zu meiden. Wenn ihr euch davor hütet, handelt ihr richtig. Lebt wohl!

Man verabschiedete die Abgesandten und sie zogen hinab nach Antiochia, riefen die Gemeinde zusammen und übergaben ihr den Brief. Die Brüder lasen ihn und freuten sich über die Ermunterung. Judas und Silas, selbst Propheten, sprachen ihnen mit vielen Worten Mut zu und stärkten sie. Nach einiger Zeit wurden sie von den Brüdern in Frieden wieder zu denen entlassen, die sie abgesandt hatten. Paulus aber und Barnabas blieben in Antiochia und lehrten und verkündeten mit vielen anderen das Wort des Herrn. (Apg 15,22-35)

Silas und Judas Barsabbas hatten eine verantwortungsvolle Aufgabe. Sie sollten zusammen mit Paulus und Barnabas nach Antiochien und weiter nach Syrien und Zilizien reisen, um den Gemeinden die Beschlüsse der Apostel zu überbringen. Das Thema war heikel, die Stimmung aufgeheizt. Sicher gab es viele Judenchristen, die ihre Hoffnung darauf gesetzt hatten, dass die Apostel ihnen Recht geben würden, dass auch von Heiden die Beschneidung und die Einhaltung des gesamten jüdischen Gesetzes gefordert werden muss. Wie werden sie reagieren? Sicher gab es Hardliner, die nach diesem Ereignis auf Distanz zur christlichen Gemeinde gegangen sind.

Der Auftrag von Judas und Silas erforderte viel Fingerspitzengefühl. Lukas berichtet nichts von größeren Streitigkeiten nach dem Apostelkonzil, sicher ein Beweis dafür, dass die beiden ihre Aufgabe vorbildlich erfüllt haben. Doch es bleiben auch Unklarheiten. Paulus erwähnt nur im Galaterbrief das Apostelkonzil und auch dort unter einem etwas anderen Blickwinkel. Er hat in seinen Gemeinden oft mit Streitigkeiten zu tun, die im Zusammenhang mit dem jüdischen Gesetz stehen. Wäre es da nicht einfach gewesen, auf die Beschlüsse des Konzils hinzuweisen, und damit jede Diskussion im Keim zu ersticken?

Paulus hat sich seine eigene Argumentation erdacht, um seine Lehre von der gesetzesfreien Verkündigung des Evangeliums zu rechtfertigen. Er zeigt damit, dass es in der Kirche eben nicht allein darauf ankommt, kirchenintern Beschlüsse zu fassen und diese dann umzusetzen. Die kircheninternen Beschlüsse geben die Linie vor, die der Lehre der Apostel gemäß ist. Es erfordert aber die Kreativität der Verkünder vor Ort, diese Lehre auch so zu vermitteln, dass die Menschen sie verstehen können. Die Verkündigung der katholischen Lehre ist also nicht die Rezitation von Beschlüssen des kirchlichen Lehramtes, sondern die sinngemäße Auslegung und Anwendung dieser Lehrsätze vor Ort. Auch wenn wir nichts darüber wissen, wie genau Judas Barsabbas und Silas vor den Gemeinden aufgetreten sind, so scheinen sie doch gerade diese Anwendung der Beschlüsse beispielhaft vermittelt zu haben und so werden sie zu einem Vorbild für alle Verkünder des Evangeliums bis heute.

Herr Jesus Christus, Heiland und Erlöser,
Haupt deiner Kirche.
Du hast uns versprochen, bei uns zu bleiben
alle Tage bis ans Ende der Zeit.
Wir vertrauen auf deine Zusage.
Wir glauben: Du gehst mit uns, auch durch unsere Zeit.

Erfülle deine Kirche mit Wahrheit und mit Frieden
und bewahre sie vor Irrtum.
Reinige sie, wo sie verdorben ist,
richte sie auf, wo Kleinglauben sie niederdrückt.
Gib deiner Kirche, was ihr fehlt,
und heile den Riss, wo immer sie zerteilt und zerstreut ist.

Schenke uns deinen Heiligen Geist,
damit wir die Zeichen der Zeit erkennen.
Er öffne uns die Augen.
Er nehme weg, was uns voneinander trennt.
Er gebe uns Geduld, aufeinander zu hören,
und den Mut, uns auf Neues einzulassen.

Lass uns eine Gemeinschaft
des geschwisterlichen Miteinanders sein.
Lass uns gemeinsam deine Zeugen zu sein
in diesen unruhigen Zeiten.
Miteinander wollen wir Zeichen und Werkzeug
deiner frohen Botschaft sein.

Apg 2,37-47 Kirche beginnt

Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten. Alle wurden von Furcht ergriffen; denn durch die Apostel geschahen viele Wunder und Zeichen. Und alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte. Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Einfalt des Herzens. Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk beliebt. Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten. (Apg 2,42-47)

Nach der Pfingstpredigt des Petrus kommt es zu vielen Bekehrungen. Die junge Kirche wächst. Lukas zeichnet hier ein Idealbild einer christlichen Gemeinde. Ihre Kennzeichen sind das Festhalten an der Lehre der Apostel, die Gemeinschaft, die gemeinsame Feier des Brotbrechens und das Gebet. Das sind bis heute die Grunddimensionen christlichen Lebens. Kirche bedeutet Einheit in der Lehre und der Hierarchie, Eucharistiegemeinschaft und Gottesbeziehung im Gebet.

Leider zeigen diese Punkte auch die großen Wunden des Christentums. Schon von Anfang an gibt es in der Kirche Irrlehrer, die nicht der Lehre der Apostel folgen, es gibt Machtmenschen, die ihre eigene Herrschaft aufbauen wollen, und aus der auf die Apostel gründenden Hierarchie ausbrechen. All dies führt zunächst zu Streit und wenn dieser nicht beigelegt werden kann zu Spaltungen. Aus der einen Kirche sind heute viele christliche Gemeinschaften geworden, die sich teilweise auch feindlich gegenüberstehen. Die gemeinsame Feier des Brotbrechens, der Eucharistie, ist nicht mehr möglich. Viele Christen pflegen auch nicht das Gebet und entfernen sich so immer mehr von der Gemeinschaft mit Gott.

Lukas zeichnet ein Idealbild, das selbst die ersten Christen nicht einhalten konnten, wie Lukas selbst nur wenige Kapitel weiter schildern wird. Eine Blutspur durchzieht die Kirchengeschichte. Aber dennoch ist das Bild, das Lukas zeichnet, kein Luftschloss. Es ist ein Ideal, an dem sich die Kirche immer wieder orientiert hat, das immer wieder Reformen angestoßen hat, ein Ideal, das auch immer wieder einzelne Menschen begeistert hat, die dann versucht haben, zumindest im Kleinen eine solche Gemeinschaft aufzubauen.

Das Ideal der Gütergemeinschaft scheint für die Vielzahl der Christen nicht praktikabel zu sein. Aber in Klöstern und klosterähnlichen Gemeinschaften wird es bis heute praktiziert. Wenn auch unter der Mehrheit der Christen keine Gütergemeinschaft herrscht, so soll es doch eine Solidarität untereinander geben, einen gewissen Ausgleich zwischen denen, die viel haben, und denen, die Mangel leiden, und das weltweit.

Die frühen Christen versammelten sich sowohl im Tempel als auch in den Häusern. Wir können heute sagen, dass Kirche einerseits die große Gemeinschaft der Pfarrei ist, aber Kirche ist auch Hauskirche. Sie braucht kleine Keimzellen, die der großen Gemeinschaft wertvolle Impulse geben.

Ein wesentliches Charakteristikum der Christen ist die Freude am Glauben. Jesus Christus ist für uns gestorben. Wir sind befreit von all unseren Sünden. Jesus ist aber nicht nur gestorben, sondern er ist auferstanden, er lebt, mitten unter der Gemeinschaft der Gläubigen. Die Freude darüber macht sich auch nach außen hin bemerkbar. Die Christen sind befreit von den Sorgen des Alltags, weil sie wissen, dass Gott für sie sorgt. Christen streiten nicht, sie sind liebevoll auch zu Menschen, die außerhalb ihrer Gemeinschaft stehen. Sie stehen auch bei Außenstehenden in hohem Ansehen, weil sie authentisch leben, weil sie das, wovon sie reden, auch tun.

Herr, schenke uns die Freude an dir und die Einheit in dir, dass durch unsere Freude und unseren Einsatz das Böse geringer werde und das Gute sich umso kräftiger erweist.

Lass durch unsere Freude die Traurigkeit schwinden und gib uns die Kraft und den Mut, einander anzunehmen und einander behilflich zu sein. Gib uns offene Hände, die freigebig schenken, und in die du deinen Segen legen kannst.

Lass uns Lösungen finden, damit die Streitigkeiten und Missverständnisse aufhören und die Enttäuschten Mut gewinnen.

Gib uns die Kraft zu heilen, damit die Kranken Trost finden und die Sterbenden deine Erbarmung. Lass und wohnen können auf Erden und die Ernten gerecht verteilen.

Hilf uns, Menschen zu sein, die deinen Frieden mächtig werden lassen, den Frieden im Herzen – rund um die Erde.

Amen.

Wahl des Matthias zum Apostel

In diesen Tagen erhob sich Petrus im Kreis der Brüder – etwa hundertzwanzig waren zusammengekommen – und sagte: … (Apg 1,15)

Petrus hat nach der Himmelfahrt Jesu die Leitung der kleinen, aber ständig wachsenden Gruppe der Anhänger Jesu übernommen. Waren nach der Rückkehr vom Ort der Himmelfahrt zunächst nur etwa 20 Personen zum gemeinsamen Gebet versammelt, sind nun schon 120 zusammen gekommen. Diese Zahl entspricht dem symbolischen Wert 10×12, was eine Vielzahl von 12 meint. Die Zwölf steht für das Zwölfstämmevolk Israel. Wie die zwölf Söhne Jakobs die Stammväter Israels bilden, so sind die zwölf Apostel das Fundament des neuen Gottesvolkes. Wenn nun die 12 mit der 10 multipliziert wird, so steht dies symbolisch für das Wachstum der Kirche Gottes. Um aber diesen symbolischen Wert beizubehalten, musste der Kreis der Zwölf, der nach dem Verrat und Tod des Judas Iskariot eines seiner Mitglieder verloren hat, wieder zu seiner symbolischen Fülle ergänzt werden. Hierzu ergreift Petrus mit seinen Worten die Initiative:

Brüder! Es musste sich das Schriftwort erfüllen, das der Heilige Geist durch den Mund Davids im Voraus über Judas gesprochen hat. Judas wurde zum Anführer derer, die Jesus gefangen nahmen. Er wurde zu uns gezählt und hatte Anteil am gleichen Dienst. Mit dem Lohn für seine Untat kaufte er sich ein Grundstück. Dann aber stürzte er vornüber zu Boden, sein Leib barst auseinander und alle Eingeweide fielen heraus. Das wurde allen Einwohnern von Jerusalem bekannt; deshalb nannten sie jenes Grundstück in ihrer Sprache Hakeldamach, das heißt Blutacker. Denn es steht im Buch der Psalmen: Sein Gehöft soll veröden, niemand soll darin wohnen! und: Sein Amt soll ein anderer erhalten! (Apg 1,16-20)

Drastisch schildert Petrus hier das Ende des Judas Iskariot. An dem vom Lohn seines Verrats erworbenen Grundstück hatte er keine Freude, vielmehr erleidet er einen qualvollen Tod. Von Selbstmord ist hier nicht die Rede, das Hervorquellen der Eingeweide ist aber ein Bild für ein besonders schmerzhaftes und unrühmliches Lebensende. In allem was geschieht, erfüllt sich, was in den Psalmen verheißen ist. Sowohl der Verrat des Judas als auch sein Ende und die Verdammnis seines Besitzes (die Gegend um das Hakeldamach-Kloster, in der man den Blutacker vermutet, ist bis heute ein ungewöhnlicher Ort in Jerusalem) wird in den Psalmen vorgezeichnet. Der kundige Leser kann die Psalmenstellen (Ps 69,26; 109,8) auf diese Ereignisse deuten.
Aber noch etwas anderes ist in den Psalmen vorausgesagt: dass für das Apostelamt des Judas, das dieser durch sein Tun verloren hat, ein würdiger Nachfolger gefunden werden muss. die Kriterien für einen solchen Nachfolger lauten:

Einer von den Männern, die die ganze Zeit mit uns zusammen waren, als Jesus, der Herr, bei uns ein und aus ging, angefangen von der Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns ging und (in den Himmel) aufgenommen wurde, – einer von diesen muss nun zusammen mit uns Zeuge seiner Auferstehung sein. (Apg 1,21-22)

Der Kreis derer, die Jesus gefolgt sind, ging schon immer über die zwölf Apostel hinaus. So wird beispielsweise von einer Aussendung von zweiundsiebzig Jüngern berichtet (Lk 10,1-16). Auch wenn wir beim Lesen der Evangelien den Eindruck gewinnen, dass allein die Zwölf den harten Kern gebildet haben, der immer bei Jesus war, so wird hier deutlich, dass die Zahl derer, die Jesus vom Beginn seines Auftretens an nachgefolgt sind, weit größer ist. Den zwölf Aposteln kam in diesem Jüngerkreis wohl eine symbolische Bedeutung und eine hierarchische Vorrangstellung zu. Die Abweichungen in den Apostellisten der vier Evangelien, die die Exegese versucht, durch verschiedene Deutungen in Einklang zu bringen, könnten auch ein Hinweis darauf sein, dass es unterschiedliche Überlieferungen gab, wer genau dem Zwölferkreis angehörte. Außerdem müssen wir unterscheiden zwischen dem Begriff Apostel und dem Zwölferkreis. Auch Paulus sieht sich als Apostel, ebenso wie andere Missionare der “ersten Stunde”.
Hier wird auch die wichtigste Aufgabe der Apostel und aller Jünger Jesu genannt: Zeuge der Auferstehung Jesu Christi zu sein, das heißt, der Welt zu verkünden, dass Jesus lebt und das eigene Leben auf diesen Glauben zu bauen, dass Jesus von den Toten auferstanden ist und somit erfahrbar zu machen, dass für alle Menschen der Weg zu Himmel offen steht und Gott mit den Menschen ist und sich um die kümmert, die an seinen Namen glauben.

Und sie stellten zwei Männer auf: Josef, genannt Barsabbas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias. Dann beteten sie: Herr, du kennst die Herzen aller; zeige, wen von diesen beiden du erwählt hast, diesen Dienst und dieses Apostelamt zu übernehmen. Denn Judas hat es verlassen und ist an den Ort gegangen, der ihm bestimmt war. Dann gaben sie ihnen Lose; das Los fiel auf Matthias und er wurde den elf Aposteln zugerechnet. (Apg 1,15-26)

Zwei Männer erfüllen diese Voraussetzungen und werden zur Wahl aufgestellt: Josef, genannt Barsabbas und Matthias. Das Los soll entscheiden, aber wichtig ist auch das Gebet. Somit wird deutlich, dass durch den Losentscheid letztlich Gott seinen Willen offenbar werden lässt. Das Los fällt auf Matthias, der von nun an zu den zwölf Aposteln gehört.