Anselm von Canterbury (1033-1109)

Der heilige Anselm ist “eine der edelsten Gestalten der Kirchengeschichte”. Dieser Ehrentitel stammt von P. Franciscus Salesius Schmitt OSB, der das umfangreiche Werk Anselms ins Deutsche übertragen hat und wie kaum ein anderer dieses Werk studiert hat. Anselm gilt als “Vater der Scholastik”. In einer Zeit, als sich das wissenschaftliche Studium immer weiter verbreitete, allmählich aus den Schulen der Klöster und Kathedralen heraustrat, und in den neu entstehenden Universitäten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wurde, legte er maßgeblich den Grundstein dafür, dass die Theologie zur ersten und bedeutendsten aller Wissenschaften wurde.

Uns heutigen Menschen erscheint das ungewöhnlich, wenn Theologie als Wissenschaft bezeichnet wird. Zwar wird auch heute noch Theologie als Wissenschaft an den Universitäten gelehrt, viele aber sind der Meinung, dass Gott, um den es in der Theologie geht, nicht mehr objektiv zugänglich ist. Theologie ist für viele ebenso wie der mit Gott verbundene Glaube zu etwas rein Subjektivem geworden, das nicht mehr durch rationale Argumente allen vermittelt werden kann.

Hier ist die Denkweise Anselms, die exemplarisch für das vorherrschende Denken des gesamten Mittelalters steht, grundverschieden von unserem heutigen Denken. Für Anselm ist Theologie als Wissenschaft von Gott nicht ein Weg unter vielen, sondern er ist fest davon überzeugt, dass jeder Mensch, der sich um reines wissenschaftliches Denken bemüht, zu dem Schluss kommt, dass Gott, und zwar der Gott, den die christliche Theologie in ihren Lehrsätzen vermittelt, existiert und der einzige und wahre Gott ist.

Das Mittelalter war fasziniert von der Harmonie der Welt. Man war überzeugt davon, dass Gott die Welt in ihrer Vollkommenheit geschaffen hat. Man entdeckte diese Harmonie in der Ordnung auf der Erde, die über die unbelebte Natur, die Pflanzen und Tiere bis hin zum Menschen als der Krone der Schöpfung reichte. Man entdeckte diese Vollkommenheit in den Sphären des Himmels, den Bahnen der Planeten, die man sich als kreisrund und unveränderlich vorstellte. Alles hatte seine Ordnung, und Gott war es, der diese Ordnung geschaffen hat und über allem steht. Daher ist Gott für Anselm auch der “über dem Größeres nicht gedacht werden kann”.

Somit verstehen wir auch, warum Theologie als die höchste Wissenschaft galt, weil sie sich mit dem Größten beschäftigt, das menschlichem Denken zugänglich ist. Die Naturwissenschaften waren damals noch kaum entwickelt, ja man hätte zur Zeit Anselms auch nicht verstanden, warum man sich mit so etwas Untergeordnetem wie der Natur überhaupt wissenschaftlich beschäftigen sollte. Philosophie, Logik, Grammatik und andere Disziplinen handelten von Gegenständen, die den Menschen betreffen, das Denken, die Sprache und andere Zusammenhänge. Sie waren wichtig, aber auch sie kamen nicht an die Theologie heran.

Das wohlgefügte Weltbild des Mittelalters geriet mit der Neuzeit erheblich ins Wanken. Die Erde war plötzlich größer, als man sie sich vorgestellt hatte. Schließlich erkannte man auch, dass die Zusammenhänge im Universum viel komplizierter sind, als man dachte. Die vollkommenen Kreisbahnen der Planeten waren reine Illusion. Heute wissen wir, dass die Erde keineswegs der Mittelpunkt der Welt ist, sondern nur ein winziger Planet irgendwo im Universum in einem Winkel einer Galaxie, die auch nur eine unter vielen ist.

Wir haben erkannt, wie komplex die Welt ist, wir sind dabei, die Bausteine der Elemente zu erforschen und versuchen zu ergründen, wie Leben entsteht. Sind wir von Gott geschaffen oder haben wir einfach nur das Glück, auf einem Planeten im Universum zu leben, auf dem die Bedingungen momentan so sind, dass Leben, wie wir es kennen, möglich ist? Gibt es an anderen Orten im Universum Leben, das unserem ähnlich ist?

Wenn Wissenschaftler heute die Geheimnisse des Universums erforschen, so wird deutlich, dass unser Denken noch nicht alles erfasst hat. Die Quantenphysik zeigt uns, dass hinter allem eine Welt existiert, in der sich alles, was wir als fest und statisch wahrnehmen, auflöst in kleinste Teilchen und Energie. Dabei ist das, was wir sehen, noch nicht einmal alles, sondern es muss auch die sogenannte dunkle Materie geben, die zwar existiert, aber mit unseren derzeitigen Methoden nicht erkennbar ist.

Unser Forschen und Denken macht immer wieder Entdeckungen, die früher undenkbar waren. Irgendwann wird es vielleicht möglich sein, die Entstehung von Leben und auch von intelligentem Leben mit seinem Denken und Fühlen zu erklären. Vielleicht werden wir auch eine Antwort darauf finden, warum überhaupt etwas existiert und nicht vielmehr nichts. Existiert die Welt, weil Gott sie geschaffen hat oder einfach nur deshalb, weil es wahrscheinlicher ist, dass etwas existiert, als dass nichts existieren würde?

Wenn wir heute von Gott sprechen, geht es nicht mehr allein darum, zu zeigen, dass der christliche Gott über anderen Göttern steht, wie man beispielsweise früher den Heiden klargemacht hat, dass Gott nicht im Gewitter oder in einem Baum oder Götterbild ist. Es geht heute vielmehr darum zu zeigen, dass es überhaupt einen Gott gibt. Glaube bedeutet, bei all unserer heutigen Erkenntnis der Welt auch sicher zu sein, dass es Gott gibt, dass er existiert und sein Wesen durch den Menschen erkennbar und – in der Wissenschaft der Theologie – objektiv vermittelbar ist.

In seinem Werk Proslogion – Anrede denkt Anselm nicht nur über Gott nach, sondern er wendet sich immer wieder im Gebet an ihn. Er will Gott verstehen, aber nur wenn das Denken eintritt in den Dialog mit Gott kann es etwas von dem ergründen, der letztlich alles Denken übersteigt.

Wohlan, jetzt also, Du mein Herr-Gott,

lehre mein Herz,

wo und wie es Dich suche,

wo und wie es Dich finde.

Herr, wenn Du hier nicht bist,

wo soll ich suchen Dich Abwesenden?

Wenn Du aber überall bist,

warum sehe ich nicht den Anwesenden?

Doch gewiss “wohnst Du in einem unzugänglichen Lichte”.

Und wo ist das unzugängliche Licht?

Oder wie werde ich zu dem unzugänglichen Lichte gelangen?

Oder wer wird mich führen und in es hineinführen,

damit ich Dich in ihm sehe?

Für Anselm ist klar, dass Gott nicht an einem bestimmten Ort zu finden ist, sondern dass er allgegenwärtig ist. Aber doch bleibt er verborgen. Ist er deshalb nur eine Illusion unseres Denkens? Anselm nähert sich Gott im Glauben. In seinem Herzen erfährt er eine Liebe, die nur von Gott kommen kann. Weil er dieser Liebe glaubt, kann er im Denken weiter gehen und immer tiefer nach Gott forschen.

Ich versuche nicht, Herr, Deine Tiefe zu durchdringen, denn auf keine Weise stelle ich ihr meinen Verstand gleich; aber mich verlangt, Deine Wahrheit einigermaßen einzusehen, die mein Herz glaubt und liebt.

Ich suche ja auch nicht einzusehen, um zu glauben, sondern ich glaube, um einzusehen. Denn auch das glaube ich: wenn ich nicht glaube, werde ich nicht einsehen.

Der Weg zu Gott führt nicht über das Denken, mit Nachdenken allein kommt der Mensch nicht zu Gott, sondern das Denken ist dem Glauben an Gott nachgeordnet. An erster Stelle steht die Begegnung mit Gott, die Erfahrung der Liebe Gottes. Anselm steht bereits in dieser Beziehung zu Gott. Aber Anselm ist auch klar, dass diese Beziehung mit Gott nicht nur etwas Subjektives ist, sondern dass dieser Gott, den sein Herz glaubt und liebt, auch existiert und damit objektiv vermittelbar ist. Daher ist der Glaube nicht, wie viele heute denken, reine Privatsache. Wenn wir an Gott glauben, dann deshalb, weil Gott wirklich existiert, und wenn Gott existiert, dann können wir uns ihm auch mit wissenschaftlichem Denken nähern, wie wir uns auch anderem, das existiert, auf wissenschaftliche Weise nähern. Auch wenn die Wissenschaft uns eine immer komplexere Welt vor Augen führt, kann sie letztlich nicht widerlegen, dass Gott wirklich existiert.

Herr, lehre mich Dich suchen und

zeige Dich dem Suchenden;

denn ich kann Dich weder suchen,

wenn Du es nicht lehrst,

noch finden, wenn Du Dich nicht zeigst.

Lass mich Dich verlangend suchen,

suchend verlangen.

Lass mich liebend finden,

findend lieben.

Amen.

27.1. Angela Merici

Angela Merici wurde um das Jahr 1474 in Desenzano am Gardasee geboren. Ihr Vater Giovanni war Bauer, ihre Mutter stammte aus angesehener Familie. Auch wenn wir über ihre Kindheit wenig wissen zeigt sich später in ihrem Leben, dass ihr von ihrer Familie neben der religiösen Prägung ein hohes Maß an Bildung vermittelt wurde. Beide Eltern starben früh, ein Bruder der Mutter nahm Angela und ihre Geschwister bei sich auf. Bei ihm lernte Angela das Leben der vornehmen Gesellschaft kennen, das ihr missfiel.

Angela fühlte sich schon früh zu einem einfachen, religiös geprägten Leben hingezogen. Sie wurde Mitglied im Dritten Orden des Heiligen Franziskus. Zudem erkannte sie, wie ungebildet viele Kinder ihrer Heimat aufwuchsen. In ihrem Heimatort sammelte sie zunächst einige Freundinnen um sich, mit denen sie sich der Erziehung der Kinder widmete. Bald wurde ihr Engagement in der weiteren Umgebung bekannt und im Jahr 1516, als Angela bereits etwa 40 Jahre alt war, reiste sie auf Wunsch der Franziskaner nach Brescia.

In Brescia lebte Angela zunächst im Haus der Familie Patengola, die wie sie dem Dritten Orden angehörten und eng mit einer religiösen Reformbewegung verbunden waren. Schon nach kurzer Zeit wurde Angela zum Mittelpunkt einer Gruppe junger Männer und Frauen, die ein bewusst religiös geprägtes Leben führen wollten. Mit ihrer einfachen und nach dem Evangelium ausgerichteten Lebensform wurde Angela zum Vorbild dieser Menschen. Einer von ihnen schreibt später:

Sehr viele Menschen holten sich bei ihr Rat – jeder in seinen besonderen Nöten – und sie war wirklich in der Lage, in jeder Notsituation zu helfen. Sie beriet alle mit solch einer Liebenswürdigkeit, dass ihr Zimmer nie leer wurde.

Im Jahr 1524 unternahm Angela eine Wallfahrt ins Heilige Land. Auf dem Weg dorthin erblindete sie aus unerklärlichen Gründen. Dennoch besuchte sie alle heiligen Stätten. Bei ihrer Rückkehr konnte sie plötzlich wieder sehen. Im darauffolgenden Jahr pilgerte sie nach Rom, wo sie eine Privataudienz bei Papst Clemens VII. erhielt. Der Papst wollte sie für die Mitarbeit in einer sozialen Einrichtung in Rom gewinnen, aber Angela kehrte nach Brescia zurück.

Angela blieb auf der Suche nach ihrem Weg. Es bildete sich um sie eine Gemeinschaft von jungen Frauen und Witwen, die sich bald “Compagnia di Santa Orsola” (Gesellschaft der Heiligen Ursula) nannte. Nach einer Wallfahrt im Jahr 1532 nach Varallo widmete Angela sich nun ganz dem Aufbau dieser Gemeinschaft, in der das Gebet und das Leben nach dem Evangelium im Mittelpunkt standen, einer Gemeinschaft von Frauen, die nicht in klösterlicher Abgeschiedenheit leben sollten, sondern unter die Menschen gingen und ihnen mit Rat und Tat zur Seite standen. Sie selbst führte ein asketisches Leben in einem kleinen Zimmer bei der Kirche St. Afra in Brescia.

Eine solche Gemeinschaft bedurfte einer Regel und der offiziellen rechtlichen Anerkennung durch die Kirche. Daran arbeitete Angela, bis schließlich am 25. November 1535 der “Ordo Sanctae Ursulae” (OSU) von Papst Paul III. approbiert wurde. Angela gehörte zusammen mit 28 Gefährtinnen zu den ersten Mitgliedern dieser Gemeinschaft, im Jahr 1537 wurde sie zur ersten Oberin. Die Gemeinschaft breitete sich schnell in den Städten Norditaliens aus. Neben der Regel verfasste Angela noch zwei weitere Schriften für ihre Mitschwestern, die Ricordi (Gedenkworte) und die Legati (Testament).

Am 27. Januar 1540 starb Angela. In einem großen Trauerzug wurde ihr Leichnam durch die Stadt geführt und sie fand ihre letzte Ruhe neben dem Hochaltar der Kirche St. Afra in Brescia. Sie wurde 1768 von Papst Clemens XIII. seliggesprochen. Die Heiligsprechung erfolgte 1807 durch Pius VII.

Ihr Orden war zunächst eine Gemeinschaft, die sich ganz dem Dienst am Nächsten widmete, aber nicht in klösterlicher Abgeschiedenheit lebte. Die Frauen lebten ohne Ordenstracht, Gelübde und Klausur weiter bei ihren Familien, aber nach den evangelischen Räten Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam. Bald nach Angelas Tod wandelte sich der Orden jedoch im Jahr 1544 zu einer Klostergemeinschaft mit dem Schwerpunkt Erziehung und Unterricht. Die Schulen der Ursulinen haben bis heute eine große Bedeutung für die Erziehung und schulische Bildung junger Menschen, besonders der Mädchen. Der Orden breitete sich bald von Italien über Frankreich und Deutschland in ganz Europa, Nordamerika und schließlich über die ganze Welt aus.

In ihren Ricordi gibt Angela ihren Mitschwestern folgende Ermutigung mit auf ihrem Weg:

Verliert nicht den Mut und glaubt nicht, euer Wissen und Können reiche für diese einzigartige Aufgabe nicht aus. Habt Zuversicht und das feste Vertrauen auf Gott, dass er euch in allem helfen wird. Betet zu ihm und demütigt euch unter seine gewaltige Macht. Da er euch dieses Werk anvertraut hat, wird er euch auch gewiss die Kraft geben, es zu vollbringen, wenn nur ihr es an nichts fehlen lasst. Handelt, seid rührig und glaubt, müht euch und vertraut, ruft zu ihm aus ganzem Herzen, und ihr werdet ganz sicher Wunderbares erleben, da Gott alles zum Lob und Ruhm seiner Herrlichkeit und zum Heil der Seelen lenken wird.

Allerheiligen

In Reih und Glied stehen sie oft auf den Bildern, die durch die Jahrhunderte hindurch gemalt worden sind, alle Heiligen, die heiligen Männer und die heiligen Frauen, Priester, Ordensleute, weltliche Herrscher, aber auch ganz einfache Menschen. Sie haben prächtige Gewänder an und tragen meist eines ihrer Attribute, damit man sie besser erkennen kann. In der Mitte thront Christus, bei ihm Maria, die Königin aller Heiligen. Oft gibt es auch noch Engel, die die besondere Würde dieser Versammlung hervorheben.

An Allerheiligen blicken wir zunächst auf all die großen Heiligen, die uns durch ihr heiliges Leben zum Vorbild geworden sind. Jeder einzelne von ihnen hat seine je eigene ganz besondere Berufung gelebt. Von manchen großen Heiligen wissen wir nur sehr wenig, aber wir ahnen zumindest, dass etwas Großes um sie war, weil die Menschen sie nach ihrem Tod so hoch geehrt haben. Von vielen Heiligen haben wir aber ausführliche Lebensbeschreibungen. Diese wurden oft durch die Legende überwuchert und es ist manchmal schwierig, aber immer auch spannend dahinter den Kern dessen auszumachen, wie dieser bestimmte Heilige sein Leben gelebt hat. Oft helfen uns dabei auch die überlieferten Worte und Schriften dieser Heiligen.

Es ist spannend, das Leben der Heiligen zu betrachten und zu manch einem Heiligen bekommen wir auch eine ganz besondere persönliche Beziehung. Die Heiligen wollen uns dabei helfen, selbst als Heilige zu leben. Durch die Taufe sind wir zu Heiligen geworden, aber oft werden wir müde und nachlässig darin, diese Heiligkeit in unserem Leben zu bewahren. Ein Leben in Heiligkeit erfordert Entscheidungen, die nicht immer leicht sind. Es bedeutet vor allem, Jesus Christus zum Mittelpunkt meines Lebens zu machen.

Wir wissen nicht, was Gott mit all den Menschen machen wird, die nicht getauft sind. Wir dürfen aber darauf vertrauen, dass vor Gott kein Mensch verloren ist, der einen wenn auch noch so kleinen Kern des Guten in sich bewahrt hat, das Gott in ihn hineingelegt hat. Es ist aber unsere Aufgabe, durch unser heiliges Leben andere zu ermutigen, auch an Jesus Christus zu glauben und sich taufen zu lassen.

Allerheiligen, Tag der Heiligen, Fest der Heiligkeit. Es ist an uns, dass wir uns immer neu für ein Leben in Heiligkeit entscheiden, dass wir Jesus Christus immer neu zum Mittelpunkt unseres Lebens machen. Lassen wir uns auf diesem Weg vom Heiligen Geist führen, dem Geist der Heiligkeit, der uns zeigt, wie Heiligkeit gehrt. Schauen wir auf die Heiligen als unsere Vorbilder, aber versuchen wir nicht, sie zu imitieren, sondern suchen wir unseren eigenen ganz besonderen Weg, wie wir die Liebe Gottes dieser Welt zeigen können.

Ammon, Wüstenvater

Es war um das Jahr 330, als Ammon sich in der südlich der Großstadt Alexandria gelegenen Wüste, die Nitria genannt wird, niederließ. Dort schlossen sich ihm mehrere Schüler an. Ammon kannte damals bereits Antonius den Großen, der weiter südöstlich, auf der anderen Seite des Nils, als Einsiedler lebte. Wir wissen nicht, wie oft Ammon den 13-tägigen Fußmarsch zu Antonius zurückgelegt hat, aber er hat ihn sicher mehrere Male besucht. Es wird berichtet, wie Ammon sich auf diesem Weg einmal verirrt hat und dann durch eine wie eine Hand aussehende Wolke von Gott auf den richtigen Weg gewiesen wurde oder auch, wie er von Engeln auf wundersame Weise über den Nil getragen wurde. Auch Antonius hat Ammon besucht.

Abbas Antonius kam einmal, um Abbas Ammon auf dem Berg Nitria zu besuchen, und als sie sich trafen sagte Ammon: “Durch dein Gebet nimmt die Zahl der Brüder zu und einige von ihnen möchten mehr Zellen bauen, in denen sie in Frieden leben können. Wie weit entfernt von hier sollen wir die Zellen bauen?” Antonius antwortete: “Lass uns zur neunten Stunde essen und dann in die Wüste gehen, um die Gegend zu erkunden.” So gingen sie in die Wüste hinaus und wanderten bis zum Sonnenuntergang. Dann sagte Antonius: “Lass uns beten und hier das Kreuz aufstellen, so dass jene, die das möchten, hier bauen können. Wenn diejenigen, die zurückbleiben, jene, die hier leben, besuchen wollen, dann können sie zur neunten Stunde etwas essen und dann kommen. So können alle untereinander in Kontakt bleiben, ohne dass ihre Gedanken abgelenkt werden.” (Apophthegmata Patrum)

Es war also wichtig, dass die Brüder so nah in Kontakt standen, dass sie sich gegenseitig aufbauen konnten, aber doch so weit entfernt waren, dass sie einander nicht störten, das bedeutet, dass sie einander nicht sehen und hören konnten, wenn sie, wie es damals üblich war, laut beteten oder in der Heiligen Schrift lasen. Zugleich sollte der Weg aber nicht zu weit sein, damit sie sich zur gemeinsamen Feier der Eucharistie am Sonntag treffen konnten. Nur wenige der Mönche waren Priester.
In der Einsamkeit kam es auch immer wieder vor, dass einzelne Brüder Fehler begingen. Hier zeigt sich die große Barmherzigkeit der Väter. Denn ihnen lag nicht daran, dass jene, die gefallen waren, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurden, sondern dass sie Barmherzigkeit erfuhren und so neue Kraft erhielten, in der nächsten Anfechtung standhaft zu bleiben. Dazu gibt es folgende Geschichte über Ammon:

Der Altvater Ammon kam einmal irgendwo hin, um zu essen. Dort befand sich einer, der einen schlechten Ruf hatte. Es begab sich, dass eine Frau daherkam und in das Kellion des Bruders mit dem üblen Ruf ging. Als die Bewohner des Ortes das erfuhren, gerieten sie in Aufregung und taten sich zusammen, um ihn aus seinem Kellion zu vertreiben. Als sie erfuhren, dass Ammon im Ort sei, gingen sie zu ihm und forderten ihn auf, mit ihnen zu kommen. Als der Bruder das merkte, nahm er die Frau und versteckte sie in einem großen Fass. Als nun die Menge eintraf, wusste der Altvater Ammon bereits, was vorgefallen war, doch um Gottes willen verdeckte er die Sache. Er trat ein, setzte sich auf das Fass und ordnete eine Durchsuchung des Kellions an. Aber, obwohl sie sorgsam suchten, fanden sie die Frau nicht. Da sagte der Altvater Ammon: “Was ist das? Gott soll euch vergeben!” Er ließ ein Gebet verrichten und schickte alle hinaus. Dann nahm er den Bruder bei der Hand und ermahnte ihn: “Gib auf dich acht, Bruder!” Nach diesen Worten ging er weg. (Apophthegmata Patrum)

Zu Lebzeiten von Ammon gehörten etwa 500 Mönche zur Gemeinschaft von Nitria und Kellia. Später ging ihre Zahl in die Tausende. Ammon starb vor seinem Freund und Gefährten Antonius, denn es wird berichtet, dass Antonius sah, wie die Seele von Ammon in den Himmel getragen wurde.

Priska und Aquila

Hierauf verließ Paulus Athen und ging nach Korinth. Dort traf er einen aus Pontus stammenden Juden namens Aquila, der vor Kurzem aus Italien gekommen war, und dessen Frau Priscilla. Claudius hatte nämlich angeordnet, dass alle Juden Rom verlassen müssten. Diesen beiden schloss er sich an, und da sie das gleiche Handwerk betrieben, blieb er bei ihnen und arbeitete dort. Sie waren Zeltmacher von Beruf. (Apg 18,1-3)

Auf seiner zweiten Missionsreise kommt Paulus nach seiner Mission in Athen nach Korinth. Diese blühende Stadt, mit Einwohnern aus allen bekannten Völkern mit ihren verschiedenen Religionen, bot ein breites Missionsfeld. Zunächst sucht Paulus, wie in anderen Städten auch, die jüdische Gemeinde auf. Dort begegnet er Aquila und dessen Frau Priszilla (oder Priska), die ihn bei seiner weiteren Missionstätigkeit unterstützen werden.
Aquila und Priska/Priszilla sind griechisch-römische Namen, Aquila bedeutet Adler, Priszilla ist die Verkleinerungsform von Priska, “die Ehrwürdige”. In den Paulusbriefen finden wir den Namen Priska, während Lukas in der Apostelgeschichte den Namen Priszilla verwendet. Oft wird Priska vor ihrem Mann Aquila genannt, was möglicherweise darauf hinweist, dass Priska eine bedeutendere Stellung hatte als ihr Mann. Ein schickliches “ladies first” wie heutzutage kannte man in der patriarchalisch ausgerichteten Gesellschaft der Antike nicht. Auf jeden Fall wird die große Wertschätzung des Apostels für das Ehepaar deutlich und deren wichtige Bedeutung für das Missionswerk des Paulus.
Priska und Aquila waren Juden. Aquila kam ursprünglich aus Pontus an der Südküste des Schwarzen Meeres, während Priska wahrscheinlich aus Rom stammte. Die beiden lebten als Ehepaar zusammen in Rom und sind höchstwahrscheinlich bereits dort zu Christen geworden. Wann die christliche Gemeinde in Rom genau entstanden ist und wer dort als erstes missioniert hat, wissen wir nicht mit Sicherheit. Paulus schreibt seinen Römerbrief bereits an eine christliche Gemeinde in Rom, um dieser vor seinem Besuch seine Lehre darzulegen. Wahrscheinlich ist die Gemeinde auch noch vor der Ankunft des Petrus entstanden, der ja bekanntlich in Rom gewirkt hat und dort das Martyrium erlitten hat. Bei der vielfältigen Reisetätigkeit im Römischen Reich und bei der Bedeutung Roms als Mittelpunkt des Reiches ist es nicht verwunderlich, wenn bereits kurze Zeit nach Jesu Tod Menschen aus Judäa oder Syrien nach Rom gekommen sind, die Jesus und die Urkirche kannten und den Glauben in Rom verkündet haben.
In Rom war es dann auch zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Judenchristen gekommen, die den Kaiser Claudius im Jahr 49 dazu veranlasst haben, die Unruhestifter aus der Stadt zu weisen. Der römische Geschichtsschreiber Sueton berichtet in seiner Vita der römischen Kaiser, dass Claudius die Juden aus Rom verwiesen hat, weil “sie wegen eines gewissen Chrestus Unruhen anzettelten.” (Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit.)
So mussten auch Priska und Aquila Rom verlassen und kamen nach Korinth, wo sie Paulus begegnet sind. Zufälligerweise übten sie das gleiche Handwerk aus wie dieser. Sie waren Zelttuchmacher, ein wie die meisten Handwerksberufe im Römischen Reich nicht sehr angesehener, dafür aber sehr anstrengender Beruf. Zelttücher brauchte man nicht nur für Zelte, wie sie unter anderem das Militär benutzte, sondern auch als Sonnenschutz für Marktstände oder Theater und Arenen. Paulus arbeitete mit den beiden zusammen. Er wird später im Ersten Korintherbrief (1Kor 4,12 und 9,15) darauf hinweisen, dass er sich in Korinth seinen Lebensunterhalt eigenhändig verdient hat, und nicht wie es manch andere Missionare tun und wie es einem Missionar auch zustehen würde, auf Kosten der Gemeinde gelebt hat.
Doch bald nachdem seine Mitarbeiter Silas und Timotheus eingetroffen sind, widmet sich Paulus ganz der Mission und wohnt nun im Haus eines gottesfürchtigen – das bedeutet dem Judentum nahestehenden – Heiden. Wegen entstehender Unruhen unter den Juden grenzt Paulus sich nun mehr und mehr von der Synagoge ab und wendet sich an die Heiden, was aber zu erneutem Streit mit den Juden führt, vor allem weil sich auch weiterhin Juden zum Christentum bekehrten und sich taufen lassen.

Paulus blieb noch längere Zeit. Dann verabschiedete er sich von den Brüdern und segelte zusammen mit Priscilla und Aquila nach Syrien ab. In Kenchreä hatte er sich aufgrund eines Gelübdes den Kopf kahl scheren lassen. Sie gelangten nach Ephesus. Dort trennte er sich von den beiden; er selbst ging in die Synagoge und redete zu den Juden. (Apg 18,18-19)

Bei seiner Abreise aus Korinth nimmt Paulus das Ehepaar Priska und Aquila mit nach Ephesus. Von einer Mission des Paulus in dieser Stadt erfahren wir zu diesem Zeitpunkt wenig. Lediglich in der Synagoge hat Paulus gepredigt, wollte aber nicht länger in Ephesus verweilen, denn er hatte es eilig, nach Jerusalem zu kommen, das er auf dem Seeweg über Cäsarea erreichte. Lukas berichtet nicht weiter über den Jerusalemaufenthalt des Paulus. So schnell wie er dort angekommen ist, scheint er nach dem Bericht des Lukas die Stadt auch wieder verlassen zu haben. Nun wandert Paulus auf dem bereits vertrauten Weg von Antiochia durch das galatische Land und auf der alten Königsstraße weiter nach Ephesus.

Während der Jerusalemreise des Paulus sind Priska und Aquila in Ephesus geblieben. Lukas berichtet nichts genaues, aber wahrscheinlich haben sie während der Abwesenheit des Paulus dort missioniert. Sie begegnen in Ephesus einem aus der ägyptischen Metropole Alexandria stammenden Juden namens Apollos. Dieser war ähnlich wie Paulus als Missionar tätig. Paulus erwähnt ihn in seinen Briefen und es wird deutlich, dass die beiden nicht immer einer Meinung waren und Paulus darum bemüht war, sein Missionsfeld von dem des Apollos klar abzugrenzen.
Zunächst aber benötigt Apollos noch eine tiefere Unterweisung im Glauben an Jesus Christus. Wir wissen nicht, von wem er zuerst die christliche Botschaft gehört hat. Jedenfalls kannte er zu diesem Zeitpunkt nur die Johannestaufe und nicht die Taufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Ein Jude namens Apollos kam nach Ephesus. Er stammte aus Alexandria, war redekundig und in der Schrift bewandert. Er war unterwiesen im Weg des Herrn. Er sprach mit glühendem Geist und trug die Lehre von Jesus genau vor; doch kannte er nur die Taufe des Johannes. Er begann, mit Freimut in der Synagoge zu sprechen. Priscilla und Aquila hörten ihn, nahmen ihn zu sich und legten ihm den Weg Gottes noch genauer dar. Als er nach Achaia gehen wollte, schrieben die Brüder den Jüngern und ermunterten sie, ihn aufzunehmen. Nach seiner Ankunft wurde er den Gläubigen durch die Gnade eine große Hilfe. Denn mit Nachdruck widerlegte er die Juden, indem er öffentlich aus der Schrift nachwies, dass Jesus der Christus sei. (Apg 18,24-28)

Priska und Aquila leisten einen bedeutenden Beitrag zur Vertiefung des Glaubens. Und es wird nicht nur Apollos gewesen sein, den sie unterrichtet haben, sondern auch viele andere. Ihre Spur verliert sich hier in der Apostelgeschichte. Für Paulus bleiben sie weiterhin wichtige Mitarbeiter bei seinem Missionswerk. Wahrscheinlich sind sie im Jahr 54 nach dem Tod des Kaisers Claudius, wie viele andere Juden wieder nach Rom zurückgekehrt. Als Paulus um das Jahr 56/57 von Korinth aus seinen Brief an die Römer schreibt, sind Priska und Aquila ein wichtiger Bezugspunkt zur Gemeinde dieser Stadt, in der das Ehepaar mittlerweile eine Schlüsselposition eingenommen hat. Paulus schreibt am Schluss dieses Briefes:

Grüßt Prisca und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die für mein Leben ihren eigenen Kopf hingehalten haben; nicht allein ich, sondern alle Gemeinden der Heiden sind ihnen dankbar. Grüßt auch die Gemeinde, die sich in ihrem Haus versammelt! Grüßt meinen lieben Epänetus, der die Erstlingsgabe der Provinz Asien für Christus ist! Grüßt Maria, die für euch viel Mühe auf sich genommen hat! Grüßt Andronikus und Junia, die zu meinem Volk gehören und mit mir zusammen im Gefängnis waren; sie ragen heraus unter den Aposteln und haben sich schon vor mir zu Christus bekannt. (Röm 16,3-7)

Priska und Aquila hatten in Rom eine Hausgemeinde, in der sich ein wichtiger Teil der Christen Roms versammelt hat. Sie konnten den Römern von Paulus berichten. Was sie genau für Paulus getan haben, als sie für sein Leben ihren Kopf hingehalten haben, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Aber allein schon die Tatsache, dass die beiden bereit waren, für den Völkerapostel ihr eigenes Leben hinzugeben, zeigt die enge Beziehung dieses Ehepaares zu Paulus. Interessant ist, dass Paulus mit Andronikus und Junia noch ein weiteres Ehepaar erwähnt, dass ihm sehr nahe steht und das gemeinsam für die Verkündigung des Glaubens eine so große Bedeutung hatte, dass Paulus sogar sagt, dass sie unter den Aposteln herausragen. Da sie bereits vor Paulus zu Christen geworden sind, müssen sie sich bald nach Jesu Tod in Jerusalem oder Judäa den ersten Christen angeschlossen haben. Möglicherweise gehören sie auch zu den ersten Christen, die nach Rom gekommen sind.
Eine weitere Erwähnung von Priska und Aquila findet sich im Ersten Korintherbrief, den Paulus um das Jahr 54/55 schrieb, als er sich zusammen mit Priska und Aquila in Ephesus aufgehalten hat. Priska und Aquila lassen durch diesen Brief ihre Grüße nach Korinth übermitteln. Hier sehen wir, dass die beiden in Ephesus ebenso wie später in Rom eine Hausgemeinde hatten und somit für die Mission in Ephesus eine entscheidende Bedeutung hatten.

Es grüßen euch die Gemeinden in der Provinz Asien. Aquila und Prisca und ihre Hausgemeinde senden euch viele Grüße im Herrn. Es grüßen euch alle Brüder. Grüßt einander mit dem heiligen Kuss! (1Kor 16,19-20)

Eine weitere Erwähnung finden Priska und Aquila im Zweiten Brief an Timotheus. Die Stelle ist sehr interessant, weil uns hier viele bekannte Namen begegnen:

Lukas ist als Einziger bei mir. Nimm Markus und bring ihn mit; denn er ist für mich nützlich zum Dienst. Tychikus habe ich nach Ephesus geschickt. Wenn du kommst, bring den Mantel mit, den ich in Troas bei Karpus gelassen habe, auch die Bücher, vor allem die Pergamente! Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses getan; der Herr wird ihm vergelten, wie es seine Taten verdienen. Nimm auch du dich vor ihm in Acht, denn er hat sich unseren Worten heftig widersetzt!
Bei meiner ersten Verteidigung ist niemand für mich eingetreten; alle haben mich im Stich gelassen. Möge es ihnen nicht angerechnet werden. Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Völker sie hören; und so wurde ich dem Rachen des Löwen entrissen. Der Herr wird mich allem bösen Treiben entreißen und retten in sein himmlisches Reich. Ihm sei die Ehre in alle Ewigkeit. Amen.
Grüße Prisca und Aquila und das Haus des Onesiphorus! (2Tim 4,11-19)

Wir begegnen hier Lukas und Markus, bei denen es sich wahrscheinlich um die beiden Evangelisten handelt und deren enge Verbindung zu Paulus hier deutlich wird. Der Brief spielt an die Situation der Mission in Ephesus an, die wir aus der Apostelgeschichte Kapitel 19 kennen. Unter Juden und Heiden kann Paulus in dieser Stadt viele Menschen für den Glauben an Jesus Christus gewinnen. Die christliche Gemeinde ist bereits so groß, dass die zahlreichen Silberschmiede, die ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Andenken der großen Artemis von Ephesus verdienen, um ihr Geschäft fürchten. Der Artemis-Tempel in Ephesus zählte zu den Weltwundern der Antike und wurde jedes Jahr von unzähligen Menschen besucht. Die Silberschmiede zetteln einen ungeheuren Tumult an, der die Stadtältesten sogar eine Intervention römischer Truppen fürchten lässt. Paulus kommt mit einem blauen Auge davon, macht sich aber schnell auf, die Stadt zu verlassen. Priska und Aquila setzen zusammen mit Timotheus, Onesiphorus und anderen die Mission in Ephesus fort.
Wenn wir die Anzahl der Nennungen von Priska und Aquila mit denen anderer Personen im Neuen Testament vergleichen, so wird deutlich, welch große Bedeutung diesem Ehepaar in der Verkündigung des Glaubens in der Frühzeit des Christentums zukommt. Zwar stehen sie stets im Schatten des Paulus, aber es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn wir sagen, dass sie in den Städten Korinth, Ephesus und Rom nachhaltiger für die Festigung des Glaubens gesorgt haben, als der Apostel Paulus selbst. Paulus hat die Menschen begeistert, hat mit seinen Briefen den Gemeinden eine ausführliche Darlegung des Glaubens und eine Anweisung zum christlichen Leben hinterlassen. Aber Glaube wird vor allem da lebendig, wo sich Menschen Sonntag für Sonntag im Namen Jesu versammeln.
Paulus war eine bedeutende Persönlichkeit und hat die Menschen beeindruckt. Aber er hatte kaum Zeit für den Einzelnen und war ständig unterwegs. Kaum hatte er in einer Stadt Fuß gefasst, musste er weiter ziehen. Priska und Aquila blieben. Zunächst in Ephesus und später in Rom haben sich die Christen in ihrem Haus versammelt. Hier hat man zusammen Eucharistie gefeiert und sich danach zur Agape getroffen, bei der sich die Einzelnen über ihre Erfahrungen mit dem Glauben ausgetauscht haben, und einander davon erzählten, welche Bedeutung Jesus Christus für ihr Leben hat, wo man auch über die Sorgen und Nöte des Alltags sprach und darüber, welche Lösungen man gemeinsam als Christen finden konnte.

Priska und Aquila sind Vorbilder dafür, wie Glauben lebendig wird. Auch in unseren Gemeinden brauchen wir solche Menschen. Gemeinde lebt davon, dass sich die Menschen neben der Eucharistie auch zum gegenseitigen Austausch treffen, dass die Christen wieder lernen, über ihren Glauben zu sprechen, dass jemand da ist, der von seinem Glauben an Jesus Christus erzählt, nicht nur der Priester in der Predigt, sondern Menschen, die einander davon erzählen, was Jesus Christus für sie und ihr Leben bedeutet.

Apostel Thomas

Jesus sagte: Nicht aufhören zu suchen soll der Suchende, bis er findet. Und wenn er findet, wird er verwirrt sein, und wenn er verwirrt ist, wird er sich wundern, und er wird Herr sein über die Welt.

So heißt es im 2. Spruch des apokryphen Thomasevangeliums und dieser Spruch ist zugleich die Überschrift über das Leben dieses beeindruckenden Apostels, der ganz zu Unrecht den Beinamen “der Ungläubige” bekommen hat. Thomas war sicher ein sehr temperamentvoller Mensch und sehr entschlossen. Dies sehen wir an den eindrücklichen Worten, die ihm das Johannesevangelium in den Mund legt, als den Jüngern langsam klar wurde, welche Gefahren mit dem Ziel Jerusalem verbunden waren, das Jesus mit ihnen anstrebte. “Lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben.” (Joh 11,16)

Jesus ist für Thomas zum Mittelpunkt seines Lebens geworden, sein Glaube an ihn war unerschütterlich. Er konnte sich nach seiner ersten Begegnung mit Jesus kein Leben ohne ihn mehr vorstellen. Als Jesus am Kreuz gestorben ist, war er zunächst wie alle andern Jünger verwirrt, ist aus Jerusalem geflohen und brauchte Zeit, um sich wieder zu sammeln. Er kehrte später als die anderen nach Jerusalem zurück und hat so die erste Erscheinung Jesu im Kreis der Apostel verpasst.

Er wollte seinen Glauben an die Auferstehung Jesu nicht nur auf das Zeugnis der anderen Apostel gründen. Er, der eine so enge Beziehung zu Jesus hatte und dem Jesus so viel bedeutete, wollte selbst erfahren, was Jesu Auferstehung bedeutet. Und so bekommt er am darauffolgenden Sonntag sein eigenes, ganz persönliches Ostererlebnis und ist überwältigt vom Geheimnis der Auferstehung Jesu.

Er hat gesucht und in Jesus alles gefunden. Als er Jesus scheinbar verloren hatte, war er verwirrt, aber Jesus hat ihm eine Lebendige Erfahrung des Wunders seiner Auferstehung zuteilwerden lassen. Nun gab es für Thomas keinen Zweifel mehr, er wusste alles und so gehörte ihm die ganze Welt. Er ist weiter gereist als alle anderen Apostel, bis ins ferne Indien ist er gelangt und hat den Glauben verkündet.

Die antike Welt war größer, als wir sie uns oft vorstellen. Unter Kaiser Augustus und seinen Nachfolgern hat das Römische Reich seine größte Ausdehnung erlangt, von Britannien im Norden bis Ägypten im Süden, von Spanien im Westen bis nach Arabien im Osten. Zwar hätte Rom gerne noch weitere Gebiete erobert, aber es ist im Norden, Süden und Osten an die Grenzen seiner Macht gestoßen. Die lange angestrebte Grenze an der Elbe war militärisch nicht zu erreichen. Die unwegsamen Urwälder Germaniens und dessen Krieger verhinderten eine weitere Ausbreitung. Im Süden begrenzten die Sahara und kriegerische Beduinenstämme ein weiteres Vordringen Roms nach Afrika. Im Osten war das Parther-Reich ein mächtiger Gegner, gegen den Rom auf Dauer nicht ankam und auch auf der arabischen Halbinsel konnten die Römer trotz einiger Militäraktionen nicht Fuß fassen.

Über Arabien verlief bereits in der Antike eine wichtige Handelsroute. Kostbare Luxusgüter wie Weihrauch und Seide kamen von dort in die Städte des Römischen Reiches. Wer mit solchen Luxusgütern handelte und die Kontrolle über diese Handelsrouten hatte, konnte reichen Gewinn erzielen. Von Arabien aus gab es regelmäßige Handelsverbindungen weiter über den Indischen Ozean nach Indien, das zur damaligen Zeit ebenso wie China bereits eine hoch entwickelte Kultur hatte. Die Quellen berichten auch von indischen Delegationen, die offiziell Rom besucht haben.

Der Weg vom Mittelmeer über Ägypten und Arabien nach Indien war zwar ein mühsamer und gefährlicher Weg, aber ein Weg, auf dem regelmäßiger Handel stattfand und damit ein intensiver Austausch von Gütern und Ideen. Er war sicher nicht so einfach zu bereisen wie die Straßen des Römischen Reiches und die Schiffsverbindungen über das Mittelmeer, auf denen Paulus sich bei seinen Missionsreisen bewegte. Man brauchte Mut, diesen Weg zu nehmen, Abenteuerlust, die Fähigkeit, auf Menschen anderer Kulturen einzugehen, deren Sprache und Sitten man nicht kannte. Nur wer das Vertrauen der fremden Kaufleute gewinnen konnte, die auf allen Stationen der Route ihre Partner hatten, bekam überhaupt eine Chance, sicher auf diesem Weg durchzukommen.

Thomas hatte den Mut zu diesem Abenteuer und er hat es verstanden, mit Fremden umzugehen. Wahrscheinlich hatte er vorher interessante Geschichten über den Weg durch Arabien, das ferne Meer im Osten und das fantastische Indien gehört. Wie damals, als Jesus auferstanden war, hat er sich nicht mit den Erzählungen anderer begnügt. Er wollte selbst erfahren, was es mit all diesen Ländern auf sich hat. Und er wollte den Menschen dort von Jesus Christus erzählen. Daher hat er sich auf die Reise begeben und ist schließlich um das Jahr 52 nach Indien gekommen. Darüber berichten uns die apokryphen Thomasakten. Sie stammen aus späterer Zeit und sind stark von der Legende durchdrungen.

Viele zweifeln daran, dass Thomas überhaupt Indien erreicht hat und dort eine Kirche gegründet hat, die bis heute Bestand hat. Mag es deshalb sein, dass manche sich in ihrer Engstirnigkeit nicht vorstellen können, dass sich auch weit entfernt vom Römischen Reich, auf das sich unsere Kirchengeschichte der alten Zeit konzentriert, bereits seit frühesten Zeiten eine Kirche entwickelt hat. Oder weil die Quellenlage nicht eindeutig ist. Die Christen Indiens selbst sind fest davon überzeugt, dass ihre Tradition bis auf den Apostel Thomas zurückreicht. Sie haben eine eigenständige Entwicklung, die eng mit den Kirchen des Nahen Ostens verbunden ist, die ebenso wie die indische Kirche bald aus dem Blickfeld der auf das Römische Reich konzentrierten Kirche verschwunden ist.

Als die Portugiesen im 16. Jahrhundert an den Küsten Indiens auftauchten, fanden sie dort zu ihrem Erstaunen Christen. Jedoch galten damals nur die unter der Leitung des Papstes in Rom stehenden Christen als wirkliche Christen. Diese Engstirnigkeit des Westens hat bereits im Jahr 1054 zur Trennung von Ost- und Westkirche geführt, eine schmerzhafte Trennung, die bis heute anhält. Mit den Portugiesen begann auch in Indien eine Trennung unter den Christen zwischen denen, die die Einheit mit Rom suchten und denen, die ihre Unabhängigkeit bewahren wollten.

Gerade in der heutigen Welt, in der die Menschen aller Weltteile näher zusammen gerückt sind als je zuvor, in der das Christentum aber auch wieder zu einer bedrohten Religion geworden ist, täte es Not, unter den Christen weltweit zu einer neuen Einheit und Solidarität zu finden und die Christen aller Länder zu einer weltumspannenden christlichen Einheit zusammenzuführen, die einerseits an dem einen wahren Glauben an Jesus Christus festhält, zugleich aber auch die unterschiedlichen Riten und Traditionen akzeptiert. Es geht nicht an, dass wir auch heute noch wie im Mittelalter Christen anderer Konfessionen als Feinde ansehen, anstatt in ihnen Verbündete zu sehen für den Aufbau des Reiches Gottes.

Beten wir ständig und gerade heute am Festtag des Heiligen Thomas darum, dass Jesus Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist, verherrlicht werde unter allen Völkern der Erde und dass alle Völker vereint werden in diesem einen Glauben an den Herrn Jesus Christus, der die Apostel ausgesandt hat, die Menschen aller Völker auf der Erde zu taufen auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Eine interessante Darstellung des Hl. Thomas findet sich auf der Kanzel der Allerheiligenkirche in Warngau. Ein Engel hält neben ihm das Herz Jesu. Mit seinem Wunsch, die Seite Jesu zu “begreifen” können wir sagen, dass der Hl. Thomas der erste Verehrer des Herzens Jesu ist. Aus Jesu Seite flossen Blut und Wasser, Ströme der göttlichen Liebe und Barmherzigkeit. Sicher war es auch diese Erkenntnis des Herzens Jesu, die ihn voll Glauben beten lies: Mein Herr und mein Gott!

Hl. Isidor von Madrid

Isidor von Madrid, der am Ende des 11. und zum Beginn des 12. Jahrhunderts in Madrid lebte, war Bauer, Pächter auf dem Land eines Adligen. Über seine Lebenszeit gibt es unterschiedliche Angaben, entweder von etwa 1040 bis 1130 oder von 1082 bis 1172. Der Legende nach wurde er 90 Jahre alt, was sich in beiden Angaben widerspiegelt. Sein Todesjahr 1172 berechnet sich nach der Öffnung seines Grabes im Jahr 1212, bei der man seinen Leichnam unversehrt vorfand und die 40 Jahre nach seinem Tod erfolgt sein soll. Ende des 13. Jahrhunderts verfasste ein Diakon namens Johannes die Lebensgeschichte Isidors.

Vielleicht macht es uns stutzig, warum der Stadtheilige von Madrid Bauer ist. Wenn wir aber ein wenig über die Geschichte der Stadt nachlesen, erscheint uns das nicht mehr so seltsam. Madrid geht wahrscheinlich nicht auf eine Gründung der Römer zurück, erste historische Belege finden sich im 9. Jahrhundert. Damals waren große Teile Spaniens muslimisch. Im Jahr 711 hatten die Mauren das Westgotenreich erobert und auf der iberischen Halbinsel das muslimische Reich al-Andalus errichtet. Nur im Norden Spaniens konnten sich die Christen halten. Von dort begann die christliche Rückeroberung Spaniens, die Reconquista, die bis zum Jahr 1492 dauerte.

Im 9. Jahrhundert bestand Madrid aus einer maurischen Burg und einer Siedlung. Der Name des Ortes weist vermutlich auf den Wasserreichtum der dortigen Gegend hin. Im Jahr 1083 war die Reconquista in Madrid angekommen, Festung und Ort wurden von den Christen erobert. Eine muslimische Belagerung im Jahr 1109 blieb erfolglos, Madrid war fortan christlich. Der Ort wuchs zu einer Stadt, deren Aufstieg zu der Weltmetropole, als die wir sie heute kennen, jedoch erst begann, als die spanischen Könige im Jahr 1561 Madrid als Residenz und Hauptstadt wählten.

Zur Zeit Isidors war Madrid also durchaus ländlich geprägt und die Zeiten, in denen er lebte, waren ziemlich turbulent. Sie waren geprägt von den Kämpfen und Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen. Wahrscheinlich war die Bevölkerung noch lange Zeit gemischt, die christliche Herrschaft noch nicht gefestigt, sicher kam es zu Streit zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Es ist anzunehmen, dass der adlige Pachtherr, dem Isidor diente, das Land aufgrund seiner Verdienste bei der Reconquista erhalten hat, Land, das zuvor muslimischen Herren gehört hatte. Um das Land zu bestellen, warb er christliche Pächter an, von denen einer Isidor gewesen ist.

Um das Christentum in den neu erworbenen Gebieten zu festigen, bedurfte es Vorbilder für christliches Leben, besonders auch für die einfache Bevölkerung. Es ging darum, die Fruchtbarkeit des Landes zu steigern und somit die christliche Herrschaft abzusichern. Zugleich sollte der christliche Glaube das Volk einen und gegen die immer noch vorhandenen muslimischen Einflüsse stärken.

Gott ist es, der die Fruchtbarkeit des Landes schenkt und daher ist für einen guten Ertrag neben dem Fleiß der Bauern auch deren Frömmigkeit wichtig. Dass Gott selbst den Lohn der Frommen gibt, auch wenn diese sich mehr dem Gebet als der Arbeit widmen, macht eine Legende aus dem Leben des Heiligen Isidor deutlich. Sie sollte auch uns zu denken geben, die wir in einer Zeit leben, in der viele Menschen nur noch auf die eigene Leistung schauen und vergessen, dass auch Gott seinen Teil schenkt, wenn wir auf ihn vertrauen.

Neidische Nachbarn verklagten Isidor bei seinem Herrn und erzählten, dass Isidor vor lauter Frömmigkeit die Äcker und Weiden verkommen lasse. Der Pachtherr erschien persönlich, gerade als Isidor nach der Heiligen Messe die Kirche verließ. Isidor hörte den Tadel seines Herrn schweigend an. Am Ende bat er ihn, mit ihm aufs Feld zu gehen. Dort angekommen, sah der Herr, wie ein Gespann mit zwei weißen Stieren, das von einem Engel geführt wurde, in geraden, tiefen Furchen den Acker pflügte.

Obwohl selbst sehr arm, war Isidor ein sehr freigiebiger Mensch. Er half jedem, den er in Not sah. Selbst zu den Tieren war er gut, wovon eine weitere Legende erzählt, die uns gerade in der heutigen Zeit, in der die Zerstörung der Natur dramatische Ausmaße annimmt, zu denken geben sollte.

Zusammen mit seinem hartherzigen Nachbarn war Isidor im Winter mit einem Sack Getreide auf dem Rücken auf dem Weg zur Mühle. Da sahen sie einen großen Schwarm hungernder Vögel. Sogleich streute Isidor aus seinem Sack den Vögeln reichlich Futter hin. Der Nachbar aber war empört über diese Verschwendung guten Brotgetreides. Als aber später die Säcke der beiden vom Müller gemahlen wurden, brachte der halbe Sack Isidors zwei Säcke voll von feinstem Mehl, der volle Sack des Nachbarn aber brachte nur einen halben Sack schlechtes Mehl.

Isidor war verheiratet mit Maria de la Cabeza und hatte einen Sohn. Die Legende berichtet vom vorbildlichen christlichen Lebenswandel des Ehepaares. Eines der Wunder Isidors galt der Rettung seiner Familie. Eines Tages fiel sein kleiner Sohn Illan zusammen mit dem Körbchen, in dem er lag, in einen Brunnen. Die Mutter stand hilflos daneben und wusste nicht, wie das Kind zu retten sei. Da begann Isidor mit ihr inständig zu beten und das Wasser des Brunnens stieg bis zu dessen Rand und brachte das Kind in seinem Körbchen unversehrt an die Oberfläche. Isidors Frau zog sich bald nach diesem Wunder zurück und lebte ganz für Gott im Gebet. Sie verstarb im Ruf der Heiligkeit.

Isidor hatte ein langes Leben und soll seine Sterbestunde vorausgesagt haben. Als man nach 40 Jahren seinen Sarg öffnete, fand man den Leichnam unversehrt. Seine Gebeine wurden daraufhin in die Andreaskirche übertragen. Diese lag direkt neben dem Haus des Gutsherrn, in dem Isidor verstorben sein soll. Das Haus wurde im 17. Jahrhundert zu einer Kapelle umgebaut und ist heute Museum für Isidor und die Frühgeschichte von Madrid. Die daran angrenzenden Ländereien, die Isidor selbst bewirtschaftet hat, sind heute ein nach ihm benannter Friedhof und Park. Die Kirche San Isidro mit Friedhof und Park findet man, wenn man die Altstadt Madrids im Südwesten verlässt und den Fluss Manzanares auf der Puente de San Isidro überquert. So wird bis heute die Bedeutung dieses Heiligen für die Stadt Madrid deutlich.

Im Jahr 1620 wurden die Gebeine Isidors und seiner Frau in die ihm geweihte Jesuitenkirche im Zentrum von Madrid übertragen. Isidor wurde im Jahr 1619 seliggesprochen und am 12.März 1622 zusammen mit Ignatius von Loyola, Franz Xaver, Theresia von Avila und Philipp Neri durch Papst Gregor XV. heiliggesprochen. Er ist Patron der Bauern. Auch in Deutschland gibt es bis heute Isidorbruderschaften, die sein Andenken lebendig erhalten.