Das Wort “Pfingsten” kommt vom griechischen Wort “Pentekoste”, was auf Deutsch “der fünfzigste Tag” bedeutet. Pfingsten wird 50 Tage (7×7+1, was der Zahlensymbolik nach Überfülle bedeutet) nach Ostern gefeiert und bildet den Abschluss der 50-tägigen Osterzeit. Die Juden feiern an diesem Tag, 50 Tage nach dem Pessach-Fest, das Schawuot oder Wochenfest, das ursprünglich ein Erntefest als Dank für die Erstlingsfrüchte war, später aber zu einem Fest des Gedenkens an die Offenbarung der Zehn Gebote Gottes am Sinai wurde.
Die Chronologie von Lukasevangelium und Apostelgeschichte verknüpft die beiden bedeutenden christlichen Heilsgeheimnisse des Todes Jesu Christi und der Geistsendung mit diesen beiden großen jüdischen Wallfahrtsfesten. Am Pessach-Fest wurde Jesus hingerichtet und am Schawuot-Fest kam der Geist auf die Jünger herab.
Die Christen feierten zunächst die heiligen fünfzig Tage der Osterzeit „wie einen einzigen Festtag“. Im 4. Jahrhundert bekam jedoch das Fest Christi Himmelfahrt eine immer eigenständigere Bedeutung, was zur Folge hatte, dass die Einheitlichkeit der fünfzig Tage durchbrochen wurde und auch das Pfingstfest nicht mehr als Abschluss der fünfzig Tage gesehen wurde, sondern zu einem eigenständigen Fest mit eigener Oktav wurde. Nach Wegfall der Pfingstoktav kommen heute wieder die fünfzig Tage der Osterzeit stärker zum Vorschein. Der Pfingstmontag als letzter Rest der Pfingstoktav und zweiter Feiertag des Pfingstfestes ähnlich dem Ostermontag bildet ein gewisses Kuriosum, da er liturgisch schon zur Zeit im Jahreskreis gehört.
Die neun Tage zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten haben als Pfingstnovene eine besondere Bedeutung. Hier folgt die Kirche dem Vorbild der Apostelgeschichte, die uns die Jünger zusammen mit Maria und den anderen Frauen im Abendmahlssaal zum Gebet versammelt zeigt. Auch die Nachwahl des Matthias zum Apostel als Ersatz für Judas fällt in diese Tage. Wie die Jünger Jesu beten auch wir heute besonders um den Heiligen Geist.
Dann kehrten sie vom Ölberg, der nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück. Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben: Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon, der Zelot, sowie Judas, der Sohn des Jakobus. Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern. (Apg 1,12-14)
Wenn wir auf das Johannesevangelium blicken, aus dem der Text des Evangeliums am Pfingstsonntag stammt, so sehen wir hier eine andere Chronologie. Jesus wurde nach Johannes nicht am Pessach-Tag, sondern am Rüsttag vor dem Pessach-Fest gekreuzigt. Die Aussendung des Geistes über die Jünger erfolgte nicht erst nach fünfzig Tagen, sondern bereits am Osterabend mit der ersten Erscheinung des Auferstandenen.
Was uns zunächst widersprüchlich erscheinen mag, wird bei näherem Betrachten verständlich. Blicken wir zunächst auf den Text der Apostelgeschichte, der für uns zum Kerntext des Pfingstfestes geworden ist:
Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. (Apg 2,1-4)
Am Pfingsttag öffnet der Heilige Geist die Tore des Hauses und der Herzen. Nach Tagen des Rückzugs gehen die Apostel auf die Straße hinaus und verkündigen den Auferstandenen Herrn. Der Heilige Geist ist es, der ihnen Wort und Stimme gibt. Zugleich wird der Pfingsttag zum Geburtsfest der Kirche, an dem die Urgemeinde von Jerusalem zum ersten Mal nach dem Tod Jesu öffentlich in Erscheinung tritt und ihre ersten neuen Mitglieder gewinnt.
Lukas, der ein vortrefflicher Schriftsteller war, versteht es, die Ausbreitung der Kirche von der kleinen „Zelle“ der ersten Jünger in Jerusalem über die ganze Welt spannend zu schildern. Wir können bildlich vor uns sehen, wie das kleine Senfkorn aufgeht und zu einem großen Baum heranwächst. Der Pfingsttag ist der Tag, an dem der Keimling aus dem Korn hervorbricht – durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Johannes liefert uns keine solche Geschichte der Kirche. Sein Evangelium endet mit der Auferstehung des Herrn. Wie es dann weiter geht, das erleben die Leser seines Evangeliums zu ihrer Zeit. Er will uns mit den Berichten von den Erscheinungen des Auferstandenen etwas Bleibendes vermitteln. Was die Apostel an Ostern erfahren haben, das kann jeder Mensch erfahren, der sich auf Jesus Christus einlässt.
Jesus tritt in die Mitte der versammelten Jünger. Johannes lässt bewusst offen, wer hier genau versammelt ist. Gehören Maria und die anderen Frauen auch dazu? Hier ist jeder versammelt, der an Jesus glaubt. Wichtig ist der Tag, an dem es geschieht. Es ist der achte Tag, der Sonntag. An ihm versammeln sich seither die Christen zum Gottesdienst. Was Johannes hier schildert, ist nichts anderes als der erste Sonntagsgottesdienst, der seit diesem Ostersonntag durch alle Zeiten hindurch gefeiert wird.
Jesus in der Mitte. Seither ist Jesus mitten unter den Gläubigen, die sich zum Gottesdienst versammeln. Der Friedenswunsch ist ein zentrales Element jeder Heiligen Messe. Gehet hin in Frieden! – Ite missa est! – Ich sende euch. Aus jeder Messe werden wir mit dieser Sendung als Boten des göttlichen Friedens entlassen.
Jesus hauchte sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert. (Joh 20,22f)
Auch bei Johannes werden die Jünger auf die Straße hinaus gesandt. Wenn auch Johannes nicht so spektakulär wie Lukas in der Apostelgeschichte davon berichtet, welche Scharen von Menschen zu Zeugen des Pfingstwunders wurden, so ist doch das Ergebnis das gleiche. Die Jünger folgen dem Auftrag Jesu. Sie sind nun erfüllt von Gottes Heiligem Geist und wirken Gottes Heil unter den Menschen.
Das Pfingstfest soll uns wieder neu dazu ermuntern, täglich um den Heiligen Geist zu beten und uns auf sein Wirken einzulassen, damit sein Feuer ins uns stets lebendig bleibt. Das folgende Gebet hat Papst Johannes Paul II. täglich gebetet:
O Heiliger Geist, Du Liebe des Vaters und des Sohnes!
Gib mir immer ein, was ich denken soll, gib mir immer ein, was ich sagen soll, und wie ich es sagen soll. Gib mir immer ein, was ich verschweigen soll und wie ich mich dabei verhalten soll. Gib mir ein, was ich zur Ehre Gottes, zum Wohl der Seelen und zu meiner eigenen Heiligung tun soll.
Heiliger Geist, gib mir Verstand, um zu verstehen und zu erkennen, gib mir das Fassungsvermögen, um alles zu behalten. Lehre mich die Methoden und gib mir die Fähigkeit, um immer wieder zu lernen. Gib mir Scharfsinn, um richtig zu deuten und zu unterscheiden, gib mir die Gnade, um wirkungsvoll zu sprechen.
Heiliger Geist, gib mir Zuversicht und Treffsicherheit am Beginn, leite und führe mich bei der Ausführung, und schenke mir Vollkommenheit beim Beenden.
Amen.