Sein Aussehen war wie ein Blitz und sein Gewand weiß wie Schnee. (Mt 28,3)
So sehen die Frauen den Engel am Grab am Ostermorgen. Sie sind hingegangen, um dem Leichnam Jesu die letzte Ehre zu erweisen. Aber das Grab ist offen, der Stein weggewälzt und darauf sitzt dieser leuchtende Bote Gottes, heller als ein Blitz und weißer als Schnee. Was ist geschehen? Das Grab ist leer und Jesus nicht mehr da. Auferstanden zum ewigen Leben, aber in seiner bleibenden Gegenwart mitten unter ihnen. Zunächst noch sichtbar und greifbar im Auferstehungsleib, dann wirkmächtig verborgen und gegenwärtig beim eucharistischen Mahl in Brot und Wein.
Helle, Blitz, Leben und unfassbares Licht, da wo vorher Dunkelheit und Tod war. Weggewälzt der Stein der menschlichen Sünde, der den Weg zu Gott versperrt hat. Ein unvergänglicher Tag des Lebens hat begonnen und die Finsternis hat keine Macht mehr.
Die Antiphon “erat autem” bringt die lichtvolle Freude zum Ausdruck, die der Engel den Frauen vermittelt hat. Licht, das bis heute strahlt, in eine Welt, in der immer wieder die Finsternis die Macht zu übernehmen droht. Aber die Auferstehung Jesu bedeutet auch, dass die Finsternis niemals mehr Macht haben wird als das Licht.
Die Corona-Pandemie hat nun bereits seit Monaten drastische Auswirkungen auf unser Leben, unsere Gesellschaft und die Menschen in der ganzen Welt. Auch die Kirche bleibt davon nicht verschont und bis heute sind Gottesdienste nur unter bestimmten Einschränkungen möglich. Wenn auch bei uns die Zahl der Todesfälle aufgrund der Pandemie glücklicherweise relativ gering ist, dürfen wir doch das große Leid, das diese über die gesamte Menschheit bringt, nicht verharmlosen. Viele sind erkrankt, viele leiden unter den psychischen Folgen der Pandemie, viele haben starke materielle Einbußen erlitten.
Es ist das erste Mal seit vielen Jahrzehnten, dass eine Pandemie unsere Gesellschaft derart massiv beeinflusst. Zwar gab es in den letzten Jahren schon mehrere Seuchen wie Ebola oder die Vogelgrippe, aber keine davon hat zu solch massiven Einschränkungen für jeden einzelnen geführt, wie wir es jetzt durch Corona erleben. Diese Neuartigkeit führt auch dazu, dass viele die Existenz der Pandemie leugnen und gegen die Einschränkungen protestieren.
Ein Blick in die Geschichte zeigt uns aber, dass immer wieder Seuchen große Teile der Weltbevölkerung heimgesucht haben. Nur weil wir in den letzten Jahrzehnten in der glücklichen Lage waren, dass wir von solchen großen Ausbrüchen einer Seuche verschont geblieben sind, heißt das nicht, dass diese Gefahr für immer gebannt ist. Zwar können wir aufgrund unseres medizinischen Wissens Seuchen heute weit wirksamer entgegentreten als die Menschen früherer Zeiten, aber gefährlich bleiben sie trotzdem. Auch für die fortschrittlichste Medizin bedeutet es viel Arbeit, die immer neuen Formen von Viren zu entschlüsseln und Medikamente dagegen zu entwickeln.
Was uns von Menschen früherer Zeiten am meisten unterscheidet ist die Tatsache, dass wir heute wissen, welcher Erreger eine Seuche auslöst und wie er sich verbreitet. Mit unseren modernen Mikroskopen können wir uns ein Bild vom Feind machen. Jeder kennt heute das ungefähre Aussehen des Corona-Virus. Wir können uns über dessen Wirkungsweise informieren. Überall gibt es Informationen, wie wir uns vor einer Infektion schützen können.
Das war früher anders. Da kam eine Seuche aus heiterem Himmel über eine Stadt und breitete sich im ganzen Land oder gar auf dem gesamten Kontinent aus. Niemand wusste genau, was diese Krankheit verursacht, niemand wusste, wie man sich davor schützen kann. Niemand wusste von einer Inkubationszeit, bei der ein scheinbar gesunder Mensch die Krankheit bereits in sich trägt und weiterverbreitet. Daher wurden oft religiöse Erklärungen für eine Seuche gesucht. Zwar war der Tod in früheren Gesellschaften mit hoher Kindersterblichkeit und geringer Lebenserwartung weit mehr gegenwärtig als heute, aber wir können uns wohl nicht vorstellen, was es für die Menschen bedeutet hat, wenn beispielsweise durch die Pest über die Hälfte oder gar mehr als dreiviertel der Gesellschaft gestorben sind.
Ich möchte hier näher auf eine Seuche eingehen, die sich im 3. Jahrhundert im Römischen Reich verbreitet hat und die nach einem Heiligen benannt ist, die Cyprianische Pest. Sicher ist vielen der große Märtyrerbischof Cyprian von Karthago (um 200-258) bekannt. Als gebildeter junger Mann hat er sich zum Christentum bekehrt zu einer Zeit, als es noch gefährlich war, Christ zu sein. Aufgrund seiner Bildung wurde er bald zum Priester und schließlich zum Bischof seiner Heimatstadt Karthago geweiht. Viele seiner Schriften und Predigten sind uns bis heute überliefert und zeichnen das Bild eines Hirten, der sich intensiv um seine Gemeinde gekümmert hat. Als in den Jahren 250 und 257/58 große Verfolgungen über die Christen hereinbrachen, setzte er sich für die Freiheit der Christen ein. Besonders aber trat er dafür ein, dass Christen, die aus Furcht vor der Verfolgung im Jahr 250 dem Glauben abgeschworen hatten, wieder in die Gemeinde aufgenommen wurden. Er selbst ist in Kritik geraten, weil er sich damals aus Karthago an einen sicheren Ort im Umland zurückgezogen hat. Im Jahr 258 ab bewies er seine Standhaftigkeit, indem er dem Martyrium mutig ins Auge blickte.
Wir kennen Cyprian, aber mir war bisher auch nicht bekannt, dass eine große Pandemie, die etwa in der Zeit von 250-270 das gesamte Römische Reich in mehreren Wellen heimsuchte, nach ihm benannt ist. Die Cyprianische Pest trägt den Namen des Heiligen, weil dieser in seinem Buch “Über die Sterblichkeit” (De mortalitate) ausführlich auf diese Seuche eingeht. Es finden sich zu dieser Zeit über das gesamte Römische Reich verteilt Hinweise auf eine Seuche, an der viele Menschen gestorben sind. Da diese Zeugnisse aber allesamt von Nichtmedizinern stammen, fällt es bis heute schwer, den genauen Erreger dieser Seuche zu identifizieren. Kyle Harper trägt in seinem Buch “Fatum – Das Klima und der Untergang des Römischen Reiches” unseren Wissensstand über das damalige Geschehen zusammen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der desaströse Zustand des Römischen Reiches in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts in engem Zusammenhang mit dieser Seuche zu sehen ist. In dieser Zeit wurde der Limes aufgegeben, Germanische Stämme drangen bis Gallien, Spanien und Rom vor, die Goten plünderten Athen, die Perser setzten den östlichen Provinzen stark zu. Es war das Ende der Glanzzeit des Römischen Imperiums im Westen und nur mit Mühe konnte es danach noch für mehrere Jahrzehnte bis zu seinem endgültigen Zusammenbruch bestehen bleiben.
Cyprian will in seinem Buch “Über die Sterblichkeit” den Menschen Sicherheit und Trost geben angesichts der verheerenden Seuche, die sowohl Christen als auch Heiden in gleichem Maße dahinrafft. Erstaunlich ist, dass er nicht wie es oft andere religiöse Autoren tun, die Seuche als eine Strafe Gottes sieht. In seiner Gemeinde in Karthago gibt es keine eklatanten Missstände, die hätten bestraft werden müssen, und die Seuche trifft Christen und Nichtchristen in gleichem Maß. Für ihn ist die Seuche etwas rein Weltliches, das die Christen ebenso trifft wie die Heiden, da beide, so lange sie in der Welt leben, an dem gleichen weltlichen Geschick Anteil haben.
Dass auch die Christen von der Seuche nicht verschont bleiben, darf nicht wundernehmen, denn nicht irdisches Glück ist das Ziel des Christentums. Hier auf Erden sind vielmehr die Gläubigen den gleichen Naturgesetzen, Leiden und Gefahren unterworfen wie diejenigen, die nicht glauben.
Nicht irdisches Wohlergehen ist der Lohn für die Bekehrung zum Christentum, sondern das Wohlgefallen, das der Mensch bei Gott findet. Dafür führt Cyprian die Bespiele der bekannten alttestamentlichen Dulder Hiob und Tobias an. In seiner Argumentation erwähnt Cyprian nahezu beiläufig, dass nicht nur die Seuche den Menschen damals zugesetzt hat, sondern dass es damals auch zu außergewöhnlicher Trockenheit und Ernteausfällen gekommen ist. Wissenschaftlich ist heute nachgewiesen, dass das sogenannte Römische Klimaoptimum, das im Mittelmeerraum lange Zeit für weit mehr Niederschläge gesorgt hat als heute, auch im Sommer, seinem Ende zugingt, und eine Zeit größerer Trockenheit im Mittelmeerraum und Nordafrika folgte.
Aber freilich, manche stoßen sich daran, dass die Macht der jetzt wütenden Krankheit ebenso wie die Heiden auch die Unsrigen ergreift, gerade als ob der Christ nur deshalb gläubig geworden wäre, um, von der Berührung der Übel verschont, in Glück die Welt und das zeitliche Leben zu genießen, und nicht vielmehr deshalb, um für die künftige Freude aufbewahrt zu werden, nachdem er hier alles Widrige erduldet hat.
Es stoßen sich manche daran, dass uns mit den anderen Menschen diese Sterblichkeit gemeinsam ist. Aber was hätten wir denn in dieser Welt mit den übrigen Menschen nicht gemeinsam, solange uns noch nach dem Gesetz der ersten Geburt dieses Fleisch gemeinsam bleibt? Solange wir hier in der Welt weilen, sind wir mit dem ganzen Menschengeschlecht durch die Gleichheit des Fleisches verbunden und nur dem Geiste nach getrennt. Bis also dieses Verwesliche die Unverweslichkeit annimmt und dieses Sterbliche die Unsterblichkeit empfängt und bis der Geist uns zu Gott dem Vater führt, solange sind uns all die Mängel, die dem Fleische anhaften, mit dem ganzen Menschengeschlecht gemeinsam.
So bleibt ja auch, wenn bei Misswuchs der Boden eine nur magere Ernte liefert, keiner vom Hunger verschont; so trifft, wenn eine Stadt bei einem feindlichen Einfall besetzt worden ist, das Los der Knechtschaft alle zugleich; und wenn ein heiterer Himmel den Regen fernhält, dann haben alle unter der gleichen Trockenheit zu leiden; und wenn das Schiff an einem Felsenriff zerschellt, so ist der Schiffbruch für alle Insassen ohne Ausnahme gemeinsam. Und so haben wir auch die Augenschmerzen, die Fieberanfälle und die allgemeine Gliederschwäche mit den anderen gemeinsam, solange wir in der Welt dieses Fleisch gemeinsam an uns tragen.
Die hier erwähnten Anzeichen der Seuche schildert Cyprian an einer späteren Stelle noch ausführlicher und zeigt uns die schrecklichen Auswirkungen, unter denen die Menschen zu leiden hatten. Zugleich betont er immer wieder, dass solche Leiden nicht im Widerspruch zur Hoffnung unseres Glaubens stehen, sondern dass sie vielmehr den Glauben stärken. Entscheidend ist nicht die Tatsache, ob jemand von der Seuche befallen oder verschont wird, sondern vielmehr ob jemand sie als Glaubender oder Ungläubiger erträgt. Das Leiden an der Seuche wird somit zu einem besonderen Glaubenszeugnis dieser besonderen Zeit.
Dass jetzt beständiger Durchfall die Körperkräfte verzehrt, dass das tief im Inneren lodernde Feuer immer weiter wütet und den wunden Schlund ergreift, dass fortwährendes Erbrechen die Eingeweide erschüttert, dass die Augen durch den Blutandrang sich entzünden, dass manchen die Füße oder irgendwelche anderen Körperteile von zerstörender Fäulnis ergriffen und abgefressen werden, dass infolge der schweren Schädigung des Körpers durch die eintretende Ermattung der Gang gelähmt, das Gehör abgestumpft oder die Sehkraft getrübt wird, all das dient nur dazu, den Glauben zu erweisen. Gegen so viele Anfälle der Verheerung und des Todes mit unerschütterlicher Geisteskraft zu kämpfen, welch großen Mut zeigt das!
Welche Erhabenheit verrät es, inmitten der Vernichtung des Menschengeschlechts aufrecht zu stehen, anstatt mit denen am Boden zu liegen, die keine Hoffnung auf Gott haben! Beglückwünschen dürfen wir uns vielmehr und es als Geschenk der Zeit begrüßen, wenn wir unseren Glauben standhaft zur Schau tragen, wenn wir durch das Erdulden von Leiden auf dem engen Weg Christi zu Christus eilen und so den Lohn dieses Weges und des Glaubens nach seinem Urteil finden.
Der Tod ist allerdings zu fürchten, aber nur für den, der nicht aus Wasser und Geist wiedergeboren, sondern den Flammen der Hölle verfallen ist. Den Tod möge fürchten, wer sich nicht auf Christi Kreuz und Leiden berufen kann. Den Tod möge fürchten, wer aus diesem nur zu einem zweiten Tod übergeht. Den Tod möge der fürchten, den bei seinem Scheiden von der Welt die ewige Flamme mit immerwährender Pein foltern wird. Den Tod möge fürchten, wer von einer längeren Frist wenigstens den Gewinn hat, dass seine Qual und sein Seufzen einstweilen noch aufgeschoben sind.
Der Tod ist nicht zu fürchten! Diesen Trost gibt der Bischof seiner Gemeinde angesichts der Unausweichlichkeit vor den Folgen der Pandemie. Nicht der Tod ist zu fürchten, sondern die ewige Verdammnis, die der Tod für die Ungläubigen mit sich bringt. Das ist der Vorteil des Glaubens angesichts der gegenwärtigen Not und darum gilt es für die Gläubigen, angesichts der zu erduldenden Leiden nicht zu verzweifeln, sondern standhaft zu bleiben.
Doch Cyprian bleibt nicht allein bei dem Hinweis auf den Lohn Gottes nach dem Tod stehen, sondern sieht die Seuche auch als eine Chance für Nächstenliebe und Barmherzigkeit, ja sogar als eine Einübung für das, was den Christen damals als höchster Wert galt: das Martyrium.
Wie bedeutungsvoll, wie wichtig und wie notwendig ist sodann die Wirkung, dass diese Pest und Seuche, die so schrecklich und verderblich erscheint, die Gerechtigkeit jedes einzelnen erforscht und die Herzen des Menschengeschlechtes daraufhin prüft, ob die Gesunden den Kranken dienen, ob die Verwandten ihre Angehörigen innig lieben, ob die Herren sich ihrer leidenden Diener erbarmen, ob die Ärzte die um Hilfe flehenden Kranken nicht im Stich lassen, ob die Trotzigen ihr Ungestüm unterdrücken, ob die Habgierigen die stets unersättliche Glut ihrer Habsucht wenigstens in der Furcht vor dem Tod löschen, ob die Stolzen ihren Nacken beugen, ob die Ruchlosen ihre Keckheit mäßigen, ob die Reichen wenigstens jetzt bei dem Tod ihrer Lieben etwas hergeben und spenden, da sie doch ohne Erben dahingehen werden! Selbst wenn diese Sterblichkeit nichts weiter genützt hätte, so hat sie uns Christen und Dienern Gottes schon damit einen großen Dienst erwiesen, dass wir jetzt begonnen haben, mit Freuden nach dem Märtyrertum zu verlangen, indem wir lernen, uns vor dem Tod nicht zu fürchten. Nur Übungen sind das für uns, nicht Heimsuchungen, sie verleihen dem Herzen den Ruhm der Tapferkeit, und durch die Verachtung des Todes bereiten sie zur Märtyrerkrone vor.
Herr, dein Wille geschehe, diese Bitte aus dem Vater Unser erfüllt sich auch angesichts der Pandemie, wenn die Pläne der Menschen durchkreuzt werden, wenn viele einen vorzeitigen Tod erleiden und nicht mehr das ausführen können, was sie sich für ihr weiteres Leben vorgenommen haben. Die Pandemie führt dem Menschen seine Gebrechlichkeit vor Augen, damals wie heute.
Der tiefere Blick auf das Leben Cyprians und die Zeitumstände dieses Lebens kann ihn in besonderer Weise zu einem Gefährten unserer Zeit machen. Auch wenn uns Jahrhunderte von ihm trennen, haben unsere Zeiten einiges gemeinsam. Cyprian ist in einer Zeit aufgewachsen, als das römische Nordafrika einen Höhepunkt seiner kulturellen und wirtschaftlichen Blüte erlebte, die für viele Menschen Wohlstand und Sicherheit bedeutete. Die Natur schien dem Menschen wohlgesonnen und sorgte für einen geregelten Wechsel der Jahreszeiten.
Er musste dann aber erfahren, wir brüchig dieses weltliche Geschick war. Die letzten Jahre seines Lebens waren geprägt von einer Zeit der politischen Instabilität, wirtschaftlicher Notlagen, Dürren, Hungersnöten und nicht zuletzt einer Pandemie, die unzählige Menschen auf grausamste Weise dahinraffte. Viele glaubten damals an das Ende der Zeiten, und doch hat sich die Welt wieder erholt, eine neue Zeit brach an, Menschen bauten das Zerstörte wieder auf, das Klima wurde wieder freundlicher. Der Glaube Cyprians an Jesus Christus blieb unerschütterlich. Unser Heil ist nicht abhängig von irdischem Wohlergehen, sondern allein von unserem Glauben an den, der die Welt in seinen Händen hält in guten wie in schlechten Zeiten. Sein sind Anfang und Ende. Er ist das Ziel unseres Lebens.
Was mir jeden Tag die Kraft gibt, nicht zu verzweifeln, ist der Glaube daran, dass die Geschicke dieser Welt auch von einer Macht bestimmt werden, die größer ist als die Macht der Menschen und die das Gute will.
Melchisedek, der König von Salem, brachte Brot und Wein heraus. Er war Priester des Höchsten Gottes. (Gen 14,18)
Abram ist als Fremder in das Gelobte Land gekommen, mit
seiner Frau Sara, mit Knechten und Mägden und einer stattlichen Anzahl Vieh.
Mit seinen Herden zog er durch das Land, von dem Gott ihm gesagt hat, dass er
es seinen Nachkommen zum Besitz geben wird – dabei hatte er zu diesem Zeitpunkt
noch nicht einmal einen Sohn. Dann kommt es zu einem Krieg. Vier Großkönige
ziehen gegen fünf Stadtkönige im südlichen Jordangraben in den Krieg,
vernichten dabei auf ihrem Weg auch die im Ostjordanland ansässigen Völker und
kehren siegreich zurück. Zu ihrer Beute gehört auch Abrahams Bruder Lot. Doch
Abram schafft es, mit einer kleinen Streitmacht seiner Knechte, Lot aus den
Händen der Großkönige zu befreien und dabei auch einiges von der Kriegsbeute für
sich zu gewinnen. Schwer beladen kehrt er aus dem Norden des Gelobten Landes,
wo er den Sieg errungen hat, an den Ort zurück, an dem er sich niedergelassen
hat, den Eichen von Mamre in der Nähe von Hebron, südlich von Jerusalem.
Der Weg führt Abram an jenem Ort vorbei, der einmal die
Königsstadt des Gelobten Landes sein wird und die Stadt des Tempels des Gottes
Israels, der Abram seine Verheißungen gegeben hat. Hier kommt es zu einer
denkwürdigen Begegnung. die zum Sinnbild geworden ist für die Geschichte Gottes
mit seinem Volk, mit dem Volk des Alten Bundes aber auch dem des Neuen Bundes.
Melchisedek, der König von Salem, brachte Brot und Wein heraus. Er war Priester des Höchsten Gottes. Er segnete Abram und sagte: Gesegnet sei Abram vom Höchsten Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde und gepriesen sei der Höchste Gott, der deine Feinde an dich ausgeliefert hat. Darauf gab ihm Abram den Zehnten von allem. (Gen 14,18-20)
Melchisedek ist König und Priester von Salem, womit
Jerusalem gemeint ist. Die Verbindung von Königtum und Priestertum in einer
Person ist nichts Ungewöhnliches im Alten Orient. Er wird vorgestellt als
Priester des Höchsten Gottes. Bis jetzt ist im Buch Genesis der Eindruck
entstanden, dass nur Abram den Glauben an den Höchsten Gott kannte. Bei den
anderen Menschen war dieser Glaube verloren gegangen, sie wissen nicht mehr,
woher sie stammen, haben sich andere Götter gemacht. Doch Abram hat die
Offenbarung des Höchsten Gottes erhalten, des Gottes, der die Welt erschaffen
hat und alles, was in ihr ist. Er wird von Gott in das Land gerufen, in dem er
sich in besonderer Weise zeigt, das ihm gehört und das er Abraham und seinen
Nachkommen schenken möchte, damit sie den Glauben an ihn darin bewahren.
Nun zeigt sich, dass es in diesem Land in Jerusalem einen
König und Priester gibt, der wie Abram diesen Höchsten Gott kennt und die
beiden großen Verehrer dieses einen Gottes begegnen einander. Melchisedek bringt
Brot und Wein. Brot und Wein gehören zum Opfer, das dem Gott Israels
dargebracht wird. Zwölf Brote liegen als Schaubrote auf dem Tisch des Herrn als
Opfer für Gott und zur Nahrung für die Priester. Wein wird als Trankopfer für
Gott ausgegossen. Brot und Wein gehören zur Feier des Pessach, Jesus feiert mit
Brot und Wein das Letzte Abendmahl mit seinen Jüngern und fortan bleibt er
selbst in Brot und Wein gegenwärtig, die in der Feier der Eucharistie in seinen
Leib und sein Blut verwandelt werden.
Melchisedek segnet Abram und Abram gibt ihm den Zehnten von
allem, was er hat. Später werden die Nachkommen Abrams an den Tempel den Zehnten
geben. Abram selbst wird so zum Vorbild für diese Tradition, die die Ausübung
des Gottesdienstes und den Unterhalt der Priester finanziert. Nun wird uns auch
verständlich, was Psalm 110,4 meint, wenn es dort heißt: “Du bist Priester
auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks.” Letztlich ist das Priestertum in
Israel nicht erst durch Mose entstanden, sondern Gott hatte seit Urzeiten in
Israel und an der Heiligen Stätte von Jerusalem seine Priester, wovon die
Begegnung Abrams mit Melchisedek Zeugnis gibt.
Der Hebräerbrief beruft sich auf Melchisedek und das Zitat
aus Psalm 110, um die priesterliche Würde Jesu aus der Schrift zu beweisen. Für
fromme Juden galt Jesus nicht als Priester, sondern als Gotteslästerer, der
sich eigenmächtig den Messias-Titel angeeignet hat. Die Christen versuchen aber
von Anfang an zu beweisen, dass Jesus der ist, an dem sich das Wort der Schrift
erfüllt.
So hat auch Christus sich nicht selbst die Würde verliehen, Hohepriester zu werden, sondern der zu ihm gesprochen hat: Mein Sohn bist du. Ich habe dich heute gezeugt, wie er auch an anderer Stelle sagt: Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks. (Hebr 5,5-6)
In einem späteren Kapitel geht der Hebräerbrief nochmals
ausführlich auf Melchisedek ein:
Melchisedek, König von Salem und Priester des höchsten Gottes; er, der dem Abraham, als dieser nach der Unterwerfung der Könige zurückkam, entgegenging und ihn segnete und welchem Abraham den Zehnten von allem gab; er, dessen Name König der Gerechtigkeit bedeutet und der auch König von Salem ist, das heißt König des Friedens; er, der vaterlos, mutterlos und ohne Stammbaum ist, ohne Anfang seiner Tage und ohne Ende seines Lebens, ähnlich geworden dem Sohn Gottes: Dieser Melchisedek bleibt Priester für immer. (Hebr 7,1-3)
In jener mystischen (oder doch historischen?) Figur des Melchisedek
vereint sich die Verehrung des einen und höchsten Gottes vom Beginn der Schöpfung
an über den Gottesdienst Israels im Tempel bis hin zur Feier der Heiligen
Messe. Auch dort hat Melchisedek im Ersten Hochgebet seinen Platz. Dieses
basiert auf dem alten römischen Messkanon, der für das 5. Jahrhundert bezeugt
ist und noch in frühere Zeiten zurückreicht. Dort heißt es:
So bringen wir aus den Gaben, die du uns geschenkt hast, dir, dem erhabenen Gott, die reine, heilige und makellose Opfergabe dar: das Brot des Lebens und den Kelch des ewigen Heiles.
Blicke versöhnt darauf nieder und nimm sie an wie einst die Gaben deines gerechten Dieners Abel, wie das Opfer unseres Vaters Abraham, wie die heilige Gabe, das reine Opfer deines Hohenpriesters Melchisedek.
Bereits zu Urzeiten bestand das Opfer Melchisedeks aus Brot
und Wein. Er tritt als Zeuge auf für den Höchsten Gott und zeigt uns, wie die
Verehrung dieses Gottes vom ersten Menschen bis in unsere Zeit hinein reicht.
Wenn wir den einen und höchsten Gott verehren, folgen wir nicht irgendwelchen
klug ausgedachten Geschichten, nicht der Lehre irgendeines Religionsstifters,
sondern wir folgen dem, was Gott von Anfang an im Menschen grundgelegt hat. In
Jesus Christus ist dieser Gott selbst Mensch geworden und ist in den
gewandelten Gaben von Brot und Wein gegenwärtig. Ihn wollen wir preisen und ehren
wie im Anfang (der Schöpfung) so auch jetzt in allezeit und in Ewigkeit. Amen.
Und es geschah: Er kam in die Nähe von Betfage und Betanien, an den Berg, der Ölberg heißt, da schickte er zwei seiner Jünger aus und sagte: Geht in das Dorf, das vor uns liegt! Wenn ihr hineinkommt, werdet ihr dort ein Fohlen angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet es los und bringt es her! Und wenn euch jemand fragt: Warum bindet ihr es los?, dann antwortet: Der Herr braucht es.
Die Ausgesandten machten sich auf den Weg und fanden alles so, wie er es ihnen gesagt hatte. Als sie das Fohlen losbanden, sagten die Leute, denen es gehörte: Warum bindet ihr das Fohlen los? Sie antworteten: Weil der Herr es braucht.
Lk 19,29-34
Alle
Evangelien berichten davon, dass Jesus auf einem Esel reitend in Jerusalem
eingezogen ist. Es ist ein junger Esel, auf dem vorher noch niemand gesessen
hat. Jesus beauftragt seine Jünger, diesen bei gewissen nicht näher genannten
Leuten zu holen. Da die Evangelien von dem Esel und seiner Beschaffung doch
relativ ausführlich berichten, liegt die Vermutung nahe, dass dieser Vorgang
eine tiefere Bedeutung hat.
Jesus sagte voraus, dass niemand sie hindern werde, vielmehr auf ihre Worte hin alle zu diesem Tun schweigen würden. … Irrig wäre die Meinung, der Vorgang habe nicht viel zu bedeuten. Denn wie kamen diese Landleute, die wahrscheinlich arm waren, dazu, sich ohne Widerspruch ihr Eigentum entführen zu lassen? … Zwei sehr auffallende Umstände: sie sagten gar nichts dazu, dass man ihre Lasttiere wegführte und willigten noch ohne Widerrede ein, als sie hörten, der Herr bedürfe ihrer; und dabei sahen sie ihn selbst nicht einmal, sondern nur seine Jünger. (Johannes Chrysostomus)
Johannes
Chrysostomus deutet dies zum einen als ein Zeichen dafür, dass Jesus auch
leicht seinem Leiden hätte entgehen können, wenn er es gewollt hätte. Wie die
Besitzer des Esels seinem Wunsch willig folgten, so hätte er sich auch die
Gunst der Juden erwerben können. Doch nach Gottes Willen sollte es anders
kommen.
Jesus wollte die Jünger, die über seinen bevorstehenden Tod betrübt waren, ermutigen und ihnen zeigen, dass er sich dem ganzen Leiden freiwillig unterzog. (Johannes Chrysostomus)
Der Esel,
der so willig sich zum Herrn führen lässt und sich von ihm in Dienst stellen
lässt, wird aber auch zu einem Bild der Kirche und jedes einzelnen Gläubigen.
Beachte dabei, wie fügsam das Füllen ist. Obwohl noch nicht zugeritten und noch an keine Zügel gewohnt, schreitet es doch ruhigen Schrittes dahin, ohne sich zu bäumen. Auch in diesem Umstand liegt eine Prophezeiung: es wird angedeutet, wie willig sich die Heiden zeigen und mit welcher Bereitwilligkeit sie sich in die neue Ordnung fügen werden. (Johannes Chrysostomus)
Wenn schon
die Heiden sich so willig zu Christus hin bekehren, wie viel mehr müssen dann
die Gläubigen ihm dienen. Jesus zeigt den Aposteln und uns allen, dass wir
bereit sein sollen, ihm alles zu schenken. Dieses Schenken zeigt sich ganz
besonders auch im Dienst an den Armen, dem Almosengeben, zu dem wir in der
Fastenzeit besonders aufgerufen sind.
Christus verlangt nur, dass wir den Bedürftigen geben, und verheißt uns dafür das Himmelreich. … Seien wir also nicht so kleinlich, nicht so unmenschlich und grausam gegen uns selbst, sondern ergreifen und betreiben wir vielmehr dieses vorzügliche Geschäft, dann werden wir glücklich hinübergehen und es zugleich auch unseren Söhnen hinterlassen können; dann werden wir auch der ewigen Güter teilhaftig werden durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, dem mit dem Vater und dem Heiligen Geiste Ruhm, Macht und Ehre sei jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit. Amen! (Johannes Chrysostomus)
Johannes
Chrysostomus stellt uns also den Palmesel geradezu als Vorbild hin. Der Esel,
der eigentlich ein störrisches Tier ist, fügt sich ganz dem Willen Jesu und als
er dann auf dem Esel Platz genommen hat, kann der festliche Einzug in Jerusalem
beginnen.
Dann führten sie es zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Fohlen und halfen Jesus hinauf. Während er dahinritt, breiteten die Jünger ihre Kleider auf dem Weg aus. Als er sich schon dem Abhang des Ölbergs näherte, begann die Schar der Jünger freudig und mit lauter Stimme Gott zu loben wegen all der Machttaten, die sie gesehen hatten. Sie riefen: Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Ehre in der Höhe!
Lk 19,35-38
Wie vor
einem König breiten die Jünger vor Jesus ihre Kleider auf der Straße aus und
zieren den Weg mit Palmzweigen. Wir kennen es heute noch, dass ein roter Teppich
ausgelegt wird, wenn hohe Staatsgäste oder Prominente empfangen werden. Es ist
ein wahrhaft königlicher Einzug, den Jesus in Jerusalem inszeniert, ganz anders
als wir es von seinem bisherigen Auftreten gewohnt sind. Jesus erfüllt die
Messias-Weissagung des Propheten Sacharja:
Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin. (Sach 9,9)
So ist das
Reiten Jesu auf einem Esel sicherlich zunächst ein Zeichen seiner Demut.
Er kommt also nicht auf einem Wagen, wie andere Könige, nicht um Steuern einzuheben, nicht mit Groß und Leibwache, sondern er bekundet auch hierin eine große Bescheidenheit. (Johannes Chrysostomus)
Wenn Jesus
aber auf einem Esel in Jerusalem einzieht, so macht er damit zugleich seinen
Anspruch deutlich, der Messias, der neue König von Israel zu sein. Die Menschen
wissen dieses Zeichen zu deuten. Die einen hoffen nun auf den Anbruch der neuen
Gottesherrschaft, die anderen versuchen diese mit allen Mittel zu verhindern.
Womit aber wohl keiner rechnet, ist das, was in den nächsten Tagen in Jerusalem
geschehen wird: Dass der Messias-König seine Herrschaft antritt als König am
Kreuz.
Jetzt aber – so spricht der Herr, der dich erschaffen hat, Jakob, und der dich geformt hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir! Wenn du durchs Wasser schreitest, bin ich bei dir, wenn durch Ströme, dann reißen sie dich nicht fort. Wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt, keine Flamme wird dich verbrennen.
Denn ich, der Herr, bin dein Gott, ich, der Heilige Israels, bin dein Retter. Ich habe Ägypten als Kaufpreis für dich gegeben, Kusch und Seba an deiner Stelle. Weil du in meinen Augen teuer und wertvoll bist und weil ich dich liebe, gebe ich Menschen für dich und für dein Leben ganze Völker.
Jes 43,1-4
“Jetzt aber!” Mit diesen Worten beginnt etwas
Neues, dieser Ruf des Propheten steckt voller freudiger Erwartung. Jetzt ist
die Zeit vorbei, da sich die Menschen von Gott verlassen fühlten. Gott zeigt
sich ganz neu als Vater und Beschützer der Seinen. Er sagt einem jeden von uns:
Fürchte dich nicht, ich habe dich erschaffen und in die Welt gebracht, ich
werde dich auch beschützen. Ich kenne deinen Namen, ich kenne den Namen jedes
einzelnen Menschen. “Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle
gezählt”, (Mt 10,30) sagt Jesus einmal zu seinen Jüngern. Wie könnten wir
da meinen, dass Gott sich nicht um uns sorgt und uns nicht kennt?
Selbst in den größten Gefahren ist Gott nahe, er leitet den
Weg sicher durch reißende Ströme und loderndes Feuer, durch die Hitze der
Wüste. Gott erweist sich als Retter. Er löst sein Volk aus der Gefangenschaft
aus, ganze Völker gibt er als Kaufpreis für sein Volk, ja er selbst gibt sich
für sie hin.
In Jesus Christus ist diese Zuwendung Gottes zu den Menschen
selbst Mensch geworden. In allem, was er tut, zeigt Jesus, dass wir uns nicht
zu fürchten brauchen. In Krankheit und Not schenkt er Rettung und Heil, ja er
hat selbst die Kraft, Tote zum Leben zu erwecken. Die Gesetze des Verfalls
scheinen nicht mehr zu gelten. Alles wird neu im Licht der Liebe Gottes.
Wir zweifeln oft daran, dass es eine Kraft geben kann, die
alles erneuert. Schicksalsergeben fügen wir uns dem Lauf der Geschichte. Doch
die Welt gehört denen, die den Mut haben, aufzustehen und die Zukunft selbst zu
gestalten. Wir haben jederzeit die Möglichkeit, dieses “Jetzt aber!”,
von dem der Prophet hier spricht, in unserem Alltag Wirklichkeit werden zu
lassen.
Ostern ist für uns das beste Beispiel dafür. Alles läuft
darauf hinaus, dass Jesus vernichtet wird. Scheinbar schicksalsergeben fügt
Jesus sich dem, was geschieht. Aber wenn wir die Evangelien genau lesen, so entdecken
wir, dass Jesus selbst das Geschehen lenkt. Er nimmt bewusst an, was seine
Feinde ihm zufügen, weil er weiß, dass es zur Rettung der Menschen geschieht.
Er wehrt sich nicht dagegen, sondern gestaltet die Ereignisse selbst mit. Somit
wird aus der scheinbaren Erniedrigung Jesu die Inszenierung seiner Krönung zum
König der ganzen Welt.
Vielleicht helfen uns die Worte des Propheten Jesaja, das
Geschehen um Jesu Tod besser zu verstehen. Jesus Christus gibt sich für uns
hin, weil er weiß, dass dies der Preis dafür ist, alle Menschen aus der Macht
der Sünde und des Todes zu retten.
Wie leicht lassen wir uns von den Gegnern des Christentums
treiben, indem wir versuchen, auf ihre Argumente einzugehen und nur reagieren,
anstatt selbst zu agieren. Wir brauchen wieder neu die Flamme des Heiligen
Geistes, die uns dazu fähig macht, den Gegnern das Heft aus der Hand zu nehmen
und selbst Regie zu führen.
Denken wir stets daran: wir sind von Gott geliebt, alle
Menschen sind von Gott geliebt. Gott ist Herr der ganzen Welt und er hat die
Macht, alles zu bestimmen. Vertrauen wir uns dieser Macht Gottes an und lassen
wir uns nicht von den Mächten der Welt gefangen nehmen. Haben wir den Mut,
unser Leben von Gott bestimmen zu lassen und so stets getragen zu sein vom
Strom seiner Liebe.
Gottes Worte, die uns Kraft geben und uns an seine Zusage
erinnern, sollen wir nie vergessen:
Weil du in meinen Augen teuer und wertvoll, und weil ich
dich liebe, geb’ ich für dich alle Länder und Völker und für dein Leben mich
selbst.
Singt dem Herrn ein neues Lied, seinen Ruhm vom Ende der Erde her, die ihr das Meer befahrt, seine Fülle, die Inseln und ihre Bewohner! Die Wüste und ihre Städte sollen sich freuen, die Dörfer, die Kedar bewohnt. Die Bewohner von Sela sollen singen vor Freude und jubeln auf den Gipfeln der Berge. Sie sollen dem Herrn die Ehre geben, sein Lob auf den Inseln verkünden.
Jes 42,10-12
Der Prophet ruft zu einem Loblied auf für Gott, das auf der
ganzen Erde erschallen soll. Es ertönt auf dem Festland und über dem Meer, in
der Ebene der Wüste mit ihren Städten und Dörfern und auf den Gipfeln der
Berge, also einfach überall in der damals bekannten Welt, in der man noch
nichts wusste von fernen Kontinenten, die man über das Meer erreicht, und von
fernen Ländern, die sich hinter dem Horizont auftun.
Der Gott Israels ist Herr der ganzen Erde und das unscheinbare
Volk Israel sah sich im Zentrum der Weltgeschichte. Die großen Mächte hatten es
auf dieses kleine Volk abgesehen und Gott hatte erlaubt, dass sie es besiegen
durften. Doch nun bedient sich Gott erneut der fremden Völker und zwar des
größten aller Herrscher, um sein Volk zu retten. Er erwählt den mächtigen Perserkönig
Kyros zum Retter, der sein Volk heimführen wird aus der Verbannung.
Warum soll da nicht die ganze Welt widerhallen vom Lob
Gottes, ist er es doch, der die Geschicke aller Völker lenkt, der darüber
bestimmt, welches Volk Erfolg hat im Krieg und mächtig wird und welches
untergeht.
Der Herr zieht in den Kampf wie ein Held, er entfacht seine Leidenschaft wie ein Krieger. Er erhebt den Schlachtruf und schreit, er zeigt sich als Held gegenüber den Feinden. Ich hatte sehr lange geschwiegen, ich war still und hielt mich zurück. Wie eine Gebärende will ich nun schreien, ich stöhne und ringe um Luft. Die Berge und Hügel dörre ich aus und lasse ihr Gras völlig vertrocknen. Flüsse mache ich zu Inseln und Teiche lege ich trocken.
Jes 42,13-15
Gott hat lange wie ein unbeteiligter Zuschauer das Geschick
seines Volkes mitverfolgt und zugelassen, dass es in die Verbannung geführt
wird. Damit ist nun aber Schluss. Gott greift wieder aktiv in die Geschichte
ein und zeigt damit, dass in seiner Hand das Geschick der ganzen Welt liegt. Sein
Eingreifen ist unüberhörbar wie der Schrei einer Gebärenden und übersehbar ist
das, was er tut.
Gott macht aus dem fruchtbaren grünen Land ein trockenes
Ödland wegen der Schuld seiner Bewohner, ein Bild, das wir so öfter in der
Heiligen Schrift finden, und das gerade heute wieder an Brisanz gewinnt. Auch
die Menschen früherer Zeiten erlebten bereits Klimaveränderungen. Ganze Völker
gingen unter, weil es plötzlich nicht mehr genug Regen gab, damit genügend
Getreide geerntet werden konnte, um die Bevölkerung zu ernähren und den
Wohlstand des Landes zu sichern.
Die Gier der Menschen und die Zerstörungen durch den Krieg
vernichten immer wieder große Flächen an Kulturland. Sie vernichten Gottes
Schöpfung, die ja wie ein üppig grüner Garten von Gott angelegt worden ist. Was
bleibt ist dürres Land, dem die Menschen mit all ihrer Mühe kaum einen Grashalm
entlocken können. Doch die Menschen fahren fort in ihrer Gier, versuchen mit
immer aufwändigeren Methoden, Herr über die Natur zu werden, und erkennen
nicht, wie einfach es wäre, die zerstörte Natur widerherzustellen, wenn sie im
Einklang mit Gott und seiner Schöpfung leben würden.
Aber damit dies geschehen könnte, müsste ja jeder verzichten
auf vieles, das ihm lieb ist, müssten alle lernen, bescheidener zu sein und
verantwortungsvoller mit den Geschenken der Natur umzugehen. Vor allem müssten
die Menschen erkennen, dass diese Geschenke für alle da sind und nicht nur der
Bereicherung einiger weniger dienen, die sich dann noch untereinander
bekämpfen.
Wie können wir es schaffen, in Frieden miteinander zu leben?
Beten wir täglich für diesen Frieden. Beten wir täglich darum, dass die
Menschen lernen, verantwortungsvoll mit Gottes Schöpfung umzugehen. Beten wir
täglich darum, dass die Menschen lernen, miteinander zu teilen, anstatt sich auf
Kosten anderer zu bereichern.
Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, achtet nicht mehr! Siehe, nun mache ich etwas Neues. Schon sprießt es, merkt ihr es nicht?
Jes 43,18-19a
Das ganze Kapitel 43 des Jesajabuches ist voll positiver
Energie und schildert mit machtvollen Worten die Befreiung des Volkes aus dem
Exil in Babylon durch seinen Gott. Das Volk war voller Trauer über den Verlust
des Heiligen Landes, ja mehr noch, es fühlte sich von seinem Gott verlassen, denn
eigentlich hätte es nie zu dieser Katastrophe kommen dürfen.
Doch Gott macht einen neuen Anfang mit seinem Volk. Durch
die Worte des Propheten, der von der Bibelwissenschaft Deuterojesaja genannt
wird, macht er seine Liebe zu seinem Volk deutlich. Nichts mehr wird dem Volk
Gottes Schaden zufügen. Die Menschen können bald wieder in Frieden und
Sicherheit in ihrem Land wohnen. Gott führt sie aus der Gefangenschaft, wie er
einst das Volk aus Ägypten durch die Wüste geführt hat. Alles wird neu werden,
und der Anfang dieses Neuen ist schon jetzt spürbar, wenn auch das Volk noch in
Babylon lebt und die Heimkehr in scheinbar weiter Ferne liegt.
Die Liturgie präsentiert uns diesen Text am Fünften
Fastensonntag, dem Passionssonntag. An diesem Tag werden die Kreuze verhüllt
und bleiben es bis zum Karfreitag. Die Feier von Jesu Leiden und Auferstehung
steht nahe bevor, die österliche Bußzeit neigt sich ihrem Ende zu und bald
kommt die frohe Osterzeit. Auch in der Natur sprießt frisches Grün und wir
erfreuen uns an den ersten warmen Frühlingstagen.
Gott macht alles neu, er schenkt Wärme nach dem eisigen
Winter, schenkt Trost in der Trübsal und Freude nach einer Zeit der Schmerzen.
Das Evangelium dieses Sonntags berichtet von der Rettung und Vergebung, die
Jesus der zur Steinigung verurteilten Ehebrecherin schenkt.
Gottes neue Welt braucht aber auch Menschen, die sich dafür
einsetzen, die dem Beispiel Jesu folgen und andere nicht verurteilen, sondern nach
Wegen der Vergebung suchen, Menschen, die für andere da sind und einander
annehmen, auch über die Gräben von Vorurteilen hinweg. Bei Deuterojesaja ist es
der Gottesknecht, der die ihm von Gott zugedachte Aufgabe der Rettung seines
Volkes ausführt. Die Exegeten sind sich nicht einig darüber, wer dieser
Gottesknecht ist. Etwa der Prophet selbst? Oder der Perserkönig Kyros, der die
Heimkehr des Volkes aus dem Exil ermöglicht und Mittel zum Wiederaufbau
Jerusalems zur Verfügung stellt?
Der Gottesknecht aus dem Buch Jesaja ist auch Vorausbild für
Jesus Christus. Er ist der Retter aus dem Gefängnis von Sünde und Tod, er
öffnet den Weg zu neuem Leben in unüberbietbarer Weise. Es braucht aber zu
jeder Zeit “Gottesknechte”, die Jesu Botschaft immer wieder neu
lebendig werden lassen und für die Menschen das befreiende dieser Botschaft
erfahrbar werden lassen, die andere hinführen zu einer lebendigen Begegnung mit
Jesus Christus.
Die Worte des Propheten Jesaja sind also nicht nur für
Menschen einer fernen Vergangenheit gesprochen. Sie wurden auch für uns heute
aufgezeichnet. Sie sollen uns Mut machen und Kraft schenken, unser Leben in
Gottes Licht zu stellen und mit ihm unser Leben zu gestalten, so dass Gottes
Licht so auch auf andere übergeben kann.
Immer wieder einen neuen Anfang machen, das war ein
Lebensmotto der frühen Wüstenväter. Wir machen immer wieder Fehler, aber es
bringt nichts, wenn wir uns deswegen ständig Vorwürfe machen. Fehler sind dazu
da, aus ihnen zu lernen und dann mit neuer Kraft weiter zu gehen. Es bringt
auch nichts, einer schönen Vergangenheit nachzutrauern. Wir können sie nicht
zurückholen. Es gilt vielmehr, in der Gegenwart zu leben und an einer Zukunft
zu bauen, die noch schöner wird als die Vergangenheit.
Haben wir Mut, das Neue anzunehmen, das Gott uns schenken
will. Lassen wir uns von ihm überraschen und sagen wir Ja zu dem was kommt, im
festen Vertrauen darauf, dass alles, was Gott uns schenkt, das Beste für uns
ist das uns passieren kann.
Bringt dar dem Herrn, ihr Himmlischen, bringt dar dem Herrn Ehre und Macht! Bringt dar dem Herrn die Ehre seines Namens, werft euch nieder vor dem Herrn in heiliger Majestät!
Ps 29,1-2
Psalm 29 ist ein Psalm der Theophanie, er beschreibt in machtvollen
Bildern die Erscheinung Gottes vor der Welt. Man nimmt an, dass diese
Bilder aus der Umwelt Israels stammen und von den Gläubigen auf ihren
Gott übertragen wurden. Wie der kanaanäische Hauptgott El erhebt sich
der Gott Israels inmitten der Versammlung der Götter und fordert deren
Unterwerfung. Er ist der Gott, dem allein Ehre und Anbetung gebührt. Wie
der Gott Baal offenbart er sich im Gewitter und zeigt so seine Macht
über die Erde.
Die Stimme des Herrn über den Wassern: Der Gott der Ehre hat gedonnert, der Herr über gewaltigen Wassern. Die Stimme des Herrn voller Kraft, die Stimme des Herrn voll Majestät.
Ps 29,3-4
Gottes stimme erschallt voll Macht über den Wassern. Der Psalm greift
hier das Bild eines heftigen Gewitters auf. Bis heute staunen die
Menschen über Gewitter und heftige Stürme. Bis heute haben die Menschen
kaum Mittel dazu, sich deren Macht entgegenzustellen. Es bleibt nur das
Staunen über die Mächte der Natur und über den, der noch größer ist als
die Naturgewalten.
Und doch ist die gewaltige Erscheinung im Sturm nur ein Bild dafür,
wie Gott sich der Welt offenbart. Dem Prophet Elija erscheint Gott am
Horeb nicht in diesen Naturphänomenen, sondern sein wirkliches Angesicht
erscheint erst, als diese vorüber sind, in einem sanften Säuseln, einer
“Stimme verschwebenden Schweigens” (Martin Buber).
Die “Stimme des Herrn über den Wassern” lässt uns auch noch an ein
anderes Ereignis denken, in dem in ganz besonderer Weise Theophanie,
Erscheinung Gottes, geschieht. Es ist die Taufe Jesu im Jordan, bei der
Gottes Stimme aus dem Himmel Jesus Christus als Gott geliebten Sohn
offenbart.
Am Jordan erschallt die Stimme Gottes nicht machtvoll wie ein
Gewittersturm, sondern wohl eher unscheinbar, denn nur wenige erkennen,
was hier geschieht, allen voran Johannes der Täufer selbst. Gott
offenbart seinen Sohn vor der Welt, aber nur wer bereit ist, Gottes
leise Töne zu hören, erkennt ihn. Ein weiteres Mal ertönt die Stimme
Gottes bei der Verklärung Jesu. Selbst hier tun sich die drei Apostel,
die bereits längere Zeit mit Jesus unterwegs sind, schwer, diese Stimme
zu hören, und meinen eher einen entfernten Donner gehört zu haben.
Gottes Stimme – machtvoll und leise zugleich. Gottes Wort setzt sich
durch und bewirkt, wozu es ausgesandt ist, wie der Prophet Jesaja sagt:
“Es kehrt nicht leer zu mir zurück, ohne zu bewirken, was ich will, und
das zu erreichen, wozu ich es ausgesandt habe” (Jes 55,11).
Und doch tun wir uns schwer, Gottes Wort zu hören. Wäre es doch
machtvoll wie ein Gewittersturm, dann würden die Menschen niederfallen
und Gott anbeten, denken wir vielleicht. Aber Gott will nicht, dass die
Menschen aus Furcht vor ihm niederfallen. Er will uns auf Augenhöhe
begegnen, will unser Gesprächspartner sein. Er will keine
Massenhuldigung, sondern will das vertraute Gespräch mit jedem
einzelnen. Und doch ist Gott anders und größer als wir. er lässt sich
von den Menschen nicht beeinflussen und entzieht sich jedem Versuch der
Manipulation.
Gottes Stimme ist immer da, auch wenn es niemand gäbe, der bereit ist,
sie zu hören. Wir können Gott nicht totschweigen, er findet immer einen
Weg, sich Gehör zu verschaffen. Gott ruft zu allen Zeiten Menschen, die
seine Stimme hören, und in seinem Namen zu den Menschen sprechen.
Um Gottes Stimme zu hören, müssen wir unser Gehör schulen, wir müssen
lernen, die Stille zu hören, Zeiten finden, in denen der Lärm des
Alltags von uns weg bleibt, Zeiten, in denen wir mit seinem Wort, das
uns in der Heiligen Schrift überliefert ist, allein sind. Dann werden
wir die Kraft erfahren, die in Gottes Wort steckt, und die machtvoller
ist als der stärkste Donner.
Herr, mein Gott,
machtvoll bis du
und voll Herrlichkeit
und doch wendest du dich
in Liebe jedem einzelnen zu.
Du willst uns nahe sein
durch dein Wort,
so wie du der Welt nahe warst
im Erdenleben Jesu Christi.
Er ist dein geliebter Sohn,
dein Wort,
durch das du vor Urzeiten
die Welt erschaffen hast,
und in ihm sprichst du zu uns
bis heute.
Lass uns auf sein Wort hören.
Amen.