Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler! Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. Du aber, wenn du fastest, salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht, damit die Leute nicht merken, dass du fastest, sondern nur dein Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten. (Mt 6,16-18)
In der Bergpredigt stellt Jesus die Zehn Gebote auf den Kopf. Diese beginnen ja bekanntlich mit der Bekräftigung, dass Gott, der Retter Israels, der einzige Gott für Israel ist, und dass es die Pflicht des Volkes ist, diese Einzigartigkeit Gottes zu bewahren. Erst danach folgen die Weisungen für den Umgang der Menschen miteinander. Jesus aber beginnt beim Menschen. Er preist die Armen und Unterdrückten selig. Dann zeigt er auf, wie die Menschen miteinander leben sollen, nicht so, dass jeder auf sein Recht pocht, sondern in Gerechtigkeit und Liebe, einer Liebe, die auch im Inneren des Herzens keinen Hass und keine Verachtung anderer zulässt, nicht einmal des schlimmsten Feindes.
Erst dann zeigt Jesus, wie aus diesem Leben gemäß der Liebe auch eine ganz neue Gottesbeziehung erwächst. Erst wenn der Mensch in der alltäglichen Einübung der Liebe seinen Mitmenschen gegenüber Fortschritte macht, kann er etwas von Gott verstehen, der selbst die Liebe ist. So wird der Mensch immer mehr Gott ähnlich und kann so in eine ganz neue Beziehung mit ihm eintreten.
Eine besondere Ausdrucksform der Beziehung des Menschen zu Gott ist das Gebet. Wir können mit Gott kommunizieren, auch wenn wir ihn nicht sehen und seine Stimme nicht hören. Im Gebet findet der Mensch einen ganz besonderen Draht zu Gott, der sich von den alltäglichen Kommunikationsformen unterscheidet. Daher ist Gebet mehr als das Aufsagen von abgelesenen oder auswendig gelernten Formeln. Ein solches Gebet bleibt im Äußerlichen verhaftet. Formeln und Rituale können aber eine Hilfe sein, um zum Zentrum des Betens zu gelangen.
Genauso wie das Beten, sollen auch andere religiöse Ausdrucksformen, insbesondere das Fasten, nicht bei Äußerlichkeiten stehen bleiben. Im Fasten verzichtet der Mensch freiwillig auf gewisse Annehmlichkeiten des Lebens, auf üppige Nahrung, Alkohol, Konsum, Unterhaltung. In unserer Wohlstandsgesellschaft heute gibt es so viele Dinge, auf die wir verzichten können. Verzicht schmerzt auch immer etwas, er fordert eine Willensanstrengung. Aber genau dadurch werden wir reifer. Der Verzicht lässt einen Freiraum entstehen, den Gott füllen kann.
Heute wird vor allem die gesundheitliche Form des Fastens betont. Nachdem die Kirche die Fastenregeln weitgehend abgeschafft hat, entdecken andere das Fasten neu. Es gibt unzählige Ratgeber für die verschiedensten Formen des Fastens. Manche zahlen Unsummen von Geld für professionelle Fastenkuren. Dabei kann Fasten so einfach sein, wenn wir uns einen konkreten Vorsatz nehmen, für welche Zeit wir auf was genau verzichten wollen. Dann brauchen wir nur noch die nötige Willensstärke, das auch durchzuhalten.
Die Kirche will uns mit den 40 Tagen der Österlichen Bußzeit eine Hilfe geben. Es bleibt jedem selbst überlassen, wie er diese Zeit nutzt. Wer Anfänger im Fasten ist, sollte sich nicht zu viel vornehmen, um nicht doch bald enttäuscht aufgeben zu müssen. Es kommt auch auf die Lebensumstände an und auf das konkrete Konsumverhalten des Einzelnen. Wer sich viele Annehmlichkeiten gönnt, findet sicher leicht etwas Überflüssiges, auf das er verzichten kann. Wer aber eh schon relativ enthaltsam lebt, muss sich schon etwas mehr Gedanken darüber machen, worauf er noch verzichten kann.
Allen modernen Fastenratgebern gemeinsam ist der Hinweis darauf, dass Fasten dem Einzelnen gut tut. Vielleicht ist das auch eine Hilfe dafür, das religiöse Fasten neu zu beleben. Es ist keine lästige Pflicht, nichts, das von oben verordnet wird, um die Menschen zu drangsalieren, sondern eine Hilfe, das eigene Leben bewusster und gesünder zu gestalten. Das Fasten tut dem Menschen gut. Es macht aber noch mehr als das. Durch den Verzicht entsteht Raum für Neues und dies kann auch eine ganz neue Gottesbegegnung sein.
Wenn wir all diese positiven Aspekte des Fastens betrachten, so erkennen wir, dass Fasten nichts damit zu tun hat, trübselig und ungewaschen auf der Straße herumzulaufen. Fasten ist kein Jammern über den Verzicht, sondern die Freude darüber, dass wir es schaffen können, uns von unnötigen Bindungen und Zwängen zu befreien. Fasten macht glücklich. Das ist für uns die rechte Motivation, heute damit zu beginnen.