Flucht nach Ägypten

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Nur Matthäus berichtet uns von der Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten. König Herodes tobt, als er merkt, dass die Sterndeuter ihn getäuscht und das Land verlassen haben, ohne ihm einen Hinweis gegeben zu haben, wo er den König der Juden finden könne. Er erteilt den Befehl, alle Kinder in Betlehem, dem Ort, in dem dieser König geboren sein soll, zu töten. Doch Gott hat seinen Sohn längst schon in Sicherheit gebracht.

Wieder ist es Josef, der treu für Maria und das göttliche Kind, die ihm beide von Gott anvertraut sind, sorgt. Ein Engel hat ihn zu schnellem Aufbruch gemahnt. Wahrscheinlich haben sie Hals über Kopf Betlehem verlassen und sind nur mit wenigen Habseligkeiten losgezogen.

Viele Künstler hat diese Szene zu Bildern inspiriert, wie die Heilige Familie da ihres Weges zieht, Maria mit dem Jesuskind auf dem Esel, Josef mutig voranschreitend. Darum herum Engel, die auf die Reisegesellschaft aufpassen. Oft wird auch die Rast auf diesem Weg dargestellt, Maria ruht sich mit dem Kind aus, Josef wacht in einiger Entfernung.

So romantisch diese Szene auf den Bildern scheint, die Wirklichkeit mag eine andere gewesen sein. Der Weg nach Ägypten ist beschwerlich, führt durch unwegsames Gelände, hinter jedem Felsen kann ein Räuber lauern. Der Weg nach Ägypten ist weit und wenn man die Überlieferungen der koptischen Christen betrachtet, hat der Weg in Ägypten auch nicht gleich im ersten Dorf hinter der Grenze geendet. Vielmehr ist die Heilige Familie durch das Nildelta gezogen, dann durch das Wadi Natrun, das später die Heimat so vieler Mönche werden sollte. Teilweise auf einem Boot den Nil befahrend ging es hinauf bis nach Oberägypten. Viele koptische Wallfahrtsstätten markieren bis heute diesen Weg.

Doch dem nicht genug. Ähnlich wie die Heiligen Drei Könige hat man auch die Heilige Familie in der Literatur einen weiten Umweg machen lassen, hat das Geschehen schlichterhand nach Mitteleuropa verlegt. Von Otfried Preußler stammt das amüsant geschriebene Buch „Die Flucht nach Ägypten – Königlich Böhmischer Teil“, das ich vor einigen Jahren mit Freude gelesen habe.

Als dann Herodes der Wüterich gestorben war, zog die Heilige Familie wieder nach Israel zurück. Natürlich war es auch hier ein Engel, der Josef zum Aufbruch mahnte. Wie hätte er in Ägypten vom Tod des Herodes erfahren sollen, in einer Zeit, die weder Zeitungen noch Fernsehen kannte. Und der Ägypter interessierte sich damals sicher nicht für das politische Geschehen in dem aus seiner Sicht unbedeutenden kleinen Land Israel.

Nun mag aber der bibelkundige Leser stutzen, ist vielleicht schon ins Stutzen geraten, als ich oben davon geschrieben habe, dass Josef in Betlehem seine Habseligkeiten zusammen packen musste. Moment mal, war er nicht eh schon auf der Reise, von Nazaret nach Betlehem? War denn die Flucht nach Ägypten nicht einfach die Fortsetzung dieser Reise?

Hier gibt es einige Unstimmigkeiten zwischen Lukas und Matthäus. Lukas geht davon aus, dass die Heilige Familie in Nazaret ansässig war. Der Zensus des Kaisers Augustus hat sie nach Betlehem verschlagen. Als dann Jesus geboren war, sind sie über Jerusalem nach Nazaret zurückgekehrt. Wir kennen ja die Szene von der Darstellung des Herrn im Tempel, die dem Gesetz gemäß am 40. Tag nach der Geburt stattgefunden hat. Wo die Heilige Familie diese vierzig Tage verbracht hat, davon berichtet uns Lukas nichts.

Matthäus geht davon aus, dass die Heilige Familie in Betlehem ansässig war. Die Sterndeuter besuchten das Jesuskind somit auch nicht im Stall von Betlehem, sondern in einem Haus, das sicher das Wohnhaus der Heiligen Familie gewesen ist. Da es aber wohl eine eindeutige Überlieferung gab, dass Jesus in Nazaret aufgewachsen ist, lässt Matthäus nun auch – wiederum auf den Wink eines Engels hin – die Heilige Familie auf der Rückkehr aus Ägypten an Betlehem vorbei direkt nach Nazaret marschieren.

Es ist müßig, darüber zu streiten, welcher der beiden Evangelisten Recht hat und welcher Bericht nun historisch ist. Genauso unangebracht ist es, aus historischer Sicht beide Evangelienberichte als fromme Legende abzutun und nichts davon als wahr anzusehen. Doch beide haben sie ihre Berechtigung, ihre Wahrheit, die sie vermitteln. Jeder der beiden Evangelisten schildert die historische Wahrheit der Geburt des Herrn aus seiner Sicht und wer diese tiefere Wahrheit erkannt hat, wird nicht mehr nach einer blassen historischen Erklärung suchen, die keinen Hund vom Ofen hervorlockt. Nie ist Geschichte die Aufeinanderfolge wissenschaftlich eindeutiger Fakten. Das ist eine Mär, die unsere vermeintlich so aufgeklärte Welt den Menschen weis machen will. Geschichte wird immer geprägt von der Subjektivität derer, die Geschichte erzählen und schreiben. Und Geschichte versteht nur, wer auch nach dem sucht, was hinter den überlieferten Quellen steht.

Die theologische Absicht des Matthäus, die hinter seiner Erzählung von der Flucht nach Ägypten steht, findet sich in Mt 2,15:

Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.

Jesus geht den Weg seines Volkes nach. Das Volk Israel musste einst das gelobte Land verlassen und ist nach einer schweren Zeit in Ägypten unter der Führung Gottes durch Mose den langen Weg durch die Wüste zurück in das Land Israel gegangen. Diese Rettungstat Gottes ist das zentrale Erlebnis in der Geschichte Israels. Immer wieder erscheint Ägypten als Land der Knechtschaft, immer wieder sprechen die Propheten davon, dass Gott sein Volk in der Not retten wird wie damals aus Ägypten. Jesus nimmt die ganze Geschichte seines Volkes hinein in sein Leben. Gott geht den Weg, den das Volk damals gegangen ist, noch einmal.

Doch nicht nur nach Ägypten geht Gottes Sohn. Er geht durch die Höhen und Tiefen jedes menschlichen Lebens. Er durchlebt Leiden und Freuden, die Menschen jemals erfahren. Er ist nahe in jeder Dunkelheit, um sein Licht auch an den finstersten Ort zu bringen. Daher ist es nicht so abwegig, wenn Schriftsteller den Weg der Heiligen Familie mit ihren Ideen ausschmücken. Jeder von uns ist Ägypten, zu jedem Menschen nimmt die Heilige Familie ihren Weg, um ihn hineinzunehmen in die Freude des Himmels, die in Jesus Christus der Welt offenbar geworden ist. So dürfen auch wir heute Ausschau halten nach der Heiligen Familie. Seinen wir uns gewiss, dass sie auf ihrem Weg durch die Welt auch durch unser Leben ziehen wird.

Johannes – Apostel und Evangelist

 

Weihnachten_16Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. Joh 1,14

So lautet die Weihnachtsbotschaft des Johannes. Wenn wir bei ihm auch nichts von einem Kind in der Krippe im Stall vom Betlehem lesen, so erfassen doch diese seine Worte das Geheimnis der Menschwerdung Gottes auf intensivste Weise.

„Der Logos ist im Fleisch gekommen, ist sichtbar geworden und hat bei uns sein Zelt aufgeschlagen. In den folgenden Kapiteln macht Johannes nichts anderes, als die Konsequenzen aus diesem zentralen und provozierenden Vers zu ziehen. Wer Gott sucht, muss das fleischgewordene Wort suchen; in ihm kann er den Vater, das dreifaltige Geheimnis betrachten.“ (Carlo M. Martini)

Stephanus – der offene Himmel

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Stephanus sah den Himmel offen, er sah und trat ein. Selig der Mensch, dem der Himmel offen steht.

So heißt es in einer Antiphon aus dem Stundenbuch zum heutigen Festtag. Wie kann man besser ausdrücken, wie die Hoffnung in Stephanus zur festen Gewissheit geworden ist? Stephanus hat Verantwortung übernommen in der frühen Gemeinde. Sicher ist er schon vor seiner Wahl zum Diakon durch entschlossenes Anpacken aufgefallen, wo es in der Gemeinde etwas zu tun gab. Als Diakon oblag ihm dann sozusagen offiziell die Sorge um die Armen.

Die Einsatzbereitschaft des Stephanus muss in der ganzen Stadt bekannt gewesen sein. Und wo immer einer mit einem solchen Einsatz für die Menschen am Rande eintritt, da wird das bekannt, die Menschen berichten von dem Guten, das er getan hat. Und wenn einer so entschlossen auftritt wie Stephanus, da sind dann auch Geschichten von Wundern  nicht weit, denn was ist es anderes als ein Wunder, wenn Menschen in Not jemanden haben, der bedingungslos für sie eintritt?

Stephanus hat auch offen bekannt, dass er die Kraft zu diesem Tun nicht allein aus sich hat. Er hat stets auf den Größeren verwiesen, als dessen Liebesbote er auftritt. Durch seine Worte und Taten sollte die Liebe Jesu Christi zu allen Menschen sichtbar werden. Mit ihm fühlte sich Stephanus aufs innigste verbunden, so dass er sein ganzes Leben dafür gab, den Willen dessen zu tun, der für das Heil der Menschen sein Leben hingegeben hat. Die Menschen sahen in seinem Gesicht den Glanz des himmlischen Lichtes, das in der Welt sein will, um das Leben der Menschen hell zu machen.

Als es dann darauf ankam, als die Feinde ihn bedrängten und er um seines Glaubens willen gefangen genommen wurde, da hatte er den Mut zum entschlossenen Bekenntnis. Wie Jesus es seinen Jüngern verheißen hat, gab ihm der Geist die Worte ein, die er zu sagen hatte und in einer langen Rede legte er dar, wie sich in Jesus Christus die Verheißung Gottes an die Väter erfüllt hat.

Doch die Führer des Volkes sind verstockt, sie schenken seinen Worten keinen Glauben. Sie haben nur ein Wort, für das, was er sagt: Gotteslästerung, und dafür gilt die Steinigung. Doch der, auf den Stephanus sein Vertrauen gesetzt hat, Er lässt ihn in dieser schweren Stunde  nicht allein. Als er in die verhärteten Gesichter seiner Ankläger blickt und die Steine in den Händen der verführten Menge sieht, da tut sich ihm der Himmel auf und er erblickt das Ziel seiner Sehnsucht: ganz bei Jesus zu sein, mit dem er im Leben schon so innig verbunden war.

Stephanus hat sein Leben nicht auf ein Trugbild aufgebaut, das bekennen wir, wenn wir heute sein Fest feiern. Er zeigt uns, dass auf Jesus Christus Verlass ist und dass nicht fehl geht, wer sein Leben ihm ganz anvertraut. Bitten wir darum, dass unser Vertrauen auf Jesus Christus immer stärker wird und wir unser Leben immer mehr auf ihn hin ausrichten, damit auch unsere Worte und Taten Zeugnis geben von der Liebe Gottes.

Weihnachtsfreude

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„Lasst uns frohlocken im Herrn, lasst uns im Geiste vor Freude jauchzen; denn erschienen ist der Tag, der uns Erlösung bringt, auf den die alten Zeiten hinwiesen, und der uns ewiges Glück beschert!“

Mit diesen Worten beginnt Papst Leo der Große eine seiner Weihnachtspredigten. Jedes Jahr ruft uns das Weihnachtsfest zur Freude auf. Doch was gibt uns diese Freude? Viele freuen sich heute über schöne Stunden im Kreis der Familie, Geschenke, gutes Essen. Doch dass wir zusammen kommen und feiern ist eher Ausdruck der Freude als deren Grund.

Die Freude schenkt uns einer, Jesus Christus, Gottes Sohn, der heute Mensch geworden ist. An ihm dürfen wir uns freuen, weil seine Geburt das untrügliche Zeichen dafür ist, dass Gott mitten unter uns ist. Er ist mitten in unserem Leben, er begleitet uns, er schenkt uns Hoffnung und Zuversicht, egal wo wir heute stehen.

Darum dürfen wir heute feiern, darf jeder heute feiern, egal wie das vergangene Jahr gelaufen ist, egal, ob es uns heute gut geht oder nicht, egal ob wir in der letzten Zeit Glück hatten oder vom Pech verfolgt wurden. Die Geburt des Sohnes Gottes gibt allen Menschen ein Zeichen dafür, dass das Leben stärker ist als der Tod und die Freude größer als der Schmerz.

Gott ist mit uns. Er will in das Leben eines jeden einzelnen kommen, um diesem Leben mehr Licht und Freude zu schenken. Mehr, immer mehr. Schauen wir auf das Kind in der Krippe, seine Lieblichkeit, seine Wehrlosigkeit. Da ist Gott, so nah, dass keiner sagen kann, er könnte ihn nicht finden.

Ich wünsche allen an diesem Weihnachtsfest diese Freude über die Nähe des Herrn und dass die Gewissheit seiner Gegenwart das kommende Jahr erfüllt und jeden Tag des Lebens immer größer wird.

Die Geburt des Gottessohnes

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Mit dem heutigen Evangelium (Mt 1,18-24) sind wir schon mitten im Weihnachtsgeschehen. Nachdem Matthäus zum Beginn seines Werkes im Stammbaum die göttliche Abstammung Jesu aufgezeigt hat, macht er nun deutlich, wie Jesus Christus, der Sohn Gottes, in diese Welt gekommen ist:

„Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes.“

Was Matthäus hier in einfachen Worten erklärt, wird immer wieder missverstanden und belächelt. Wer nur mit rationalen Argumenten eine Erklärung für das Geschehen sucht, wird die Schwangerschaft Mariens auf andere Ursachen zurückführen, als das Wirken des Heiligen Geistes (Beispiele dafür gibt es genug, sie müssen hier nicht erwähnt werden). Immer haben diese vermeintlich rationalen Erklärungsversuche zugleich auch eine Leugnung der Göttlichkeit Jesu zur Folge. Wer aber in Jesus Christus nur einen besonders erleuchteten Menschen sieht, wie es ihrer viele gab auf Erden, dem verstellt sich auch der tiefere Blick auf den Sinn des Weihnachtsgeschehens.

Wenn wir verstehen wollen, was an Weihnachten geschehen ist, dann müssen wir die Geschichte von ihrem Ende her betrachten. Die prägende Erfahrung der Jünger mit Jesus Christus war seine Auferstehung. Schon in seinem Leben auf Erden hat Jesus immer wieder darauf hingewiesen, dass er mehr ist als ein normaler Mensch, immer wieder bricht in den Schilderungen der Evangelien seine besondere Beziehung zum Vater im Himmel durch. Dieser Vater im Himmel erweckt Christus nach seinem Tod am Kreuz wieder zum Leben und nimmt ihn auf in seine Herrlichkeit.

Dieser Platz zur Rechten des Vaters ist aber nicht ein Platz, den Jesus erst nach seiner Himmelfahrt einnimmt, sondern diesen Platz hat er schon seit Ewigkeit. Von dort ist er auf die Erde gekommen und nach seinem irdischen Leben kehrt er dorthin wieder zurück. Matthäus versucht das für Menschen letztlich unergründliche Geschehen darzustellen, wie Gottes Sohn vom Himmel in den Schoß Mariens gelangt, eben durch das Wirken des Heiligen Geistes.

Das, was hier geschieht, war dem Volk Israel schon durch die Jahrhunderte hinweg verheißen. In der Geburt Jesu Christi erfüllt sich, was der Prophet Jesaja gesagt hat:

„Siehe, die junge Frau wird schwanger werden und einen Sohn gebären. Du sollst seinen Namen nennen: Immanuel (Gott mit uns).“ Jes 7,14

Betrachten wir zunächst einmal dieses Zitat im Kontext des 7. Kapitels des Jesajabuches. Den historischen Hintergrund bildet der sogenannte syrisch-ephraimitische Krieg. Durch die Ausbreitung des Assyrischen Reiches sind die Kleinstaaten des Vorderen Orient in Bedrängnis geraten. Es werden unterschiedliche Bündnisse geschlossen. Ein Großteil des Nordreiches Israel ging damals verloren. Ahas, der König von Juda, betrachtet mit Bangen die Ereignisse um ihn herum. Gegen die Übermacht Assurs wird er Juda und Jerusalem nicht verteidigen können. In diese Situation hinein spricht der Prophet Jesaja zum König. Er ermutigt ihn, auf Gott zu vertrauen, darauf, dass Gott nicht zulassen wird, dass Jerusalem erobert wird. Doch dem König fehlt dieses Vertrauen. Er ist nicht einmal dazu bereit, ein Zeichen zu erbitten, das dieses Vertrauen stärken könnte. Darum wird Gott selbst ein Zeichen geben: die Geburt des Immanuel.

Wenn man sich in diese Situation hineinversetzt – der drohende Untergang des Volkes angesichts der Übermacht der Feinde – so ist der Trost zu spüren, der aus den Worten des Propheten spricht. Selbst in der größten Not lässt Gott sein Volk nicht im Stich. Er wird zu allen Zeiten ein Zeichen für seine Nähe, für seine Gegenwart unter den Menschen setzen. Gott ist mitten unter uns. Auch wenn er uns vor manchem Unheil und Finsternissen nicht bewahrt (hier immer wieder die Frage so vieler Menschen: warum lässt Gott das zu?), so geht er doch mit uns in diese hinein und durch diese hindurch.

In der Geburt Jesu Christi schenkt Gott den Menschen das größte und unüberbietbare Zeichen seiner Gegenwart: Gott selbst wird Mensch, durchlebt das ganze Menschsein vom Mutterschoß bis zum Tod. Er kommt selbst, um die Menschen aus der Tiefe ihres Daseins emporzuheben in seine Göttlichkeit. In einem Gebet der Ostkirche heißt es:

Das seit Ewigkeit verborgene Geheimnis

wird heute offenkundig:

der Sohn Gottes wird ein Sohn des Menschen,

damit er in der Annahme des Schlechteren

mir schenke das Bessere.

Einst wurde Adam betrogen:

Als er begehrte, Gott zu werden, wurde er es nicht.

Doch Gott wird Mensch,

damit er zu Gott den Adam mache.

Jubeln soll die Schöpfung!

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern der “Praedica-Impulse” ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest!

Alma Mater

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Immer wieder wird darüber diskutiert, ob Matthäus bei seiner Verwendung des Zitates aus dem Propheten Jesaja bereits die Jungfräulichkeit Mariens vor Augen hatte, oder ob diese erst eine spätere theologische Interpretation des Geschehens ist. Bei Jesaja steht im Originaltext das Wort „alma“, das zunächst einmal junge Frau bedeutet. Die Septuaginta, die Übersetzung des Alten Testaments ins Griechische, verwendet aber bereits das Wort „parthenos“, das Jungfrau bedeutet. Es ist also nicht erst christliche Interpretation, in Jesaja 7,14 die Jungfrauengeburt zu sehen. Hören wir, was der hl. Hieronymus zu diesem Thema sagt:

„Im Hebräischen wird eine Jungfrau „bethula“ genannt, aber dieses Wort steht an dieser Stelle nicht beim Propheten, sondern er hat dafür das Wort „alma“ verwendet und das übersetzen alle (außer der Septuaginta) mit „junge Frau“. … So weit ich mich aber erinnere, habe ich glaube ich nirgends gelesen, dass das Wort „alma“ für eine verheiratete Frau verwendet wurde. Vielmehr wird es von einer Jungfrau gesagt, die nicht nur Jungfrau, sondern auch in jungem Alter ist.“

Manche mögen zwar die Jungfräulichkeit Mariens vor der Geburt annehmen, interpretieren aber den letzten Satz des heutigen Evangeliums dahingehend, dass Maria und Josef nach der Geburt Jesu Christi ehelichen Verkehr hatten. Hören wir, was hierzu Basilius der Große sagt:

„Der Satz ‚Er erkannte sie aber nicht, bis sie ihren Sohn gebar (Mt 1,25)‘ legt die Vermutung nahe, dass Maria, nachdem sie bei der vom Heiligen Geist vollzogenen Geburt des Herrn in Reinheit mitgewirkt hatte, den erlaubten ehelichen Verkehr nicht mehr abgelehnt hat. … Wir Christusfreunde können aber solches Gerede nicht billigen, dass die Gottesgebärerin einmal nicht mehr Jungfrau war.“

Basilius macht deutlich, dass das Wort „bis“ nicht zwangsläufig eine zeitliche Begrenzung angibt. Das sieht er in dem Wort Jesu „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt (Mt 28,20)“ ausgedrückt:

„Der Herr wird doch wohl auch nach dieser Weltzeit bei den Heiligen sein! Denn die Verheißung der Gegenwart weist hin auf die Fortdauer, sie ist kein Ausschluss der Zukunft. In derselben Weise ist nach unserer Überzeugung auch hier das ‚bis‘ zu verstehen.“

Schön kommt das über die Jungfräulichkeit Mariens gesagte in der Marianischen Antiphon „Alma Redemptoris Mater“ zum Ausdruck, die in der Kirche während der Advents- und Weihnachtszeit zum Abschluss des Tages gesungen wird:

Alma Redemptoris Mater,

quae pervia caeli porta manes,

et stella maris, succurre cadenti,

surgere qui curat, populo:

tu quae genuisti, natura mirante,

tuum sanctum Genitorem

Virgo prius ac posterius,

Gabrielis ab ore sumens illud Ave,

peccatorum miserere.

 

Erhabene Mutter des Erlösers,

du allzeit offne Pforte des Himmels

und Stern des Meeres, komm, hilf deinem Volke,

das sich müht, vom Falle aufzustehn.

Du hast geboren, der Natur zum Staunen,

deinen heiligen Schöpfer.

Unversehrte Jungfrau,

die du aus Gabriels Munde nahmst das selige Ave,

o erbarme dich der Sünder.

Der Traum Josefs (Mt 1,18-24)

Josef_Traum

Rückblickend aus der Sicht des Glaubens erscheint das alles großartig, was in jenen Tagen geschehen ist, als Gottes Sohn im Leib Mariens Mensch geworden ist. Der Glaube an die Jungfräulichkeit Mariens wischt alle Zweifel an ihrer Sittlichkeit hinweg. Doch wenn man das Geschehen aus damaliger Sicht betrachtet, schien es alles andere als glorreich zu sein.

Maria war mit Josef verlobt. Damals war ein solches Verlobungsjahr üblich, in dem Mann und Frau noch getrennt lebten, bevor sie dann nach der Hochzeit feierlich zusammenzogen. Dass eine Frau in dieser Zeit schwanger wurde, galt als Schande, und wenn das Kind wie im Fall Mariens nicht vom eigenen Verlobten war, so drohte eine Anklage auf Ehebruch und in deren Folge die Steinigung.

Josef hatte also allen Grund, darüber nachzudenken, was denn zu tun sei. Die Situation war höchst brisant, seine Ehre und das Leben seiner Verlobten standen auf dem Spiel. Josef wird ein Gerechter genannt. Wäre diese Gerechtigkeit eine alleinige Gesetzesgerechtigkeit, so hätte er Maria dem Gericht übergeben müssen. Doch dies war nicht seine Absicht. Er wollte sich in aller Stille von Maria trennen – wenn da nicht Gott durch seinen Engel ihm zu etwas anderem geraten hätte. Gott stellt Josefs Glauben auf eine harte Probe. Kann er darauf vertrauen, dass das Kind in ihrem Leib nicht von einem anderen Mann stammt, sondern – solches hat man noch nie gehört – durch Gottes Heiligen Geist gewirkt wurde?

„Aus drei Gründen erschien der Engel dem Josef und sagte dies zu ihm. Zunächst, damit der gerechte Mann in guter Absicht nicht aus Unwissenheit ein Unrecht begehe. Sodann wegen der Ehre der Mutter selbst. Wäre sie nämlich entlassen worden, hätte sie bei den Ungläubigen einem schändlichen Verdacht nicht entgehen können. Drittens, damit Josef im Wissen um ihre heilige Empfängnis sich umso sorgsamer als früher von ihr fernhalte. … Der Engel entschuldigt Maria nicht allein von unreinem Umgang, sondern er offenbart auch, dass sie auf übernatürliche Weise empfangen hat. Er nimmt nicht nur die Befürchtung hinweg, sondern er fügt sogar Freude hinzu.“ (Johannes Chrysostomus)

In einem Gebet der Ostkirche heißt es:

Als Josef von Trauer verwundet ward

und nach Betlehem zog, sprachst du, Jungfrau, zu ihm:

Warum bist traurig du und verwirrt

beim Anblick meiner Schwangerschaft?

Erkennst du denn nicht

das schaudervolle Geheimnis in mir?

Überwinde endlich alle Angst

und sinne über das Wunder nach.

Denn Gott kam zur Erde in seinem Erbarmen,

in meinem Schoß jetzt nahm er Fleisch an.

Wenn er geboren ist,

wirst nach seinem Wohlgefallen du ihn sehen

und wirst, erfüllt von Freude,

ihn anbeten als deinen Schöpfer.

Ihn preisen in Hymnen die Engel ohne Unterlass

und verherrlichen ihn mit dem Vater und dem Heiligen Geist.

Auch wir wollen staunend dieses Geheimnis betrachten. Wir preisen Gottes Nähe, der zu uns kam als ein hilfloses Kind. Gott-mit-uns. Wer voller Vertrauen auf ihn hofft, wird seine Gegenwart und Nähe erfahren. Auch heute.

Prophet Micha

Micha_Betlehem

Die Michaschrift ist Teil des Zwölfprophetenbuches und daher streng genommen kein eigenes Buch der Heiligen Schrift. In der Überschrift Micha 1,1 erhalten wir den einzigen Hinweis auf die Person des Propheten Micha:

Das Wort des Herrn, das an Micha, den Moreschetiter, erging in den Tagen Jotams, Ahas und Hiskijas, der Könige von Juda, das er schaute über Samaria und Jerusalem.

Micha ist einer der häufigsten Namen des Alten Testaments. Dementsprechend wird der Träger dieses Namens näher bestimmt. Es handelt sich hier um Micha aus Moreschet. Diesen Beinamen bekam der Prophet sicherlich erst, als er seinen Heimatort verlassen hatte, vielleicht während seines Auftretens in Jerusalem. Der sonst außerhalb des Micha-Buches nicht erwähnte Ort Moreschet lag wahrscheinlich südwestlich von Jerusalem. Möglicherweise stammt Micha aus der Bauernschaft dieses Ortes.

Seine Berufung zum Propheten erhielt Micha, als er vom wirkmächtigen Wort des Gottes Israel getroffen wurde. Das, was er sagt, hat er nicht aus sich selbst, sondern er verkündet das, was Gott seinem Volk, dem Nordreich um die Stadt Samaria und dem Südreich um die Stadt Jerusalem, sagen möchte.

Die Überschrift datiert das Wirken Michas auf die Zeit der Könige Jotam, Ahas und Hiskija, also auf die Zeit zwischen etwa 750 und 700 v.Chr., einen durchaus beträchtlichen Zeitraum, weshalb die genaue Abgrenzung seines Auftretens auch sehr umstritten ist. Man wird sicher sein können, dass das Buch in seiner heutigen Gestalt so nicht vom Propheten Micha geschrieben wurde. Vielmehr kann man davon ausgehen, dass das Buch bis zu seiner Endkonzeption mehrmals überarbeitet wurde, wobei die ursprünglichen Worte des Propheten durch neue Deutungen und Erweiterungen ergänzt wurden. Der Prophet hatte wohl die Zerstörung Samarias im Jahre 722 v.Chr. und die anschließende Bedrohung des Reiches Juda vor Augen. Jedoch ist Jerusalem damals noch mit dem Schrecken davongekommen. Erst im Jahre 586 v.Chr. wurden Jerusalem und der Tempel zerstört und das Volk ins babylonische Exil geführt. Man kann davon ausgehen, dass aus dieser Erfahrung heraus die Worte Michas neu gedeutet wurden und diese neuen Gedanken mit in den jetzigen Michatext eingeflossen sind.

Der Inhalt der Verkündigung Michas wechselt zwischen Drohreden und Verheißungen. Vor allem gegen die beiden Hauptstädte Samaria und Jerusalem richtet sich der Zorn Gottes, gegen die Habsucht der Reichen, die dort leben und das gesetzlose Treiben der Mächtigen, gegen die falschen Propheten, die den Mächtigen nach dem Mund reden und die Bestechlichkeit der Führer. Eine zunehmend dekadent werdende Oberschicht lässt es sich auf Kosten der Armen gut gehen und führt durch Vernachlässigung ihrer Pflichten den Untergang des Staatswesens herbei. Doch Gott wird das Heil wirken, denn er ist der Herr seines Volkes und wird nicht zulassen, dass sein Volk zu Grunde geht.

Jetzt aber bricht erst einmal das Unheil über Israel herein. Die Völker versammeln sich, Israel muss ins Exil. Der König wird gedemütigt und auf die Wange geschlagen. Aber die Völker begreifen nicht den Plan Gottes. Sie sind gekommen, um Israel zu vernichten, Gott aber möchte sein Volk nicht vernichten, sondern nur läutern. Deshalb wird Israel am Ende doch über die Völker triumphieren, weil es Gott auf seiner Seite hat. Und an die Stelle des unwürdigen und gefangenen Königs wird Gott einen neuen Herrscher bestimmen, der Israel gerecht regieren wird und dessen Königtum, weil er Gottes Weisung beachtet, auch Bestand haben wird.

Du aber, Betlehem Efrata, klein zwar unter den Sippen Judas, aus dir geht mir hervor, der Herrscher sein soll in Israel.

Micha 5,1 macht deutlich, das der neue Herrscher Israels aus Betlehem in Efrata, der Stadt Davids, kommen wird. Daher werden die Schriftgelehrten auf die Frage der Sterndeuter dem König Herodes antworten, dass der Messias in Betlehem geboren wurde. Man kann sehen, wie hier die gesamte Weltgeschichte letztendlich von Gott gelenkt wird. Der Prophet Micha und diejenigen, die seine Worte aufgeschrieben und ergänzt haben, hätten sich wohl nie denken können, dass sich die Worte Gottes einmal auf diese Weise erfüllen werden. Auch wenn aus alttestamentlicher Sicht hier zunächst einmal an einen Friedensherrscher aus dem Geschlecht Davids gedacht werden muss, so zeigt doch die Geschichte Israels, dass keiner seiner Könige in der Lage war, diese hohen Ideale zu erfüllen. Allein Gottes Sohn konnte ein wahrer Repräsentant dieses Königtums sein, und Friede kann nur dann sein, wenn Gott herrscht über alles und in allem.

13.12. Hl. Odilia

Um das Jahr 650 wurde Odilia als Tochter des Herzogpaares Adalrich und Bereswinde auf einer Burg im Elsass geboren. Adalrich war ein grimmiger Herrscher. Er musste schon sehr lange auf die Geburt eines Kindes warten. Nun war es ein Mädchen und wie sich bald herausstellte, das Kind war blind. Adalrich sah dies als Schmach an und wollte das Kind töten lassen. Doch der Mutter gelang es, Odilia, eingewickelt in ein großes Tuch, heimlich aus der Burg zu bringen. Schweren Herzens gab sie ihre Tochter in die Obhut eines Frauenklosters.

Im Kloster von Palma in Baume-les-Dames in der Nähe von Besancon wuchs Odilia sicher und umsorgt auf und hat dort eine gute Erziehung erhalten. Im Alter von zwölf Jahren sollte das Mädchen getauft werden und die Taufe vollzog kein geringerer als Bischof Erhard von Regensburg. Während der Taufe ereignete sich ein Wunder. Als das Taufwasser über ihr Gesicht lief und der Bischof sie mit dem heiligen Öl salbte, konnte Odilia plötzlich sehen.

Nun will Odilia auf schnellstem Wege heim zu ihren Eltern und ihnen die freudige Nachricht überbringen. Doch ihr Vater kann sich über die Rückkehr der Tochter nicht freuen. In seinem Grimm erschlägt er seinen Sohn, den jüngeren Bruder Odilias, der dem Vater die Nachricht von der Rückkehr der Tochter überbringt. Trotzdem will Odilia zu ihrem Vater. Als sie schließlich vor ihm steht, ereignet sich ein weiteres Wunder. Das Herz des grimmigen Herzogs öffnet sich. Die Liebe seiner Tochter öffnet ihm die Augen und er bereut das Böse, das er ihr und ihrem Bruder angetan hat.

Als Buße schenkte der Vater seiner Tochter den heute nach ihr benannten Odilienberg. Auf  dieser schon seit ältester Zeit besiedelten Anhöhe ließ Adalrich auf den Grundmauern einer Römerfestung um das Jahr 680 ein Kloster errichten, das Odilia bis zu ihrem Tod am 13. Dezember 720 als Äbtissin leitete. Dort wurde auch der Leichnam der Heiligen in einen steinernen Sarkophag gebettet, wo er bis heute liegt. Schnell breitete sich die Verehrung der Heiligen vor allem in Mitteleuropa aus. Bis heute zeugen viele Orte von der Bedeutung dieser Heiligen.

Odilia, die von ihrer Blindheit geheilt wurde, wird oft mit einem Augenpaar auf einem Buch dargestellt. Mögen auch wir auf ihre Fürsprache zu Sehenden werden. Wie oft sind wir blind für das, was das Leben uns schenkt, toben in blinder Wut wie Odilias Vater. Die Liebe seiner Tochter hat ihm Herz und Augen geöffnet. Wie oft sind wir blind für die kleinen Wunder auf unserem Weg.

Johannes im Gefängnis (Mt 11,2-11)

Hat Johannes der Täufer wirklich an Jesus gezweifelt? Wir haben uns am vergangenen Sonntag bereits Gedanken darüber gemacht, dass ein Unterschied festzustellen ist zwischen der strengen Gerichtsankündigung, die Johannes mit dem Messias verbunden hat, und dem tatsächlichen Auftreten Jesu als Verkünder der Barmherzigkeit Gottes. Mag Johannes auch gezweifelt haben, Jesus macht ihm deutlich, dass die Art seines Auftretens ebenso durch die Propheten des Alten Bundes legitimiert ist wie die Gerichtsandrohung des Täufers. Gericht und Rettung liegen näher beieinander, als wir oft vermuten mögen,. Das macht auch das Zitat aus dem Propheten Jesaja deutlich, das Jesus Johannes ins Gefängnis schickt und das wir heute in der ersten Lesung hören.

Was Jesus uns von Gott offenbart, ist aber zugleich auch etwas ganz Neues. Jesus zeigt uns, dass das Wesen Gottes Liebe ist. Nicht nur Güte, die aus ihrer Fülle die Menschen beschenkt, sondern wirkliche Liebe, die sich hingibt und sich dadurch auch verletzbar macht. Dazu sagt Romano Guardini:

„Wir kämen von uns aus nicht auf den Gedanken, dass Gottes Gesinnung Liebe sei, und zwar Liebe im Ernst. Also nicht bloß Wohlwollen, oder Fürsorge, oder spendender Reichtum, sondern jenes Ungeheure, von welchem der Glaube spricht: Er habe gewollt, die Welt solle Ihm selbst wichtig sein; so wichtig, dass Er ‚für sie seinen Sohn hingeben‘ (1 Joh 4,9) würde. Das ist aber die Herzenswahrheit der Guten Botschaft, die nicht verfehlt werden darf, weil sonst alles verfehlt wird. Sie wird uns erst aus Christi Reden und Tun und Schicksal deutlich.“

Jesus offenbart uns, dass Gott Liebe ist. Es gibt so viele Vorstellungen davon, wie Gott ist. Nicht nur in anderen Religionen, auch im Christentum gibt es hier große Unterschiede. Wir sehen auch heute Menschen, die Gottes Kommen wie Johannes der Täufer mit dem strengen Gericht verbinden. Auf der anderen Seite gibt es welche, die das Wort „Gericht Gottes“ am liebsten ganz aus dem kirchlichen Sprachgebrauch streichen würden.

„Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.“

Dieses Wort Jesu gilt auch uns heute. Es mahnt uns, unser Gottesbild immer neu zu überprüfen und an der Heiligen Schrift und an der Verkündigung der Kirche auszurichten, immer neu im Gebet sich von Gott berühren zu lassen, um sein Wesen immer tiefer zu erfahren. Es geht darum, Gott eben Gott sein zu lassen und ihn nicht nach unseren eigenen Vorstellungen zurechtzuzimmern. Romano Guardini formuliert das als die Mahnung:

 „Hüte dich, dass du die Gestalt des Messias nicht dahin verstehst, wie es deiner Gemütsart gefällt, und dadurch für die hohe Wirklichkeit blind werdest, die sich nur durch sich selbst offenbart.“

Es gilt, die vielen, aus menschlicher Sicht oft widersprüchlichen Bilder von Gott zusammen zu sehen, uns wie es in den Zehn Geboten heißt, kein Bild von Gott zu machen, das heißt kein endgültig feststehendes Bild. Unser Bild von Gott muss stets offen sein für die je größere Wirklichkeit Gottes, die wir mit unserem menschlichen Denken nie ganz einfangen können. Gott ist immer anders, als wir ihn uns vorstellen. Diese Erfahrung musste Johannes der Täufer machen und diese Erfahrung wird jeder Mensch machen, der sich ernsthaft auf die Suche nach Gott begibt.