Selig, die arm sind vor Gott

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Als ich überlegt habe, welches Motiv ich für die erste Seligpreisung verwenden könnte, kam mir die Idee mit der offenen Tür. Die Armut als Tor zum Himmelreich. Jesus verheißt es ja denen, die „arm sind im Geist, arm sind vor Gott“. Aber was bedeutet diese Armut?

Die Grundlage jeder christlichen Form von Armut sehe ich in den Worten des Apostels Paulus:

„Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen.“ (2 Kor 8,9)

Jesus hat sich der Fülle seiner Gottheit entäußert und die Armut menschlichen Daseins angenommen. Aus Liebe wurde er arm, um uns so mit seiner Fülle zu beschenken. Armut ist der Weg, durch den Gott uns reich macht.

Jede christliche Form von Armut ist somit eine Annäherung an die Armut Christi. Die Armut ist kein Selbstzweck und geht über die materielle Armut hinaus. Materielle Armut kann ein Zeichen der inneren Armut sein, doch sie geht nicht immer mit dieser einher. Die innere Armut bedeutet, dass man sich lossagt von falschen Anhänglichkeiten an die Dinge dieser Welt. Eine so verstandene Armut ist vor allem auch Demut. Der Mensch erstrebt sie nicht um seiner selbst, sondern um einer höheren Zieles Willen, um mit Gott verbunden zu sein und sich ganz den Menschen zu schenken.

Zugleich aber wäre es aber falsch, die Armut nur spirituell zu sehen. Armut ist zu allen Zeiten konkret aktuell und es ist eine Herausforderung an uns Christen und an alle Menschen, denen zu helfen, die unter Armut leiden. Hier kann das Schenken aus der eigenen Fülle konkret werden. Woran hänge ich, was bin ich bereit zu geben? Wenn wir uns hierbei unserer doch so oft vorhandenen Kleinlichkeit bewusst wird, können wir vielleicht ermessen, welch großes Geschenk Gott uns gemacht hat, was er, der reich war, aufgegeben hat, um uns Arme reich zu machen.

Die Seligpreisungen sind kein toter Kodex, den die Kirche so getreulich wie nur möglich empfangen und weitergeben muss; sie sind eine beständige Quelle der Inspiration, denn der, der sie uns verkündet hat, ist auferstanden und lebt.

Raniero Cantalamessa

Berufung (Mt 4,12-23)

Reich Gottes beginnt damit, dass ein Mensch – vom Ruf des Herrn getroffen – in die Nachfolge eintritt. Und diese Nachfolge erwächst aus einer persönlichen Beziehung zu Jesus Christus.

Wenn wir die Berufung der Jünger betrachten, so sollten wir ins Staunen kommen. Wenn wir aus heutiger Sicht zurückblicken, dann erscheint uns alles vielleicht ganz logisch, dass sie Jesus so ohne weiteres gefolgt sind. Wir wissen, was die Jünger alles mit Jesus erlebt haben. Wir wissen, dass ihr Vertrauen auf Jesus nicht enttäuscht wurde. Für die Jünger damals war der Ruf Jesu aber doch ein Ruf ins Ungewisse. Johannes Chrysostomus schreibt:

Nun, gerade deswegen bewundere ich sie am meisten, weil sie an eine so große Verheißung glaubten, noch ehe sie irgendein Wunderzeichen von ihm gesehen hatten, und alles andere diesem Gehorsam nachsetzten.

Blicken wir auf uns. Wir haben so viele Beweise dafür, in den Jüngern, in den Heiligen, vielleicht auch in Menschen aus unserer Umgebung heute, dass Jesus die nicht im Stich lässt, die ihm folgen. Und doch halten wir so vieles für uns zurück, sind nicht bereit, aufzustehen, und alles liegen zu lassen, folgen dem Ruf Jesu nur halbherzig. Was macht es uns so schwer, Jesus zu vertrauen?

Bei der Berufung der Fischer wird durch den Beruf der Leute das Werk ihres künftigen Dienstes kundgetan. Wie die Fische aus dem Meer, so sollen in der Folge die Menschen aus der Welt in einen erhabeneren Ort, das heißt in das Licht der himmlischen Wohnung, hervorgezogen werden. Durch sie, die ihren Beruf, ihre Heimat und ihre Wohnungen verließen, werden wir belehrt, dass wir uns, wenn wir Christus nachfolgen wollen, weder durch die Sorge um das zeitliche Leben, noch durch die Anhänglichkeit an das väterliche Haus zurückhalten lassen dürfen.

Hilarius von Poitiers

Vinzenz von Saragossa (+304)

Vinzenz war von edlem Geschlecht, aber noch edler an seinem Glauben.

So beginnt seine Lebensbeschreibung in der Legenda Aurea. Über seine Herkunft wissen wir nur wenig. Er war ein dunkeläugiger Spanier und wurde gegen Ende des 3. Jahrhunderts im nördlich von Saragossa gelegenen Huesca geboren. Seine Erziehung erhielt er in Saragossa an die Schule des Bischofs Valerius.

Vinzenz wurde zum Diakon des seligen Bischofs Valerius, und weil er besser als dieser reden konnte, übertrug ihm der Bischof, an seiner Statt zu predigen.

Während der Christenverfolgungen wurden der Bischof und sein Diakon nach Valencia vor den Provinzstatthalter gebracht. Sie wurden zunächst eingekerkert und sollten verhungern, doch nach einigen Tagen holte man sie aus dem Kerker. Man klagte sie an, unter dem Deckmantel des Glaubens Hochverrat zu üben. Bischof Valerius konnte wegen seines Stimmleidens nur mit Mühe Worte zu ihrer Verteidigung sprechen, weshalb er das Wort an Vinzenz übergab. Dieser sagte zum Statthalter:

Du willst, dass wir unseren Glauben verleugnen. Aber es wäre eine teuflische Klugheit für einen Christen, Gott zu verleugnen und seinen Dienst zu schänden.

Daraufhin wurde der Statthalter wütend. Bischof Valerius wurde in die Verbannung geschickt, Vinzenz aber mit grausamen Strafen gemartert. Man spannte ihn auf die Folterbank, bis seine Gelenke knackend auseinandersprangen, schlug ihn mit Ruten und Knüppeln und riss ihm mit eisernen Kämmen die Haut auf. Doch Vinzenz achtete der Schmerzen nicht, sondern rief seinem Peiniger zu:

Ich will nicht, dass du meine Pein minderst, sondern du sollst erkennen, dass du überwunden bist in allem, was du mir auch antun magst.

Daraufhin wurde er mit der grausamen Feuermarter gequält. Dabei verwundete man ihn mit glühenden Haken und Nägeln und man warf Salz in die Flammen, damit es in den offenen Wunden noch größere Schmerzen bereitete. Halbtot, doch den Geist wachend zu Gott erhoben, warf man Vinzenz in eine finstere Zelle, deren Boden ganz mit spritzen Scherben bedeckt war. Doch Vinzenz sah das Licht der Glorie Gottes und die Scherben fühlten sich an wie zarte Rosen.

Vinzenz selbst stimmte ein in den Gesang der Engel, den er vernahm, und auch die Wärter hörten ihn. Viele von ihnen gerieten in Staunen und wurden gläubig, als sie das sahen, und sagten: Das muss doch ein herrlicher Christus sein, der alle menschliche Feigheit besiegt und seine Jünger jubeln lässt, wo andere winseln und jammern!

Der Statthalter aber ersann weitere Strafen. Er ließ Vinzenz auf ein weiches Bett legen, damit er sich etwas erholen könne, aber nur, um ihn danach noch mehr zu quälen. Da starb Vinzenz.

Der Statthalter aber fürchtete, dass die Christen nun durch die Verehrung eines neuen Märtyrers an Kraft gewännen. Daher ließ er den Leichnam auf das Feld werfen, Tieren und Vögeln zum Fraß, doch ein großer Rabe wachte über ihn. Daraufhin ließ er ihn in einen Sack mit Steinen binden und gab ihn Seeleuten mit, damit sie ihn auf offenem Meer versenken sollten. Doch auf wundersame Weise wurde er an Land gespült, den Christen wurde der Ort kundgetan und man begrub ihn mit allen Ehren. Ambrosius sagt über ihn:

Vinzenz wurde gefoltert, gestoßen, gegeißelt, gebrannt, aber er blieb unbesiegt. Sein Mut, den heiligen Namen zu bekennen, wurde nicht erschüttert. Vom Feuer seines Eifers brannte er mehr als vom glühenden Eisen. Die Furch Gottes fesselte ihn stärker als die Furcht vor den Menschen. Er wollte lieber Gott gefallen als dem Volk, lieber der Welt sterben als dem Herrn.

Als heiliger Diakon wurde Vinzenz bereits im 4. Jahrhundert neben die Diakone Stephanus und Laurentius gestellt. Augustinus sagt im Jahre 398: „Es gibt keine Provinz im ganzen Reich, wo man nicht das Fest dieses heiligen Märtyrers feiert.“ Auch wenn seine Bekanntheit in unserer Zeit nicht mehr so weit reicht, kann uns sein Leben und sein Martyrium Vorbild sein, für unseren Herrn Jesus Christus unerschrocken Zeugnis zu geben in Wort und Tat.

Sebastian (+ 288), Märtyrer

Der Heilige Sebastian hat in der Volksfrömmigkeit einen hohen Stellenwert erlangt und wir finden ihn in vielen Kirchen sei es plastisch oder auf Bildern dargestellt. Sebastian ist oft als junger Mann zu sehen, dessen makelloser Körper von Pfeilen durchbohrt wird.

Sebastian wurde Mitte des 3. Jahrhunderts in Narbonne geboren. Er war Soldat und stieg unter Kaiser Diokletian zum Offizier der kaiserlichen Leibgarde auf. Als Christ sollte er bald in Konflikt mit seinen Kaiser geraten.

Die Legenda Aurea erzählt von einer Begebenheit, die sich im Leben des Heiligen zugetragen haben soll. Unter Diokletian kam es zu umfangreichen Christenverfolgungen. Viele wurden hingerichtet und viele davon empfingen mit Freuden die Krone des Martyriums.

In Anwesenheit Sebastians sollten zwei Zwillingsbrüder, Marcellianus und Marcus, wegen ihres Glaubens hingerichtet werden. Die Eltern und Frauen der beiden kamen, um sie von ihrem Glauben anzubringen. Die Mutter verwies auf ihre Mutterliebe. Die Eltern konnten es nicht verstehen, wie ihre Kinder freiwillig dazu bereit sein konnten, das Martyrium zu erlangen. „Ach wie eisern sind eure Herzen, dass ihr Vater und Mutter verschmäht, eurer Freunde nicht achtet, eure Frauen vertreibt eure Kinder verleugnet und euch freiwillig den Händen des Henkers übergebt.“

Da trat Sebastian auf:

Ihr starken Ritter Christi, lasst euch nicht die ewige Krone rauben durch Bitten und süße Worte.

Ihr Eltern und Freunde fürchtet euch nicht, denn diese werden nicht von euch geschieden, sondern sie gehen hin, dass sie euch eine Wohnung bereiten in den Sternen.

Mit vielen Worten zeigte er den Gewinn auf, der den Märtyrern bereitet ist, dem gegenüber das Irdische nur wenig bedeutet. Und seine Worte begeisterten. Die Frau des kaiserlichen Beamten Nicostratus, in dessen Haus das Urteil über die beiden Brüder gefällt werden sollte, hatte die Worte Sebastians gehört. Sie war stumm. Nun löste sich ihre Zunge und sie konnte reden. Ihr Mann war davon so beeindruckt, dass er die beiden Brüder frei lässt. Die Eltern und viele andere der Anwesenden ließen sich taufen.

Als Tranquillinus, der Vater der beiden Brüder, getauft wird, verspürt er plötzlich die Heilung von der Krankheit, an der er schon länger leidet. Das kommt dem Stadtpräfekten von Rom zu Ohren und er möchte auch geheilt werden. Er lässt Sebastian rufen und der macht ihm klar, dass das nur dann möglich ist, wenn er alle seine heidnischen Götterbilder zerstören lässt. Sebastian macht sich auch gleich an die Arbeit, doch in einem geheimen Zimmer hat der Präfekt noch ein kostbares Bild versteckt, was Sebastian sogleich erkennt:

Entweder du hast deinem Unglauben noch nicht abgeschworen oder du hast noch andere Götterbilder heimlich verborgen, darum bist du noch nicht gesund geworden.

Als der Präfekt schweren Herzens seinen wertvollen Schatz opfert, wird er gesund. Und er lässt sich taufen zusammen mit seinem ganzen Haus.

Der Kaiser jedoch wollte das fromme Spiel nicht länger mit ansehen und ließ die Christen seine Macht spüren. Als erste erlitt Zoe, die Mutter der beiden Brüder, das Martyrium, danach der Vater und schließlich empfingen auch Marcellianus und Marcus die Siegespalme.

Sebastian aber wurde vor den Kaiser zitiert. Dem Vorwurf, dass er die Treue zum Staat durch seinen christlichen Glauben verraten habe, entgegnete er:

Ich habe Christus allezeit geehrt um das Heil des Kaisers willen und habe Gott im Himmel stets um seinen Segen für das Römische Reich gebeten.

Kaiser Diokletian jedoch ließ Sebastian an einen Pfahl auf freiem Feld binden. Die Soldaten sollten auf ihn mit ihren Pfeilen schießen.

Da schossen sie so viele Pfeile auf ihn, dass er dastand einem Igel gleich.

Doch Sebastian starb nicht an dieser grausamen Marter. Nach einigen Tagen war er wieder gesund und trat vor den Kaiser hin, um ihm seine Grausamkeit gegenüber den Christen vorzuhalten. Da ließ der Kaiser Sebastian zu Tode prügeln und in die Kloake werfen, damit niemand seinen Leib finden könne. Der heiligen Lucina aber wurde in einem Traum gezeigt, wo sich der Leichnam des Heiligen befindet. Man fand ihn und er wurde in der Katakombe an der Via Appia beigesetzt.

Schon bald wurde über der Katakombe eine Kirche errichtet. San Sebastiano fuori le mura wurde zu einer der Hauptkirchen Roms und eine vielbesuchte Pilgerstätte. Große Verbreitung fand die Verehrung des hl. Sebastian in den Zeiten der Pest. Man deutete die Pfeile im Leib des Heiligen als Pestpfeile, mit denen sich symbolisch das Elend auf die Menschen übertrug. Auf seine Fürsprache erhoffte man sich Schutz und Heilung vor dieser heimtückischen Krankheit.

Sebastian hat es verstanden, so von seinem Glauben Zeugnis zu geben, dass er andere damit begeistern konnte. Die Menschen spürten die Glaubenskraft, die von ihm ausging. Er macht auch deutlich, dass die Bekehrung zum Christentum nicht halbherzig erfolgen darf. Nur wer bereit ist, alles aufzugeben, wovon er sich bisher Schutz und Hilfe erwartet hat, zeigt, dass er wirklich auf Christus vertraut. Und dieses Vertrauen wird Christus nicht enttäuschen.

Makarius der Große (ca. 300 – 390)

Makarius wurde um das Jahr 300 in dem Ort Shabsheer (Shanshour bei Ashmoun) im Nildelta geboren. Es heißt, dass seine Eltern fromme Christen gewesen sind. Nichts desto trotz wollten sie ihn aber gegen seinen Willen verheiraten. Doch Makarius spürte schon früh die Sehnsucht nach einem ehelosen Leben im Dienste des Herrn. Als der Tag der Hochzeit herannahte, stellte sich Makarius mehrere Tage krank. Dann bat er seinen Vater, zur Erholung einige Zeit in der Einsamkeit der Wüste verbringen zu dürfen. Dort hatte er während des Gebets eine Vision. Engel trugen ihn auf einen Berg und zeigen ihm die Weite der Wüste mit den Worten:

„Gott hat diese Wüste dir und deinen Schülern zur Heimat gegeben.“

Bald darauf starben die Eltern des Makarius und er verschenkte sein Erbe an die Armen. Die Bewohner seines Heimatortes brachten Makarius zum Bischof von Ashmoun, damit dieser ihn zum Priester weihte. Daraufhin errichteten sie für ihn eine Kapelle vor der Stadt. Dort feierte Makarius die heiligen Geheimnisse und die Menschen kamen zu ihm, um ihm ihre Sünden zu bekennen. Nach anderen Überlieferungen wurde Makarius erst im Alter von etwa vierzig Jahren, als er schon in der Wüste lebte, zum Priester geweiht.

Es geschah, dass eine unverheiratete schwangere Frau behauptete, Makarius sei der Vater ihres Kindes. Der Heilige protestierte nicht gegen diesen Vorwurf, gab sogar den Erlös aus dem Verkauf seiner Handarbeiten der Frau als Unterhalt. Doch in der Angst der Geburtsstunde schrie die Frau heraus, dass Makarius nicht der Vater des Kindes ist. Die Bewohner des Ortes, die bisher der Frau geglaubt hatten, schämten sich, dass sie den Heiligen zu Unrecht beschuldigt hatten und wollten ihn um Vergebung bitten. Doch seine Zelle war leer. Makarius hatte sich ganz in die Einsamkeit der Wüste zurückgezogen.

Die westlich des Nildeltas gelegene sketische (auch nitrische) Wüste wurde damals zur Heimat unzähliger Mönche. Antonius der Große gehört zu den ersten dieser Wüstenväter, von deren Weisheit ihre Sprüche (Apophthegmata Patrum) bis heute Zeugnis geben. Makarius wurde ein Schüler Antonius des Großen und in der Nachfolge seines Lehrers bald selbst einer der bedeutendsten Wüstenväter der Anfangszeit.

Es war um das Jahr 330 als Makarius sich in das Innere der Wüste zurückzog. Er blieb dort bis auf wenige Ausnahmen für die restlichen etwa 60 Jahre seines Lebens. Als sich die Zahl seiner Schüler vermehrte, ließ er an dem Ort seiner Zelle eine Kirche errichten. Um das Jahr 360 gegründete Makarius das heute nach ihm benannte Kloster. Es wurde schon zu Lebzeiten der Heiligen die Heimat von etwa 4000 Mönchen und ist bis heute ein Zentrum christlichen Lebens in Ägypten.

Schon im Alter von 30 Jahren soll Makarius die Weisheit der Väter in sich getragen haben. Neben seinen Schülern kamen auch viele vornehme Menschen und Herrscher zu ihm in die Wüste, um ein Wort der Weisheit für ihr Leben mit nach Hause zu nehmen. Die Menschen schätzten sein Mitgefühl und sein Verständnis für ihre Sorgen und Nöten. Durch das Gebet des Heiligen geschahen viele Wunder.

Damit der Andrang der Menschen ihn nicht in seiner Ruhe als Einsiedler störte, soll er sich eigenhändig einen tiefen Stollen in den Berg gegraben haben, der zu einer Höhle führte, in der er die meiste Zeit verbrachte und zu der nur zwei seiner engsten Schüler Zutritt hatten.

Makarius war wie alle Wüstenväter ein strenger Asket. Immer wieder kommt in seinen Worten der Aufruf nach Beten, Fasten und Buße zum Ausdruck. Er selbst hat sich keine Annehmlichkeit dieser Welt gegönnt und lebte demütig vor Gott. So sagt er einmal:

Es ist das Kennzeichen des christlichen Lebens, dass ein Mensch, soviel er sich auch müht und soviel Rechtschaffenheit er auch leisten mag, sich dennoch so fühlt, als habe er nichts getan. Im Fasten zu sagen: Dies ist kein Fasten; beim Beten zu sagen: Das ist nicht Gebet; und bei der Beharrlichkeit im Gebet zu sagen: Ich habe keine Beharrlichkeit. Ich fange gerade erst an, den Glauben zu leben und Schmerzen auf mich zu nehmen. Und auch wenn der Mensch rechtschaffen lebt vor Gott, soll er stets sagen: Ich bin nicht rechtschaffen, nicht ich. Ich nehme keine Schmerzen auf mich, sondern ich mache nur jeden Tag einen Anfang.

Vielleicht erscheinen diese Worte heute vielen zu streng. Was kann uns ein solches Leben sagen? Kommt es bei uns nicht vielmehr darauf an, selbstbewusst und entschlossen zu sein? Ich bin … Ich kann … Ist ein Leben der Buße noch dem heutigen Menschen angemessen? Man darf die Selbstentsagung nicht mit der Aufgabe der eigenen Persönlichkeit verwechseln. Gerade durch die strenge Askese entwickelt der Mönch sein Selbst und die Selbstentsagung führt zur Demut, dass er sich wegen seiner asketischen Stärke nicht über andere erhebt. Demut darf man nicht mit Schwachheit verwechseln. Allzu gerne tragen Menschen mit einer schwachen Persönlichkeit ein unterwürfiges Gehabe zur Schau und halten das für Frömmigkeit. Doch geht ihnen mal etwas gegen den Strich, werden sie boshafter als manch andere Menschen.

Die Demut ist die einzige asketische Übung, die der Teufel nicht nachzuahmen vermag, wie es in einer Geschichte zum Leben des Heiligen heißt:

Makarius ging einmal an einem Sumpf entlang, als er auf dem Weg zu seiner Zelle war. Da begegnete ihm der Teufel mit einer Sichel und hätte ihn gerne erschlagen, vermochte es aber nicht. Da sprach er zum Heiligen: Makarius, wisse, dass ich von dir solche Pein leide, weil ich nichts gegen dich auszurichten vermag. Dabei tue ich doch alles, was du tust: du fastest und auch ich nehme keine Nahrung zu mir, du wachst und auch ich schlafe nie. Aber in Einem übertriffst du mich. Da sagte Makarius: Was ist dieses Eine? Und der Teufel antwortete: Es ist deine Demut, gegen die komm ich nicht an.

In einem anderen Ausspruch des Heiligen heißt es:

Seelen, die Gott und die Wahrheit lieben und die, mit großer Hoffnung und Glauben danach verlangen, sich ganz Christus hinzugeben, haben es nicht nötig, sich bei anderen in Erinnerung zu rufen. Sie ertragen es auch nicht, nicht einmal für einen Moment, von der himmlischen Sehnsucht und der hingebungsvollen Zuneigung zum Herrn getrennt zu sein. Aber voll und ganz an das Kreuz Christi genagelt, nehmen sie täglich an sich selbst das Empfinden eines geistlichen Fortschritts hin zum himmlischen Bräutigam wahr.

Diese Sehnsucht nach dem himmlischen Herrn trieb den Heiligen und ließ ihn alles Irdische gering achten. Ihm allein wollte er diesen. Und um frei zu werden für Christus lebte er die strenge Askese und verbrachte die meiste Zeit seines Lebens im Gebet, in der Zwiesprache mit seinem geliebten Herrn.

Im Zusammenhang mit dem Streit um den Arianismus wurde Makarius wie viele andere Mönche, die sich hinter Bischof Athanasius von Alexandrien stellten, im Jahr 374 auf eine Insel im Nildelta verbannt. Athanasius war damals im Osten einer der entschiedensten Vertreter des auf dem ökumenischen Konzil von Nicäa verfassten Glaubensbekenntnisses, das sich erst nach langen Wirren in der christlichen Welt durchgesetzt hat. Viele der Heiden, die auf der Nilinsel lebten, sollen sich durch das Beispiel des Heiligen bekehrt haben.

Nach der Rückkehr aus der Verbannung lebte Makarius weiter in der Wüste. Er starb dort im Alter von 97 Jahren. Leute aus seinem Heimatort stahlen den Leichnam des Heiligen und errichteten ihm ein Grab. Erst Jahre später wurde er in das Makariuskloster übertragen, wo er bis heute ruht.

Hilarius von Poitiers – Morgenhymnus

Morgenlicht

 

Des Lichtes Spender voll der Pracht

dessen lieblichen Lichtes Schein

nun nach dem Ende langer Nacht

den anbrechenden Tag durchströmt.

 

Du wahrer Morgenstern der Welt

du bist nicht nur ein winz´ger Stern

der als der Bote komm´den Lichts

im Kleinen nur sein Licht ausstrahlt.

 

Heller als aller Sonnen Glanz

bist du vollkommen Licht und Tag,

erhellst die Tiefen unsres Seins

durchflutest unsren ganzen Geist.

 

Komm aller Dinge Schöpfer Du,

Licht aus des Vaters Herrlichkeit

für Deinen reichen Gnadenstrahl

öffnen sich uns´re Herzen weit.

 

Besonn´nes Denken siege stets

über des Fleisches eitle Gier

und als ein reines Heiligtum

erhalte der Geist uns´ren Leib.

 

Ehre Dir Christus, König, Herr,

Ehre dem Vater reich an Macht

zusammen mit dem Tröster Geist

jetzt und in alle Ewigkeit. Amen.

Taufe des Herrn (2)

 

A1_Taufe

 

Rüste dich, Jordanfluss!

Siehe, Christus, Gott, kommt,

um von Johannes getauft zu werden,

damit er der Drachen unsichtbare Häupter zermalme

mit der Gottheit in seinen eigenen Wassern.

Freue dich, Wüste am Jordan,

ihr Berge, hüpft vor Freude!

Denn es kommt das ewige Leben,

heimzurufen den Adam.

Als Stimme des Rufers rufe,

Johannes, Vorläufer:

Bereitet die Wege des Herrn,

macht eben seine Straßen!

(Gebet der Ostkirche)

Taufe des Herrn (1)

Mit der Taufe Jesu beginnt die Zeit seines öffentlichen Wirkens. Jesus tritt aus der Verborgenheit des Elternhauses in Nazaret hervor. Doch die Welt erwartet ihn schon. Er tritt nicht ins Leere, muss sich nicht erst Aufmerksamkeit verschaffen. Als Jesus an den Jordan kommt, tritt er ein in das Panorama der Geschichte und füllt den Platz, der ihm dort bereitet ist.

Der Jordan spielt in der Geschichte Israels eine große Rolle. Ihn überschreiten die Stämme Israels, als sie nach dem Auszug aus Ägypten das Land in Besitz nehmen. Mose darf den Jordan nicht überschreiten, darf nur von ferne auf das verheißene Land blicken. Doch Josua stoppt mit der Bundeslade die Wasser des Jordan, damit Israel trockenen Fußes hindurchziehen kann.

Der Jordan galt aber ebenso wie die Wüste als Rückzugsort der bösen Geister. Darauf spielt der oben zitierte Hymnus an und auf vielen Ikonen ist neben Jesus der personifizierte Jordan als kleine Gestalt zu sehen. In der Welt des Heidentums war die ganze Natur voll von personifizierten Mächten, denen man Wirkkräfte zuschrieb.

Das Christentum hat diese Naturgötter entmachtet und einen ersten Schritt dahin macht Jesus, indem er dem Jordan seine Kraft nimmt. Er heiligt seine Wasser. Nun ist der Fluss nicht mehr ein Ort der bösen Geister, sondern wird zum heiligen Strom. Und indem Jesus den Jordan heiligt, heiligt er zugleich alle Wasser dieser Welt. Er gibt ihnen die Kraft, im Ritus der Taufe die Menschen von ihren Sünden zu reinigen. Darüber freut sich die ganze Natur, die Wüste beginnt zu blühen und die Berge hüpfen vor Freude.

Nicht um seine Sünden abzuwaschen steigt also der sündenlose Sohn Gottes in den Jordan, sondern um die Wasser zu bereiten für den Dienst der Reinigung.

Am Fluss Jordan offenbart sich Jesus in einer außergewöhnlichen Demut, welche die Armut und die Einfachheit des in der Krippe ruhenden Kindes in Erinnerung ruft, und nimmt die Haltung vorweg, mit der er am Ende seiner Tage auf Erden dazu kommen wird, die Füße der Jünger zu waschen und die schreckliche Erniedrigung des Kreuzes zu erfahren. Der Sohn Gottes, er, der ohne Sünde ist, stellt sich mitten unter die Sünder, er zeigt, dass Gott dem Weg der Umkehr des Menschen nahesteht. Jesus nimmt die Last der Schuld der ganzen Menschheit auf seine Schultern, er beginnt seine Sendung, indem er an ihre Stelle tritt, an die Stelle der Sünder, in der Perspektive des Kreuzes.

Benedikt XVI.

Gott nimmt die Schöpfung in den Dienst seines Heilsplanes. Die Wasser werden geheiligt und die ganze Schöpfung jauchzt vor Freude, weil sie befreit wurde vom Joch der Dämonen. Doch wenn wir heute auf die Schöpfung blicken, so sehen wir sie unter einem noch schwereren Joch leiden. Sie wird ausgebeutet von der Gier des Menschen. Kaum ein Ort kann mehr in unberührter Schönheit erstrahlen, Flüsse und Meere gehen zu Grunde am Müll der Menschen.

Vielleicht ist es auch ein Fehler von uns Christen, dass wir vieles rein geistig sehen. Wer bringt schon die Taufe Jesu konkret mit den verschmutzen Gewässern unserer Zeit, mit der Ausbreitung der Wüsten und der Sorge der Menschen um reines Trinkwasser in Verbindung? Jesus ist bewusst in den Jordan gestiegen, um die Wasser dieser Welt zu heiligen. Wir haben für das Wasser, das seither bei jeder Taufe im Dienst Gottes steht, eine besondere Verantwortung. Was Gott heiligt, darf der Mensch nicht achtlos vergeuden.

Jesus kam an den Jordan, um den Plan Gottes zur Heiligung der Schöpfung auszuführen. Sicher ist die Heiligung des Menschen der wichtigste Aspekt der Erlösung. Doch Jesus kam nicht nur, um die Menschen zu erlösen und ihnen den Weg in den Himmel zu öffnen, er kam auch, um die ganze Schöpfung aus Sklaverei und Knechtschaft zu befreien. So sind es auch die Gaben der Schöpfung, in denen Jesus seine bleibende Gegenwart unter uns Menschen zeigt, Brot und Wein werden verwandelt in Christi Leib und Blut.

Wir Christen sind gerufen, den Dienst Gottes an den Menschen und der ganzen Schöpfung konkret werden zu lassen. Wir sind gerufen zum Dienst der Versöhnung, um Hass und Gewalt unter den Menschen beizulegen. Wir sind gerufen, das Leben der Menschen zu schützen. Wir sind aber auch gerufen, für Gottes Schöpfung Sorge zu tragen, sie zu nutzen, aber zugleich auch zu pflegen.

Wie Jesus an den Jordan trat und seinen Platz in der Geschichte des Heils eingenommen hat, so gibt es auch für jede und jeden von uns einen Platz in dieser Geschichte, einen Ort, um Gottes Liebe zu den Menschen konkret werden zu lassen. Diesen Platz einzunehmen, ist der Sinn unseres Lebens. Machen wir uns auf, ihn zu finden.