Selig, die arm sind vor Gott

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Als ich überlegt habe, welches Motiv ich für die erste Seligpreisung verwenden könnte, kam mir die Idee mit der offenen Tür. Die Armut als Tor zum Himmelreich. Jesus verheißt es ja denen, die „arm sind im Geist, arm sind vor Gott“. Aber was bedeutet diese Armut?

Die Grundlage jeder christlichen Form von Armut sehe ich in den Worten des Apostels Paulus:

„Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen.“ (2 Kor 8,9)

Jesus hat sich der Fülle seiner Gottheit entäußert und die Armut menschlichen Daseins angenommen. Aus Liebe wurde er arm, um uns so mit seiner Fülle zu beschenken. Armut ist der Weg, durch den Gott uns reich macht.

Jede christliche Form von Armut ist somit eine Annäherung an die Armut Christi. Die Armut ist kein Selbstzweck und geht über die materielle Armut hinaus. Materielle Armut kann ein Zeichen der inneren Armut sein, doch sie geht nicht immer mit dieser einher. Die innere Armut bedeutet, dass man sich lossagt von falschen Anhänglichkeiten an die Dinge dieser Welt. Eine so verstandene Armut ist vor allem auch Demut. Der Mensch erstrebt sie nicht um seiner selbst, sondern um einer höheren Zieles Willen, um mit Gott verbunden zu sein und sich ganz den Menschen zu schenken.

Zugleich aber wäre es aber falsch, die Armut nur spirituell zu sehen. Armut ist zu allen Zeiten konkret aktuell und es ist eine Herausforderung an uns Christen und an alle Menschen, denen zu helfen, die unter Armut leiden. Hier kann das Schenken aus der eigenen Fülle konkret werden. Woran hänge ich, was bin ich bereit zu geben? Wenn wir uns hierbei unserer doch so oft vorhandenen Kleinlichkeit bewusst wird, können wir vielleicht ermessen, welch großes Geschenk Gott uns gemacht hat, was er, der reich war, aufgegeben hat, um uns Arme reich zu machen.

Die Seligpreisungen sind kein toter Kodex, den die Kirche so getreulich wie nur möglich empfangen und weitergeben muss; sie sind eine beständige Quelle der Inspiration, denn der, der sie uns verkündet hat, ist auferstanden und lebt.

Raniero Cantalamessa

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