Thomas (1)

O2A_Wunden

Weil aber ihr Glaube noch schwankte beim Anblick seines Leibes, den sie sehen konnten, zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Nägel hatten seine Hände durchbohrt, die Lanze seine Seite geöffnet: Hier blieben die Spuren der Wunden erhalten, um die Herzen der Zweifelnden zu heilen. (Gregor der Große)

Verwundet geht Jesus in den Himmel ein. Die Wunden, die ihm die Menschen zugefügt haben, bleiben an seinem verklärten Auferstehungsleib in Ewigkeit.

Liebe macht verwundbar. Was könnte ein deutlicheres Zeichen dafür sein, dass Gott es ernst gemeint hat mit seiner Liebe zu uns Menschen, als die Wundmale Jesu?

Mit ihnen gehen alle Schmerzen und Verletzungen, die Menschen einander zufügen, für immer ein in Gottes Herrlichkeit.

Aus Liebe verwundet kehrt Gottes Sohn zum Vater zurück. Die Wundmale am verklärten Leib zeigen den Sieg der Liebe über allen Hass. Wenn auch rein irdisch gesehen der Schmerz und das Leid das letzte Wort haben, so sehen wir doch im Licht der Auferstehung, dass allein die Liebe bleibt.

Die Erfahrung der Macht der Liebe gab den Aposteln und Glaubenszeugen durch die Jahrhunderte hinweg die Kraft, den Glauben wider alle Anfeindungen zu verkünden. Lassen wir auch in uns die Erfahrung der Macht der Liebe immer mehr wachsen, um so glaubhafte Zeugen der Auferstehung Jesu zu sein.

Das Evangelium gehört denen, die Hoffnung haben, die an Jesus glauben, an das Leben, das Licht und Freude wird.

Das Evangelium des Johannes ist ein Evangelium des Lebens, die Botschaft von Christus, der auferstanden ist in unsere Mitte, damit wir Leben haben, in das wir eintreten, wenn wir in seinem Namen glauben. Darin ist die Erfahrung der Begegnung mit dem lebendigen Herrn zusammengefasst. (Carlo M. Martini)

Karwoche (2)

Denn siehe, durch das Holz des Kreuzes kam Freude in alle Welt.

So heißt es in einem alten Text. Ich bin diesen Worten begegnet, als ich auf die Schnelle nach einem Text für die Kartage gesucht habe.

Auf die Schnelle … Ja dieses Jahr waren die Wochen vor Ostern sehr dicht, ein Umzug, Überstunden auf der Arbeit … Und dann die Frage: Wie soll ich Ostern feiern mitten im Alltag?

Für viele geht die Fastenzeit fast spurlos vorüber, man nimmt sich vielleicht am Aschermittwoch etwas vor, verschiebt aber die Umsetzung und dann ist plötzlich schon Ostern da. Die Arbeit, das Familienleben, alles läuft weiter. Wie kann das Osterfest mehr werden als ein langes Wochenende?

Sicher ist die Vorbereitung wichtig. Nicht umsonst kennt die Kirche die Fastenzeit. Fasten, das bedeutet sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sicher ist es hier besser, sich etwas Kleines vorzunehmen, das auch wirklich umsetzbar ist, als etwas Großes, das sich dann doch als undurchführbar erweist. Sich von den Texten der Heiligen Schrift ansprechen lassen, vielleicht einmal Schritt für Schritt jeden Tag einen Abschnitt aus dem Evangelium lesen und jetzt in der Karwoche die Berichte über Tod und Auferstehung des Herrn in den letzten Kapiteln der Evangelien.

Vor allem muss Ostern mich ganz persönlich treffen. Ostern ist der Höhepunkt im Jahr der Kirche – und in meinem Jahr? Was sind für mich die Höhepunkte des Jahres?

Denn siehe, durch das Holz des Kreuzes kam Freude in alle Welt.

Einen Gott am Kreuz anbeten, kann das ein Höhepunkt sein? Bleibe ich verständnislos stehen, unberührt von dem, was da geschieht, oder trifft es mich persönlich? Lukas berichtet von der Betroffenheit der Menschen, die Jesu Todesstunde erlebten:

Alle, die zu diesem Schauspiel herbeigeströmt waren und sahen was sich ereignet hatte, schlugen sich an die Brust und gingen betroffen weg. (Lk 23,48)

Betroffen, weil sie gemerkt haben, dass es hier persönlich um jeden einzelnen Menschen geht? Weil sich in diesem „Schauspiel“ Heil und Rettung für jeden einzelnen ereigneten?

In seinem Buch „Jenseits des Schweigens“ über die sieben letzten Worte Jesu am Kreuz zeigt Timothy Radcliffe, wie Jesus uns mit diesen Worten immer näher kommt:

„Die Worte Jesu zeigen uns die fortschreitenden Stufen eines sich vertiefenden Ausdrucks seiner Liebe zu uns.

Vergib ihnen, denn die wissen nicht, was sie tun. (Lk 23,34)

Mit diesen Worten spricht er uns nicht unmittelbar an, sondern seinen Vater.

Heute wirst du mit mir im Paradies sein. (Lk 23,43)

Hier zeigt sie die Liebe zu uns bereits inniger; er spricht uns an, aber doch eher von oben herab, als König.

Das ist deine Mutter, das ist dein Sohn. (Joh 19,26f)

Hier spricht er uns nicht mehr als König an, sondern als Bruder, ein weiterer Schritt der Nähe auf uns zu.

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Mk 15,34)

Dieser Schrei ist uns so nahe, dass er in unsere Seele eindringt und unsere eigene Verzweiflung umarmt. Aber die vollkommene Liebe liegt in den Worten:

Ich habe Durst. (Joh 19,28)

Die Fülle der Liebe ist erreicht, wenn Jesus etwas von uns erbittet und es dankbar in Empfang nimmt. Damit ist die Liebe vollkommen.“

Gott schenkt uns seine Liebe. Er wartet auf ein Liebeszeichen von uns und mag es noch so klein sein. Fühlen wir uns angerührt von dieser Liebe? Von einem Gott, der mitten in unser Leben treten will, der mit uns in die tiefsten Abgründe des Lebens steigt, um uns zu den höchsten Gipfeln des Glücks zu tragen? Lasse ich Jesus in mein Leben? Lasse ich mich von ihm berühren? Berühren nicht nur als ein Empfinden innerer Rührung, sondern als eine Nähe, die keine Distanz mehr zulässt? Aber geht das überhaupt? Wie soll Jesus mich berühren können? Wir werden ein Leben lang mit der Erfahrung solcher Nähe ringen. Werden sie uns wünschen und sie dann doch wieder erschreckt von uns weisen, weil wir uns vor den Folgen dieser Nähe fürchten, davor, wie sie unser Leben grundlegend verändern kann. Und doch steht Gott immer vor uns mit seiner Liebe, die vor allem anderen ist, die bleibt, auch wenn sie nicht erwidert wird. Sie ist da, jeden Augenblick. Und jeden Augenblick können wir den Schritt tun in Gottes offene Arme. Doch sollten wir nicht zu lange zögern, sonst könnten wir etwas Wesentliches in unserem Leben verpassen.

Palmsonntag

Pueri

Die Kinder der Hebräer trugen Ölzweige in ihren Händen, sie zogen dem Herrn entgegen und riefen: „Hosanna in der Höhe!“

In der Karwoche gedenken wir dem Leiden, Sterben und Auferstehen unseres Herrn. Dabei erinnern wir uns jedoch nicht einfach an geschichtliche Ereignisse, wir spielen nicht ein sinnloses Theaterstück nach, vielmehr erinnern wir uns an die Geschehnisse und denken über sie nach, damit wir selbst zum Werk Christi gehören können. Unser Herr gab sich seinem Vater hin. Er gab ihm seine Liebe, die er durch Gehorsam bezeugte und dieser Gehorsam ging bis zur Annahme des eigenen Todes. Gleichzeitig schritt er durch den Tod hindurch zum Leben, damit wir alle an seiner Auferstehung teilhaben können.

Basil Hume

Lazarus (2) – Joh 11

Leben und Tod, sie liegen oft so nahe beieinander. Menschen riskieren ihr eigenes Leben, um das Leben anderer zu retten, der Tod von Müttern bei der Geburt ihrer Kinder ist keine Seltenheit. Wir fragen uns sicher oft, warum manche Menschen bei Katastrophen sterben müssen, während andere mit dem Leben davonkommen.

Dann lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben.

Spricht aus diesem Satz des Apostels Thomas nicht eine gewisse Resignation? Es ist sicher kein Zufall, dass es dann nach der Auferstehung Jesu auch eben dieser Thomas ist, dem der Herr noch einmal eigens erscheint, um ihn von der Wirklichkeit der Auferstehung zu überzeugen.

Lazarus ist krank, sterbenskrank, ja er ist sogar schon tot. Jesus spürt das. Er weiß auch, dass sein eigener Tod bevorsteht. Und damals wie heute werden viele nicht verstanden haben, warum das so sein muss. Ist Jesus nicht gerade dazu gekommen, das Leben zu bringen? Wenn wir seine Wunder sehen, wie er Menschen glücklich gemacht hat durch Heilung von körperlichen und seelischen Gebrechen, wie er Ausgestoßene in die Gemeinschaft zurückgeführt hat, wie er mit den Menschen gegessen und getrunken hat, so war das alles ein großes Fest des Lebens. Hätte es nicht immer so weiter gehen können, bis die ganze Welt glücklich bei diesem Fest des Lebens mitfeiert?

Doch nun klopft der Tod an die Tür, bei Jesus und bei seinen Freunden. Der Tod hat immer noch ein gehöriges Wort mitzureden. Das Fest des Lebens wurde ohne ihn gefeiert, nun fordert er seinen Tribut, stört das Fest wie ein ungebetener Gast, den mal ausgesperrt hat und der auf Rache sinnt.

Thomas beginnt zu zweifeln und wer weiß wie viele noch mit ihm. Hatte Jesus vielleicht nur eine gewisse Zeit Glück, so dass er die Menschen begeistern konnte, ist aber letztlich auch nicht anders als die anderen Menschen, derer Glückssträhne irgendwann einmal vorbei ist? Ist nun alles zu Ende und sie haben ihre Hoffnung – wieder einmal – auf den Falschen gesetzt?

Der Tod fordert seinen Tribut, er stört das Fest des Lebens, bringt die Feiernden ordentlich durcheinander, ja er wird sogar den Gastgeber herausfordern, doch am Ende wird der Tod unterliegen, seine Macht ist am Ende. Ja, er wird sich weiterhin die Menschen holen, doch halten kann er sie nicht mehr. Hat er sie einmal erwischt, so entgleiten sie sofort wieder seinen Händen. Jesus wird durch seinen Tod den Weg durch den Tod hindurch öffnen. Nach der finsteren Tür des Todes wartet das helle Tor der Auferstehung, das alle Schrecken des Todes ungeschehen macht und zu neuem Leben führt.

Die Auferweckung des Lazarus ist ein erstes Zeichen für dieses neue Leben. Der Tote kommt aus dem Grab, gerufen von der wirkmächtigen Stimme des Herrn. Besonders eindrucksvoll ist dieser Ruf in der alten lateinischen Antiphon zum heutigen Tag intoniert.

Lazare veni foras – Lazarus, komm heraus!

Es ist der Ruf zum Leben, der an uns alle einmal ergehen wird. Freilich, Lazarus musste noch einmal sterben, ihm galt der Ruf noch nicht zum ewigen Leben. Doch Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Dort wird er das Tor dieses neuen Lebens machtvoll aufstoßen.

Noch sind die Zweifel groß. Die Jünger verstehen noch nicht. Thomas zweifelt an der Kraft des Lebens. Am Karfreitag werden sich alle resigniert zurückziehen. Ist nun das Fest des Lebens, das beim Abendmahl einen so grandiosen Höhepunkt gefunden hat, nun vorbei?

Nein, es fängt nun erst so richtig an. Nun ist der Herr beim Vater im Himmel. Nun hat er das Tor des Lebens geöffnet und niemand vermag es je mehr zu schließen. Doch dieses Tor kann nur erfahren, wer zuvor durch die dunkle Tür des Todes gegangen ist. Diese steht uns immer noch drohend vor Augen und macht vielen Angst. Doch wenn in uns die sichere Hoffnung auf das neue Leben ist, so werden wir diese Angst überwinden. Dann wissen wir, dass hinter der dunklen Tür einer steht, der uns ins Licht ruft. Er ruft jeden einzelnen beim Namen. Komm heraus! Komm her zu mir in die lichtvolle Herrlichkeit ewigen Lebens und feiere mit mir das Fest, das kein Ende kennt.