Osterevangelium

Surrexit_1Die Frauen um Maria kamen dem Tagesanbruch zuvor, fanden den Stein vom Grabe weggewälzt, und sie hörten vom Engel: ihn, der wohnt in ewigem Lichte, was sucht ihr ihn bei den Toten wie einen Menschen? Seht doch die Leichentücher. Lauft und verkündet der Welt, dass erstanden ist der Herr, dass er getötet den Tod. Denn er ist der Sohn Gottes, der die Menschheit errettet.

Gebet der Ostkirche

Das Grab ist offen, leer, aber doch ist der Ort erfüllt von der frohen Botschaft: Christus lebt. Er ist auferstanden. Der Ort des Todes gibt Zeugnis vom Leben. Er, der tot ins Grab gelegt wurde, lebt wieder. Wie muss das damals gewesen sein. Nach der Verwirrung und Trauer des Karfreitags die neue Hoffnung des Ostermorgens! Den Frauen begegnet ein Engel – nach Lukas sind es sogar zwei, die den Frauen zurufen: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten!“ Dann begegnet ihnen auch Jesus selbst. So wird die Hoffnung zur Gewissheit, an der es keinen Zweifel mehr gibt. Jesus hat die Seinen nicht verlassen, sondern er bleibt bei ihnen, wie er es versprochen hat.

Frauen, deren Zeugnis in der damaligen Zeit praktisch nichts galt, macht der Herr zu den ersten Zeuginnen seiner Auferstehung. Wo aber sind die Zwölf? Schon sonderbar. Wenn wir in den Evangelien zwischen den Zeilen lesen, müssen wir wohl davon ausgehen, dass zumindest einige der Apostel aus Jerusalem geflohen sind in ihre Heimat Galiläa. Sie mussten damit rechnen, dass die jüdischen Anführer auch nach ihnen fahnden werden. Hätten sie sich in die Nähe des zudem noch bewachten Grabes begeben, hätte ihnen sicher eine Verhaftung gedroht.

Bei Lukas heißt es am Ende des Abschnitts über das leere Grab, dass Petrus nach dem Bericht der Frauen auch dorthin gegangen ist, aber außer dem leeren Grab nichts gesehen hat. Erst in Lk 24,24 sagt einer der Jünger: „Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen.“ Bei Markus und Matthäus lesen wir, dass die Jünger nach Galiläa gehen sollen, wo sie den Auferstandenen sehen werden. Johannes berichtet von einer Erscheinung in Jerusalem, aber im Anhang zum Evangelium ist von einer Erscheinung am See von Tiberias die Rede. Gerhard Lohfink schreibt:

Wir können mit guten Gründen davon ausgehen: Petrus, der mit dem engeren Jüngerkreis nach Galiläa geflohen war, hatte dort eine Erscheinung des Auferstandenen. Diese zerstöre alle Zweifel und machte Petrus zu einem der ersten Osterzeugen. Offensichtlich gingen das hohe Ansehen und die führende Rolle des Petrus in der Urkirche unter anderem auf diese Erscheinung zurück. An die Erscheinung vor Petrus schlossen sich dann andere Erscheinungsphänomene an, auch in Jerusalem.

Warum aber verschweigt Lukas im Gegensatz zu seiner Vorlage bei Markus, die er sicher gekannt hat, die Erscheinung in Galiläa? Für ihn war Jerusalem von zentraler Bedeutung für Gottes Königsherrschaft. Jerusalem ist die Stadt der Könige und Propheten Israels und daher errichtet Gott hier seine Herrschaft durch die Inthronisation des Messias am Kreuz. Hier müssen sich alle wichtigen Ereignisse abspielen und wir werden dann ja auch sehen, wie nach der wohl sehr schnellen Rückkehr der Apostel hier an Pfingsten die Kirche als Volk Gottes entstanden ist.

Entscheidend ist, dass durch die Erscheinungen des Auferstandenen die Apostel in ihrem Glauben gefestigt wurden und durch die Kraft, die in diesen Begegnungen lag, bereit waren, zu Grundsteinen des neuen Gottesvolkes zu werden. Aus dieser Begegnung mit dem Auferstandenen haben seine Zeugen die Kraft, das Evangelium zu verkünden, bis heute. Paulus berichtet davon, wie sehr ihn die Begegnung mit dem Auferstandenen vor Damaskus verändert hat. Jesus begegnet den Menschen – auch heute!

Ostern

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Christus erstand von den Toten, er zertrat den Tod durch den Tod, und denen in den Gräbern schenkte er das Leben.

Dieser Gebetstext der orthodoxen Kirche wird lebendig, wenn wir die Auferstehungsikone betrachten. Christus der Auferstandene, tritt die Tore der Unterwelt nieder. Kreuzförmig liegen die Türflügel zu seinen Füßen, was darauf hinweist, wie er es geschafft hat, diese Tore aus den Angeln zu heben: durch das Kreuz, das Werkzeug des Todes, hat er den Tod besiegt.

So liegt denn auch der Tod, durch eine schaurige Figur symbolisiert, gefesselt am Boden und seine Werkzeuge liegen verstreut umher. Er kann sie nicht mehr gebrauchen. Vielmehr weist ihn ein Engel deutlich darauf hin, wer nun die Herrschaft über sein Reich übernommen hat: der Auferstandene Christus. Er holt die aus den Gräbern, die seit Urzeiten darin gefangen sind. Adam und Eva stehen für alle Menschen, die der Tod seit Anbeginn der Welt unter seiner Macht hatte. Sie sind nun frei, frei mit Christus in das Leben einzugehen.

Christus kommt, um den gefangenen Adam und die mitgefangene Eva von ihren Schmerzen zu erlösen, er, zugleich Gott und der Eva Sohn. Er fasst Adam bei der Hand und spricht: „Wach auf, Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein! (Eph 5,15) Ich habe dich nicht geschaffen, damit du im Gefängnis der Unterwelt festgehalten wirst.

Zum Leben hat uns Gott erschaffen und um uns dieses Leben zu schenken, ging Gott selbst in den Tod. Doch der Tod konnte ihn nicht bezwingen. Das Leben ist stärker als der Tod. Christus hat für uns alle den Sieg über den Tod errungen, damit wir mit ihm zusammen leben. Christus wollte nicht für sich alleine auferstehen, sondern will uns alle in seiner Auferstehung zum Leben rufen in seinem Reich.

Halleluja! Jesus lebt und er hat uns das Leben neu geschenkt! Freuen wir uns, dass wir mit Christus Sieger sind über den Tod! Halleluja!

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Osterfest und die Freude des Auferstandenen!

 

Karfreitag

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Zusammen mit Jesus wurden auch zwei Verbrecher zur Hinrichtung geführt. Sie kamen zur Schädelhöhe; dort kreuzigten sie ihn und die Verbrecher, den einen rechts von ihm, den andern links. (Lk 23,32-33)

Der Hohe Rat der Juden hat Jesus mit der Anklage zu Pilatus gebracht, Jesus gebe sich als König aus. Das war die einzige Möglichkeit, um den Vertreter des Römischen Reiches dazu zu bringen, das Todesurteil auszusprechen. Mit Anklagen den jüdischen Glauben betreffend hätte er sich nicht zufrieden gegeben und den Juden war es selbst nicht gestattet, einen Menschen hinzurichten.

Der Leidensweg Jesu folgt diesem Urteil. Die Soldaten und alle, die nichts weiter von Jesus wussten, konnten gar nicht anders, als diesen Mann zu verspotten, der sich da selbst einen König nennt und doch so armselig daher kommt, scheinbar ohne jegliche Macht. Wenn nun Jesus inmitten zweier Verbrecher gekreuzigt wird, so folgt auch dies diesem Schema. Wie ein König inmitten seines Thronrates auftritt, so hängt nun Jesus inmitten der Verbrecher. Welch lausiger Thronrat, welch eine letzte Demütigung für den, der sich da als König ausgegeben hat.

Jesus aber betete: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Dann warfen sie das Los und verteilten seine Kleider unter sich. Die Leute standen dabei und schauten zu; auch die führenden Männer des Volkes verlachten ihn und sagten: Anderen hat er geholfen, nun soll er sich selbst helfen, wenn er der erwählte Messias Gottes ist. Auch die Soldaten verspotteten ihn; sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig und sagten: Wenn du der König der Juden bist, dann hilf dir selbst! Über ihm war eine Tafel angebracht; auf ihr stand: Das ist der König der Juden. (Lk 23,34-38)

Jesus betet für seine Peiniger. So wird es – dem Beispiel seines Meisters folgend – später auch Stephanus tun, der erste im Kreis der Märtyrer, die für ihr Zeugnis für Jesus Christus in den Tod gehen. Jesu Bitte an den Vater, dass er denen Vergebung schenken möge, die ihn misshandeln ist das erste der sieben Worte Jesu am Kreuz, die christliche Andacht betrachtet.

Doch Jesu Gebet wird von den Umstehenden nicht beachtet. So groß ist ihre Verachtung für diesen Mann am Kreuz, dass sie von ihm nichts Gutes erwarten. Es läuft alles so wie sonst bei einer Kreuzigung. Die Soldaten nehmen sich ihren Anteil, indem sie die Kleider der Gekreuzigten untereinander verlosen. Gaffer sind da und auch Spötter. Manche erinnern sich an die Geschichten, die man über Jesus erzählt, als großen Wunderheiler. Was sie schon immer gedacht haben, scheint sich nun zu bewahrheiten: Dieser Mann taugt nichts, alles, was über ihn erzählt wird, ist Lüge. Nun sieht man doch, dass er machtlos ist und nichts tun kann.

Die Tafel am Kreuz gibt seine Schuld an: Das ist der König der Juden. Wieder die Verhöhnung Jesu als König. Was für ein König! Leidend hängt er am Kreuz. Man sieht in ihm noch nicht wie bei manch mittelalterlicher Darstellung den König am Kreuzesthron. Seine Macht ist verborgen. Aber doch ist Jesus ein König und seine Königsmacht wird bald offenbar werden.

Da geschieht etwas Außergewöhnliches. Während einer der beiden mit Jesus gekreuzigten Verbrecher in den Hohn der Umstehenden einstimmt, weist der andere ihn zurecht und wendet sich an Jesus. Nur Lukas berichtet dieses Ereignis.

Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Messias? Dann hilf dir selbst und auch uns! Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst. Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. (Lk 23,39-43)

Der gute Verbrecher, wie wir ihn im Gegensatz zu dem anderen nennen können, glaubt daran, dass Jesus ein König ist. Wir wissen nicht, woher er diesen Glauben nimmt, ob er schon vorher von Jesus gehört hat oder ob ihn etwas an diesem Fremden, der da mit ihm hingerichtet wird, beeindruckt. Vielleicht zeigt ihm Jesu Verhalten dass er doch so ganz anders ist als normale Verbrecher. „Jesus denk an mich, wenn di mit deiner Königsmacht kommst,“ heißt es bei anderen Textzeugen.

Jesus verspricht ihm, an ihn zu denken. „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ Ist es ihnen schon einmal aufgefallen, dass Jesus davon spricht, dass das heute geschieht? Jesus hätte ja sagen können, in drei Tagen werde ich auferstehen und dann wecke ich auch dich auf von den Toten. Aber Jesus spricht explizit von heute.

Wir sehen also, dass Gott andere Zeitvorstellungen hat als wir. Gott vergibt uns, bevor wir sündigen, und Jesus verspricht, diesen Dieb ins Paradies zu bringen, bevor er selbst von den Toten auferstanden ist. Der Grund liegt darin, dass Gott im Heute der Ewigkeit lebt. Gottes Ewigkeit bricht jetzt in unser Leben ein. Ewigkeit ist nicht, was am Ende der Zeiten passiert, wenn wir gestorben sind. Immer wenn wir lieben und vergeben, setzen wir einen Fuß in die Ewigkeit, in das Leben Gottes. Und deshalb können wir selbst am Karfreitag voller Freude sein, selbst im Angesicht von Leid und Tod.

Timothy Radcliffe

Wir sollten immer wieder an diesen Verbrecher denken, der mit Jesus am Kreuz hing, wenn wir in unserer Kleinlichkeit Urteile fällen, die Gottes Größe nicht gerecht werden. Selbst die Kirche denkt da manchmal zu kleinlich, wenn sie den Gerechten des Alten Bundes das Paradies verweigern wollte oder einen Limbus geschaffen hat, in dem die Seelen ungetaufter Kinder warten müssen, bis Gott sich vielleicht irgendwann einmal ihrer erbarmt. Solche Vorstellungen kommen daher, dass wir Gottes Ewigkeit nicht denken können. Aber nicht der Verstand des Menschen ist die höchste Instanz sondern das für diesen unbegreifliche Wesen Gottes.

Der Schächer am Kreuz zeigt uns auch die Größe der Barmherzigkeit Gottes. Er hat nichts getan, außer in den letzten Stunden seines Lebens daran zu glauben, dass Jesus wirklich König ist. Dieser Glaube hat ihm das Tor zum Paradies geöffnet. Das ist ein Zeichen dafür, wie viel Gott uns schenken möchte. Wir müssen nur lernen, wie man Geschenke annimmt.

Vergessen wir nie den Schächer am Kreuz und was Jesus zu ihm gesagt hat. Denken wir an das Heute seiner Verheißung, gerade in schweren Stunden. Vielleicht kann uns dieses Wort Jesu dann helfen, dass wir einen Ausweg sehen, den unser begrenzter Verstand nicht erkennen kann, den aber Gottes Größe zu wirken vermag.

 

Gründonnerstag

Abendmahl_C

Als die Stunde gekommen war, begab er sich mit den Aposteln zu Tisch. Und er sagte zu ihnen: Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen. Denn ich sage euch: Ich werde es nicht mehr essen, bis das Mahl seine Erfüllung findet im Reich Gottes.

Und er nahm den Kelch, sprach das Dankgebet und sagte: Nehmt den Wein und verteilt ihn untereinander! Denn ich sage euch: Von nun an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes kommt. Und er nahm Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird. (Lk 22,14-20)

„Mit Sehnsucht habe ich mich danach gesehnt, dieses Paschamahl mit euch zu essen.“ Dieser Satz gehört zum Eigengut des Evangelisten Lukas. Jesus hebt die Bedeutung dessen, was hier geschieht hervor. Er hat seine Jünger hingeführt und vorbereitet auf das, was nun geschieht, und doch werden wir sehen, dass es ihnen schwer fällt, zu begreifen.

Jesus feiert das letzte Paschamahl mit seinen Jüngern. So, wie er jetzt mit ihnen isst, wird er niemals wieder mit ihnen beisammen sein. Und doch setzt er in diesem Mahl ein bleibendes Zeichen seiner Gegenwart. In der Feier des eucharistischen Mahles bleibt Jesus zu allen Zeiten gegenwärtig.

Wie Jesus sich nach dieser Begegnung mit seinen Jüngern gesehnt hat, so sehnt er sich zu allen Zeiten danach, mit den Menschen dieses Paschamahl zu feiern. Jesus sehnt sich nach der Begegnung mit mir. Dieser Gedanke kann zur Grundstimmung meines Lebens werden. Ich darf mich immer wieder an diesen Satz Jesu erinnern.

Jesus will bei uns sein, will mit uns sein, hier auf Erden noch verborgen, dereinst im Himmel aber vollkommen. Und doch ist Jesu Gegenwart auch schon jetzt konkret. Das Wort von der Erfüllung des Mahls in der Königsherrschaft Gottes erinnert mich an Jesu Wort an den Schächer am Kreuz, der Jesus bittet, an ihn zu denken, wenn er in seiner Königsherrschaft kommt. Dieses Jesuswort gehört auch zum Eigengut des Lukas.

Jesus wird dann zum Schächer sagen: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. Heute findet das Mahl bereits seine Erfüllung, weil Gottes Königsherrschaft bereits angebrochen ist. Nicht zeitlich steht die Erfüllung noch aus, die Gegenwart der Erfüllung ist vielmehr eine Frage der Dimension, unter der man sie betrachtet. Für uns Menschen, die wir an die Zeitlichkeit gebunden sind, steht die Erfüllung noch aus, in Gottes Gegenwart aber ist sie bereits konkret.

An dieser Erfüllung können wir jetzt schon Anteil erhalten. Darum ist Jesu Gegenwart in den Gestalten der Eucharistie nicht nur symbolisch zu sehen, sondern als konkrete Wirklichkeit. Brot und Wein werden im Vollzug der Wandlung in der Heiligen Messe zu Leib und Blut Jesu Christi. Er ist da, mitten unter uns. Knien wir hin und beten wir an und lassen wir uns erfüllen von der Gegenwart des Herrn.

3. Lied vom Gottesknecht

Verspottung

Gott, der Herr, gab mir die Zunge eines Jüngers, damit ich verstehe, die Müden zu stärken durch ein aufmunterndes Wort. Jeden Morgen weckt er mein Ohr, damit ich auf ihn höre wie ein Jünger.

Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet. Ich aber wehrte mich nicht und wich nicht zurück. Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und denen, die mir den Bart ausrissen, meine Wangen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel.

Doch Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden. Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel; ich weiß, dass ich nicht in Schande gerate.  (Jes 50,4-7)

Die vier Gottesknechtslieder schildern in poetischen Worten das Schicksal des Propheten Deuterojesaja unter den verschleppten Israeliten im babylonischen Exil. Sie wurden aber zugleich zum Bild für das leidende Gottesvolk und zum Vorausbild für Christus. Gerade die Leiden des Propheten im Dienst Gottes für das Volk erfüllte Christus auf einzigartige Weise durch seinen Kreuzestod zum Heil der Menschen. Daher haben das dritte und vierte Gottesknechtslied einen festen Platz in der Liturgie der Passionszeit, das dritte Gottesknechtslied wird am Palmsonntag, das vierte am Karfreitag gelesen.

Knecht Gottes meint den von Gott in besonderer Weise in Dienst Gerufenen. Durch das Hören auf Gottes Botschaft gleicht dieser einem Schüler oder Jünger, der die Worte des Meisters hört, diese betrachtend verinnerlicht und in der Tat erfüllt. Wenn auch Christus in seiner göttlichen Natur weit mehr war als ein Schüler Gottes, so hat er doch als Mensch immer wieder die betende Zwiesprache mit seinem Vater im Himmel gesucht. Wenn wir Christus nachfolgen, bekommen die Worte des Propheten auch für uns eine drängende Aktualität.

Gottes Wort ist Zuspruch für die Menschen. Es dient nicht der inneren Erbauung des Jüngers, sondern er soll es verkünden zur Stärkung des Volkes. Der Knecht Gottes, auch wenn er selbst geschlagen wird, übt keinerlei Unterdrückung aus, sondern stärkt und baut seine Mitmenschen auf. Woher nimmt er aber die Kraft? Allein aus seiner Verbindung zu Gott.

Der Diener Gottes muss immer wieder in lebendige Zwiesprache mit Gott treten. Das ist das unerschütterliche Fundament seines Lebens. Am Beginn jedes Tages, vor jedem Tun und auch am Ende des Tages versetzt er sich in die Gegenwart Gottes. Was will Gott heute von mir? Was will er jetzt in dieser konkreten Situation von mir? Er verliert sich nicht in falschem Aktionismus und richtungslosen Irrwegen. Die Konzentration auf Gott gibt ihm Richtung und Entschiedenheit.

Gott ist es, der ihm das Ohr geöffnet hat. Gott hat ihn gerufen. Ein interessantes Bild. Wenn Gott ruft, dann öffnet er die Verbindung zwischen sich und uns. Gott ergreift die Initiative, der Mensch aber entscheidet, ob er Gottes Ruf zu sich dringen lässt oder ignoriert. Gott ruft, aber er zwingt nicht. Er wartet, ob wir bereit sind, die Verbindung aufrecht zu erhalten. Wer aber als von Gott Gerufener das verkündet, was Gott zu ihm gesprochen hat, tritt mit einer unüberbietbaren Autorität auf.

Immer aber sind es nur wenige, die auf den Knecht Gottes hören. Etliche mögen gleichgültig sein, manche aber treten in Opposition zum ihm. Gerade die Mächtigen sind oft nicht bereit, sich der Autorität seines Auftretens unterzuordnen. So ergeht es den Boten Gottes zu allen Zeiten. Auch Christus führte sein Auftreten in göttlicher Vollmacht zur Anklage wegen Gotteslästerung und Hochverrat.

Christus ist das perfekte Abbild des leidenden Gottesknechts. Die Evangelien schildern die Verspottung und Folter, die Jesus angetan wurden. Er wurde verhöhnt, bespuckt und gegeißelt. Dabei blieb er stumm, wie ein Lamm angesichts des Scheerers, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Er wehrte sich nicht vor den Schlägen, gab keine Beleidigung zurück. Wer selbst einmal zu Unrecht beschuldigt und verhöhnt wurde, der weiß, dass es viel mehr Kraft erfordert, hier ruhig zu bleiben, als sich zu wehren. Das Schweigen Jesu ist also nicht Zeichen von Schwäche, sondern von innerer Größe.

Und doch wahrt er sein Gesicht. Wir sehen es auch bei den Märtyrern. Erhobenen Hauptes gehen sie stolz in den Tod. Der Gerechte lässt sich nicht unterkriegen. Er weiß, dass er für die Gerechtigkeit einsteht und dass diese letztlich siegen wird, auch wenn er für sie in den Tod geht. Gott wird für seine Sache eintreten. Wenn es hart auf hart kommt, können wir die Gerechtigkeit nicht mehr mit Worten verteidigen, sondern nur noch durch Standhaftigkeit bis in den Tod. Doch die Gerechtigkeit wird nicht untergehen, sondern Gott wird immer neu seine Knechte rufen.

Cyrill von Jerusalem (315-386)

Cyrill_1Cyrill stammte aus einer christlichen Familie und empfing eine ausgezeichnete Ausbildung sowohl in christlicher als auch in griechisch-heidnischer Literatur. Diese bildete die Grundlage für seine auf das Studium der Bibel konzentrierte kirchliche Kultur. Maximus von Jerusalem weihte ihn um das Jahr 348 zum Priester und Cyrill wurde sein Nachfolger als Bischof dieser Stadt. Nach Rom, Konstantinopel, Alexandrien und Antiochien gehörte Jerusalem zu den fünf bedeutendsten Bischofssitzen.

Schon zu Beginn seiner Amtszeit wurde er in zwei massive Streitfälle verwickelt. Der eine betraf die Bedeutung des Ehrenprimats, der dem Bischof von Jerusalem zukam und der andere wohl weit gewichtigere die Auseinandersetzung mit dem Arianismus. Sein direkter Gegner war in beiden Fällen Bischof Acacius von Cäsarea, durch den Cyrill zum Bischof geweiht worden war.

Acacius war Arianer, wie viele Christen in der damaligen Zeit. Zwar wurde auf dem I. Ökumenischen Konzil von Nicäa im Jahre 325 die Lehre von der Gottgleichheit des Sohnes mit dem Vater als kirchliche Lehre festgeschrieben, aber es kam später immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern dieser Lehre und den Arianern, die Jesus Christus nur eine Ähnlichkeit mit Gott zugestehen wollten. Viele Kaiser unterstützten die Lehre des Arianismus und lange Zeit waren die rechtgläubigen Christen im Osten des Römischen Reiches eine Minderheit, während der Westen weitgehend an der Lehre von Nicäa festhielt. Es bedurfte mehrerer Synoden und heftiger Kämpfe über Jahrzehnte hinweg, bis dieser Streit entschieden war.

Ähnlich wie Athanasius von Alexandrien und andere Bischöfe hatte auch Cyrill wegen seines rechtgläubigen Bekenntnisses zu leiden. Von den 38 Jahren seines Episkopats verbrachte er 16 in der Verbannung. Die erste war im Jahr 357, dieser folgte 360 eine zweite Verbannung, beide veranlasst durch Acacius, und schließlich eine dritte, die längste, für eine Dauer von elf Jahren, im Jahr 367 auf Veranlassung des arianischen Kaisers Valens. Erst nach dessen Tod im Jahr 378 konnte Cyrill endgültig von seinem Bischofsstuhl Besitz ergreifen und unter den Gläubigen Einheit und Frieden wiederherstellen. Auf dem II. Ökumenischen Konzil von Konstantinopel im Jahr 381, an dem Cyrill selbst teilnahm, wurde schließlich die Lehre des Konzils von Nicäa auf gesamtkirchlicher Ebene bestätigt und der Arianismus verurteilt.

Es war keine leichte Aufgabe, die durch die innerkirchlichen Wirren entstandenen Streitigkeiten zu schlichten. Vieles war in Unordnung geraten und die Versöhnung der bisher bis aufs Blut verfeindeten Lager kostete alle Mühe. Dabei hatte Cyrill auch gegen persönliche Verunglimpfungen zu kämpfen. Doch bis zu seinem Tod am 18. März 386 arbeitete Cyrill unermüdlich daran, den Frieden wiederherzustellen.

Von Cyrill sind 24 Katechesen erhalten, die er um das Jahr 350 gehalten hat. Die ersten 18 davon richten sich an die Taufbewerber und wurden in der Grabeskirche gehalten. Diese war unter Kaiser Konstantin errichtet worden, als das Grab Christi unter einem heidnischen Venustempel gefunden wurde, der nach der römischen Neugründung der Stadt nach deren Zerstörung im Jüdischen Krieg errichtet worden war. Der Ort der Kreuzigung Christi ist für Cyrill der Mittelpunkt der Welt:

Gott breitet am Kreuz seine Hände aus, um die äußersten Enden des Universums zu umarmen. So wurde der Berg Golgatha zum Angelpunkt der Welt.

In seinen Katechesen weist Cyrill die Taufbewerber zunächst auf die Notwendigkeit eines sittlichen Lebens nach christlichen Maßstäben hin, das die Abkehr von den heidnischen Bräuchen erfordert. Es folgt eine Einführung in die im Glaubensbekenntnis enthaltenen Wahrheiten. Die letzten fünf, die so genannten mystagogischen Katechesen, führen in die christlichen Riten ein, sie handeln von der Bedeutung des Chrisamöls, des Leibes und Blutes Christi, der eucharistischen Liturgie und vom Vaterunser. Im Ritus erfährt der Mensch eine Verwandlung. Diese Erfahrung muss der Erklärung voran gehen, weshalb einige zentrale christliche Wahrheiten den Außenstehenden verborgen bleiben und auch den Taufbewerbern erst nach der Erfahrung der Taufe erklärt werden. Im folgenden Text erläutert Cyrill das Geheimnis der Taufe:

Dreimal seid ihr ins Wasser getaucht worden, und nach jedem der drei Male seid ihr wieder aufgetaucht, um die drei Tage der Grablegung Christi zu versinnbildlichen, das heißt: um mit diesem Ritus unseren Heiland nachzuahmen, der drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde verbrachte. … Wie der, der in der Nacht ist, nicht sieht, und wie der, der am Tage ist, das Licht genießt, so auch ihr. Während ihr in die Nacht eingetaucht ward und nichts saht, so habt ihr euch dagegen nach dem Auftauchen im hellen Tag vorgefunden. Geheimnis des Todes und der Geburt, dieses Wasser des Heils ist für euch Grab und Mutter gewesen.

Cyrill ist ein wichtiger historischer Zeuge für die altkirchliche Eucharistielehre und war wohl der Erste, der den Begriff der „Wandlung“ für das Geschehen der Transsubstantiation von Brot und Wein in Christi Leib und Blut gebrauchte. Die von ihm in der Jerusalemer Grabeskirche gefeierte Liturgie hatte großen Einfluss auf die Entwicklung des Messritus.

 

Christus ergreifen

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Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden; sein Tod soll mich prägen. So hoffe ich, auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen. Nicht dass ich es schon erreicht hätte oder dass ich schon vollendet wäre. Aber ich strebe danach, es zu ergreifen, weil auch ich von Christus Jesus ergriffen worden bin. (Phil 3,10-12)

Jesus Christus ist für Paulus die Mitte des Glaubens. Er, der die Menschen durch seinen Tod und seine Auferstehung gerecht macht vor Gott. Durch ihn sind wir hinein genommen in Gottes liebendes Herz. Das bedeutet Friede und Freude, im Herzen Gottes zu ruhen. Aus dieser Liebe und der Gerechtigkeit des Glaubens heraus sollen wir leben in der Freiheit der Kinder Gottes, die nicht ängstlich auf irdische Regeln bedacht sind, sondern sich als Menschen wissen, die von Gottes Fülle beschenkt sind.
Paulus wird hier sehr persönlich. Er sagt der Gemeinde, dass selbst er als Apostel nicht vollkommen ist. Kein Mensch ist vollkommen. Aber darauf kommt es auch nicht an. Die Vollkommenheit wird uns erst noch geschenkt, wenn wir einmal mit Christus beim Vater sind. Hier auf Erden sind wir Suchende, die sich nach der Vollendung sehnen. So werden wir mehr und mehr Christus ähnlich.

Dass wir noch fern vom Ziel sind und uns des Siegespreises nicht gewiss sein können, soll für uns Ansporn sein zu noch größerem Eifer. Auch wenn der Siegespreis ein reines Geschenk von Gottes Gnade ist, so ist er doch nicht ohne unsere Anstrengung erreichbar. Hier wird das Geheimnis von Gottes Gnade deutlich. Wenn wir nur die eine oder nur die andere Seite betrachten, gehen wir in die Irre. Das Heil erwerben wir nicht allein durch unsere Anstrengung, aber ohne unsere Anstrengung werden wir es verlieren. Es wird uns ganz von Gott geschenkt, aber wir müssen so leben, dass wir uns des Geschenkes Gottes würdig erweisen.

Wir können uns auch nicht auf vergangenen Lorbeeren ausruhen. Der Siegespreis kommt am Ende. Jetzt stehen wir im Wettkampf in immer neuen Runden. Wir sammeln Punkte, aber doch können wir immer wieder neu beginnen. Sieger wird nicht, wer am meisten Punkte hat, sondern wer bis zum Ziel durchhält. Dieses Bild ist tröstlich, aber es rüttelt uns auch auf. Es stellt uns vor eine ständige Herausforderung, aber es ist auch ein Bild großer Hoffnung.
Wir können jeden Tag neu mit dem Training beginnen. Auf das, was hinter uns liegt, brauchen wir nicht zu schauen. Natürlich, wir sind auch geprägt von unserer Vergangenheit und wenn wir großen Mist gebaut haben, sollten wir das auch irgendwie in Ordnung bringen, aber solange wir leben wird es nie einen Punkt geben, an dem wir nicht neu anfangen können.
Vergessen, das heißt nicht: sich nicht mehr erinnern, die Vergangenheit auslöschen wollen, sondern: nicht mehr darin verhaftet sein, loslassen können, damit auch: frei werden können, Raum schaffen für etwas Neues, für Gottes schöpferisches Handeln in meinem Leben. Es kann auch heißen: sich versöhnen mit der eigenen Lebensgeschichte. Alles beginnt mit dieser bewussten Entscheidung der Kehrtwendung und Hinwendung auf Neues hin.

Wenn dein Herz wandert oder leidet,
bringe es behutsam an seinen Platz zurück,
und versetze es sanft
in die Gegenwart deines Herrn.
Und selbst wenn du in deinem Leben
nichts getan hast,
außer dein Herz zurückzubringen
und wieder in die Gegenwart Gottes zu versetzen,
obwohl es jedes Mal wieder fortlief,
nachdem du es zurückgeholt hattest,
dann hast du dein Leben wohl erfüllt.

Franz von Sales