Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch. In aller Weisheit belehrt und ermahnt einander! Singt Gott Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder in Dankbarkeit in euren Herzen! Alles, was ihr in Wort oder Werk tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Dankt Gott, dem Vater, durch ihn! (Kol 3,16-17)
Der Kolosserbrief im Ganzen ist eine Erinnerung der Christen
daran, was es heißt, sich ganz auf Christus hin auszurichten und das im
täglichen Leben umzusetzen, was mit der Taufe begonnen hat. Mir kam hier das
Bild von einem Radio in den Sinn. Wenn ich einen bestimmten Sender suche, muss
ich das Radio auf eine ganz bestimmte Frequenz einstellen. Heute geht das meist
sehr einfach, weil das Radio per Knopfdruck selbst die Sender sucht. Aber bei
manchen Modellen muss man auch heute noch wie früher an einem Knopf drehen und
so die einzelnen Frequenzen nach dem gewünschten Sender absuchen. Dabei muss
ich ganz genau sein, denn wenn ich nur ein klein wenig zu viel nach links oder
rechts drehe ist der Empfang nicht mehr ganz klar und von Rauschen gestört.
Ähnlich will auch der Kolosserbrief, dass die Menschen den
Empfang genau auf Jesus Christus einstellen, auf die Botschaft, das Wort, das
ihnen verkündet wurde. Nur wenn sie den Sender richtig einstellen, können die
Menschen den ganzen Reichtum und die ganze Fülle dieses Wortes empfangen. Haben
sie nicht die richtige Frequenz, tritt Rauschen auf, vermischen sich Aberglaube
und Irrlehre mit dem Glauben und die christliche Botschaft wird verzerrt. Mit
dem Rauschen treten dann neben Jesus Christus andere Dinge. Wird der Empfang zu
weit nach rechts gedreht, gewinnt ein immer stärkerer Formalismus an Bedeutung,
dann sind Äußerlichkeiten, Riten und Regeln plötzlich wichtiger als der reine
Glaube des Herzens. Dreht man zu weit nach links, dann wirft man leicht manche
Regeln und Riten, die im Glauben weiterhelfen, über Bord und steuert auf einen
allzu freizügigen Umgang mit überlieferten Geboten zu.
Die Mitte ist immer schwer zu finden, aber genau in der
Mitte findet man Jesus Christus so wie er ist, findet man die wahre Weisheit,
die er uns lehren will. Wir sollen einerseits auf dem Boden der Tradition
stehen, andererseits aber auch den Mut haben, unseren ganz persönlichen Weg mit
Jesus Christus zu gehen, im festen Vertrauen darauf, dass er uns führt und wir
uns nicht an irgendwelche überholten Rituale halten müssen. Jesus schenkt uns
die Freiheit des Herzens, die aber zugleich auch die Aufgabe in sich enthält,
verantwortungsvoll mit dieser Freiheit umzugehen.
Ein schwieriger Weg, aber wer ihn findet, wir die Kraft des
Glaubens spüren, wird befreit und von Gott getragen seinen Weg gehen und Gott
aus ganzem Herzen Lob und Dank sagen. Gott will nicht, dass unser Loblied müde
und gezwungen über unsere Lippen kommt. Er will, dass wir aus ganzem Herzen
singen, weil wir befreit sind und unendlich beschenkt.
Mit Christus wurdet ihr in der Taufe begraben, mit ihm auch auferweckt, durch den Glauben an die Kraft Gottes, der ihn von den Toten auferweckt hat. Ihr wart tot infolge eurer Sünden und euer Fleisch war unbeschnitten; Gott aber hat euch mit Christus zusammen lebendig gemacht und uns alle Sünden vergeben. Er hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben. Er hat ihn dadurch getilgt, dass er ihn an das Kreuz geheftet hat. (Kol 2,12-14)
Der Brief an die Kolosser möchte die Gläubigen stärken im
Vertrauen auf Jesus Christus. Es scheinen kurze Zeit nach der Entstehung der
christlichen Gemeinde fremde Lehrer aufgetreten zu sein, die die Menschen
verunsichert haben. Gibt uns der Glaube an Jesus Christus wirklich alles, was
wir brauchen? Ist unser Leben “sicher”, wenn wir uns allein auf
Christus verlassen?
Seit allen Zeiten suchen die Menschen nach etwas, das ihnen
Halt gibt. Wir kennen Talismane, besondere Gebete und Opfer,
Beschwörungsformeln und vieles mehr, das diesen Zweck erfüllen soll. Die
Menschen wollen sich die Mächte des Schicksals wohlgesonnen machen, damit die
im Leben Erfolg haben.
Das Christentum hat von Anfang an solche Praktiken
abgelehnt. Sie bringen nichts, sie führen nur in Abhängigkeiten und Zwänge.
Zwar mag der einzelne glauben, dass er gerade dann Erfolg hat, wenn er gewisse
Praktiken befolgt oder dass Misserfolg auf der Vernachlässigung solcher
Praktiken beruht, doch diese subjektive Wahrnehmung hält einer objektiven
Überprüfung nicht stand. Es ist aber schwer, den Menschen dies plausibel zu
machen. Aus diesem Grund haben selbsternannte Wunderheiler und Scharlatane
immer wieder Erfolg und können andere überzeugen, meist mehr zu ihrem eigenen
Vorteil als zum Nutzen der anderen.
Das Christentum hatte von Anfang an mit allen möglichen
Formen von Aberglauben zu kämpfen. Oft behalten die Neubekehrten etwas von dem,
was ihnen aus alter Zeit vertraut war. Solche Gegenstände und Gewohnheiten sind
nicht immer so offensichtlich aus der Welt zu schaffen, wie es Bonifatius beispielsweise
durch das Fällen der Donar-Eiche praktiziert hat. Vielerorts wurden alte
mystische Orte einfach verchristlicht und leider hat man damit nicht immer das
alte abergläubische Denken aus den Köpfen der Menschen vertrieben. Selbst
manche frommen Christen glauben, dass sie durch eine bestimmte Zahl fester
Gebete mehr Hilfe von Gott bekommen, als durch ein im gläubigen Vertrauen auf
Gott gesprochenes kurzes persönliches und frei formuliertes Gebet.
Aberglaube ist allgegenwärtig, auch in unserer modernen
Zeit. Der Mensch braucht etwas, woran er sich halten kann. Gerade das ist eine
der großen Hürden für das Christentum zu allen Zeiten, denn es ist eine
Religion, in der sich Gott von den Menschen nicht durch besondere Handlungen
und Opfer manipulieren lässt, eine Religion, die sich nicht auf Äußerlichkeiten
beschränkt, sondern vielmehr die Reinheit des Herzens fordert. Der Gott der Christen
ist ein Gott, der erwartet, dass der Mensch alles vor ihm offenlegt und ganz
auf ihn vertraut, weil er sich ganz dem Menschen schenken will und nicht
weniger vom Menschen erwartet, als dass dieser sich ebenso vollkommen an ihn
ausliefert.
Leider vergessen die meisten Christen diese radikale Seite
des Christentums. Hier steht es aber ganz deutlich. In der Taufe werden wir mit
Christus begraben, unser altes Leben wird gänzlich ausgelöscht und durch die
Teilhabe an der Auferstehung Christi werden wir zu vollkommen neuen Menschen.
Wir sind nun Christus ähnlich, sind mit ihm verbunden und dazu berufen, ihm
immer ähnlicher zu werden. Wir brauchen keine äußerlichen Zeichen für diesen
Glauben, weil wir selbst als Ganzes ein solches Zeichen sind. Das Christentum
zeigt sich nicht in einzelnen Symbolen, sondern lebendig und leibhaftig in
jedem einzelnen Gläubigen.
Dankt dem Vater mit Freude! Er hat euch fähig gemacht, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind. (Kol 1,12)
Was ist die Mitte christlichen Glauben, der Anlass zu
höchster Freude und überschwänglichem Dank? Es ist nichts Geringeres als die
Tatsache, dass wir schon jetzt zusammen mit den Heiligen leben. Als Gläubige
sind wir verbunden mit der Welt des Lichts, in der es keine Schatten gibt, in
der Gottes Herrlichkeit sichtbar leuchtet und alles erfüllt, in der alle
durchdrungen sind von Gottes Licht und in diesem Licht eins sind mit dem Vater
und dem Sohn im Heiligen Geist.
Als Gläubige sind wir bereits hier auf der Erde, wo es neben
dem Licht auch Finsternis und Schatten gibt, mit Gottes Reich verbunden. Christus
hat das Himmelreich auf die Erde gebracht und spricht davon in seinen Reden und
Gleichnissen, um das Kommen dieses Reiches beten wir täglich im Vater Unser.
Für dieses Rech lohnt es sich, alles aufzugeben, weil es bedeutungslos ist im Vergleich
zu der Fülle, die wir von Gott empfangen.
Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes. (Kol 1,13)
Der Vater hat uns in das Reich seines Sohnes aufgenommen. Die Finsternis hat keine Macht mehr über uns, weil das Licht stärker ist als die Finsternis. Auch wenn, solange wir noch auf der Erde leben, es neben Gottes Licht auch Schatten gibt, herrscht doch keine vollkommene Finsternis mehr. Es gibt hier auf der Erde keinen Ost, den die Strahlen von Gottes Licht nicht erreichen könnten. An jedem Ort, und mag er uns noch so finster erscheinen, ist auch ein Strahl von Gottes Liebe, der stärker ist als die Finsternis. Seien wir uns stets dessen bewusst, was Gott uns geschenkt hat und danken ihm stets dafür. Wir brauchen nicht weiter zu suchen, wir haben bereits die Fülle empfangen.
Denn dieses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir. Es ist nicht im Himmel, sodass du sagen müsstest: Wer steigt für uns in den Himmel hinauf, holt es herunter und verkündet es uns, damit wir es halten können? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, sodass du sagen müsstest: Wer fährt für uns über das Meer, holt es herüber und verkündet es uns, damit wir es halten können? Nein, das Wort ist ganz nah bei dir, es ist in deinem Mund und in deinem Herzen, du kannst es halten. (Dtn 30,11-14)
Gott hat dem Volk Israel seine Gebote gegeben. Neben dem
Herzstück, den Zehn Geboten, sind dies etliche weitere Vorschriften, die das
Zusammenleben des Volkes mit seinem Gott und untereinander regeln. Gott hat mit
Israel einen Bund geschlossen der besagt, dass Israel in Frieden in seinem Land
leben wird, wenn es diese Gebote befolgt.
An erster Stelle steht das Gebot der Einzigkeit Gottes.
Israel soll seinen Gott als den einzigen Herrn erkennen und anerkennen und keine
fremden Götter verehren. In den einzelnen Vorschriften über den Kult wird
ausgeführt, wie die Verehrung Gottes erfolgen soll. Die weiteren Gebote regeln
das Zusammenleben der Menschen untereinander. Es geht um den Zusammenhalt der Familie
und um die Regeln für ein friedliches Miteinander der Menschen.
Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass die Gebote nicht
schwer zu befolgen sind, sie sind nicht etwas Unnatürliches, das dem Menschen
fremd wäre oder über seine Kraft hinausginge. Sie zu befolgen ist nichts
Unmögliches, wie in den Himmel hinaufzusteigen oder über das Meer zu fahren (Israel
war kein Seefahrer-Volk. Nur von Salomo wird berichtet, dass er eine Flotte
hatte. Das Meer hatte für Israel stets etwas Bedrohliches, galt geradezu als
Überbleibsel des Ur-Chaos, und man konnte sich nicht vorstellen, dieses zu
bezwingen).
Die Gebote sind dem Menschen nicht fremd, sondern sie sind
etwas Naheliegendes, geradezu Selbstverständliches. Wer darüber nachdenkt, wie
eine gerechtes Zusammenleben unter Menschen möglich ist, wird zu dem Schluss
kommen, dass das Gesetz des Alten Testamens eine der besten Lösungen dafür ist.
Zumindest wenn wir dessen Kern, die Zehn Gebote, betrachten. Einige
Vorschriften sind in der Tat nicht mehr zeitgemäß, gerade was die Überordnung
des Mannes über die Frau betrifft oder die Anwendung der Todesstrafe.
Einzelne Gesetze ändern sich im Laufe der Zeit, aber ihr
Kern bleibt gleich. Es ist die Frage danach, wie ein gerechtes Zusammenleben
unter Menschen möglich ist. Wie kann die Familie als Keimzelle der Gesellschaft
geschützt werden, und sichergestellt werden, dass Menschen auch im Alter und in
Krankheit noch menschenwürdig leben können? Wie kann der Besitz des einzelnen
vor dem geschützt werden, der sich auf Kosten anderer bereichern will? Wie
können Menschen geschützt werden vor Mord oder Verleumdung? Warum ist es
besser, der Wahrheit und Gerechtigkeit den Vorzug zu geben vor Lüge und Ausbeutung?
Jeder Mensch weiß eigentlich, was wahr und gerecht ist. Wir
sprechen hier vom Gewissen, das jeder Mensch hat. Aber obwohl er es weiß, tut
der Mensch nicht immer das, was wahr und gerecht ist, vor allem deshalb, weil
Lüge und Ungerechtigkeit mitunter einen größeren materiellen Vorteil bieten.
Hier ist es dann Aufgabe von Gesetzen, durch Androhung von Strafen dafür zu
sorgen, dass der mögliche Vorteil durch eine mögliche Strafe soweit unattraktiv
wird, dass es dann doch besser erscheint, sich an die Regeln zu halten.
Der Staat kann jedoch mit dem ihm zur Verfügung stehenden
Mitteln nicht in allen Fällen für die Einhaltung der Ordnung der Gesetze
sorgen. Gerade wenn sich die Verstöße häufen, muss er sich auf die Ahndung
schwerwiegender Vergehen beschränken. Es war aber schon immer so, dass auch die
Gesellschaft selbst für die Einhaltung der Gesetze sorgt, sei es, dass durch
die Aufmerksamkeit anderer kleinere Diebstähle und Betrügereien verhindert
werden, sei es, dass mutige Bürger das Wort ergreifen, wenn andere durch
Rüpeleien bedroht werden.
Natürlich geht es hier nicht darum, Selbstjustiz zu üben,
für die Ahndung von Straftaten ist allein der Staat zuständig. Ich meine aber,
dass das friedliche Miteinander von Menschen im Kleinen auch durch das mutige
Aufstehen von Menschen vor Ort gestaltet werden kann. Es geht darum, auf
breiter Basis wieder ein Gespür für das eigene Gewissen zu wecken. Viele
Menschen testen immer wieder aus, wie weit sie gehen können und wenn sie keinen
Widerstand spüren, werden sie immer mehr ihren eigenen Vorteil suchen und immer
weniger auf andere Rücksicht nehmen.
Viele nehmen in unserer Gesellschaft eine wachsende
Ungerechtigkeit wahr, eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Reich und
Arm. Immer weniger Menschen besitzen einen immer größeren Teil des Vermögens.
Zudem steigen Mieten und Lebenshaltungskosten, so dass für viele Menschen immer
weniger zum Leben bleibt. Immer mehr rutschen in Langzeitarbeitslosigkeit und
fühlen sich am Rand der Gesellschaft. Junge Menschen sehen in der bestehenden Ordnung
keine Perspektive mehr. Es kommen immer mehr Flüchtlinge in unser Land, die
trotz materieller Hilfe zu wenig Hilfe bei der Eingliederung in unsere
Gesellschaft bekommen.
Es genügt nicht, hier auf staatliche Aktivitäten zu warten. Natürlich
muss der Staat hier im Großen verschiedene Maßnahmen in die Wege leiten. Es
kommt aber auch auf das kleine Engagement der Menschen vor Ort an. Was sagt mir
mein Gewissen, wie ich in meiner Umgebung der wachsenden Ungerechtigkeit
entgegensteuern kann? Welchen kleinen Beitrag kann ich dazu leisten? Hier ist Kreativität
gefragt und der Mut, auch einmal aus den gewohnten Bahnen auszubrechen. Oft
reicht nur eine Kleinigkeit. Wir müssen nicht die Sterne vom Himmel holen oder
einen Schatz vom anderen Ufer des Meeres. Der Stern ist in uns, die Schätze vor
unserer Tür, wir müssen sie nur entdecken und dann mit anderen teilen.
Hierauf verließ Paulus Athen und ging nach Korinth. Dort traf er einen aus Pontus stammenden Juden namens Aquila, der vor Kurzem aus Italien gekommen war, und dessen Frau Priscilla. Claudius hatte nämlich angeordnet, dass alle Juden Rom verlassen müssten. Diesen beiden schloss er sich an, und da sie das gleiche Handwerk betrieben, blieb er bei ihnen und arbeitete dort. Sie waren Zeltmacher von Beruf. (Apg 18,1-3)
Auf seiner zweiten Missionsreise kommt Paulus nach seiner Mission in Athen nach Korinth. Diese blühende Stadt, mit Einwohnern aus allen bekannten Völkern mit ihren verschiedenen Religionen, bot ein breites Missionsfeld. Zunächst sucht Paulus, wie in anderen Städten auch, die jüdische Gemeinde auf. Dort begegnet er Aquila und dessen Frau Priszilla (oder Priska), die ihn bei seiner weiteren Missionstätigkeit unterstützen werden. Aquila und Priska/Priszilla sind griechisch-römische Namen, Aquila bedeutet Adler, Priszilla ist die Verkleinerungsform von Priska, “die Ehrwürdige”. In den Paulusbriefen finden wir den Namen Priska, während Lukas in der Apostelgeschichte den Namen Priszilla verwendet. Oft wird Priska vor ihrem Mann Aquila genannt, was möglicherweise darauf hinweist, dass Priska eine bedeutendere Stellung hatte als ihr Mann. Ein schickliches “ladies first” wie heutzutage kannte man in der patriarchalisch ausgerichteten Gesellschaft der Antike nicht. Auf jeden Fall wird die große Wertschätzung des Apostels für das Ehepaar deutlich und deren wichtige Bedeutung für das Missionswerk des Paulus. Priska und Aquila waren Juden. Aquila kam ursprünglich aus Pontus an der Südküste des Schwarzen Meeres, während Priska wahrscheinlich aus Rom stammte. Die beiden lebten als Ehepaar zusammen in Rom und sind höchstwahrscheinlich bereits dort zu Christen geworden. Wann die christliche Gemeinde in Rom genau entstanden ist und wer dort als erstes missioniert hat, wissen wir nicht mit Sicherheit. Paulus schreibt seinen Römerbrief bereits an eine christliche Gemeinde in Rom, um dieser vor seinem Besuch seine Lehre darzulegen. Wahrscheinlich ist die Gemeinde auch noch vor der Ankunft des Petrus entstanden, der ja bekanntlich in Rom gewirkt hat und dort das Martyrium erlitten hat. Bei der vielfältigen Reisetätigkeit im Römischen Reich und bei der Bedeutung Roms als Mittelpunkt des Reiches ist es nicht verwunderlich, wenn bereits kurze Zeit nach Jesu Tod Menschen aus Judäa oder Syrien nach Rom gekommen sind, die Jesus und die Urkirche kannten und den Glauben in Rom verkündet haben. In Rom war es dann auch zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Judenchristen gekommen, die den Kaiser Claudius im Jahr 49 dazu veranlasst haben, die Unruhestifter aus der Stadt zu weisen. Der römische Geschichtsschreiber Sueton berichtet in seiner Vita der römischen Kaiser, dass Claudius die Juden aus Rom verwiesen hat, weil “sie wegen eines gewissen Chrestus Unruhen anzettelten.” (Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit.) So mussten auch Priska und Aquila Rom verlassen und kamen nach Korinth, wo sie Paulus begegnet sind. Zufälligerweise übten sie das gleiche Handwerk aus wie dieser. Sie waren Zelttuchmacher, ein wie die meisten Handwerksberufe im Römischen Reich nicht sehr angesehener, dafür aber sehr anstrengender Beruf. Zelttücher brauchte man nicht nur für Zelte, wie sie unter anderem das Militär benutzte, sondern auch als Sonnenschutz für Marktstände oder Theater und Arenen. Paulus arbeitete mit den beiden zusammen. Er wird später im Ersten Korintherbrief (1Kor 4,12 und 9,15) darauf hinweisen, dass er sich in Korinth seinen Lebensunterhalt eigenhändig verdient hat, und nicht wie es manch andere Missionare tun und wie es einem Missionar auch zustehen würde, auf Kosten der Gemeinde gelebt hat. Doch bald nachdem seine Mitarbeiter Silas und Timotheus eingetroffen sind, widmet sich Paulus ganz der Mission und wohnt nun im Haus eines gottesfürchtigen – das bedeutet dem Judentum nahestehenden – Heiden. Wegen entstehender Unruhen unter den Juden grenzt Paulus sich nun mehr und mehr von der Synagoge ab und wendet sich an die Heiden, was aber zu erneutem Streit mit den Juden führt, vor allem weil sich auch weiterhin Juden zum Christentum bekehrten und sich taufen lassen.
Paulus blieb noch längere Zeit. Dann verabschiedete er sich von den Brüdern und segelte zusammen mit Priscilla und Aquila nach Syrien ab. In Kenchreä hatte er sich aufgrund eines Gelübdes den Kopf kahl scheren lassen. Sie gelangten nach Ephesus. Dort trennte er sich von den beiden; er selbst ging in die Synagoge und redete zu den Juden. (Apg 18,18-19)
Bei seiner Abreise aus Korinth nimmt Paulus das Ehepaar Priska und Aquila mit nach Ephesus. Von einer Mission des Paulus in dieser Stadt erfahren wir zu diesem Zeitpunkt wenig. Lediglich in der Synagoge hat Paulus gepredigt, wollte aber nicht länger in Ephesus verweilen, denn er hatte es eilig, nach Jerusalem zu kommen, das er auf dem Seeweg über Cäsarea erreichte. Lukas berichtet nicht weiter über den Jerusalemaufenthalt des Paulus. So schnell wie er dort angekommen ist, scheint er nach dem Bericht des Lukas die Stadt auch wieder verlassen zu haben. Nun wandert Paulus auf dem bereits vertrauten Weg von Antiochia durch das galatische Land und auf der alten Königsstraße weiter nach Ephesus.
Während der Jerusalemreise des Paulus sind Priska und Aquila in Ephesus geblieben. Lukas berichtet nichts genaues, aber wahrscheinlich haben sie während der Abwesenheit des Paulus dort missioniert. Sie begegnen in Ephesus einem aus der ägyptischen Metropole Alexandria stammenden Juden namens Apollos. Dieser war ähnlich wie Paulus als Missionar tätig. Paulus erwähnt ihn in seinen Briefen und es wird deutlich, dass die beiden nicht immer einer Meinung waren und Paulus darum bemüht war, sein Missionsfeld von dem des Apollos klar abzugrenzen. Zunächst aber benötigt Apollos noch eine tiefere Unterweisung im Glauben an Jesus Christus. Wir wissen nicht, von wem er zuerst die christliche Botschaft gehört hat. Jedenfalls kannte er zu diesem Zeitpunkt nur die Johannestaufe und nicht die Taufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Ein Jude namens Apollos kam nach Ephesus. Er stammte aus Alexandria, war redekundig und in der Schrift bewandert. Er war unterwiesen im Weg des Herrn. Er sprach mit glühendem Geist und trug die Lehre von Jesus genau vor; doch kannte er nur die Taufe des Johannes. Er begann, mit Freimut in der Synagoge zu sprechen. Priscilla und Aquila hörten ihn, nahmen ihn zu sich und legten ihm den Weg Gottes noch genauer dar. Als er nach Achaia gehen wollte, schrieben die Brüder den Jüngern und ermunterten sie, ihn aufzunehmen. Nach seiner Ankunft wurde er den Gläubigen durch die Gnade eine große Hilfe. Denn mit Nachdruck widerlegte er die Juden, indem er öffentlich aus der Schrift nachwies, dass Jesus der Christus sei. (Apg 18,24-28)
Priska und Aquila leisten einen bedeutenden Beitrag zur Vertiefung des Glaubens. Und es wird nicht nur Apollos gewesen sein, den sie unterrichtet haben, sondern auch viele andere. Ihre Spur verliert sich hier in der Apostelgeschichte. Für Paulus bleiben sie weiterhin wichtige Mitarbeiter bei seinem Missionswerk. Wahrscheinlich sind sie im Jahr 54 nach dem Tod des Kaisers Claudius, wie viele andere Juden wieder nach Rom zurückgekehrt. Als Paulus um das Jahr 56/57 von Korinth aus seinen Brief an die Römer schreibt, sind Priska und Aquila ein wichtiger Bezugspunkt zur Gemeinde dieser Stadt, in der das Ehepaar mittlerweile eine Schlüsselposition eingenommen hat. Paulus schreibt am Schluss dieses Briefes:
Grüßt Prisca und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die für mein Leben ihren eigenen Kopf hingehalten haben; nicht allein ich, sondern alle Gemeinden der Heiden sind ihnen dankbar. Grüßt auch die Gemeinde, die sich in ihrem Haus versammelt! Grüßt meinen lieben Epänetus, der die Erstlingsgabe der Provinz Asien für Christus ist! Grüßt Maria, die für euch viel Mühe auf sich genommen hat! Grüßt Andronikus und Junia, die zu meinem Volk gehören und mit mir zusammen im Gefängnis waren; sie ragen heraus unter den Aposteln und haben sich schon vor mir zu Christus bekannt. (Röm 16,3-7)
Priska und Aquila hatten in Rom eine Hausgemeinde, in der sich ein wichtiger Teil der Christen Roms versammelt hat. Sie konnten den Römern von Paulus berichten. Was sie genau für Paulus getan haben, als sie für sein Leben ihren Kopf hingehalten haben, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Aber allein schon die Tatsache, dass die beiden bereit waren, für den Völkerapostel ihr eigenes Leben hinzugeben, zeigt die enge Beziehung dieses Ehepaares zu Paulus. Interessant ist, dass Paulus mit Andronikus und Junia noch ein weiteres Ehepaar erwähnt, dass ihm sehr nahe steht und das gemeinsam für die Verkündigung des Glaubens eine so große Bedeutung hatte, dass Paulus sogar sagt, dass sie unter den Aposteln herausragen. Da sie bereits vor Paulus zu Christen geworden sind, müssen sie sich bald nach Jesu Tod in Jerusalem oder Judäa den ersten Christen angeschlossen haben. Möglicherweise gehören sie auch zu den ersten Christen, die nach Rom gekommen sind. Eine weitere Erwähnung von Priska und Aquila findet sich im Ersten Korintherbrief, den Paulus um das Jahr 54/55 schrieb, als er sich zusammen mit Priska und Aquila in Ephesus aufgehalten hat. Priska und Aquila lassen durch diesen Brief ihre Grüße nach Korinth übermitteln. Hier sehen wir, dass die beiden in Ephesus ebenso wie später in Rom eine Hausgemeinde hatten und somit für die Mission in Ephesus eine entscheidende Bedeutung hatten.
Es grüßen euch die Gemeinden in der Provinz Asien. Aquila und Prisca und ihre Hausgemeinde senden euch viele Grüße im Herrn. Es grüßen euch alle Brüder. Grüßt einander mit dem heiligen Kuss! (1Kor 16,19-20)
Eine weitere Erwähnung finden Priska und Aquila im Zweiten Brief an Timotheus. Die Stelle ist sehr interessant, weil uns hier viele bekannte Namen begegnen:
Lukas ist als Einziger bei mir. Nimm Markus und bring ihn mit; denn er ist für mich nützlich zum Dienst. Tychikus habe ich nach Ephesus geschickt. Wenn du kommst, bring den Mantel mit, den ich in Troas bei Karpus gelassen habe, auch die Bücher, vor allem die Pergamente! Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses getan; der Herr wird ihm vergelten, wie es seine Taten verdienen. Nimm auch du dich vor ihm in Acht, denn er hat sich unseren Worten heftig widersetzt! Bei meiner ersten Verteidigung ist niemand für mich eingetreten; alle haben mich im Stich gelassen. Möge es ihnen nicht angerechnet werden. Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Völker sie hören; und so wurde ich dem Rachen des Löwen entrissen. Der Herr wird mich allem bösen Treiben entreißen und retten in sein himmlisches Reich. Ihm sei die Ehre in alle Ewigkeit. Amen. Grüße Prisca und Aquila und das Haus des Onesiphorus! (2Tim 4,11-19)
Wir begegnen hier Lukas und Markus, bei denen es sich wahrscheinlich um die beiden Evangelisten handelt und deren enge Verbindung zu Paulus hier deutlich wird. Der Brief spielt an die Situation der Mission in Ephesus an, die wir aus der Apostelgeschichte Kapitel 19 kennen. Unter Juden und Heiden kann Paulus in dieser Stadt viele Menschen für den Glauben an Jesus Christus gewinnen. Die christliche Gemeinde ist bereits so groß, dass die zahlreichen Silberschmiede, die ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Andenken der großen Artemis von Ephesus verdienen, um ihr Geschäft fürchten. Der Artemis-Tempel in Ephesus zählte zu den Weltwundern der Antike und wurde jedes Jahr von unzähligen Menschen besucht. Die Silberschmiede zetteln einen ungeheuren Tumult an, der die Stadtältesten sogar eine Intervention römischer Truppen fürchten lässt. Paulus kommt mit einem blauen Auge davon, macht sich aber schnell auf, die Stadt zu verlassen. Priska und Aquila setzen zusammen mit Timotheus, Onesiphorus und anderen die Mission in Ephesus fort. Wenn wir die Anzahl der Nennungen von Priska und Aquila mit denen anderer Personen im Neuen Testament vergleichen, so wird deutlich, welch große Bedeutung diesem Ehepaar in der Verkündigung des Glaubens in der Frühzeit des Christentums zukommt. Zwar stehen sie stets im Schatten des Paulus, aber es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn wir sagen, dass sie in den Städten Korinth, Ephesus und Rom nachhaltiger für die Festigung des Glaubens gesorgt haben, als der Apostel Paulus selbst. Paulus hat die Menschen begeistert, hat mit seinen Briefen den Gemeinden eine ausführliche Darlegung des Glaubens und eine Anweisung zum christlichen Leben hinterlassen. Aber Glaube wird vor allem da lebendig, wo sich Menschen Sonntag für Sonntag im Namen Jesu versammeln. Paulus war eine bedeutende Persönlichkeit und hat die Menschen beeindruckt. Aber er hatte kaum Zeit für den Einzelnen und war ständig unterwegs. Kaum hatte er in einer Stadt Fuß gefasst, musste er weiter ziehen. Priska und Aquila blieben. Zunächst in Ephesus und später in Rom haben sich die Christen in ihrem Haus versammelt. Hier hat man zusammen Eucharistie gefeiert und sich danach zur Agape getroffen, bei der sich die Einzelnen über ihre Erfahrungen mit dem Glauben ausgetauscht haben, und einander davon erzählten, welche Bedeutung Jesus Christus für ihr Leben hat, wo man auch über die Sorgen und Nöte des Alltags sprach und darüber, welche Lösungen man gemeinsam als Christen finden konnte.
Priska und Aquila sind Vorbilder dafür, wie Glauben lebendig wird. Auch in unseren Gemeinden brauchen wir solche Menschen. Gemeinde lebt davon, dass sich die Menschen neben der Eucharistie auch zum gegenseitigen Austausch treffen, dass die Christen wieder lernen, über ihren Glauben zu sprechen, dass jemand da ist, der von seinem Glauben an Jesus Christus erzählt, nicht nur der Priester in der Predigt, sondern Menschen, die einander davon erzählen, was Jesus Christus für sie und ihr Leben bedeutet.
Jesus sagte: Nicht aufhören zu suchen soll der Suchende, bis er findet. Und wenn er findet, wird er verwirrt sein, und wenn er verwirrt ist, wird er sich wundern, und er wird Herr sein über die Welt.
So heißt es im 2. Spruch des apokryphen Thomasevangeliums
und dieser Spruch ist zugleich die Überschrift über das Leben dieses
beeindruckenden Apostels, der ganz zu Unrecht den Beinamen “der
Ungläubige” bekommen hat. Thomas war sicher ein sehr temperamentvoller
Mensch und sehr entschlossen. Dies sehen wir an den eindrücklichen Worten, die
ihm das Johannesevangelium in den Mund legt, als den Jüngern langsam klar
wurde, welche Gefahren mit dem Ziel Jerusalem verbunden waren, das Jesus mit ihnen
anstrebte. “Lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben.” (Joh
11,16)
Jesus ist für Thomas zum Mittelpunkt seines Lebens geworden,
sein Glaube an ihn war unerschütterlich. Er konnte sich nach seiner ersten
Begegnung mit Jesus kein Leben ohne ihn mehr vorstellen. Als Jesus am Kreuz
gestorben ist, war er zunächst wie alle andern Jünger verwirrt, ist aus
Jerusalem geflohen und brauchte Zeit, um sich wieder zu sammeln. Er kehrte
später als die anderen nach Jerusalem zurück und hat so die erste Erscheinung
Jesu im Kreis der Apostel verpasst.
Er wollte seinen Glauben an die Auferstehung Jesu nicht nur
auf das Zeugnis der anderen Apostel gründen. Er, der eine so enge Beziehung zu
Jesus hatte und dem Jesus so viel bedeutete, wollte selbst erfahren, was Jesu
Auferstehung bedeutet. Und so bekommt er am darauffolgenden Sonntag sein
eigenes, ganz persönliches Ostererlebnis und ist überwältigt vom Geheimnis der
Auferstehung Jesu.
Er hat gesucht und in Jesus alles gefunden. Als er Jesus
scheinbar verloren hatte, war er verwirrt, aber Jesus hat ihm eine Lebendige
Erfahrung des Wunders seiner Auferstehung zuteilwerden lassen. Nun gab es für
Thomas keinen Zweifel mehr, er wusste alles und so gehörte ihm die ganze Welt.
Er ist weiter gereist als alle anderen Apostel, bis ins ferne Indien ist er
gelangt und hat den Glauben verkündet.
Die antike Welt war größer, als wir sie uns oft vorstellen.
Unter Kaiser Augustus und seinen Nachfolgern hat das Römische Reich seine
größte Ausdehnung erlangt, von Britannien im Norden bis Ägypten im Süden, von
Spanien im Westen bis nach Arabien im Osten. Zwar hätte Rom gerne noch weitere
Gebiete erobert, aber es ist im Norden, Süden und Osten an die Grenzen seiner
Macht gestoßen. Die lange angestrebte Grenze an der Elbe war militärisch nicht
zu erreichen. Die unwegsamen Urwälder Germaniens und dessen Krieger
verhinderten eine weitere Ausbreitung. Im Süden begrenzten die Sahara und
kriegerische Beduinenstämme ein weiteres Vordringen Roms nach Afrika. Im Osten
war das Parther-Reich ein mächtiger Gegner, gegen den Rom auf Dauer nicht ankam
und auch auf der arabischen Halbinsel konnten die Römer trotz einiger
Militäraktionen nicht Fuß fassen.
Über Arabien verlief bereits in der Antike eine wichtige
Handelsroute. Kostbare Luxusgüter wie Weihrauch und Seide kamen von dort in die
Städte des Römischen Reiches. Wer mit solchen Luxusgütern handelte und die
Kontrolle über diese Handelsrouten hatte, konnte reichen Gewinn erzielen. Von
Arabien aus gab es regelmäßige Handelsverbindungen weiter über den Indischen
Ozean nach Indien, das zur damaligen Zeit ebenso wie China bereits eine hoch
entwickelte Kultur hatte. Die Quellen berichten auch von indischen
Delegationen, die offiziell Rom besucht haben.
Der Weg vom Mittelmeer über Ägypten und Arabien nach Indien
war zwar ein mühsamer und gefährlicher Weg, aber ein Weg, auf dem regelmäßiger
Handel stattfand und damit ein intensiver Austausch von Gütern und Ideen. Er
war sicher nicht so einfach zu bereisen wie die Straßen des Römischen Reiches
und die Schiffsverbindungen über das Mittelmeer, auf denen Paulus sich bei
seinen Missionsreisen bewegte. Man brauchte Mut, diesen Weg zu nehmen,
Abenteuerlust, die Fähigkeit, auf Menschen anderer Kulturen einzugehen, deren
Sprache und Sitten man nicht kannte. Nur wer das Vertrauen der fremden Kaufleute
gewinnen konnte, die auf allen Stationen der Route ihre Partner hatten, bekam
überhaupt eine Chance, sicher auf diesem Weg durchzukommen.
Thomas hatte den Mut zu diesem Abenteuer und er hat es
verstanden, mit Fremden umzugehen. Wahrscheinlich hatte er vorher interessante
Geschichten über den Weg durch Arabien, das ferne Meer im Osten und das
fantastische Indien gehört. Wie damals, als Jesus auferstanden war, hat er sich
nicht mit den Erzählungen anderer begnügt. Er wollte selbst erfahren, was es mit
all diesen Ländern auf sich hat. Und er wollte den Menschen dort von Jesus
Christus erzählen. Daher hat er sich auf die Reise begeben und ist schließlich um
das Jahr 52 nach Indien gekommen. Darüber berichten uns die apokryphen
Thomasakten. Sie stammen aus späterer Zeit und sind stark von der Legende
durchdrungen.
Viele zweifeln daran, dass Thomas überhaupt Indien erreicht
hat und dort eine Kirche gegründet hat, die bis heute Bestand hat. Mag es
deshalb sein, dass manche sich in ihrer Engstirnigkeit nicht vorstellen können,
dass sich auch weit entfernt vom Römischen Reich, auf das sich unsere
Kirchengeschichte der alten Zeit konzentriert, bereits seit frühesten Zeiten
eine Kirche entwickelt hat. Oder weil die Quellenlage nicht eindeutig ist. Die
Christen Indiens selbst sind fest davon überzeugt, dass ihre Tradition bis auf
den Apostel Thomas zurückreicht. Sie haben eine eigenständige Entwicklung, die
eng mit den Kirchen des Nahen Ostens verbunden ist, die ebenso wie die indische
Kirche bald aus dem Blickfeld der auf das Römische Reich konzentrierten Kirche
verschwunden ist.
Als die Portugiesen im 16. Jahrhundert an den Küsten Indiens
auftauchten, fanden sie dort zu ihrem Erstaunen Christen. Jedoch galten damals
nur die unter der Leitung des Papstes in Rom stehenden Christen als wirkliche
Christen. Diese Engstirnigkeit des Westens hat bereits im Jahr 1054 zur
Trennung von Ost- und Westkirche geführt, eine schmerzhafte Trennung, die bis
heute anhält. Mit den Portugiesen begann auch in Indien eine Trennung unter den
Christen zwischen denen, die die Einheit mit Rom suchten und denen, die ihre
Unabhängigkeit bewahren wollten.
Gerade in der heutigen Welt, in der die Menschen aller
Weltteile näher zusammen gerückt sind als je zuvor, in der das Christentum aber
auch wieder zu einer bedrohten Religion geworden ist, täte es Not, unter den
Christen weltweit zu einer neuen Einheit und Solidarität zu finden und die
Christen aller Länder zu einer weltumspannenden christlichen Einheit
zusammenzuführen, die einerseits an dem einen wahren Glauben an Jesus Christus
festhält, zugleich aber auch die unterschiedlichen Riten und Traditionen
akzeptiert. Es geht nicht an, dass wir auch heute noch wie im Mittelalter
Christen anderer Konfessionen als Feinde ansehen, anstatt in ihnen Verbündete
zu sehen für den Aufbau des Reiches Gottes.
Beten wir ständig und gerade heute am Festtag des Heiligen
Thomas darum, dass Jesus Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist,
verherrlicht werde unter allen Völkern der Erde und dass alle Völker vereint
werden in diesem einen Glauben an den Herrn Jesus Christus, der die Apostel
ausgesandt hat, die Menschen aller Völker auf der Erde zu taufen auf den Namen
des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Eine interessante Darstellung des Hl. Thomas findet sich auf
der Kanzel der Allerheiligenkirche in Warngau. Ein Engel hält neben ihm das
Herz Jesu. Mit seinem Wunsch, die Seite Jesu zu “begreifen” können
wir sagen, dass der Hl. Thomas der erste Verehrer des Herzens Jesu ist. Aus
Jesu Seite flossen Blut und Wasser, Ströme der göttlichen Liebe und
Barmherzigkeit. Sicher war es auch diese Erkenntnis des Herzens Jesu, die ihn
voll Glauben beten lies: Mein Herr und mein Gott!