Christi Himmelfahrt ist bei näherem Betrachten ein verwirrendes Fest. Diese Aussage mag viele verwundern. Lukas berichtet uns doch in der Apostelgeschichte davon, dass Jesus vierzig Tage nach seiner Auferstehung in den Himmel aufgefahren ist. Doch bereits bei Lukas finden wir zwei verschiedene Darstellungen dieses Ereignisses, eine im Evangelium und eine in der Apostelgeschichte. Nur in der Apostelgeschichte berichtet er von Engeln, die den verdutzen Jüngern einen Zuspruch erteilen.
Bei Lukas findet die Himmelfahrt in nächster Umgebung zu Jerusalem statt, auf dem Weg nach Betanien, wie es im Evangelium heißt, bzw. am Ölberg nach der Schilderung der Apostelgeschichte. Das ist kein Widerspruch, der Weg nach Betanien führt über den Ölberg. Wenn wir genau hinsehen, erkennen wir, dass Lukas alle Ereignisse um die Auferstehung Jesu in Jerusalem und dessen nächster Umgebung ansiedelt. Hier ist Jesus gestorben und begraben worden, hier ist er auferstanden und den Jüngern erschienen. Lukas zeichnet eine kontinuierliche Linie, die vom Abendmahlssaal, in dem Jesus mit seinen Jüngern das letzte Abendendmahl gefeiert hat, hin zur Entstehung der Kirche führt. In eben diesem Abendmahlssaal versammeln sich die Jünger nach Jesu Tod und Auferstehung, hier beten sie gemeinsam mit Maria und bereiten sich auf die Sendung des Heiligen Geistes an Pfingsten vor.
Anders bei Matthäus. Hier erscheint Jesus den Jüngern in Galiläa. Dorthin sind sie nach Jesu Tod geflohen, bzw. auf ausdrücklichen Wunsch Jesu hingegangen. Er sagt zu den Frauen am leeren Grab, dass er den Jüngern vorausgeht nach Galiläa und sie ihn dort sehen werden. Auf einem Berg in Galiläa, der genau so wenig wie das nach Lukas bei Jerusalem gelegene Emmaus genau lokalisiert werden kann, findet dann die letzte Erscheinung des Auferstandenen statt. Johannes kennt beide Traditionen bezüglich der Erscheinungen des Auferstandenen. Er erscheint den Jüngern in Jerusalem und in Galiläa am See von Tiberias. Von einem Ereignis, das der Himmelfahrt Jesu entspricht, berichtet Johannes nicht.
Wir finden hier also mehrere Überlieferungslinien vor, mündliche Erzählungen, die die Evangelisten nicht eigenmächtig harmonisieren wollten. Da die Berichte des Lukas in seinem Evangelium und in der Apostelgeschichte ausführlicher sind, wird oft der Ölberg als Ort der Himmelfahrt Jesu genannt. Dorthin fanden im 4. Jahrhundert von Jerusalem aus auch Prozessionen statt, als man anfing, das Fest Christi Himmelfahrt als eigenständigen Festtag zu begehen.
Doch mit der eindeutigen Lokalisierung und historisierenden Feier dieses Tages traten auch erste Missverständnisse zutage. Hat man bis ins 4. Jahrhundert hinein der Himmelfahrt Jesu am Pfingsttag gedacht und sie in engem Zusammenhang mit der Sendung des Heiligen Geistes gesehen, so bildete die Feier von Christi Himmelfahrt am 40. Tag nach Ostern einen Einschnitt in die fünfzigtägige Feier der Osterzeit. Sollte diese Osterzeit ursprünglich wie ein festlicher Tag in der Freude über die Auferstehung des Herrn gefeiert werden, so wurde diese Feier der Auferstehung fortan auf vierzig Tage begrenzt und die Tage zwischen Himmelfahrt und Pfingsten wurden als Tage der Vorbereitung auf die Herabkunft des Heiligen Geistes am Pfingstfest gesehen.
Vor allem im Westen hat man das Fest Christi Himmelfahrt oft als Feier des Heimgangs Jesu zum Vater missverstanden. Jesus entzieht sich den Blicken der Jünger, wie die barocke Figur des Auferstandenen, die im Kirchendach verschwindet. Aber warum sollten die Jünger fröhlich sein, wenn Jesus sie verlässt? Nicht so sehr der Weggang Jesu steht also im Zentrum dieses Festes, sondern dessen bleibende Gegenwart, die er den Jüngern verheißen hat. Es ist auch das Fest der Erhöhung der menschlichen Natur, denn Jesus Christus kehrt anders zum Vater zurück, als er von dort ausgegangen ist. Er kehrt zurück als Gott und Mensch.
Was ist nun das für ein Fest? Es ist ein großes und herrliches Fest, meine Geliebten, das den menschlichen Verstand übersteigt, würdig der großen Freigebigkeit dessen, der es geschaffen hat. Denn heute ist das Menschengeschlecht mit Gott ausgesöhnt, heute die lange Feindschaft beendigt worden und der langwierige Krieg zum Abschluss gekommen; ein bewunderungswürdiger Friede, ein Friede, den wir früher nie zu hoffen gewagt, ist wiedergekehrt. Denn wer hätte wohl Hoffnung gehabt, dass sich Gott je mit dem Menschen wieder versöhne? … Unser Geschlecht wandelte früher so schlimm, dass es selbst die Erde zu verlieren in Gefahr stand; und dennoch wurden wir, die wir der Erde unwürdig waren, heute in den Himmel erhoben; die wir nicht einmal der Herrschaft hienieden wert sind, steigen heute zum Himmel empor, ja selbst über den Himmel hinauf und nehmen dort den Herrscherthron ein, und die Kreatur, um derentwillen die Cherubim das Paradies bewachten, sitzt heute über dem Cherubim. (Johannes Chrysostomus)