Abraham (1)

Der zweite Fastensonntag steht unter dem Zeichen der Verklärung Jesu Christi. Ich möchte hier auf den Text der ersten Lesung eingehen, der Berufung Abrahams, wegzuziehen „aus seinem Land, von seiner Verwandtschaft und aus seinem Vaterhaus.“

Die Bedeutung dessen, was Gott von Abraham verlangt, können wir in einer Gesellschaft, in der Mobilität groß geschrieben wird, wohl nur schwer erfassen. Es ist nichts Besonderes, wenn Menschen in ihrem Leben fünf bis zehnmal umziehen, in eine andere Stadt, nicht selten auch ins Ausland.

Und doch gibt kennen wir auch heute die Probleme vieler Menschen, die als Ausländer zu uns kommen. Zwar werden ihnen staatlicherseits viele Hilfen angeboten, doch nicht selten wird ihnen von den Einheimischen klar gemacht, dass sie nicht wirklich willkommen sind. Es ist schwer, sich in einer fremden Kultur und Gesellschaft heimisch zu fühlen, eine gute Arbeit zu finden und eine schöne Wohnung für die Familie.

Abraham war nach seinem Wegzug ein Heimatloser. Auch seine Söhne wohnten als Fremde im Land Kanaan. Aus so mancher Geschichte im Buch Genesis wird diese Fremdheit des Stammvaters und seiner Söhne deutlich. Zwar werden sie weitgehend respektiert, aber sie gehören nicht wirklich dazu. Sie wollen auch nicht wirklich dazu gehören. Sein Erwähltsein von Gott und die Verheißung, selbst zum Stammvater eines Volkes zu werden, schließt eine Vermischung mit der Bevölkerung des Landes geradezu aus.

Diese Fremdheit wird zu einem Charakteristikum des Volkes Israel durch die Zeiten hindurch. Im ganzen Lauf der Geschichte leben Juden als Fremde unter den Völkern, meist schutzlos der Willkür der Herrschenden und der Massen ausgeliefert, mal geschätzt, meist nur geduldet, oft aber auch verfolgt, misshandelt und getötet. Und doch ruht Gottes Segen auf diesem Volk – bis heute.

Segen

Was Abraham trägt, ist das Vertrauen in Gottes Weisung. Er ist nicht aus eigenem Antrieb weggezogen. Gott hat ihn gerufen, berufen. Er hat ihn zum Mann des Segens bestimmt. Sein Da-Sein in der Fremde sollte aller Welt Segen bringen.

Wir können über die Berufung Abrahams meditieren. Was bedeutet dies für uns? Auch wir müssen immer wieder aufbrechen und loslassen, wenn wir weiter kommen wollen. Wir müssen dazu nicht in die Fremde ziehen. Doch wir müssen immer wieder Neues wagen. Es gilt, aufmerksam darauf zu hören, wohin Gott uns ruft. Manchmal mag es uns schwer fallen, uns von vertrauten Gewohnheiten zu trennen. Doch wenn wir im Vertrauen auf Gott Neues wagen, kann dies viel großartiger sein als das Altvertraute. Johannes Bours sagt:

Ich kann die Zukunft nicht machen, sie wird mir gewährt. Aber ich muss ihr entgegengehen; und um ihr entgegengehen zu können, muss ich das Bisherige verlassen.

Die Geschichte Abrahams kann uns helfen zu erkennen, wo wir aufbrechen müssen, was wir hinter uns lassen müssen, damit Neues werden kann, ein Mehr an Leben, ein erfüllteres Leben. Lassen wir zurück, was uns am Leben hindert, wagen wir im Vertrauen auf Gott den Aufbruch zu dem Neuen, das Gott uns in seiner Liebe schenkt. Denken wir dabei nicht an zu große Dinge. Auch eine Kleinigkeit kann vielleicht unser ganzes Leben verändern.

Geduld (5)

Altvater Poimen erzählte über den Altvater Johannes Kolobos: Er rief Gott an und die Leidenschaften wurden von ihm genommen, und er war ohne Sorgen. Er ging fort und sagte zu einem Greis: „Ich stelle fest, dass ich in Ruhe bin und keine Anfechtungen mehr habe.“ Der Greis sprach zu ihm: „Geh und rufe Gott an, dass ein Feind gegen dich aufsteht, und so auch die alte Zerknirschung und Demut, die du früher hattest, wieder zurückkehrt. Denn gerade durch die Anfechtung macht die Seele Fortschritte.“  Er bat also, und als der Feind kam betete er nicht mehr, dass er von ihm befreit werde, sondern sagte: „Gib mir Geduld, Herr, in den Kämpfen!“

Apophthegmata Patrum

Geduld (4)

In seiner Auslegung der Texte zum Ersten Fastensonntag spricht Klaus Berger davon, dass es gerade die Ungeduld des Menschen war, die zum Sündenfall geführt hat. Gott hat Adam und Eva ein Verbot ausgesprochen, nicht vom Baum des Lebens und vom Baum der Erkenntnis zu essen. Gott tat dies nicht, um dem Menschen etwas vorzuenthalten. Es ließe sich sicher nicht zu Unrecht behaupten, dass Gott dieses Verbot nur für eine gewisse Zeit ausgesprochen hat. Sicher hätte er dem Menschen einmal gewährt davon zu kosten – wenn die Zeit dafür reif gewesen wäre. Doch der Mensch hatte keine Geduld. Alles und jetzt sofort, dieses Streben steckt in jedem Menschen und daher hatte der Versucher leichtes Spiel.

Kennen wir das nicht auch an uns, dass wir ungeduldig sind, alles haben möchten und zwar am liebsten sofort? Wir können nicht warten, bis uns etwas geschenkt wird. Doch viele Dinge kann man nur als Geschenk erhalten. Das größte Geschenk ist die Liebe. Sie lässt sich nicht erzwingen und nicht kaufen. Liebe kann nur freiwillig geschenkt werden.

Um wirklich liebende Menschen zu werden, müssen wir lernen, Geduld zu haben – mit uns und mit anderen. Geduld mit uns, dass wir im Leben vieles lernen müssen, Erfahrungen sammeln, um so zu reifen Menschen zu werden. Geduld mit anderen, da jeder Mensch eine eigenständige Persönlichkeit ist und eben manchmal anders denkt und handelt als wir es erwarten.

Geduld lernen, könnte das nicht ein Vorsatz für diese Fastenzeit sein? Jesus sagt einmal:

In patientia vestra possidebitis animas vestras. – In eurer Geduld werdet ihr das Leben gewinnen. (Lk 21,19)

Wir aber sind oft zu sehr in uns gefangen, können nicht loslassen, sind ungeduldig. Viele Dinge im Leben – besonders die wichtigen – brauchen aber ihre Zeit, um zu reifen. Wir brauchen Ausdauer, wenn wir wirklich vorankommen wollen im Leben. Manchmal geben wir vielleicht kurz vor dem Ziel auf. Manchmal mag eine Lebenssituation so anstrengend und quälend sein, dass wir einen schnellen Ausweg suchen, der uns aber nicht weiter bringt. Später erkennen wir dann vielleicht, dass sich durch eine unerwartete Wendung der Umstände ein großer Gewinn für uns ergeben hätte – wenn wir doch etwas geduldiger gewesen wären.

Abwarten können, den richtigen Zeitpunkt erkennen, aber auch zu erkennen, wenn es sich nicht lohnt, etwas zu verfolgen – auch das gibt es ja, dass wir unsere Ausdauer in Dinge stecken, die einfach unerreichbar oder nicht wirklich erstrebenswert sind. Hier müssen wir immer wieder lernen, auch einmal umzudenken, müssen bereit sein, gewohnte Strategien im Leben zu hinterfragen, ob sie wirklich zielführend sind. Wer kennt das nicht, dass man immer wieder in dasselbe Pechnäpfchen tritt. Hier läuft etwas falsch in unserem Kopf, das müssen wir erkennen und ändern, auch das braucht Geduld.

Wir müssen aufhören, wie ein Huhn mal da und mal dort zu picken, um schnell ein Korn zu erwischen. Wenn wir wirklich den großen Gewinn im Leben machen wollen, müssen wir erkennen, was wirklich wichtig ist, was wir wirklich wollen, wohin unser Sehnen geht, ein Ziel, das zu erreichen uns wirklich glücklich macht. Und dann gilt es, unsere ganze Kraft dazu aufzubringen, dieses Ziel zu erreichen – und die nötige Ausdauer und Geduld.

1. Fastensonntag A

Als ich mir überlegt habe, welches Bild ich dieses Jahr für den Ersten Fastensonntag nehmen könnte, dachte ich spontan an den Apfel. Ist der Apfel heute nicht geradezu zu einem Symbol für eine gesunde und einfache Ernährung geworden? Vielleicht kann es für viele eine mögliche Form des Fastens sein, auf allzu üppigen Fleischgenuss zu verzichten und dafür mehr Obst und Gemüse zu essen – und eben auch Äpfel.

Aber so einfach ist es mit dem Apfel dann doch wieder nicht. Denn ist er nicht auch ein Symbol für den Sündenfall im Paradies? Auch wenn die verbotene Frucht in der Bibel nirgendwo genau benannt wird, hat sich in der Kunst doch der Apfel als Bild für diese Frucht durchgesetzt.

Und somit sind wir mit dem Apfel mitten im Geschehen der Texte zum Ersten Fastensonntag. In der ersten Lesung hören wir vom Sündenfall. Im Römerbrief gibt Paulus eine theologische Deutung dieses Geschehens. Und im Evangelium hören wir, wie Christus nach seinem Fasten in der Wüste – anders als Adam im Paradies – die Versuchungen des Teufels überwindet und als Sieger hervorgeht. Er kehrt somit das Unheilsverhältnis, das durch die Sünde Adams entstanden ist und den Tod in die Welt gebracht hat um, und schenkt uns dadurch neues Heil und Leben.

Dass Christus versucht wurde, ist auch ein Zeichen für uns. Wenn wir selbst in Versuchungen geraten – was ja im Leben oft geschieht – dürfen wir auf Christus vertrauen, dann er weiß, wie es dann um uns steht und kann uns so wirklich beistehen. In seinem Tun hat er uns zugleich einen Weg gezeigt, wie wir die Versuchung überwinden können. Johannes Chrysostomus sagt:

Es sollte keiner, der die Taufe empfangen hat und einer ähnlichen schweren Versuchung ausgesetzt wäre erschrecken, so als ob das etwas ganz Unerhörtes wäre, vielmehr soll er alles mannhaft ertragen, da ihm ja nur das widerfährt, was dem Herrn auch geschah. Du hast ja zu diesem Zweck Waffen erhalten, damit du kämpfst, nicht damit du müßig dastehst. Deshalb verhindert es auch Gott nicht, dass Versuchungen über dich kommen.

Doch sollte man sich stets auf diesen Kampf vorbereiten. Sportler können nur gute Leistungen bringen, wenn sie ausdauernd trainieren. So sollten auch wir den Kampf gegen die Versuchungen nicht auf die leichte Schulter nehmen und sagen, das schaffe ich schon irgendwie. Der Versucher hat alle möglichen Tricks auf Lager, um uns zu verwirren und zu Fall zu bringen.

Es ist sehr hilfreich, immer wieder bewusst einen Verzicht auf sich zu nehmen, um den Willen zu schulen und sich selbst so immer mehr in Griff zu haben. „Aus diesem Grunde also hat auch der Herr vierzig Tage lang gefastet, und uns dadurch ein Heilmittel zu unserer Genesung gezeigt“, sagt Johannes Chrysostomus. Nutzen wir die vierzig Tage der österlichen Bußzeit, um es dem Herrn gleich zu tun und an Leib und Seele zu gesunden.