Gottes heiliger Ruf

Paulus erinnert Timotheus an seine Berufung. Gottes Ruf hat ihn getroffen und diesem Ruf soll er sich treu erweisen. Es ist die Grundlage unseres christlichen Daseins, Gerufene zu sein. Auch das Zweite Vatikanische Konzil spricht ausdrücklich davon, dass alle Christen Berufene sind, Berufene zur Heiligkeit. Wir empfangen den Glauben meist von unseren Eltern. So weist auch Paulus den Timotheus auf das Vorbild seiner Mutter und Großmutter hin. Es ist nicht verwunderlich, dass es gerade die Frauen sind, die den Glauben weitergeben. Sie haben oft in der Erziehung einen engeren Kontakt zu ihren Kindern als die Väter.

Doch es bedarf auch der ständigen persönlichen Aktualisierung des Glaubens. Es ist gut, wenn die Eltern ein Fundament des Glaubens bei ihren Kindern gelegt haben. Aber als Erwachsene dürfen wir nicht bei diesem Kinderglauben stehenbleiben. Wir müssen auf dem Fundament weiterbauen, müssen zu einer persönlichen Beziehung zu Gott finden, Gott Ruf annehmen und ihm mit den uns eigenen Gaben folgen.

So wie jeder Mensch einmalig und unverwechselbar von Gott geschaffen ist, hat er auch seine einmalige und unverwechselbare Berufung. Es ist ein lebenslanger Prozess, dieser Berufung nachzuspüren und Schritt für Schritt den ganz eigenen Weg mit Gott zu finden. Es braucht immer wieder das aufmerksame Hinhören nach innen und nach außen, um den Ruf Gottes für das eigene Leben wahrzunehmen. Es ist wichtig, die eigene innere Stimme zu hören und seine Sehnsucht zu spüren, zu spüren, was einen im Innersten wirklich glücklich und lebendig macht, wohin es einen “zieht”.

Im täglichen Umgang mit anderen Menschen können wir unsere besonderen Begabungen entdecken. Manche Begegnungen können auch Wegweiser auf dem Lebens- und Berufungsweg sein, die eine Richtung für den nächsten Schritt aufzeigen. Dem eigenen, ganz persönlichen Anruf Gottes zu folgen, ist der Weg zu einem gelingenden Leben. Das bedeutet, jeden Tag neu aufmerksam zu sein für das, was Gott uns sagen möchte – im Gebet, bei der Arbeit, im Gespräch und im Umgang mit den Menschen um uns herum, im Lesen der Heiligen Schrift, letztlich in allem, was uns begegnet. Jeden Tag neu sollen wir die Stimme Gottes in unserem Leben hören und seinem Ruf folgen.

Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner!
Erleuchte du meine Augen, dass ich den Weg zu dir finde.
Mach du meine Schritte fest, dass ich vom Weg nicht abirre.
Öffne, du meinen Mund, dass ich von dir spreche.
Du willst, dass ich meine Mitmenschen liebe.
Lass mich ihnen dienen, dass sie ihr Heil finden
und in die Herrlichkeit gelangen.
(Hl. Alkuin)

Die Versuchung des Menschen

Mit scheinbar frommen Sprüchen ist der Satan an Jesus heran getreten. Dabei hat er das Wort der Schrift verdreht. Jesus aber besiegt den Satan, indem er ihm die rechte Auslegung des Wortes Gottes entgegenhält. Gottes Wort zu verdrehen ist eine beliebte Taktik des Satans. Er war damit schon bei den ersten Menschen erfolgreich:

Die Schlange war schlauer als alle Tiere des Feldes, die Gott, der Herr, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen? (Gen 3,1)

Nein, so hat Gott nicht gesagt, das weiß auch Eva.

Die Frau entgegnete der Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben. (Gen 3,2-3)

Alles hat Gott für den Menschen gemacht. Wir hören in den vorangehenden Versen, dass Gott für den Menschen einen wundervollen Garten angelegt hat. Ein Garten, das war für den orientalischen Menschen etwas Wunderbares. Nur Könige und besonders reiche Menschen hatten die Mittel dazu, in den trockenen Ländern einen immergrünen Garten anzulegen. Ein solcher Garten war den Menschen von Gott geschenkt. Aber ein Baum sollte tabu sein. Von ihm durften die Menschen nicht essen. Aber gerade durch dieses Verbot bekommt der Baum eine unwiderstehliche Anziehungskraft, als die Schlange ihre verführerischen Worte an Eva richtet:

Darauf sagte die Schlange zur Frau: Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse. Da sah die Frau, dass es köstlich wäre, von dem Baum zu essen, dass der Baum eine Augenweide war und dazu verlockte, klug zu werden. Sie nahm von seinen Früchten und aß; sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war, und auch er aß. (Gen 3,4-6)

Die Folgen aber sind fatal. Nicht die von der Schlange versprochene Göttlichkeit wird den Menschen zuteil, sondern Gott wird den Menschen aus dem Paradies vertreiben. Das Vertraute Miteinander der Menschen untereinander, zwischen Mensch und Gott und Mensch und Natur ist fortan gestört. Die einzige Erkenntnis, die Adam und Eva nach dem Verzehr der Frucht des Baumes gewinnen, ist die, dass sie nackt sind, und sie bedecken ihre Blöße mit Feigenblättern.

Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz. (Gen3,7)

Die Versuchung Jesu

Jesus wird zu Beginn seines öffentlichen Wirkens vor die Wahl gestellt, ob er ein sensationeller Wunderprediger sein will, dem die Menschen in Scharen nachlaufen und der sich selbst in den Mittelpunkt stellt, oder ob er sich zum Diener Gottes und der Menschen machen möchte, der dem Willen Gottes gehorsam ist bis in den Tod.

Exemplarisch wird das Wesen der Versuchung an drei Beispielen dargestellt. Durch die Verwandlung von Steinen zu Brot soll Jesus dazu versucht werden, ein Wunder allein zu seinen Gunsten zu wirken, ein Wunder das allein die menschliche Gier befriedigt, aber nicht zu einer Begegnung mit Gott führt. Alles Tun Jesu ist aber darauf hin gerichtet, den Willen des Vaters zu erfüllen. Davon lebt er, nicht vom Brot allein.

Wenn sich Jesus vor aller Augen von der Zinne des Tempels stürzen würde und heil am Boden ankäme, würden ihn alle bewundern. Aber er würde zugleich den Vater herausfordern und auf die Probe stellen. Jesus zeigt seine Göttlichkeit nicht durch sensationelle Taten, vielmehr folgt der Erweis seiner Göttlichkeit nach seiner größten Erniedrigung am Kreuz in der Auferweckung durch den Vater.

Bestand die erste Versuchung im Missbrauch der Gabe Gottes zum Eigennutz, die zweite in der Versuchung Gottes, so ist das Wesen der dritten Versuchung die explizite Gotteslästerung. Der Satan verlangt, dass Jesus sich vor ihm niederwirft und ihn anbetet. Dafür verspricht er ihm die Macht über alle Reiche der Welt. Doch welchen Preis hat diese Macht. Jesus wird über die ganze Erde herrschen, aber nicht nach dem Sinn Satans, sondern nach Gottes Willen. Die Herrschaft des Satans bringt der Welt das Verderben, die Herrschaft Jesu Christi aber bringt der Welt das Heil.

Fastenzeit – eine Zeit, um Gottes Liebe neu zu entdecken

Gott ist barmherzig. Er weist keinen ab, der sich ihm zuwendet. Er ruft die Sünder und all jene, die von den Menschen ausgestoßen und gemieden werden, in seine Gemeinschaft. Das macht Jesus deutlich, wenn er zusammen mit Zöllnern und Sündern zu Tisch sitzt. Den Pharisäern, die sich darüber empören, antwortet er:

Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Darum lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer. Denn ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten. (Mt 9,12-13)

Jesus zitiert hier den Propheten Hosea (Hos 6,6). Wie Jesus, so hält auch der Prophet Hosea dem Volk und dessen Führern den Spiegel vor Augen. Sie gehen ihre eigenen Wege und haben ihren Gott vergessen, sie leben nach ihrem eigenen Sinn und nicht nach dem Willen Gottes. Ihr Weg führt ins Verderben, in ihrer Not aber denken die Menschen an Gott und wenden sich ihm wieder zu. Sie erinnern sich an seine Barmherzigkeit und seine Gegenwart in seinem Volk, die Gott so zuverlässig erweist, wie er jeden Morgen die Sonne aufgehen lässt und Regen schenkt, der die Erde tränkt.

Kommt, wir kehren zum Herrn zurück! Denn er hat (Wunden) gerissen, er wird uns auch heilen; er hat verwundet, er wird auch verbinden. Nach zwei Tagen gibt er uns das Leben zurück, am dritten Tag richtet er uns wieder auf und wir leben vor seinem Angesicht. … Er kommt so sicher wie das Morgenrot; er kommt zu uns wie der Regen, wie der Frühjahrsregen, der die Erde tränkt. (Hos 6,1-3)

Aber ist das die Liebe, die Gott erwartet? Kehren sie wirklich von ganzem Herzen zu ihm um?  In den Worten des Propheten Hosea heißt es weiter:

Eure Liebe ist wie eine Wolke am Morgen und wie der Tau, der bald vergeht. … Liebe will ich, nicht Schlachtopfer, Gotteserkenntnis statt Brandopfer. (Hos 6,4-6)

Kraftvolles Morgenrot und ergiebiger Frühjahrsregen stehen für die beständige Treue, die Gott schenkt und bilden einen starken Kontrast zu der flüchtigen Liebe, die Menschen Gott erweisen. Eine Wolke am Morgen ist in einem Land wie Israel kein Zeichen für den lange ersehnten Regen in der Hitze des Sommers. Die Wolke am Morgen ist sogleich verschwunden, wenn die Sonne am Himmel emporsteigt, ebenso wie der Tau, der sich über Nacht auf die Pflanzen gelegt hat. Ein kleiner Anflug von Liebe zu Gott, der bei der ersten Verlockung durch die Welt wieder verfliegt, das nützt nichts. Wer nicht an die Macht der Liebe Gottes glaubt und ihr ungeteilt folgt, hat keinen Bestand vor Gott. Diese Liebe kann durch nichts ersetzt werden, nicht durch Opfer und sonstige fromme Übungen. Wo die Liebe fehlt, wird alles wertlos, die Liebe aber lässt jedes noch so kleine Werk und Opfer vor Gott glänzen.

Gottes Liebe hat die Kraft, sein Volk zu retten, sie hat die Kraft, einen Sünder, selbst einen, der seinen Gott und sein Volk verraten hat, wieder als vollgültigen Mitbürger des Reiches Gottes einzusetzen. Die Wege Gottes sind unergründlich. Wir können ihnen nur folgen, wenn wir immer wieder neu bereit sind, uns von der Größe der Liebe Gottes überraschen zu lassen. Wer dieser Liebe folgen will, muss bereit sein, das aufzugeben, was dieser Liebe entgegensteht und sich immer neu von Gottes Liebe und Barmherzigkeit beschenken zu lassen.

Herr, hilf mir immer wieder dabei, umzukehren und lass mich nie an der Macht deiner Liebe zweifeln.

Aschermittwoch

Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst.

oder

Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium.

Diese Worte begleiten die Auflegung des Aschenkreuzes am Aschermittwoch. Der erste Satz erinnert an den Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies (vgl. Gen 3,19). Er soll uns die Vergänglichkeit unseres Lebens vor Augen führen und zugleich eine Mahnung sein, unsere Lebenszeit nicht sinnlos zu vergeuden.

Der zweite Satz ist der Ruf zur Umkehr, den der Evangelist Markus an den Beginn des Wirkens Jesu stellt (Mk 1,15). Die Fastenzeit ist die Zeit im Jahr, in der wir uns besonders dieser Notwendigkeit der Umkehr bewusst werden sollen. Darüber schreibt der hl. Benedikt in seiner Mönchsregel, doch das, was er sagt, können sich alle Gläubigen zu Herzen nehmen:

Der Mönch soll zwar immer ein Leben führen wie in der Fastenzeit. Dazu aber haben nur wenige die Kraft. Deshalb raten wir, dass wir wenigstens in diesen Tagen der Fastenzeit in aller Lauterkeit auf unser Leben achten und gemeinsam in diesen heiligen Tagen die früheren Nachlässigkeiten tilgen. Das geschieht dann in rechter Weise, wenn wir uns von allen Fehlern hüten und uns um das Gebet unter Tränen, um die Lesung, die Reue des Herzens und um Verzicht mühen. Gehen wir also in diesen Tagen über die gewohnte Pflicht unseres Dienstes hinaus durch besonderes Gebet und durch Verzicht beim Essen und Trinken.

Die Asche des Aschermittwochs stammt von den verbrannten Palmzweigen des vergangenen Jahres. Bereits im Alten Testament ist das Bestreuen des Hauptes mit Asche ein Zeichen der Buße. Der Schmutz der Asche ist ein äußeres Zeichen für den Schmutz, den der Mensch durch die Sünde auf sich geladen hat.

Indem der Mensch bereit ist, öffentlich das Zeichen seiner Schuld zu tragen, zeigt er zugleich seine Bereitschaft, sein Leben zu ändern. Die Einsicht, etwas falsch gemacht zu haben und das Bekenntnis zu den eigenen Fehlern ist der erste Schritt zur Vergebung.

Das Nachdenken über unsere Fehler und Sünden soll uns aber nicht einschüchtern und mutlos machen. Vielmehr vertrauen wir darauf, dass Gott immer wieder bereit ist, uns zu vergeben, wenn wir ihm unsere Sünden bekennen. Und auch mit unseren Mitmenschen können wir zu neuer Gemeinschaft finden, wenn wir den Mut haben, zu unseren Fehlern zu stehen, andere um Verzeihung zu bitten und das, was wir durch unsere Fehler angerichtet haben, soweit es uns möglich ist wieder gut zu machen.

Ja, es ist gut, uns daran zu erinnern, dass wir Sünder sind. Nehmen wir die Einladung an, unsere Vergehen aufrichtig zu bedauern und möglichst wiedergutzumachen. Fragen wir uns, wie wir unseren Lebensstil ändern müssen, damit er mehr dem Evangelium entspricht. (Basil Hume)

Der Mut und die Bereitschaft, zu unseren Fehlern zu stehen, führen uns mit Gottes Hilfe zu neuer Stärke und zu einem bewussten und erfüllten Leben.