Lk 7,36-50 Jesus und die Sünderin

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In jener Zeit ging Jesus in das Haus eines Pharisäers, der ihn zum Essen eingeladen hatte, und legte sich zu Tisch. Als nun eine Sünderin, die in der Stadt lebte, erfuhr, dass er im Haus des Pharisäers bei Tisch war, kam sie mit einem Alabastergefäß voll wohlriechendem Öl. (Lk 7,36-37)

Jesus ist zum Essen eingeladen bei einem Pharisäer. Wahrscheinlich möchte dieser gerne mit Jesus diskutieren, ihn prüfen, seine Meinung hören über die Auslegung des Gesetzes und darüber, wie der Mensch Gott dienen soll. Lukas berichtet nichts darüber. Es kommt auch nicht zu einem gelehrten Gespräch, sondern der Pharisäer bekommt lebendig die Antwort auf die Fragen, die er im Herzen hat, vorgeführt. Jesus geht es nie darum, gescheite Reden zu führen, an deren Ende dann eine wohlformulierte Absichtserklärung steht oder ein unpersönliches „man sollte tun“. Jesus handelt immer konkret.

Während der Pharisäer sich wohl ein ruhiges Essen mit Jesus erhofft hat, bei dem er selbst der Wortführer ist, kommt nun alles ganz anders, denn plötzlich steht da eine stadtbekannte Sünderin mitten im Zimmer. Wie ist sie da hereingekommen, wer hat sie eingelassen? Hat sie den Türsteher mit ihrem entschiedenen Auftreten überrumpelt? Wir wissen es nicht. Für den heiligen Ambrosius aber wird sie durch ihre entschlossene Suche nach Jesus zum Vorbild für uns alle:

Wo immer du von der Ankunft des Gerechten hörst, sei es im Haus eines Unwürdigen, sei es im Haus eines Pharisäers, eile hin, entreiße ihm, dem Gastgeber zuvorkommend, die Gnade, entreiß ihm das Himmelreich! … Wo immer du Christi Namen hörst, lauf hin! Von wessen Haus immer du vernimmst, es sei Jesus in dessen Inneres eingetreten, beschleunige auch du deine Schritte dorthin! Wenn du von der Weisheit erfährst, wenn du von der Gerechtigkeit erfährst, sie liege in den Gemächern eines Menschen zu Tisch, lauf hin!

Wer diese eindringlichen Worte des Ambrosius hört, der weiß, worum es geht: um die Rettung, um das Heil. Hier schickt es sich nicht zu warten und mit falscher Demut anderen den Vortritt zu lassen, sondern hier soll jeder zusehen, der erste zu sein. Aber keine Angst. Es ist genug Heil für alle da. Jeder, der mit einem solchen Eifer zu Jesus drängt, wird die Erfahrung der lebendig machenden Begegnung mit dem Herrn zuteil.

Sie trat von hinten an Jesus heran. Dabei weinte sie, und ihre Tränen fielen auf seine Füße. Sie trocknete seine Füße mit ihrem Haar, küsste sie und salbte sie mit dem Öl. Als der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, das sah, dachte er: Wenn er wirklich ein Prophet wäre, müsste er wissen, was das für eine Frau ist, von der er sich berühren lässt; er wüsste, dass sie eine Sünderin ist. (Lk 7,38-39)

Die Frau durchbricht die familiäre Atmosphäre des Gastmahls. Ungebeten hat sie sich eingeschlichen, von hinten tritt sie an Jesus heran, kniet zu seinen Füßen und wäscht mit liebender Hingabe die Füße des Herrn mit ihren Tränen, trocknet sie mit ihrem Haar und salbt sie mit wohlriechendem Öl. Die Frau ist eine stadtbekannte Sünderin. Das weiß Jesus und trotzdem oder gerade deshalb lässt er sie gewähren.

Sie zurückzuweisen, hätte bedeutet, sie in ihrem alten Leben zu lassen, das eigentlich kein Leben war. Doch indem er sie gewähren lässt, zeigt er ihr besser als mir tausend Worten, dass er das, was sie geben kann, annimmt. Er will nichts für sich; er nimmt sie, wie sie ist, einfach deshalb, weil sie vor allem ein großes Verlangen hat, sich geliebt zu wissen: wirklich geliebt, endlich wertgeschätzt und respektiert. Er urteilt nicht über sie. Er verurteilt sie nicht. Und so hilft er ihr, zu einem authentischen menschlichen Leben zu finden: Sie fühlt sich wie neu geboren. (Raniero Cantalamessa)

Der Pharisäer sagt nichts dazu, er denkt sich aber seinen Teil. Seine Gedanken gleichen den Gedanken aller gesetzestreuen Menschen zu allen Zeiten: So etwas gehört sich nicht! Wie kann ein Mann Gottes sich so auf eine Sünderin einlassen und sich sogar von ihr berühren lassen? Er stellt Jesu Sendung grundlegend in Frage, denn wenn Jesus ein Prophet wäre, wüsste er, was hier geschieht, er scheint aber nicht zu wissen, dass diese Frau eine Sünderin ist, also kann er kein Prophet sein.

Jesus aber macht deutlich, dass der eigentliche Fehler nicht bei ihm liegt, sondern in der scheinbar logischen Argumentationskette des Pharisäers. Er rückt die Angelegenheit ins rechte Licht und führt dem Pharisäer die schockierende Tatsache vor Augen, dass er mit all seiner Frömmigkeit nicht besser dasteht als diese Frau, im Gegenteil. Die Frau erweist sich durch das, was sie an Jesus tut, als gerecht, der Pharisäer aber bleibt in seinen Sünden, weil er nicht bereit ist, die Vergebung als Geschenk Gottes anzunehmen.

Da wandte sich Jesus an ihn und sagte: Simon, ich möchte dir etwas sagen. Er erwiderte: Sprich, Meister! Jesus sagte: Ein Geldverleiher hatte zwei Schuldner; der eine war ihm fünfhundert Denare schuldig, der andere fünfzig. Als sie ihre Schulden nicht bezahlen konnten, erließ er sie beiden. Wer von ihnen wird ihn nun mehr lieben? Simon antwortete: Ich nehme an, der, dem er mehr erlassen hat. Jesus sagte zu ihm: Du hast Recht. (Lk 7,40-43)

Jesus wendet sich nun dem Pharisäer zu, der bisher geschwiegen hat. Jesus ergreift das Wort, liebevoll spricht er seinen Gastgeber mit Namen an: Simon. Jesus erzählt ihm ein Gleichnis. Zwei Männer haben Schulden, einer sagen wir mal etwa fünftausend Euro, der andere fünfzigtausend. Beiden wird die Schuld erlassen. Der Pharisäer versteht. Jeder ist schuldig vor Gott, kein Mensch kann sagen, dass er vor Gott gerecht ist. Das wussten auch die Pharisäer. Bei all ihrer Gesetzestreue war ihnen doch klar, dass sie es nie schaffen werden, alle Gebote vollkommen zu erfüllen.

Auch wenn nun also der Pharisäer Simon von seiner Gerechtigkeit überzeugt ist, so weiß er doch um seine eigenen Sünden und Fehler. Auch er steht bei Gott in der Schuld und hofft darauf, dass Gott ihm diese erlassen wird. Aber er hat dabei eine andere Methode als die Frau. Simon denkt vielleicht, dass er, wenn vor Gott hintritt, zumindest all das aufzählen kann, was er an guten Werken des Gesetzes getan hat, dann, so mag er sich sagen, wird Gott vielleicht über die kleinen Fehler hinwegsehen. Aber Gott will nicht mit uns handeln, er will uns beschenken.

Eben darum, weil es keine würdige Wiedervergeltung gibt, die wir Gott leisten könnten – was wollten wir denn als Entgelt bieten für das Leiden seiner Menschheit, die er angenommen hat? Was für seine Geißelung? Was für sein Kreuz, seinen Tod, sein Begräbnis? – so wehe mir, wenn ich nicht liebe! … So lasst uns denn statt der Schuld Liebe, statt der Zahlung Hingebung, statt des Geldes Dank erstatten! Denn am meisten liebt, wem am meisten geschenkt wird. (Ambrosius)

Jesus will Simon nicht brüskieren. Er wendet sich seinem Gastgeber zuerst zu, richtet zuerst das Wort an ihn, dann erst wendet er sich der Frau zu. Simon hat wohl verstanden, was Jesus ihm sagen will, aber er ist in sich selbst gefangen. Er kann nicht wie die Frau authentisch vor Jesus hintreten. Wir wissen nicht, wie es mit Simon weiter gegangen ist. Es bleibt offen, ob er Jesu Worte annehmen konnte, oder nicht.

Dann wandte er sich der Frau zu und sagte zu Simon: Siehst du diese Frau? Als ich in dein Haus kam, hast du mir kein Wasser zum Waschen der Füße gegeben; sie aber hat ihre Tränen über meinen Füßen vergossen und sie mit ihrem Haar abgetrocknet. Du hast mir zur Begrüßung keinen Kuss gegeben; sie aber hat mir, seit ich hier bin, unaufhörlich die Füße geküsst. Du hast mir nicht das Haar mit Öl gesalbt; sie aber hat mir mit ihrem wohlriechenden Öl die Füße gesalbt. Deshalb sage ich dir: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie mir so viel Liebe gezeigt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe. Dann sagte er zu ihr: Deine Sünden sind dir vergeben. Da dachten die anderen Gäste: Wer ist das, dass er sogar Sünden vergibt? Er aber sagte zu der Frau: Dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden! (Lk 7,44-50)

In den erklärenden Ausführungen Jesu tritt eine gewisse Diskrepanz zu dem Gleichnis zutage. Während im Gleichnis beiden Schuldnern einfach so die Schuld erlassen wird und die größere Liebe des einen die Folge davon ist, dass ihm mehr erlassen wurde, so spricht Jesus nun davon, dass der Sünderin mehr vergeben wird, weil sie mehr Liebe gezeigt hat. Jesus macht so das mit Worten unerklärbare Ineinander von Gottes Vergebung und unserem Tun deutlich. Gott will uns beschenken, ohne dass wir dafür etwas tun müssen, aber doch bedarf es unserer Disposition dazu, beschenkt zu werden.

Es ist stets die Liebe, an der wir gemessen werden. Wer selbst nicht liebt, kann auch Gottes Liebe nicht annehmen. Nicht, weil Gottes Liebe zu schwach wäre, sondern weil wir ihr mit unserer Lieblosigkeit eine Grenze setzen. Gottes Vergebung an uns kann nur dann konkret werden, wenn wir selbst bereit sind, zu vergeben. Jesus zeigt, wie Gott will, dass wir vor ihn hintreten: mit einem demütigen und liebenden Herzen. Nicht das Hervorheben unserer eigenen Gerechtigkeit lässt Gott unsere Sünden vergeben, sondern das Tun der Liebe. Unsere ganze Gerechtigkeit kann die Schwere unserer Schuld nicht aufwiegen, nur die Liebe hat Gewicht.

Wir können leicht aus der Distanz sagen, warum ist der Pharisäer so blind. Es wäre doch nur ein kleiner Schritt gewesen, dann wäre ihm die gleiche Fülle des Geschenkes zuteil geworden wie der Frau. Er hätte nur ehrlichen Herzens zu Jesus sagen brauchen: Ich verstehe, was du sagst, auch ich bin ein Sünder, Herr, verzeih mir. Stattdessen aber schweigt er. Er bringt diese Worte einfach nicht über seine Lippen.

Aber auch wir sind oft in uns gefangen. Wir ertappen uns immer wieder dabei, wie wir über andere urteilen, wie wir Hass in unserem Herzen aufsteigen lassen anstatt Liebe. Es fällt uns schwer, über unseren Schatten zu springen, wir wollen das Gesicht wahren. Auch wir treten Jesus lieber als vornehmer Hausherr gegenüber, der seinen Gast zwar freundlich, aber doch distanziert empfängt, anstatt wie die Frau uns nicht zu schade zu sein, vor Jesus niederzuknien und den Schmutz von seinen Füßen mit den Haaren abzuwischen.

10.6. Sel. Eustachius Kugler (1867–1946)

Kugler_1Josef Kugler wurde am 15. Januar 1867 in Neuhaus/Nittenau in der Oberpfalz geboren. Sein Vater war Landwirt und Hufschmied. Josef machte eine Lehre zum Bauschlosser in München. Dabei erlitt er eine Beinverletzung, an der er sein Leben lang zu leiden hatte. Er zog zu seiner Schwester nach Reichenbach und arbeitete dort in der Schmiedewerkstatt seines Schwagers. Da in der Reichenbacher Kirche nur unregelmäßig Gottesdienste gefeiert wurden, betete Josef Kugler am Sonntagnachmittag den Rosenkranz vor, weshalb er bald den Spitznamen „Klostersepp“ erhielt.

Als im Jahr 1890 die Barmherzigen Brüder das Kloster Reichenbach übernahmen und dort ein Pflegeheim für Menschen mit geistiger Behinderung einrichteten, war Josef Kugler zusammen mit anderen Handwerkern an den Renovierungsarbeiten beteiligt. Er hatte dabei auch Gelegenheit, den Orden näher kennenzulernen. Das Leben der Barmherzigen Brüder beeindruckte ihn und so trat er im Januar 1893 in die Ordensgemeinschaft ein und erhielt den Ordensnamen Eustachius.

Nach seiner Profess im Jahr 1898 war er in mehreren Häusern des Ordens tätig, bald auch in leitender Funktion. Im Jahr 1925 wurde er zum Provinzial der Bayerischen Ordensprovinz gewählt. Als seine größte Leistung kann der Bau des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Regensburg bezeichnet werden. Mit unermüdlichem Eifer und unerschütterlichem Gottvertrauen gelang es ihm, die Finanzierung zu sichern und das Bauvorhaben durchzuführen.

Ich habe die Sache mit meinem Herrgott ausgemacht. Es wird nichts fehlen!

Im Jahr 1930 konnte das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Regensburg eingeweiht werden. Es galt damals als eines der modernsten Krankenhäuser Deutschlands und hat bis heute nichts an seiner Bedeutung verloren.

In der Zeit des Nationalsozialismus hatte die Gemeinschaft der Barmherzigen Brüder starke Repressalien zu erdulden und Eustachius Kugler wurde als Oberer schwer bedrängt. Die sogenannte „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ durch die Nazis traf ins Herz des Ordens, der sich besonders der behinderten Menschen annahm und diese betreute. Eustachius Kugler half, wo er konnte und versuchte zu verhindern, was zu verhindern war. Er musste dreißig mehrstündige Verhöre durch die Gestapo über sich ergehen lassen, in denen er sich als „kraftvoller Zeuge Christi“ zeigte.

Nach dem Krieg wurde bei Eustachius Kugler ein schweres Krebsleiden sichtbar. Am 10. Juni 1946 starb er im Regensburger Krankenhaus der Barmherzigen Brüder. Seine Verehrung breitete sich rasch aus. Seit 1982 ruhen seine sterblichen Überreste in einer Seitenkapelle der Krankenhauskirche St. Pius in Regensburg. Am 4. Oktober 2009 wurde er im Hohen Dom zu Regensburg seliggesprochen.

Ephräm der Syrer (306-373)

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Der hl. Ephräm wurde um 306 in Nisibis, dem heutigen Nusaybin geboren. Nisibis war damals eine Grenzstadt zwischen dem Römischen Reich und Persien, das heutige Nusaybin liegt in der Türkei direkt an der Grenze zu Syrien.

Über die Kindheit des hl. Ephräm ist wenig bekannt. Wahrscheinlich war seine Mutter Christin, sein Vater jedoch ein heidnischer Priester, der seinen Sohn, als dieser im Alter von 18 Jahren die Taufe empfing, aus dem Haus warf. Später soll sich der Vater bekehrt haben und als Märtyrer gestorben sein.

Ephräm fand Zuflucht beim hl. Bischof Jakobus von Nisibis, erhielt an dessen Schule eine fundierte Ausbildung und wurde schließlich zum Diakon geweiht. Aus Demut hat Ephräm keine höheren Weihen und Kirchenämter angestrebt. Er ist Zeit seines Lebens Diakon geblieben und hat nach den Evangelischen Räten der Armut und Ehelosigkeit gelebt. Man weiß nicht sicher, ob er auch Mönch gewesen ist. Er hat aber lange Zeit als Einsiedler gelebt.

Ephräm wurde Lehrer an der Schule des Bischofs Jakobus und übernahm schließlich deren Leitung. Es heißt, dass Ephräm mit Jakobus am Konzil von Nicäa teilgenommen habe. Auch unter den Nachfolgern des hl. Jakobus setzte Ephräm seine Lehrtätigkeit fort.

Als Nisibis im Jahr 363 an die Perser fiel, verließ ein Großteil der römischen Bevölkerung die Stadt. Ephräm ging zusammen mit den anderen Lehrern seiner Schule und der Mehrheit der Oberschicht nach Edessa, dem heutigen Urfa in der Türkei. Ephräm lebte in Edessa in einer Höhle und verbrachte die Nächte im Gebet und dem Studium der Heiligen Schrift, tagsüber aber unterrichtete er und stellte sich in den Dienst der Nächsten. Sein Zeitgenosse, der hl. Gregor von Nyssa, schreibt über ihn:

Ephräm ist ein Nacheiferer der ersten Apostel; er kann allen Mönchen und Eremiten als Vorbild dienen. Er lebte ohne Tasche, ohne Stock und hatte weder Silber noch Gold. Seine Nahrung war Haferbrot und Gemüse, sein Getränk bestand aus bloßem Wasser. Sein Leib glich einem Skelett aus Ton.

Als in Edessa die Pest ausbrach, half Ephräm bei der Pflege der Kranken und wurde dabei selbst infiziert. Er starb am 9. Juni 373. Über seinem Grab wurde ein Kloster errichtet. Kreuzritter brachten seine Gebeine im Jahr 1145 vor einfallenden Kurden in Sicherheit.

Ephräm hat ein umfangreiches Werk hinterlassen. Bekannt ist er vor allem als Dichter christlicher Hymnen. Er verstand es meisterhaft, den Glauben singend zu verkünden. Der Historiker Sosimus sagt, Ephräm habe ungefähr drei Millionen Verse verfasst. Ein anderer schreibt, dass Ephräm neben seinen Hymnen und Liedern mehr als tausend Reden und Predigten hinterlassen habe. Viele seiner Predigten sind Versform gehalten. Zu den Schriften in gewöhnlicher Prosa zählen vor allem Verteidigungsschriften des Christentums sowie zahlreiche Bibelkommentare.

Alle seine Hymnen schöpfen aus dem unendlichen Schatz der Heiligen Schrift. Über sie sagt er:

Die Bibel gleicht einem Acker, der nie abgeerntet werden kann und deshalb nie öde und leer daliegt. Sie gleicht einer Quelle die beständig fließt und umso reichlicher strömt, je mehr man daraus schöpft.

Die Ostkirche hat dem hl. Ephräm viele Titel verliehen, unter anderem wird er Sonne der Schulen, Meister der Meister, Haupt der Lehrer, Fürst der Poeten, Brunnen der Wissenschaft, Vorbild der Eremiten, göttlicher Philosoph und Harfe des Heiligen Geistes genannt. Im Westen wurde er im Jahr 1920 durch Papst Benedikt XV. zum Kirchenlehrer erhoben.

Eine besondere Liebe hatte der hl. Ephräm zur Muttergottes. Das ist ein Beleg dafür, wie tief ihre Verehrung bereits in der frühen Kirche verwurzelt war. Er sagt:

Du, Jesus, und deine Mutter, ihr habt höchste Schönheit; an dir gibt es keine Befleckung und an deiner Mutter ebenfalls nicht.

Gott, geheimnisvoll waltest du überall und überall bist du verborgen. Du bist gegenwärtig in der Höhe, aber die Höhe kann dich nicht fassen. Du bist in der Tiefe, aber sie umgreift dein Wesen nicht. Du bist ganz nur Wunder, wo immer wir dich suchen. Nah bist du und fern. Wer gelangt zu dir? Der forschende Geist, der sinnende, kann es nicht. Dir naht nur der Glaube, nur die Liebe, nur das Gebet. Amen.

Paulus – Galaterbrief

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Ich erkläre euch, Brüder: Das Evangelium, das ich verkündigt habe, stammt nicht von Menschen; ich habe es ja nicht von einem Menschen übernommen oder gelernt, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi empfangen. (Gal 1,10-12)

Das Missionswerk des Paulus in Galatien ist in seinem Kern bedroht durch Prediger, die von den heidnischen Galatern die Beschneidung und damit auch die Einhaltung der jüdischen Reinheitsvorschriften fordern. Paulus sieht sich als Apostel der Heiden, der die Kirche Christi unter den Heiden aufbaut, die zwar auf dem Fundament des Alten Bundes steht, aber nicht mehr an den alten Riten festhält. Das Christentum ist keine jüdische Sekte, sondern eine neue Religion.

Die Gegner des Paulus berufen sich darauf, nach der Lehre der Apostel zu handeln. Für sie ist Paulus kein richtiger Apostel, da er erst nach der Auferstehung Jesu zum Glauben gekommen ist. Daher erkennen sie seine Lehre nicht an. Sicher konnten sie auch viele andere mit ihren Argumenten überzeugen, denn auf den ersten Blick betrachtet sind die Apostel, die Jesus selbst berufen hat und die mit Jesus beisammen waren, bedeutender als Paulus, der Jesus nicht wirklich erlebt hat.

Daher ist es Paulus so wichtig zu betonen, dass er Jesus Christus gesehen hat. Der Auferstandene ist auch ihm erschienen und hat ihm den Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums unter den Heiden anvertraut. Wie die anderen Apostel von Jesus zu seinen Lebzeiten gelernt haben, so hat Paulus von ihm durch eine Offenbarung gelernt. Paulus hat es daher nicht nötig, erst bei den anderen Aposteln in die Lehre zu gehen. Bevor er dies näher ausführt, zeigt er, wie die Offenbarung Christi sein eigenes Leben grundlegend verändert hat.

Ihr habt doch gehört, wie ich früher als gesetzestreuer Jude gelebt habe, und wisst, wie maßlos ich die Kirche Gottes verfolgte und zu vernichten suchte. In der Treue zum jüdischen Gesetz übertraf ich die meisten Altersgenossen in meinem Volk und mit dem größten Eifer setzte ich mich für die Überlieferungen meiner Väter ein. (Gal 1,13-14)

Paulus war vor seiner Bekehrung ein gesetzestreuer Jude, der in seiner Befolgung des jüdischen Gesetzes vorbildlich war und in seinem Eifer die meisten seiner Zeitgenossen übertraf. In diesem Eifer wollte er auch das Christentum, in dem er zunächst eine jüdische Sekte sah, die den Glauben der Väter verfälschte, im Keim ersticken. Alle Welt hat seiner Meinung nach davon gehört. Bis ins ferne Galatien ist der Ruf von ihm gedrungen. Dann aber ist etwas geschehen, das sein Leben und auch seine Überzeugungen grundlegend geändert hat. Er erkannte, dass dieser Christus, dessen Anhänger er verfolgte, wirklich der Sohn des Vaters war, des Gottes, für den er so eifernd kämpfte und dass Gott der Welt durch ihn eine neue Offenbarung geschenkt hat.

Als aber Gott, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, mir in seiner Güte seinen Sohn offenbarte, damit ich ihn unter den Heiden verkündige, da zog ich keinen Menschen zu Rate; ich ging auch nicht sogleich nach Jerusalem hinauf zu denen, die vor mir Apostel waren, sondern zog nach Arabien und kehrte dann wieder nach Damaskus zurück. (Gal 1,15-17)

Paulus weiß sich von Gott berufen, und das schon von Mutterleib an. Er stellt sich damit auf eine Stufe mit den Propheten und großen Gestalten des Alten Bundes. Oft gibt es über diese einen Bericht davon, dass schon bei ihrer Empfängnis und Geburt durch besondere Zeichen deren Erwählung deutlich wurde. So hören wir es ja auch im Lukasevangelium von Johannes dem Täufer. Oft sind es stilisierte Erzählungen, die einem gewissen Schema folgen, und somit zwar erbaulich sind, uns aber historisch als wertlos erscheinen. Von Paulus gibt es keinen Kindheitsbericht in der Heiligen Schrift. Wir lernen ihn nur als erwachsenen Mann kennen. Und doch gilt auch für ihn, dass seine Erwählung durch Gott bereits im Mutterschoß erfolgt ist.

Weil Paulus seine Offenbarung direkt von Gott erhalten hat, braucht er nicht erst zu Menschen in die Lehre zu gehen, bevor er selbst lehrt, auch nicht zu den Aposteln in Jerusalem. Die Offenbarung Gottes hat ihn in den gleichen Stand versetzt wie diese. Es ist daher nicht ein Zeichen von Überheblichkeit, dass er nicht zu den Aposteln geht, sondern Gottes Wille. Wenn er sich erst die Unterweisung und den Auftrag der Apostel für seine Verkündigung einholen müsste, würde er Gottes Auftrag nicht treu erfüllen.

Drei Jahre später ging ich nach Jerusalem hinauf, um Kephas kennen zu lernen, und blieb fünfzehn Tage bei ihm. Von den anderen Aposteln habe ich keinen gesehen, nur Jakobus, den Bruder des Herrn. (Gal 1,18-19)

Schließlich ist Paulus doch nach Jerusalem gegangen, aber erst nach drei Jahren, nachdem er in Arabien das Evangelium verkündet hat. Von dieser Missionstätigkeit des Paulus erfahren wir leider nichts Weiteres und auch in seinen Briefen geht es nicht mehr darauf ein. Seine Reise nach Jerusalem hatte allein den Zweck, Petrus den Fels (Kephas) kennenzulernen. Nicht, um von ihm zu lernen oder sich von ihm die oberhirtliche Bestätigung für seine Missionstätigkeit einzuholen, sondern allein aus Respekt und Freundschaft dem Petrus gegenüber ist Paulus nach Jerusalem gegangen. Er hat sonst keinen anderen der Apostel kennengelernt, außer Jakobus, den Bruder des Herrn, der damals wohl die Leitung der Jerusalemer Gemeinde innehatte.

Wir dürfen also aus dieser Stelle keinen Konflikt zwischen Paulus und Petrus herauslesen. Wenn auch in Gal 2,11 und anderen Stellen der Heiligen Schrift von einer Auseinandersetzung zwischen Petrus und Paulus die Rede ist, so handelt es sich dabei nur um die Klärung strittiger Punkte und nicht um eine grundsätzliche Differenz oder gar Feindschaft. Petrus war mit seinem Verhalten und seiner Lehre noch tiefer im Judentum verwurzelt als Paulus. Dem Fischer vom See Gennesaret ist es schwerer gefallen, seine von Kindheit an gelernte religiöse Praxis aufzugeben als dem gebildeten und weitgereisten Paulus.

Weil Petrus seine Verwurzelung im Judentum deutlich machte, konnten sich die Gegner des Paulus, die von den Heiden die Übernahme eben jener Bräuche forderten, auf ihn, den ersten der Apostel, berufen. Daher muss Paulus so deutlich machen, dass er selbst Petrus in nichts nachsteht und mit ihm in gegenseitigem Einvernehmen, ja sogar Freundschaft verbunden ist. Es ist ja auch tatsächlich so, dass sich die Apostel darauf geeinigt haben, von den Heidenchristen weder die Beschneidung noch die Einhaltung der jüdischen Reinheitsvorschriften einzufordern.

Vielleicht können wir hier Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus als Vergleich nehmen. Für Papst Benedikt XVI. sind die traditionellen Riten der katholischen Kirche besonders wichtig. Unter seinem Pontifikat kam es zu einer Stärkung traditioneller Gottesdienstformen. Papst Franziskus setzt andere Akzente. Und doch stehen beide fest auf dem Fundament des katholischen Glaubens. Jeder der beiden hat verschiedene Gruppen, die ihn besonders verehren, aber doch genießen beide als Papst das gleiche Ansehen. Ähnlich mag es auch mit Petrus und Paulus gewesen sein. Während Petrus mehr die Judenchristen angesprochen hat, war diesen Paulus stets verdächtig. Und doch sind beide von Christus berufen und stehen fest im Glauben an den Herrn. Die Kirche hat dies in ihrer Tradition auch immer betont, da sie die beiden Apostel am gleichen Tag (29.6.) gemeinsam feiert.

Was ich euch hier schreibe – Gott weiß, dass ich nicht lüge. Danach ging ich in das Gebiet von Syrien und Zilizien. Den Gemeinden Christi in Judäa aber blieb ich persönlich unbekannt, sie hörten nur: Er, der uns einst verfolgte, verkündigt jetzt den Glauben, den er früher vernichten wollte. Und sie lobten Gott um meinetwillen. (Gal 1,20-24)

Nach seinem Besuch in Jerusalem zieht Paulus weiter und missioniert in Syrien und Zilizien. Mit den Gemeinden in Judäa hatte er aber nichts zu tun. Diese gehörten zum Missionsfeld des Petrus und der anderen Apostel. Hier mischt sich Paulus nicht ein. Doch sein Ruf als Missionar dringt bis zu ihnen und sie freuen sich darüber, dass durch ihn Jesus Christus in der Welt bekannt gemacht wird. Dafür loben und danken sie Gott.

Herz Jesu

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Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wieder gefunden, das verloren war. Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren. (Lk 15,4-7)

Im Lesejahr C hören wir am Herz-Jesu-Fest im Evangelium das Gleichnis vom verlorenen Schaf. Jesus offenbart uns darin die Tiefe der Liebe des göttlichen Herzens. Bevor Jesus das Gleichnis erzählt, berichtet Lukas davon, dass alle Zöllner und Sünder zu Jesus kommen. Darüber empören sich die Pharisäer und Schriftgelehrten. Mit solchen Menschen darf ein Frommer keinen Umgang haben.

Die Welt ist klar geordnet. Auf der einen Seite die Guten, auf der anderen die Bösen. Jeder entscheidet selbst, wo er hingehören will. Wer sich für die böse Seite entscheidet, der ist verloren und abgeschrieben. Er ist selbst schuld an seinem Schicksal. Hätte er mal früher bedacht, was er tut. Soll er doch sehen, wohin er mit seiner Einstellung kommt.

Sind die Hirten wirklich so, wie Jesus sie beschreibt? Kann sich ein Hirte wirklich erlauben, dem einen verlorenen Schaft nachzugehen, und die anderen allein zurück zu lassen? Selbst wenn er es sucht, wird er es dann nicht viel mehr voller Zorn mit vielen Schlägen zur Herde zurück treiben, anstatt es auf den Schultern zu tragen?

Nur wer die Liebe kennt, kann sich vorstellen, was der Verlust eines geliebten Menschen bedeutet. Nur wer liebt, wird seine ganze Mühe daran setzen, den geliebten Menschen rastlos zu suchen. Und wenn er ihn gefunden hat, wird er alle Sorge um den Vermissten vergessen, aus lauter Freude über das Wiedersehen. Er denkt gar nicht daran, dem anderen Vorwürfe zu machen, sondern allein die Freude erfüllt nun sein Herz.

Diese Freude ist das zentrale Geheimnis des Gleichnisses. Nur wer diese Freude der Liebe kennt, weiß etwas vom Herzen Gottes. Gott geht dem Verlorenen nach und seine Arme sind weit ausgestreckt, um jeden zu umfassen, der sich ihm zuwendet. Wer Gottes Liebe kennt, wird keinen Menschen mehr verurteilen und über niemand mehr richten. Er wird erkennen, wie sehr er selbst ständig der göttlichen Liebe und Barmherzigkeit bedarf.

Wir alle sind wie verirrte Schafe. Nie werden wir vollkommen den Willen Gottes erfüllen. Immer werden wir unseren eigenen Weg gehen und brauchen den guten Hirten, der uns voller Liebe sucht und an sein Herz zurückholt. Gott wird nicht müde, sich an uns zu freuen, wenn er uns an sein Herz drücken kann.

Beten wir mit der Hl. Gertud von Helfta darum, dass unser Herz dem Herzen Gottes immer ähnlicher werde:

Ich grüße dich, Heiligstes Herz Jesu, du lebendige und lebendig machende Quelle des ewigen Lebens, du unendlicher Schatz der Gottheit und flammender Glutofen der göttlichen Liebe! Du bist mein Ruheplatz und mein Zufluchtsort. O mein göttlicher Erlöser, entflamme mein Herz mit der heißen Liebe, von der dein Herz ganz verzehrt wird! Gieße aus in mein Herz die großen Gnaden, deren Quelle du bist, und mach, dass mein Herz sich so mit dem deinen vereine, dass dein Wille der meine sei, und dass mein Wille auf ewig dem deinigen gleichförmig sei; denn ich wünsche fortan deinen heiligen Willen zur Richtschnur aller meiner Handlungen zu haben. Amen.