Psalm 146 (1) – Gotteslob

Halleluja! (Ps 146,1a)

Halleluja, preist den Herrn! Dieser freudige Aufruf zum Gotteslob findet sich nur an wenigen Stellen in der Bibel. Auch in den Psalmen ist er nicht so häufig, wie wir vielleicht denken. Im Christentum hat sich dieser jüdische Gebetsruf viel stärker verbreitet als im Judentum selbst. In der Heiligen Messe ertönt der Halleluja-Ruf vor (und neuerdings oft auch nach) dem Evangelium. Das Halleluja steht in ganz besonderer Weise mit der Auferstehung Jesu Christi in Zusammenhang. Nach dem Verstummen des Halleluja-Gesangs während der Fastenzeit singen wir es neu und feierlich in der Osternacht. In der Osterzeit findet sich das Halleluja in vielen Liedern und wird im Stundengebet an nahezu jede Antiphon angefügt.

Ursprünglich werden aber nur wenige Psalmen mit Halleluja gesungen. Am deutlichsten tritt es bei den letzten Psalmen des Psalters hervor. Wie viele Psalmen zunächst als Klageruf beginnen und dann in frohem Lob und Dank an Gott für seine Rettungstat enden, so ist es auch beim ganzen Psalter. Sein Abschluss ist noch einmal geprägt von einem frohen und überschwänglichen Lob an Gott.

Lobe den Herrn, meine Seele! Ich will den Herrn loben, solange ich lebe, meinem Gott singen und spielen, solange ich da bin. (Ps 146,1b-2)

Diese Worte kann man eigentlich nicht im Sitzen beten, man muss dazu aufstehen, so wie man sich zum Halleluja-Ruf vor dem Evangelium erhebt. Körper und Geist, Leib und Seele vereinen sich zum Lob Gottes. Der Mensch wird ganz ein Gott-Lobender. Er steht auf, hebt seine Hände, ruft mit voller Stimme aus ganzem Herzen das Lob Gottes. Das ist die Bestimmung des Menschen, das ist das Ziel des Menschen, allezeit Gott zu loben mit seinen Worten und seinem Tun. Das soll unser ganzes Leben und Dasein prägen.

Versuchen wir uns diese Einstellung zu eigen zu machen. Egal was geschieht, es ist immer Zeit, Gott zu loben. Gott ist immer da, um mich zu retten. Gott hört meinen Lobpreis allezeit. Ich brauche mich nicht zu fürchten, nicht zu verzweifeln, denn Gott ist da. In der Bibel lesen wir immer wieder, wie Menschen gerade in der größten Bedrängnis Gott gepriesen haben. Die Apostel und die ersten Christen in der Verfolgung haben im Gefängnis Loblieder gesungen und so ihre Zuversicht zum Ausdruck gebracht. Das Gotteslob drang nach draußen und hat auch andere dazu ermutigt, sich zu diesem Gott zu bekennen, der seinen Gläubigen diese Hoffnung gibt.

Sind wir als Christen nicht zu kleinlaut geworden? Wo hört man heute noch unser Gotteslob auf den Straßen? Haben wir den Mut, unserem Gott zu lobsingen, mit lauter Stimme, mit Leib und Seele, jederzeit und überall.

Das Hohelied

Das Hohelied, auch “Lied der Lieder” genannt, wird wie das Buch der Sprichwörter, das Buch Kohelet und das Buch der Weisheit dem König Salomo zugeschrieben. Doch auch wenn im Buch von einem König und auch von Salomo die Rede ist, ist diese Zuschreibung nicht haltbar. Sie ist in einem fiktiven Sinn zu verstehen, da Salomo zur Zeit der Abfassung des Buches zu einem Synonym für den Weisen schlechthin geworden ist. Der königliche Hintergrund soll auch zeigen, dass sich die Liebe hier auf höchstem Niveau abspielt und vor diesem Hintergrund letztlich auch würdig ist, zum Bild für die Liebe Gottes zu seinem Volk zu werden. Es wird von einer Abfassung in nachexilischer Zeit, wahrscheinlich im 3. Jahrhundert vor Christus, ausgegangen.

Das Hohelied singt in hochpoetischer Sprache von der Liebe zwischen Mann und Frau, zwischen Braut und Bräutigam. Bereits im Judentum wurde diese Liebe als Bild für die Liebe Gottes zu seinem Volk gedeutet, was ein wichtiger Grund dafür war, dass dieses Buch Eingang gefunden hat in den Kanon der Heiligen Schrift. Im Christentum setzt sich diese allegorische Deutung fort und so wurde das Hohelied zu einem der am häufigsten kommentieren Bücher der Heiligen Schrift. Auch für die im frühen Mittelalter aufkommende Marianische Frömmigkeit spielte es eine wichtige Rolle.

Erst in der Neuzeit verlor das Buch an Bedeutung. Damals setzte ein Wandel im Verständnis der Liebe zwischen Mann und Frau ein und man verlor auch allmählich das Verständnis für allegorische Deutungen. Wenn daher der Zugang für uns Menschen heute mühsam erscheint, lohnt es sich dennoch, dieses einzigartige Buch neu zu entdecken. Wir werden zwei Liebende darin finden, sie sich sehnsüchtig suchen, die einander finden, wieder getrennt werden und am Ende dann auf ewig vereint sind. Wir können die Worte des Buches zunächst konkret verstehen und darin zwei liebende Menschen sehen, doch dann müssen wir auch den Sprung wagen, darin den liebenden Gott zu sehen, der um unsere Liebe wirbt und uns zu sich hinziehen möchte.

Wir können die Texte nur verstehen, wenn wir selbst etwas von der Liebe verstanden haben. So schreibt Bernhard von Clairvaux:

Dieses Buch hebt sich von den übrigen Büchern der Heiligen Schrift deutlich ab. Man hat in diesem Hochzeitslied weniger auf die Worte zu achten, die es sagt, als vielmehr auf die Empfindungen, die es ausdrücken will. Der Grund leuchtet ein. Die heilige Liebe, die den einzigen Inhalt dieses ganzen Buches bildet, ist nicht nach Wort uns Sprache, sondern nach Tat und Wahrheit zu bewerten. Liebe spricht aus jeder Zeile, und wenn jemand verstehen möchte, wovon darin die Rede ist, so liebe er! Wer nicht liebt, der hört und liest das Buch von der Liebe umsonst, denn ein kaltes Herz vermag eine feurige Rede schlechthin nicht zu fassen. Wer kein Griechisch oder Latein gelernt hat, kann keinen verstehen, der griechisch oder lateinisch spricht. So bleibt auch die Sprache der Liebe dem, der nicht liebt, wildfremd.

Die Sprache der Liebe ist auch die Sprache, die wir in unserem Reden über die Gottesmutter verwenden. Wenn wir die Texte des Hohenliedes im marianischen Sinn deuten, dann deshalb, weil Maria zum Urbild des erlösten Menschen geworden ist. In Maria zeigt sich auf exemplarische Weise, wie jeder Mensch die Liebe auf vollkommene Weise leben kann. Maria ist die Gott-Liebende und sie wird zum Vorbild für jeden Menschen, der die Liebe in ihrer höchsten Form leben möchte. Sie war bereit, auf Gottes Wort zu hören, sie sprach ihr Ja zu seinem Willen und sie lebte dieses Ja in vollkommener Weise. Sie ist die Makellose, die frei ist von jeder Sünde, das Urbild des erlösten Menschen, der nach der Taufe in vollkommener Reinheit vor Gott steht. Sie zeigt uns den Weg, diese Reinheit im Leben zu bewahren und sie ist uns vorangegangen zu ihrem Sohn, der uns alle in sein Himmlisches Reich aufnehmen möchte.

Unergründliche Tiefe

O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege! (Röm 11,33)

So schreibt Paulus im Römerbrief. Gottes Weisheit bleibt Menschen letztlich verborgen.Wer Gottes Weisheit verstehen will, muss innehalten und in die Tiefe gehen. Menschen fällt es jedoch leichter, sich für etwas zu entscheiden, das kompakt und verständlich daher kommt. Doch gerade das, was einfach erscheint, hat viele Mängel. Wir können uns nicht mit allem im Detail beschäftigen. Unser Wissen bleibt zwangsläufig begrenzt. Aber gerade deshalb müssen wir uns eine gesunde Distanz zu allem bewahren, was uns einfache Erklärungen liefern will. Wir müssen uns stets eine gesunde Offenheit bewahren für die verborgenen Geheimnisse der Wirklichkeit, die sich hinter den vielen Meinungen verbergen.

Haben wir Mut, in die Tiefe zu gehen und nicht an der Oberfläche stehen zu bleiben. Ja, wir müssen uns eine Meinung bilden, wir müssen Stellung beziehen zu den Fragen dieser Zeit. Aber unsere Meinung sollte nicht auf den Parolen der Populisten jedweder Richtung basieren, sondern auf dem Hinterfragen von allem, was man uns vorlegt. Vor allem müssen wir uns immer dessen bewusst sein, dass die Meinung, die wir uns gebildet haben, nicht der Wahrheit entspricht, sondern allenfalls eine Annäherung daran ist. Daher müssen wir auch stets den Mut haben, unsere Meinung zu ändern, wenn wir etwas entdeckt haben, mit dem wir der Wahrheit näher kommen als bisher.

Herr, mein Gott,
lass mich dich in allem erkennen, denn du bist der Schöpfer von allem und du hast deine Spuren in alles gelegt.
Lass mich stets wachsam sein, wenn andere mich mit ihrer Meinung beeinflussen wollen. Lehre mich tiefer zu blicken, nachzuforschen, und den Dingen auf den Grund zu gehen.
Lass mich nicht getrieben sein vom Gewirr der Meinungen, sondern gib mir eine feste Überzeugung, die ich gegen andere Meinungen verteidigen kann.
Aber gib mir auch den Mut, meine Überzeugung zu revidieren, wenn ich einen Fehler darin erkannt habe.
Lass mich die Welt immer mehr mit deinen Augen sehen, mit den Augen der Liebe, die das Sein hinter dem Schein entdeckt und erkennt, worauf es wirklich ankommt im Leben.
Amen.

Maria Königin (2)

Die Braut steht dir zur Rechten im Schmuck von Ofirgold. (Ps 45,10)

Dieser Text aus Psalm 45 steht als Eröffnungsvers am Beginn der Messe am Fest Maria Königin. Ofirgold war das Kostbarste, das man in Jerusalem kannte. Kein anderes Gold war so rein wie dieses. Es ist der einzig angemessene Schmuck für die Braut, die Königin.

Die Zierde Mariens ist ihre Keuschheit, die sich in ihrer immerwährenden Jungfräulichkeit zeigt. Sie hat die Würde, die ihr Gott verliehen hat, unversehrt bewahrt. Gott gab ihr die Gnade, von Sünde frei zu sein, und Maria hat in ihrem Leben aller Sünde widersagt.

Höre, Tochter, sieh her und neige dein Ohr, vergiss dein Volk und dein Vaterhaus!

Der König verlangt nach deiner Schönheit; er ist ja dein Herr, verneig dich vor ihm! (Ps 45,11-12)

So heißt es weiter im Psalm. Ja, Maria hat alles aufgegeben, und sich ganz dem Willen Gottes hingegeben. Sie wollte nicht sich selbst verwirklichen, sondern das Wort Gottes Wirklichkeit werden lassen. Durch ihre Hingabe an den Willen des Vaters hat sie die höchste Vollendung erlangt. Die ist uns Vorbild auf dem Weg der Nachfolge und Fürsprecherin bei ihrem Sohn, dass auch wir einst die Vollendung erlangen, die wahre Erfüllung unserer Sehnsucht.

Heilige Maria, hohe Himmelskönigin, du bist in Wahrheit die Spenderin des Lebens, ein nie versiegender Quell göttlicher Gnaden. Wegen deiner hohen Tugend hast du solches Wohlgefallen gefunden in den Augen Gottes, dass du in deinen jungfraulichen Schoss den Urheber des Lebens und der Gnade selbst, Jesus Christus, aufnehmen durftest. Du wurdest die Mutter des Gottmenschen und damit die Mutter der erlösten Menschheit.

Du bist die Mutter der Gnade und des Lebens, des Erbarmens und der Verzeihung. In mütterlicher Liebe blicke herab auf mich! Sieh an meine mannigfache geistige und leibliche Not! Hebe mich empor zur echten Freundschaft mit Gott! Erbitte mir die Gnade der Beharrlichkeit! Maria, durch dein Gebet vermagst du alles beim Herrn. So gestatte denn, dass ich Armer dich zu meiner besonderen Beschützerin erwähle. Durch deine mächtige Fürbitte werde ich gewiss von deinem göttlichen Sohne alle Gnaden erhalten, die mir notwendig sind, um mit Seele und Leib treu zu dienen. So wirst du auch mir gegenüber zeigen, was du bist, die Mutter der göttlichen Gnade, und ich werde mit Hilfe der Gnaden, die du mir erwirkst, heilig leben hier auf Erden und werde dich dann ewig preisen dürfen im Himmel! Amen. (Pius XI.)

Maria Königin (1)

Anmut ist ausgegossen über deine Lippen; darum hat Gott dich für immer gesegnet. (Ps 45,3)

Diese Worte aus Psalm 45 betet die Kirche am Fest Maria Königin. Der Psalm, aus dem diese Worte stammen, ist zunächst ein Liebeslied, ein Lied zur Hochzeit des Königs. Mag der Text von seinem Ursprung her auch die Schönheit und Würde eines orientalischen Herrschers und dessen Gemahlin besingen, so beten wir ihn heute im Blick auf Jesus Christus, den ewigen, himmlischen König, und seine Mutter Maria. Derjenige, der im Psalm über den König und die Königin spricht, ist kein geringerer als Gott-Vater selbst.

Maria ist das Urbild der Kirche. Ihr Sohn Jesus Christus hat sie im Himmel an seine Seite erhoben, als Königin, die mit ihm herrscht in Gerechtigkeit und Würde in Ewigkeit. Vom Segen Gottes über Maria hören wir an einer anderen Stelle der Bibel:

Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. (Lk 1,42)

So wird Maria von Elisabeth begrüßt und bis heute beten wir so im “Gegrüßet seist du Maria”. Maria ist von Gott gesegnet. Er hat sie auserwählt, die Mutter seines Sohnes zu werden und Maria hat Ja gesagt zu Gottes Plan. Die Gnade und der Segen, die sie erfahren hat, sind größer als es je ein anderer Mensch erfahren hat. So nimmt es nicht Wunder, dass ihr Sohn sie nach ihrem Tod zu sich in den Himmel erhoben hat und ihr die Würde der Königin des Himmels verliehen hat.

Sei gegrüßt, Herrin, heilige Königin,

heilige Gottesmutter Maria,

du bist Jungfrau, zur Kirche geworden

und erwählt vom Heiligsten Vater im Himmel,

die er geweiht hat mit seinem Heiligsten geliebten Sohn

und dem Heiligen Geiste, dem Tröster;

in der war und ist alle Fülle der Gnade und jegliches Gute.

Sei gegrüßt, du sein Palast.

Sei gegrüßt, du sein Gezelt.

Sei gegrüßt, du sein Haus.

Sei gegrüßt, du sein Gewand.

Sei gegrüßt, du seine Magd.

Sei gegrüßt, du seine Mutter.

(Franz von Assisi)

Bernhard von Clairvaux

Wenn du weise bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal. (Bernhard von Clairvaux)

Bernhard von Clairvaux mahnt dazu, erst selbst zu lernen, selbst den eigenen Weg zu finden, selbst spirituelle Erfahrungen zu machen, bevor man anderen helfen will. Nur wer selbst voll ist wie eine Schale, kann aus seiner Fülle weiter schenken. Wer nur ein Kanal ist, der weiterleitet, wird sich schnell verausgaben. Gerade in unserer hektischen Zeit haben die Worte Bernhards wieder neu an Bedeutung gewonnen und werden gerne von Psychologen zitiert. Nehmen wir uns Zeit, uns selbst zu begegnen, nehmen wir uns Zeit, Gott zu begegnen. Erst dann können wir nachhaltig in den Dienst der Menschen treten und von Gott Zeugnis geben.

Wenn du weise bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal. Der Kanal nimmt fast gleichzeitig auf und gibt weiter, was er aufgenommen hat, die Schale aber wartet, bis sie voll ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Verlust weiter. …

Wir haben heute viele Kanäle in der Kirche, aber sehr wenige Schalen. Diejenigen, durch die uns die himmlischen Ströme zufließen, haben eine so große “Liebe”, dass sie lieber ausgießen als aufnehmen wollen, dass sie lieber reden als zuhören, dass sie schnell dabei sind zu lehren, was sie selbst nie gelernt haben, und danach verlangen, eine führende Stellung einzunehmen, auch wenn sie es nicht einmal verstehen, sich selbst zu lenken. …

Du aber lerne, nur aus der Fülle auszugießen und nicht den Wunsch zu haben, freigiebiger zu sein als Gott. Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, ergießt sie sich in den Fluss oder wird zu einem See. Die Schale schämt sich nicht, dass sie nicht überströmender ist als die Quelle. …

Handle also auch du ebenso! Werde zuerst voll, und dann magst du daran denken, aus deiner Fülle weiterzugeben. Eine gütige und kluge Liebe pflegt zuzuströmen, nicht zu verrinnen. …

Ich kann aus dir keinen Reichtum schöpfen, wenn du leer bist. Wenn du nämlich mit dir selbst schlecht umgehst, wem bist du dann gut? Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle, wenn nicht, dann spare für dich.

Die ungewöhnliche Schönheit Mariens

Pulchra es et decora, filia Jerusalem: terribilis ut castrorum acies ordinata.

Schön bist du und anmutig, Tochter Jerusalems, furchterregend wie die geordnete Schlachtreihe eines Heeres.

Als ich versuchte, die vierte Antiphon der Marienvesper aus dem Lateinischen ins Deutsche zu übersetzen, kam ich ins Stocken. So ungewohnt klang der Text. Er stammt aus der lateinischen Fassung des Hohenliedes (Hld 6,4), dessen Text oft in den marianischen Kontext übernommen worden ist.

Das Hohelied, auch “Lied der Lieder” genannt, wird König Salomo zugeschrieben und besingt die Liebe zwischen Mann und Frau. Geliebter und Geliebte suchen einander und können sich nicht finden, in ihren Liedern beschreiben sie die Schönheit des anderen und bringen ihre Sehnsucht zum Ausdruck.

Die Schönheit der Geliebten hat christliche Frömmigkeit auf Maria übertragen. Mit dem Geliebten singt die Kirche das Lob Mariens. Maria ist wunderschön. Der Ausdruck Tochter Jerusalems wird gerne im Hohenlied als Bezeichnung der Geliebten verwendet.

Doch dann dies: wo wir aus der Einheitsübersetzung die Formulierung “prächtig wie Himmelbilder” gewohnt sind, steht im lateinischen Text etwas ganz anderes. Es ist nicht nachzuvollziehen, woher die Einheitsübersetzung diese zwar liebliche, jedoch mit dem Text der Schrift nicht vereinbare Übersetzung mit Himmelsbildern nimmt. Alle Übersetzungen nahe am Urtext von Martin Luther über Martin Buber bis hin zu modernen Kommentatoren stellen den Text in den militärischen Kontext. Bestärkt wird dies auch durch die Erwähnung der Stadt Tirza im ersten Teil des Verses. Tirza war eine alte, befestigte Königsstadt im Nordreich Israels.

Die Geliebte aus dem Hohenlied und ebenso Maria werden verglichen mit der geordneten Schlachtreihe eines Heeres. Ich stelle mit hierbei ein antikes Heer vor, dessen Anführer prächtige Rüstungen tragen und dem Fahnenträger mit wallenden Standarten vorangehen. Die Soldaten stehen in Reih und Glied. Es handelt sich nicht um eine wüste Kriegshorde, die sich schreiend auf den Gegner stürzt, sondern um ein Heer, das nach zuvor präzise exerzierten Regeln in die Schlacht zieht.

Sicher ein Bild, das herausfordert. Wir leben in einer Zeit des Pazifismus, das Bild des Krieges soll spätestens seit dem brutalen Vietnamkrieg aus den Köpfen der Menschen in der zivilisierten westlichen Welt verschwinden. Aber dennoch sind die Kriege auf der Erde nicht verschwunden. Überall toben Kämpfe, von den Medien beachtet wie beispielsweise in Syrien und Afghanistan, oder weitgehend unbeachtet in den ärmsten Ländern der Dritten Welt. Zudem hat sich der Kriegsschauplatz der Welt durch den militanten Terrorismus bereits bis in das Herz unserer Gesellschaft verlagert.

Als Christen müssen wir kampfbereit sein, um die Freiheit unserer Gesellschaft und mit ihr die Freiheit unseres Glaubens zu verteidigen. Doch unsere Waffen sind nicht Gewehre und Panzer, sind nicht Autobomben und Sprenggürtel. Unsere stärkste Waffe ist der Glaube an den einen Gott, den Herrn des Himmels und der Erde und an seinen Sohn Jesus Christus, der den Tod besiegt hat. Unser Übungsplatz sind nicht die Kasernen, sondern der Alltag unseres Lebens. Hier gilt es, die Reinheit des Herzens zu bewahren und den Verlockungen des Bösen zu widerstehen.

Uns voran zieht die Standarte des Kreuzes, wie wir im Hymnus “Vexilla Regis” am Fest Kreuzerhöhung singen und Maria kämpft mit uns in den Schlachtreihen des Heeres. Sie ist unsere Fürsprecherin bei ihrem Sohn, dass wir im Kampf nicht erliegen, sondern siegreich daraus hervorgehen. Wir tun gut daran, uns dieses Bild zu eigen zu machen in den Kämpfen, die wir im Leben zu bestehen haben. Maria kämpft mit uns, sie kämpft für uns, sie ist die Frau der Apokalypse, die den Drachen bezwungen hat, der gegen die Kinder Gottes Krieg führt. Vertrauen wir uns ihrer Fürsprache an:

Wer ist es, die da aufsteigt wie die Morgenröte, schön wie der Mond, leuchtend wie die Sonne, furchtbar wie ein Heer in Schlachtbereitschaft?

O Maria, ohne Sünde empfangen, bitte für uns, die wir zu dir unsre Zuflucht nehmen.

Herr Jesus Christus, unser Mittler beim Vater, dir hat es gefallen, die allerseligste Jungfrau Maria, deine Mutter, auch uns zur Mutter zu geben, damit sie unsere Mittlerin bei dir sei. Gewähre denen, die von dir Gnaden erbitten, die Freude, alles durch Maria zu erlangen. Amen.

Mariä Himmelfahrt

Maria ist aufgenommen in den Himmel!

Die Engel freuen sich und lobpreisen den Herrn!

So singt die Kirche freudig am Fest Mariä Himmelfahrt. Der heutige Festtag ist von dieser Fröhlichkeit ganz durchströmt. In unseren Breiten liegt das Fest zudem mitten im Sommer, was ihm zusätzlich einen hellen, lichtdurchströmten Charakter verleiht.

Doch dass wir den heutigen Festtag feiern, ist nicht selbstverständlich. In der Heiligen Schrift wird die Gottesmutter zuletzt in Verbindung mit dem Gebet der Apostel vor dem Pfingstfest erwähnt. Über ihr weiteres Leben, ihren Tod und eine mögliche Aufnahme in den Himmel schweigt die Heilige Schrift. Diese Lücke wird durch verschiedene apokryphe Schriften gefüllt, die aber nicht den Anspruch erheben dürfen, von Gott geoffenbartes Wort zu sein.

Die frühen Theologen waren sich darüber im Klaren, dass Maria das gleiche Schicksal erleiden musste wie alle Menschen. Sie musste sterben. Aber doch konnten sie sich nicht vorstellen, dass Jesus Christus seine Mutter im Grab zurückzulassen vermochte. Zudem war man sich bereits in frühen Zeiten sicher, dass Maria bei ihrem Sohn besondere Fürsprache für uns Menschen einlegte. Maria musste also nach ihrem Tod ihrem Sohn ganz nahe gekommen sein.

Die Ostkirche feiert seit dem 6. Jahrhundert das Fest der Entschlafung der Gottesmutter. Sie gedenkt damit nicht nur des Todes der Gottesmutter, sondern auch ihrer Neugeburt für den Himmel. Bereits im 7. und 8. Jahrhundert wird das Fest im Westen verbunden mit dem Gedenken an die Unverwestheit ihres Leides und ihre Aufnehme in den Himmel. Von hier ist es nur noch ein kurzer Schritt hin zu dem Glauben, dass nicht nur die Seele Mariens in den Himmel aufgenommen wurde, sondern auch ihr Leib.

Die in Fürbitten unermüdliche Gottesmutter

und in der Hilfe unerschütterliche Hoffnung

konnten Tod und Grab nicht halten,

denn als Mutter des Lebens

hat sie zum Leben geführt

Er, der einst ihren jungfräulichen Schoß

zur Wohnung genommen.

Die Rettung Israels (Röm 9)

Ich sage in Christus die Wahrheit und lüge nicht und mein Gewissen bezeugt es mir im Heiligen Geist: Ich bin voll Trauer, unablässig leidet mein Herz. Ja, ich möchte selber verflucht und von Christus getrennt sein um meiner Brüder willen, die der Abstammung nach mit mir verbunden sind. Sie sind Israeliten; damit haben sie die Sohnschaft, die Herrlichkeit, die Bundesordnungen, ihnen ist das Gesetz gegeben, der Gottesdienst und die Verheißungen, sie haben die Väter und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christus, der über allem als Gott steht, er ist gepriesen in Ewigkeit. Amen. (Röm 9,1-5)

In den Kapiteln 9 bis 11 des Römerbriefs befasst sich Paulus ausführlich mit dem Thema der Rettung Israels. Er selbst war Jude und suchte das Heil auf dem Weg der Gesetzesgerechtigkeit, bis Jesus ihm vor Damaskus erschien und seinem Leben eine neue Perspektive gab.

Jesus war Jude, die Apostel waren Juden, die ersten Christen waren Juden. Das Christentum ist aus dem Judentum hervorgegangen. Es baut auf die Heilige Schrift des Alten Bundes. Jesus Christus sieht sich in seinen Predigten als die Erfüllung der Verheißungen des Alten Bundes. Der Gott Israels ist sein Vater. Von seinem Vater ist er gesandt, dem Volk Israel das Heil zu bringen und von Israel ausgehend der ganzen Welt.

Die Gelehrten des Judentums waren da aber anderer Meinung. Die Mehrheit von ihnen sah in Jesus Christus nicht die Erfüllung der Schriften des Alten Bundes, die sie sehr gut kannten, sondern einen Aufrührer und Gotteslästerer, der es sogar wagte, Gott seinen Vater zu nennen. Sie sahen in ihm eine Gefahr für den jüdischen Glauben und das gesamte jüdische Volk und daher war seine Verurteilung zum Tod für sie die einzige Möglichkeit, den Glauben der Väter zu retten.

Bis heute unterscheiden sich Juden und Christen grundlegend in der Auslegung der Heiligen Schrift. Während die Christen nahezu alle Worte und Ereignisse des Alten Testaments auf Jesus Christus hin deuten, hat für fromme Juden Jesus Christus in ihrem Glauben keinen Platz. Die Erfüllung der Verheißungen steht für sie noch aus und sie warten weiterhin sehnsüchtig auf den Messias.

Paulus muss sich vor den Juden und wahrscheinlich auch vor sich selbst rechtfertigen, warum er plötzlich an Jesus Christus glaubt. Es steht auch der Einwand im Raum: Wenn Jesus Christus wirklich gekommen ist, um Israel zu retten, warum haben dann nur wenige geglaubt? Was ist mit dem großen Rest derer, die weiterhin als Juden leben, ohne den Glauben an Jesus Christus anzunehmen?

Israel ist von Gott in ganz besonderer Weise erwählt. Gott hat einen Bund geschlossen mit Abraham, dem Stammvater Israels, und mit Mose und dem Volk am Berg Sinai. Dieser Bund bleibt bestehen. Die Erwählung Israels bleibt. Für Paulus aber mühen sich die Juden nun vergebens. Sie leben eine Verheißung, die sich bereits erfüllt hat. Das rührt Paulus in seinem Innersten, er ist voller Trauer darüber, dass nicht alle seine Brüder aus dem Judentum den Weg zu Jesus Christus gefunden haben, wie er selbst.

Paulus versucht die Juden zu überzeugen, er betet für sie, aber es ist eine Tatsache bis heute, dass viele Juden nicht an Jesus Christus glauben, sondern weiterhin nach der Tradition ihrer Väter leben, wie sie die Heilige Schrift des Alten Bundes überliefert. Paulus weiß, dass die Erwählung Israels vor Gott weiterhin Bestand hat. So liegt es auch ganz in Gottes Hand, was mit seinem erwählten Volk geschieht.

Fortan aber verbindet Juden und Christen eine wechselvolle Geschichte. Galt zunächst das Christentum als jüdische Sekte und gab es anfangs noch Versuche von jüdischer Seite, den Glauben an Jesus Christus eng mit der Tradition der Väter zu verbinden (etwa indem sie von Heidenchristen die Beschneidung und Einhaltung des jüdischen Gesetzes forderten und sie so weitgehend zu Juden machen wollten), löste sich das Christentum immer mehr vom Judentum ab.

Als das Christentum immer stärker wurde, begannen von christlicher Seite Übergriffe auf die Juden. Sie wurden als Christusmörder diffamiert. Mithilfe staatlicher Seite (die bei den Juden wegen ihrer Eigenschaft als Kreditgeber oft Schulden hatte und damit auch davon profitierte) gab es im Mittelalter immer wieder gewaltsame Ausschreitungen gegen Juden. Ihren Höhepunkt erreichte die Gewalt gegen Juden in der grausamen Vernichtung unzähliger Juden durch die Nationalsozialisten.

Christen haben sich immer wieder an Juden schuldig gemacht. Doch jede Form von Judenhass ist zutiefst unchristlich. Wir müssen den Weg Gottes mit seinem auserwählten Volk respektieren und achten. Wir dürfen wie Paulus für die Juden beten, aber es steht uns nicht zu, über Erwählung und Verwerfung zu urteilen. Gott geht den Weg mit seinem Volk, auch heute.

Gott unserer Väter, du hast Abraham und seine Nachkommen auserwählt, deinen Namen zu den Völkern zu tragen. Wir sind zutiefst betrübt über das Verhalten aller, die im Laufe der Geschichte deine Söhne und Töchter leiden ließen. Wir bitten um Verzeihung und wollen uns dafür einsetzen, dass echte Brüderlichkeit herrsche mit dem Volk des Bundes. Darum bitten wir durch Christus unseren Herrn. (Papst Johannes Paul II.)