Römer 8 – Hoffnung

Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. (Röm 8,18)

Die Worte, die Paulus hier schreibt, sind Hoffnungsworte. Wir wissen, dass wir auch als erlöste Christen nicht frei sind von den Leiden dieser Welt. Auch viele fromme Menschen werden von Schicksalsschlägen getroffen, sie leiden unter Krankheiten, den plötzlichen Verlust eines lieben Menschen, Kriegen und Verfolgungen. Oft wird hier die Frage nach dem “Warum?” gestellt. Leid ist keine Strafe für Sünde. Diese ach so leichte Erklärung konnte noch nie eine befriedigende Antwort auf die Frage nach dem Leid geben. Kein Mensch wird diese Frage beantworten können.

Wir können dem Leid nur mit der Hoffnung begegnen. Der Hoffnung, dass Gott auch im Leid für uns sorgt, dass er eine schwere Krankheit heilen kann, die Hoffnung, dass auch sinnlos erscheinendes Leid nicht sinnlos ist, die Hoffnung, dass es immer einen Weg durch das Leid hindurch gibt, und dass Gott diesen Weg mit uns geht. Und nicht zuletzt auch die Hoffnung, dass ein neues Leben bei Gott auf uns wartet, in dem es kein Leid mehr geben wird.

Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat; aber zugleich gab er ihr Hoffnung: Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden. (Röm 8,19-23)

Zusammen mit uns Menschen wartet die gesamte Schöpfung auf die Zeit des Heils. Überall in der Schöpfung stoßen wir auf Leid. Die Natur ist kein Ort der Harmonie, sondern es tobt auf allen Ebenen ein Kampf ums Überleben. Auch hier wissen wir keine Antwort auf die Frage nach dem “Warum?”. Gott hat alles gut, ja sehr gut geschaffen. Kommt das Leid in der Schöpfung durch das Wirken des Menschen zustande? Oder ist eine Kraft am Werk, die Gottes Schöpfung stören und zerstören will?

Paulus gibt uns keine Antwort auf diese Frage. Für ihn ist das Leid eine Tatsache, die wir annehmen müssen. Zugleich aber gibt es Hoffnung für den Menschen und die gesamte Schöpfung. Gott lässt seine Schöpfung nicht allein. Er hört das Seufzen und Stöhnen der Schöpfung und der Menschen in ihr. Gott will den Menschen und die gesamte Schöpfung befreien von der Macht der Sünde und des Todes und er will die ganze Schöpfung mit sich vereinen.

Paulus spricht hier von Wehen, unter denen die Schöpfung seufzt. Wehen gehen der Geburt voraus. Durch den Schmerz der Wehen hindurch wird neues Leben geboren. Wenn das Kind dann auf der Welt ist, sind die Schmerzen der Wehen bald vergessen und es überwiegt die Freude über die Geburt des Kindes.

So ist auch die Zeit zwischen Jesu Auferstehung und seinem Kommen in Herrlichkeit eine Zeit der Wehen. Durch die Taufe werden Menschen neu geboren zu Kindern Gottes, aber sie leben weiterhin in einem irdischen Leib, der an die irdischen Umstände gebunden ist. Ihr Offenbarwerden als Kinder Gottes steht noch bevor. Wir leben in der Spannung zwischen dem “Schon” und “Noch nicht”. Wir sind bereits erlöst, unser Leib ist neu geboren aus dem Wasser der Taufe, wir sind Kinder Gottes, aber wir leben noch nicht bei Gott, wir leben noch auf der Erde.

Aber es gib Hoffnung, Hoffnung dass Gott bereits hier seinen Kindern einen Geschmack der Ewigkeit gibt, indem er das Leid mitträgt und seine Gaben schenkt. Hoffnung, dass die ganze Schöpfung wieder zu dem Paradies werden kann, das Gott geschaffen hat. Wir sind berufen, diese Hoffnung mir Gottes Hilfe Wirklichkeit werden zu lassen. Gott braucht Menschen, die seine Hoffnung in sich tragen und sie anderen weiter schenken.

Jesus, Lehrer der Weisheit Gottes (Mt 11)

In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. (Mt 11,25)

Nach seiner Unterweisung der Jünger wendet sich Jesus nun wieder an alle, die zu ihm gekommen sind, um seine Worte zu hören. Jesus wird dargestellt wie ein Weisheitslehrer, der Schüler und interessierte Zuhörer um sich schart. Bei ihm finden die Menschen das, wonach sie sich im Innersten sehnen. Doch es gibt zwei grundlegende Unterschiede zwischen der Lehre Jesu und der anderer Weisheitslehrer.

Weisheitslehrer wie beispielsweise die antiken Philosophen sammelten in ihren Schulen eine Elite von Gelehrten um sich, die durch immer tiefgründigere Gedanken zu immer komplexeren Erkenntnissen gelangen sollten. Vom Denken schloss man damals auf die Natur und erst langsam schlugen die Gelehrten den anderen Weg ein, von Naturbeobachtung zu Erkenntnissen zu gelangen.

Doch Jesus will uns nicht solches Wissen über die Welt vermitteln und auch keine Philosophie, die auf tiefgründigen Gedanken beruht. Jesus richtet sich nicht an die Philosophen, sondern gerade an einfache, unmündige Menschen. Ihnen eröffnet er Geheimnisse über Gott, die menschliches Denken allein nicht in der Lage ist zu ergründen. Wenn nämlich schon die Wirklichkeit der Welt weit größer ist, als wir sie mit unserem Wissen erfassen können, um wie viel mehr gilt das dann für die Wirklichkeit Gottes. Von Gott versteht mehr, wer mit demütigem und gläubigem Herzen seine Offenbarung annimmt, als wer ihn mit seinem Verstand zu ergründen sucht.

Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will. (Mt 11,27)

Ein zweites unterscheidet Jesus grundlegend von anderen Weisheitslehrern. Jesus hat seine Weisheit und Lehre sich nicht wie diese durch Nachdenken erarbeitet, sondern er selbst ist diese Wahrheit und Lehre. Er bringt mit seiner Lehre nicht etwas, das er erworben hat, sondern er bringt sich selbst. Er selbst ist die Wahrheit, von der er spricht und diese Wahrheit hat er von seinem Vater empfangen, mit dem er untrennbar verbunden ist.

Denn dadurch, dass er allein den Vater kennt, deutet er verborgen an, dass er gleichen Wesens mit ihm ist, so als wenn er sagen würde: Was ist es verwunderlich, wenn ich Herr über alles bin, da ich etwas anderes Größeres besitze, nämlich den Vater zu kennen und gleichen Wesens mit ihm zu sein?

(Johannes Chrysostomus)

Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. (Mt 11,28)

Jesus Christus, der Sohn des Vaters, ist von Ewigkeit her mit dem Vater und dem Heiligen Geist eines Wesens. Er ist gekommen, um die Menschen in die Gemeinschaft zu rufen, in der er mit dem Vater lebt. Sie ist der Ort, an dem wir Ruhe finden, ewiges Leben, das unvergänglich in Gott geborgen ist.

Jesus, in dem die Fülle der Gottheit wohnt, ist unsere Wohnung geworden. Indem er in uns Wohnung nimmt, können auch wir in ihm Wohnung nehmen. Indem er sich in unserem Innersten niederlässt, eröffnet er uns die Möglichkeit, an seiner eigenen Nähe zu Gott teilzuhaben. Indem er uns als seinen bevorzugten Wohnort wählt, lädt er uns ein, ihn als unseren bevorzugten Wohnort zu wählen. Das ist das Geheimnis der Inkarnation, der Menschwerdung Gottes.

(Henri Nouwen)

Der Friedenskönig (Sach 9)

Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft. (Sach 9,9a)

Viele Exegeten gehen davon aus, dass der zweite Teil des Buches Sacharja, aus dem dieser Ausspruch stammt, im 4. Jahrhundert v.Chr. entstanden ist, jener Zeit, in der Alexander der Große mit der Eroberung seines Weltreichs die ganze Welt des Nahen Ostens erschüttert und für alle Völker einschneidende Veränderungen gebracht hat. Seine Nachfolger teilten dann in zahlreichen Kriegen das Erbe unter sich auf. Es war eine Zeit der Globalisierung. Noch nie gab es ein Reich, das einen so weiten Raum umspannt und so viele Völker unter einer Herrschaft vereinigt hat. Man ist noch heute fasziniert vom Mut Alexanders des Großen, aber zugleich auch abgeschreckt von der Brutalität seiner Nachfolger. Sicher hat man sich damals bereits viele Geschichten über diese Ereignisse erzählt.

Der Friedenskönig, von dem der Prophet hier spricht und der auf dem Berg Zion in Jerusalem regiert, ist ein Gegenpol zu diesen Herrschern. Doch egal auf welche Zeit und Ereignisse der Spruch des Propheten zurückgeht, es gibt zu allen Zeiten Herrscher, die Krieg über die Erde bringen und Menschen unterdrücken. Jeder Herrscher steht in der Versuchung, sich zu überheben, und sich von der Gier nach immer größerer Macht blenden zu lassen. Somit ist die Sehnsucht nach einem Friedenskönig zu allen Zeiten lebendig. Was sind die Kennzeichen eines solchen Königs?

An erster Stelle steht die Gerechtigkeit. Der Friedenskönig sucht nicht seinen eigenen Vorteil und den seiner Getreuen, er entscheidet nicht blind zugunsten der Reichen, sondern er will Gerechtigkeit für alle. Er prüft auch die Klagen der einfachen Leute und schützt sie vor Ausbeutung und den Übergriffen der Mächtigen. Er hilft, oder besser gesagt er bringt das Heil. Viele Herrscher ließen sich als Heilsbringer verehren, aber brachten großes Unheil über die Völker. Die Sehnsucht der Menschen nach Heil wurde so oft enttäuscht.

Heilig und Heil sind Worte, die uns heute weitgehend fremd geworden sind und die im öffentlichen Wortschatz kaum mehr zu finden sind, sicher auch deshalb, weil sie zu oft missbraucht wurden. Heil ist aber ein wesentliches Produkt christlichen Lebens, das wir aufgrund unserer Berufung zur Heiligkeit mit Gottes Hilfe in der Welt konkret werden lassen sollen. Ein Heiliger ist ein Mensch, der Heil wirkt, in dessen Umgebung Wunden heilen, körperliche und geistige. Der Friedenskönig schafft die Voraussetzungen dafür, dass dieses Heil allen zuteilwerden kann.

Er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin. Ich vernichte die Streitwagen aus Efraim und die Rosse aus Jerusalem, vernichtet wird der Kriegsbogen. Er verkündet für die Völker den Frieden; seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Eufrat bis an die Enden der Erde. (Sach 9,9b-10)

Der Friedenskönig ist demütig, was dadurch zum Ausdruck kommt, dass er auf einem Esel reitet. Der Esel ist damals im Nahen Osten ein seit vielen Jahrhunderten bewährtes Lasttier, das sich auch einfache Leute leisten konnten. Im Gegensatz zum Pferd, das als Streitross und Zugtier für die schnellen Streitwagen diente und auf dem die Herrscher sich in allem Stolz präsentieren konnten, ist der Esel ein Bild für Bescheidenheit und Friedfertigkeit. Im Krieg kann der Esel allenfalls das für den Tross nötige transportieren, kommt aber sicher nicht im Kampf zum Einsatz.

Im Reich des Friedenskönigs gibt es keine Streitwagen und Kriegspferde und keine Bogenschützen. All das sind Kennzeichen der expandierenden Großmächte, die mit ihren Heeren einen schnellen Angriffskrieg führen. Doch nicht die Heere, die mit ihren Streitwagen die Erde verwüsten und Angst und Schrecken verbreiten, sind das Leitbild der Zivilisation. Das Reich des Friedenskönigs ist nicht auf Expansion ausgerichtet, sondern auf Stabilisierung im Innern. Der Friede, den er bringt, schafft die Voraussetzung dafür, dass sich eine Kultur des Friedens ausbreiten kann, dass Kunst, Kultur und Religion sich entwickeln können.

Was aber ist das für ein König, der statt auf einem Streitross auf einem Esel reitet? Wie setzt er sein Reich der Gerechtigkeit durch und kann dabei auf Streitwagen und Kriegsbogen vernichten? Welcher König bringt der Welt wirklich den Frieden? Die Heilige Schrift sieht diese Verheißung in Jesus Christus erfüllt, der am Palmsonntag als Friedenskönig auf einem Esel reitend in Jerusalem einzieht, und dem das Volk zujubelt. Jesus Christus als Friedenskönig hat keine andere Waffe als die Liebe Gottes zu seinem Volk. Daher wird er von den Mächtigen auch schnell aus dem Weg geräumt. Doch wir glauben, dass mit ihm das Friedensreich Gottes in dieser Welt angebrochen ist, über das er als der Auferstandene nun herrscht.

Oft wurde die Herrschaft Gottes falsch verstanden. Könige von Gottes Gnaden regierten im Namen Gottes mit der Gewalt des Schwertes. Aus Gottes Friedensreich wurde ein Reich wilder Krieger. Doch wer Gottes Herrschaft auf dieser Welt verteidigen will, muss den Weg Jesu gehen, in aller Demut und Heiligkeit, ohne Kriegswaffen, allein in der Liebe. Er muss dabei aber auch damit rechnen, dass ihn das gleiche Schicksal treffen kann wie Jesus Christus. Aber gerade in der Schwachheit erweist sich Gottes Kraft und wir dürfen darauf vertrauen, dass er selbst es ist, der seiner Liebe zum Sieg verhilft.

Leben in Christus

Wisst ihr denn nicht, dass wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben. (Röm 6,3-4)

Paulus will den Römern veranschaulichen, was Erlösung bedeutet. Im vorangehenden Kapitel hat er gezeigt, wie durch die Gnade Gottes die Sünde Adams getilgt wurde. Die Sünde ist durch die Verfehlung Adams in die Welt gekommen und gelangte so zur Herrschaft über alle Menschen. Durch die Gnade Gottes aber wird der sündige Mensch zu einem Gerechten. Die Gnade Gottes erweist sich umso mächtiger, je größer die Macht der Sünde ist. Das heißt aber nicht – wie vielleicht einige Paulus in den Mund gelegt haben – dass er damit lehrt, dass die Christen nun fleißig sündigen sollen, damit sich Gottes Gnade umso größer erweisen kann. Der Erweis der Gnade ist einmalig. Gott nimmt dem Menschen in der Taufe die Sünden hinweg. Von nun an ist der Mensch für die Sünde tot, das heißt, er lebt nicht mehr unter ihrer Herrschaft, sondern unter der Herrschaft Gottes.

Wie aber geschieht diese Verwandlung des Menschen? Jesus Christus ist am Kreuz gestorben und wurde begraben, ist aber aus dem Grab mit der Kraft neuen Lebens auferstanden. Ebenso stirbt der alte, von der Sünde beherrschte Mensch in der Taufe und der Getaufte bekommt ein neues Leben geschenkt, in dem er von der Macht der Sünde frei ist. Dies wird symbolisiert durch das Untertauchen in Wasser, wie es früher bei der Taufe praktiziert wurde und auch heute noch bei einigen christlichen Gemeinschaften üblich ist. Der alte Mensch verschwindet unter dem Wasser und taucht als neuer Mensch aus dem Wasser auf, rein gewaschen von der Sünde. Auch das weiße Taufgewand symbolisiert diese Reinheit, die aus der Taufe hervorgeht.

Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein. Wir wissen doch: Unser alter Mensch wurde mitgekreuzigt, damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet werde und wir nicht Sklaven der Sünde bleiben. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde.
Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. Wir wissen, dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Denn durch sein Sterben ist er ein für allemal gestorben für die Sünde, sein Leben aber lebt er für Gott. So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus. (Röm 6,5-11)

Gottes Gnade schenkt dem Menschen in der Taufe ein neues Leben. Auch wenn sich der Mensch rein äußerlich dadurch nicht verändert hat, ist er doch in seinem Inneren vollkommen neu. Sünde und Tod haben keine Macht mehr über ihn. Er lebt ein neues Leben als Kind Gottes. Dies gilt es stets vor Augen zu haben. Gott schenkt dem Menschen diese Würde. Der Getaufte aber muss dieses neue Leben in Ehren halten. Er darf nicht wieder in die alte Sünde zurückfallen.

Am Wichtigsten ist, sich stets des kostbaren Guts bewusst zu sein, das Gott uns geschenkt hat. Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es. Unser Leben leben wir für Gott. Dieses Bewusstsein müssen wir stets in uns wachhalten. Wir müssen immer mehr danach streben, diese Erfahrung zu machen, was es heißt, Kind Gottes zu sein.

Nimm mich Herr
und verwandle mich.
Lass mich durchdrungen sein
von deiner Gegenwart.
Lass mich ergriffen sein
von der Kraft des neuen Lebens
das du mir geschenkt hast.
Lehre mich beten,
lehre mich in seiner Gegenwart zu leben,
lehre mich so zu leben
dass ich der Ehre würdig bin
Kind Gottes zu sein.
Amen.

Elischa und die Frau aus Schunem

Eines Tages ging Elischa nach Schunem. Dort lebte eine vornehme Frau, die ihn dringend bat, bei ihr zu essen. Seither kehrte er zum Essen bei ihr ein, sooft er vorbeikam. (2Kön 4,8)

Schunem ist eine Stadt in Israel, etwa 30 km südlich des Sees Gennesaret zwischen dem Berg Tabor und Jesreel gelegen. Sie gehört zum Gebiet des Stammes Issachar. Wir wissen nicht, warum der Prophet Elischa hier regelmäßig vorbeikam. Möglicherweise lag der Ort an der wichtigen Handelsstraße, die von der Mittelmeerküste über Megiddo und Hazor weiter nach Damaskus verlief. Es wird berichtet, dass Elischa auch in Damaskus tätig war.

In Schunem lebte eine vornehme Frau, ihren Namen erfahren wir nicht. Ihr war aufgefallen, dass Elischa hier öfter auf der Durchreise ist. Der Prophet war kein Unbekannter und sicher sorgte sein Erscheinen überall für Aufregung und die Menschen kamen zusammen, um ihn zu sehen. Wir wissen um die Gastfreundschaft in orientalischen Ländern. So ist es nahezu eine Selbstverständlichkeit, dass Elischa auf der Reise mit Essen, Trinken und einem Nachtlager rechnen kann.

Die vornehme Frau aber tut noch mehr. Sie bittet ihren Mann, eines der Zimmer im Haus dauerhaft für den Propheten herzurichten. Die Erwähnung eines gemauerten Hauses mit Obergemächern zeigt, dass es sich wirklich um eine reiche Familie handelte, die wahrscheinlich das größte Haus im Ort besaß. Auch Bett, Stuhl, Tisch und Leuchter waren damals Einrichtungsgegenstände, die sich nur reiche Leute leisten konnten.

Als Elischa fragte seinen Diener Gehasi, was man für die Frau tun könne. Dieser sagte: Nun, sie hat keinen Sohn, und ihr Mann ist alt. Da befahl er: Ruf sie herein! Er rief sie, und sie blieb in der Tür stehen. Darauf versicherte ihr Elischa: Im nächsten Jahr um diese Zeit wirst du einen Sohn liebkosen. (2Kön 4,15-16)

Elischa will der Frau für ihre Gastfreundschaft etwas zurückgeben. Die Frau aber lehnt zunächst dankend ab. Sie hat alles, was sie braucht. Neben dem Reichtum ihres Mannes lebt sie zudem inmitten ihrer Verwandten, was ihr zusätzliche Sicherheit verleiht, wenn ihrem Mann einmal etwas zustoßen sollte. Familienbande waren im Alten Orient von größter Bedeutung und mehr wert, als eine Empfehlung beim König.

Doch Gehasi, der Diener Elischas, weiß um den Schwachpunkt der auf den ersten Blick so perfekten Familie. Die Frau ist kinderlos und das ließ sie trotz ihres Reichtums im Ansehen der Menschen sinken. Zudem gab es dadurch keinen Stammhalter, der den Reichtum und das Ansehen der Familie in der nächsten Generation hätte bewahren können.

Elischa gibt der Frau daher die Verheißung, dass sie im nächsten Jahr ein Kind, ja sogar einen Sohn, haben wird. Das ist der größte Lohn, den sie für ihre Gastfreundschaft erhalten kann. Die Frau ist zunächst skeptisch, eine verbreitete Reaktion auf solche Verheißungen, wie wir es bereits bei Abrahams Frau Sarah sehen. Umso größer erscheint dann das Wunder, dass die Frau tatsächlich schwanger wird und zur verheißenen Zeit einen Sohn zur Welt bringt.

Die Geschichte aber geht noch weiter. Als das Kind einige Jahre alt ist, stirbt es plötzlich. Wir können uns den Schmerz der Frau vorstellen und zudem ihre Verwirrung. Denn warum hat Gott ihr ein Kind geschenkt, wenn er es ihr wieder nimmt? Da wäre es besser gewesen, kinderlos zu bleiben, als diesen zusätzlichen Schmerz zu ertragen. Sie eilt zu Elischa, ihrer einzigen Hoffnung. Und der Prophet wirkt ein noch größeres Wunder, er erweckt den toten Sohn wieder zum Leben.

Die Erzählung zeigt uns die wundermächtige Kraft des Propheten Elischa und die Macht Gottes, der sich um sein Volk sorgt und den Schoß eine kinderlosen Frau öffnen, ja sogar Tote zum Leben erwecken kann. Sie zeigt aber auch den Lohn der Gastfreundschaft. Diese ist keine einseitige Zuwendung. Gastfreundschaft bedeutete die Pflicht, dem Gast das Kostbarste, das man bieten konnte, vorzusetzen, ja sogar die letzten Vorräte aufzutischen. Umso größer wird der Lohn für diejenigen sein, die dazu bereit sind.

Von diesem Lohn für die gastfreundliche Aufnahme der Jünger spricht auch Jesus im heutigen Evangelium.