Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft. (Sach 9,9a)
Viele Exegeten gehen davon aus, dass der zweite Teil des Buches Sacharja, aus dem dieser Ausspruch stammt, im 4. Jahrhundert v.Chr. entstanden ist, jener Zeit, in der Alexander der Große mit der Eroberung seines Weltreichs die ganze Welt des Nahen Ostens erschüttert und für alle Völker einschneidende Veränderungen gebracht hat. Seine Nachfolger teilten dann in zahlreichen Kriegen das Erbe unter sich auf. Es war eine Zeit der Globalisierung. Noch nie gab es ein Reich, das einen so weiten Raum umspannt und so viele Völker unter einer Herrschaft vereinigt hat. Man ist noch heute fasziniert vom Mut Alexanders des Großen, aber zugleich auch abgeschreckt von der Brutalität seiner Nachfolger. Sicher hat man sich damals bereits viele Geschichten über diese Ereignisse erzählt.
Der Friedenskönig, von dem der Prophet hier spricht und der auf dem Berg Zion in Jerusalem regiert, ist ein Gegenpol zu diesen Herrschern. Doch egal auf welche Zeit und Ereignisse der Spruch des Propheten zurückgeht, es gibt zu allen Zeiten Herrscher, die Krieg über die Erde bringen und Menschen unterdrücken. Jeder Herrscher steht in der Versuchung, sich zu überheben, und sich von der Gier nach immer größerer Macht blenden zu lassen. Somit ist die Sehnsucht nach einem Friedenskönig zu allen Zeiten lebendig. Was sind die Kennzeichen eines solchen Königs?
An erster Stelle steht die Gerechtigkeit. Der Friedenskönig sucht nicht seinen eigenen Vorteil und den seiner Getreuen, er entscheidet nicht blind zugunsten der Reichen, sondern er will Gerechtigkeit für alle. Er prüft auch die Klagen der einfachen Leute und schützt sie vor Ausbeutung und den Übergriffen der Mächtigen. Er hilft, oder besser gesagt er bringt das Heil. Viele Herrscher ließen sich als Heilsbringer verehren, aber brachten großes Unheil über die Völker. Die Sehnsucht der Menschen nach Heil wurde so oft enttäuscht.
Heilig und Heil sind Worte, die uns heute weitgehend fremd geworden sind und die im öffentlichen Wortschatz kaum mehr zu finden sind, sicher auch deshalb, weil sie zu oft missbraucht wurden. Heil ist aber ein wesentliches Produkt christlichen Lebens, das wir aufgrund unserer Berufung zur Heiligkeit mit Gottes Hilfe in der Welt konkret werden lassen sollen. Ein Heiliger ist ein Mensch, der Heil wirkt, in dessen Umgebung Wunden heilen, körperliche und geistige. Der Friedenskönig schafft die Voraussetzungen dafür, dass dieses Heil allen zuteilwerden kann.
Er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin. Ich vernichte die Streitwagen aus Efraim und die Rosse aus Jerusalem, vernichtet wird der Kriegsbogen. Er verkündet für die Völker den Frieden; seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Eufrat bis an die Enden der Erde. (Sach 9,9b-10)
Der Friedenskönig ist demütig, was dadurch zum Ausdruck kommt, dass er auf einem Esel reitet. Der Esel ist damals im Nahen Osten ein seit vielen Jahrhunderten bewährtes Lasttier, das sich auch einfache Leute leisten konnten. Im Gegensatz zum Pferd, das als Streitross und Zugtier für die schnellen Streitwagen diente und auf dem die Herrscher sich in allem Stolz präsentieren konnten, ist der Esel ein Bild für Bescheidenheit und Friedfertigkeit. Im Krieg kann der Esel allenfalls das für den Tross nötige transportieren, kommt aber sicher nicht im Kampf zum Einsatz.
Im Reich des Friedenskönigs gibt es keine Streitwagen und Kriegspferde und keine Bogenschützen. All das sind Kennzeichen der expandierenden Großmächte, die mit ihren Heeren einen schnellen Angriffskrieg führen. Doch nicht die Heere, die mit ihren Streitwagen die Erde verwüsten und Angst und Schrecken verbreiten, sind das Leitbild der Zivilisation. Das Reich des Friedenskönigs ist nicht auf Expansion ausgerichtet, sondern auf Stabilisierung im Innern. Der Friede, den er bringt, schafft die Voraussetzung dafür, dass sich eine Kultur des Friedens ausbreiten kann, dass Kunst, Kultur und Religion sich entwickeln können.
Was aber ist das für ein König, der statt auf einem Streitross auf einem Esel reitet? Wie setzt er sein Reich der Gerechtigkeit durch und kann dabei auf Streitwagen und Kriegsbogen vernichten? Welcher König bringt der Welt wirklich den Frieden? Die Heilige Schrift sieht diese Verheißung in Jesus Christus erfüllt, der am Palmsonntag als Friedenskönig auf einem Esel reitend in Jerusalem einzieht, und dem das Volk zujubelt. Jesus Christus als Friedenskönig hat keine andere Waffe als die Liebe Gottes zu seinem Volk. Daher wird er von den Mächtigen auch schnell aus dem Weg geräumt. Doch wir glauben, dass mit ihm das Friedensreich Gottes in dieser Welt angebrochen ist, über das er als der Auferstandene nun herrscht.
Oft wurde die Herrschaft Gottes falsch verstanden. Könige von Gottes Gnaden regierten im Namen Gottes mit der Gewalt des Schwertes. Aus Gottes Friedensreich wurde ein Reich wilder Krieger. Doch wer Gottes Herrschaft auf dieser Welt verteidigen will, muss den Weg Jesu gehen, in aller Demut und Heiligkeit, ohne Kriegswaffen, allein in der Liebe. Er muss dabei aber auch damit rechnen, dass ihn das gleiche Schicksal treffen kann wie Jesus Christus. Aber gerade in der Schwachheit erweist sich Gottes Kraft und wir dürfen darauf vertrauen, dass er selbst es ist, der seiner Liebe zum Sieg verhilft.