Das Gleichnis vom Sämann (Mk 4,1-20)

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Ein andermal lehrte er wieder am Ufer des Sees und sehr viele Menschen versammelten sich um ihn. Er stieg deshalb in ein Boot auf dem See und setzte sich; die Leute aber standen am Ufer. Und er sprach lange zu ihnen und lehrte sie in Form von Gleichnissen. Bei dieser Belehrung sagte er zu ihnen:

Hört! Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen. Als er säte, fiel ein Teil der Körner auf den Weg und die Vögel kamen und fraßen sie. Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte. Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat und sie brachte keine Frucht. Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte Frucht; die Saat ging auf und wuchs empor und trug dreißigfach, ja sechzigfach und hundertfach.

Und Jesus sprach: Wer Ohren hat zum Hören, der höre! (Mk 4,1-9)

Jesus spricht dieses Gleichnis zu einer großen Menschenmenge. Als er dann aber mit seinen Jüngern allein ist, deutet er ihnen die Gleichnisse. Wir sehen Jesus als Lehrer, der öffentlich auftritt, aber auch seinen Schülern im engeren Kreis eine tiefergehende Belehrung zukommen lässt.

Als er mit seinen Begleitern und den Zwölf allein war, fragten sie ihn nach dem Sinn seiner Gleichnisse. Da sagte er zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes anvertraut; denen aber, die draußen sind, wird alles in Gleichnissen gesagt; denn sehen sollen sie, sehen, aber nicht erkennen; hören sollen sie, hören, aber nicht verstehen, damit sie sich nicht bekehren und ihnen nicht vergeben wird. (Mk 4,10-12)

Die Grenze zwischen denen, die drinnen, und denen, die draußen sind, ist fließend. Jeder Mensch kann selbst wählen, wohin er gehören möchte. Zwar gibt es auch solche, die der Herr in besonderer Weise erwählt hat, aber diese Erwählung hat mehr Zeichencharakter und ist nicht gleichbedeutend mit besonderen Privilegien. Gerade in dem Kreis der Erwählten befindet sich der Verräter. Wer Jesu Lehre verstehen will, der muss bereit sein, sich in seine Nähe zu begeben, und seinem Wort zu lauschen.

Und er sagte zu ihnen: Wenn ihr schon dieses Gleichnis nicht versteht, wie wollt ihr dann all die anderen Gleichnisse verstehen?

Der Sämann sät das Wort. Auf den Weg fällt das Wort bei denen, die es zwar hören, aber sofort kommt der Satan und nimmt das Wort weg, das in sie gesät wurde. Ähnlich ist es bei den Menschen, bei denen das Wort auf felsigen Boden fällt: Sobald sie es hören, nehmen sie es freudig auf; aber sie haben keine Wurzeln, sondern sind unbeständig, und wenn sie dann um des Wortes willen bedrängt oder verfolgt werden, kommen sie sofort zu Fall. Bei anderen fällt das Wort in die Dornen: sie hören es zwar, aber die Sorgen der Welt, der trügerische Reichtum und die Gier nach all den anderen Dingen machen sich breit und ersticken es und es bringt keine Frucht. Auf guten Boden ist das Wort bei denen gesät, die es hören und aufnehmen und Frucht bringen, dreißigfach, ja sechzigfach und hundertfach. (Mk 4,13-20)

Es sind nur wenige, die ausdauernd den Willen Gottes tun. Das macht Jesus im Gleichnis vom Sämann deutlich. Hier und in den folgenden Gleichnissen zeigt Jesus, wie es um einen Menschen, der in das Reich Gottes gelangen möchte, bestellt sein muss. Doch trotz aller Schwierigkeiten wird es Menschen geben, denen dies gelingt und so wächst das Reich Gottes durch die Kraft, die Gottes Gnade schenkt.

Jesus verkündet den Menschen das Reich Gottes. Er ist der Sämann, der den Samen des Wortes Gottes aussät. Wir alle sind in den Dienst der Verkündigung gerufen, um diese Botschaft Jesu weiterzugeben. Wir wissen nicht, wo der Samen hinfällt. Wenn der Sämann das vorher wüsste, würde er den Samen ja nur auf den guten Boden werfen, von dem er für das wertvolle Saatgut auch reichen Ertrag erwarten kann. Alles andere wäre doch nur Verschwendung. „Der begreift das eh nicht, bei dem braucht man erst gar nicht anfangen, ihm etwas zu erklären.“ So haben wir sicher schon einmal gedacht. Jesus denkt anders. Er nimmt das Risiko in Kauf, dass nicht jeder Samen auf guten Boden fällt und gibt jedem die gleiche Chance sein Wort zu hören. Daher dürfen wir uns auch nicht nur an die wenden, von denen wir meinen, dass sie gut genug sind, uns zuzuhören. Wir wissen vorher nie, was das Wort Gottes in dem anderen bewirkt. Erst mit der Zeit wird sich zeigen, welche Frucht es bringt.

 

 

3. Sonntag der Osterzeit

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Noch einmal hören wir heute im Evangelium von einer Erscheinung des Auferstandenen. Sieben Jünger, Petrus, Thomas, Natanael, Jakobus, Johannes und zwei ungenannte sind nach Galiläa gegangen. Nach Jesu Tod fehlt ihnen zunächst die Perspektive. Wahrscheinlich war es auch die Angst vor der Verfolgung durch die jüdische Obrigkeit, die sie nach Galiläa fliehen ließ. Und sie müssen ja von irgendetwas leben. Warum daher nicht bei dem bleiben, was man gut kann: Fischen. Zumindest von Petrus, Jakobus und Johannes wissen wir sicher, dass sie vor ihrer Berufung Fischer gewesen sind. Da Fischer ein durchaus ehrenwerter Beruf ist, bedeutet es für sie keinerlei Komplikationen, ihn wieder auszuüben. Ihre Familien werden sich ja weiterhin dieser Arbeit gewidmet haben, so dass es auch am nötigen Arbeitszeug nicht mangelt.

Sie sind die ganze Nacht auf dem See, doch ohne Erfolg. Als es Morgen wird, steht jemand am Ufer, ruft ihnen zu, ermuntert sie, es noch einmal zu versuchen und nicht aufzugeben. Das Netz wird übervoll. Da erkennen sie ihn:

Es ist der Herr!

Die Jünger erkannten Jesus zunächst nicht – wie so oft, als der Auferstandene ihnen erschien. Es brauchte Zeichen dafür, dass er es ist, das Brechen des Brotes oder die Erinnerung an ein früheres Erlebnis mit Jesus. Hier ist es die Weisung Jesu, auf sein Wort hin die Netze auszuwerfen – wie damals, am Anfang, als Jesus sie zu Jüngern berufen hat nach jener Nacht, als sie mit leeren Händen von ihrer Arbeit ans Land gerudert sind.

Jesus sorgt sich um die Jünger. Er fragt sie, ob sie etwas zu essen haben. Dabei hat er schon alles, was nötig ist, vorbereitet, ein Feuer, Fisch und Brot. Es ist alles da, und doch will Jesus, dass die Jünger auch selbst etwas beitragen. Ihr überreicher Fang ist ein Geschenk aus Gottes überfließender Gnade.

Kommt her und esst!

Im Mahl entsteht die vertraute Gemeinschaft mit dem Herrn. Doch hier isst er nicht mehr mit ihnen, sondern er teilt aus, gibt sich selbst, wie es von nun an in der Eucharistie geschieht. Wir stehen hier am Übergang von der leiblichen hin zur eucharistischen Mahlgemeinschaft mit dem Herrn. In der Begegnung mit dem Auferstandenen ist nicht mehr seine leibliche und sichtbare Gegenwart entscheidend, sondern seine Gegenwart im Herzen der Glaubenden. Jesus will Herzensgefährte sein, will im Innern eines jeden von uns leben.

Den Jüngern, die sich abmühen und die niedergeschlagen sind, steht Jesus bei. … Er zeigte sich ihnen aber nicht sofort, sondern wollte zuerst ein Gespräch mit ihnen beginnen und spricht mit ihnen auf menschliche Weise. … Damit sie aber Ehrfurcht bekämen, gab er ihnen ein Zeichen, durch das sie ihn erkennen sollten. … Die Jünger aber wagten nicht mehr mit ihm zu sprechen wie zuvor, sondern mit Schweigen und großer Ehrerbietung saßen sie da und blickten auf ihn. Sie sahen auch, dass er eine andere Gestalt hatte, und sie waren dabei so voller Bewunderung und Erstaunen, dass sie ihn nicht fragen wollten. Die Furcht, die aus dem Wissen kam, dass er der Herr war, verbot es ihnen, Fragen zu stellen.

Johannes Chrysostomus

Es ist eine eigenartige Szene, die Johannes uns hier schildert. Und doch geschieht hier etwas ganz Entscheidendes. Die Jünger erkennen den Herrn und sind sich von nun an seiner bleibenden Gegenwart unter ihnen bewusst, einer neuen Gegenwart, die sich von der bisher gewohnten unterscheidet. Das müssen die Jünger realisieren, aber dann gehen sie gestärkt an ihre neue Aufgabe, Zeugen des Auferstandenen zu sein.

Nach dem Abstieg in das Totenreich und der Auferstehung von den Toten, kehrten die Jünger zu ihrer Tätigkeit zurück, zurück zu ihren Schiffen und Netzen. Sie waren traurig ob deines Weggehens, Christus, was verständlich ist. Doch sie taten keinen Fang. Du aber, Heiland, erscheinst als Gebieter des Alls und befiehlst, die Netze nach der rechten Seide auszuwerfen. Das Wort wurde befolgt und groß war die Menge der Fische, unerwartet aber das Mahl, das ihnen bereitet am Land. Wie die Jünger daran teilnahmen, so würdige auch uns jetzt teilzuhaben in geistlicher Freude, menschenliebender Herr!

Du zeigtest dich deinen Jüngern, Erlöser, nach Deiner Auferstehung, und hast den Simon beauftragt, deine Schafe zu weiden. Von seiner Liebe hast du die Sorge um die Herde gefordert. Deshalb sagtest du: Wenn du mich liebst, Petrus, weide meine Lämmer, weide meine Schafe! Dieser bewies sogleich seine Liebe und fragte wegen des anderen Jüngers. Auf ihre Fürbitten, Christus, bewahre Deine Herde vor den Wölfen, die sie verderben wollen.

Gebet der Ostkirche

5.4. Maria Crescentia Höß (1682-1744)

Crescentia_1Anna Höß, so ihr Taufname, wurde am 20. Oktober 1682 als sechstes von acht Kindern in die Familie des Webers Mathias Höß und seiner Frau Luzia geboren. Die fromme Familie – der Vater gehörte zu den führenden Mitgliedern der Marianischen Männerkongregation – lebte in der Freien Reichsstadt Kaufbeuren, die damals rund 2500 Einwohner zählte und zu über zwei Drittel protestantisch war. Schon in der Schule fiel sie wegen ihrer Klugheit und ihrer Frömmigkeit auf. Da ihre Eltern jedoch arm waren, konnten sie ihrer Tochter keine weiterführende Ausbildung ermöglichen, und so lernte sie den Beruf einer Weberin.

Im Alter von 14 Jahren sah sie in einer Vision einen Engel, der ihr das Gewand der Franziskanerinnen zeigte. Dies ist Ausdruck ihres sehnlichsten Wunsches, in diesen Orden einzutreten. Jedoch verlangten die Kaufbeurer Franziskanerinnen eine derart hohe Mitgift für den Klostereintritt, dass ihre Eltern nicht in der Lage waren, diese Summe aufzubringen. Durch die Hilfe und finanzielle Unterstützung des evangelischen Bürgermeisters wurden ihr aber dann schließlich doch die Tore des Klosters geöffnet. Im Jahr 1703 trat sie in den Orden ein und erhielt den Namen Crescentia.

In den ersten Jahren hatte sie viel unter den Demütigungen ihrer Oberin zu leiden, die ihren Kostereintritt nur widerwillig akzeptiert hatte. Als arme Webertochter sah man sie nicht als ihresgleichen an und Crescentia musste die niedrigsten und schwersten Arbeiten verrichten. Einmal schickte man sie mit einem Sieb zum Brunnen, um dort Wasser zu schöpfen. Doch auf wundersame Weise wurde das Sieb zur Schöpfkelle.

Crescentia selbst begann wegen der ablehnenden Haltung der Oberin an ihrer Berufung zu zweifeln. Zudem wurde sie von körperlichen Leiden geplagt. Ständige Zahn- und Kopfschmerzen verzerrten ihr Gesicht, so dass es Mitschwestern gab, die sie eine Hexe nannten. Doch sie blieb ihrer Berufung treu und hat das erfüllt, was sie später einer Mitschwester schreiben wird:

Teure Schwester, trachten Sie einzig und allein danach, in jedem Augenblick den Willen Gottes zu erfüllen. Das ist es, was unser Leben stets froh und heiter machen kann. Nichts geschieht ohne den Willen Gottes.

Es wird von einer Vision berichtet, die ihr fortan Kraft und Zuversicht geben sollte. Als sie von großen Zweifeln und Anfechtungen heimgesucht wurde, schaute sie eines Nachts bei einem heftigen Sturm aus dem Fenster. Da sah sie eine Gestalt ruhig in der Krone des stark vom Sturm gebeutelten Birnbaums vor ihrem Fenster stehen. Sie erkannte in der Gestalt Christus, der ihr zurief:

Crescentia, wie kannst du meinen, ich habe dich verlassen! Schau, so sicher und ruhig, wie du mich bei diesem tobenden Wetter im Baum siehst, so sicher stehe ich in deinem Herzen. Lass dich nicht verwirren von den inneren Stürmen. Ich liebe dich und bin bei dir, auch wenn du es nicht spürst! Denke daran, wenn dich wieder Leere und Verzweiflung überfallen! Auch diese Zeit geht vorüber. Ich habe in meinem Leben Ähnliches durchgemacht: in der Wüste und später im dunklen Garten am Ölberg kurz vor meinem Tod. Weißt du das nicht mehr?

Nach mehreren schweren Jahren, die Crescentia in großer Treue zum Herrn überstanden hat, brachte schließlich eine neue Oberin des Klosters den Wandel zum Besseren. Diese erkannte die besonderen Talente, die in Crescentia steckten und sah auch die Visionen, die Crescentia immer wieder erlebte, als echt an. Crescentia wurde zunächst Pfortenschwester und kümmerte sich um kranke Mitschwestern, im Jahr 1717 wurde sie Novizenmeisterin und im Jahr 1741 wurde sie schließlich selbst zur Oberin des Kaufbeurer Franziskanerinnenklosters gewählt.

Bereits als Pförtnerin war Crescentia wegen ihrer Liebenswürdigkeit bei den Bewohnern Kaufbeurens bekannt. Sie sagt selbst von diesem Dienst:

Wer Gott lieben will, muss notwendigerweise auch seinen Nächsten lieben, denn der eine kann ohne den anderen nicht leben, und das Gute, das man dem Nächsten erweist, wird von Gott erwiesen, der sich hinter dem Gewand des Nächsten verbirgt.

Bald drang ihr Ruf über die Grenzen des Städtchens hinaus, denn es ging eine faszinierende Wirkung von ihr aus, der sich niemand entziehen konnte, der ihr begegnete. Viele Menschen jeglichen Standes schätzten sie als eine fürsorgliche und intelligente Helferin und Beraterin.

Alle gingen getröstet von ihr fort und fanden es wunderbar, wenn sie Rede und Antwort stand.

Viele nahmen lange Wartezeiten in Kauf, um mit ihr persönlich zu sprechen und hochrangige Persönlichkeiten standen mit ihr in Briefkontakt. Sie schlichtete den Nachfolgestreit in der Fürstabtei Kempten und beriet die bayerische Kurfürstin und Kaiserin Maria Amalia. Der Kölner Kurfürst und Erzbischof Clemens August schätzte sie als kritische und verständnisvolle Seelenführerin. Er war es auch, der nach ihrem Tod den Heiligsprechungsprozess in Rom einleitete.

Crescentia wurden auch weiterhin Visionen zuteil. Ihre Frömmigkeit bezeichnete sie als „Schauen mit den Augen der Seele durch unseren Glauben”. Ein Gemälde des leidenden Erlösers, das ein Mönch nach ihren Vorgaben zeichnete, zeigt ihre tiefe Verehrung des Leidens und Sterbens Christi. Ihre Vision des Heiligen Geistes wurde 1728 von Kunstmaler Joseph Ruffini aus München nach ihren Anweisungen im Bild festgehalten. Doch sie war keine weltabgewandte Mystikerin, sondern verstand es auch, in konkreten Situationen rasche Lösungen zu finden. Zudem verstand sie zu wirtschaften und unter ihrer Leitung blühte das Klöster Kaufbeuren.

Crescentia starb am 5. April 1744, einem Ostersonntag, und wurde in der Kapelle des Klosters beigesetzt, wo ihre Gebeine bis heute ruhen. Seither kommen unzählige Pilger zu ihrem Grab. Ihre Verehrung überdauerte die Säkularisation des Klosters im Jahr 1805. Sicher ist es ihrer himmlischen Fürsprache zu verdanken, dass bis heute Ordensfrauen in dem seit 1922 nach ihr benannten Crescentiakloster leben. Im Jahr 1900 wurde sie von Papst Leo XIII. selig gesprochen, im Jahr 2001 erfolgte die Heiligsprechung durch Papst Johannes Paul II.

Sonntag der Barmherzigkeit

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An allen drei Lesejahren hören wir am zweiten Sonntag der Osterzeit einen Text aus der Apostelgeschichte, der das Leben der jungen Kirche schildert. In diesen Texten wird deutlich, wie die Frucht der Barmherzigkeit lebendig werden kann.

Die Gläubigen hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten. … Und alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. (Apg 2,42.43)

Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam. Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn, und reiche Gnade ruhte auf ihnen allen. Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt. (Apg 2,32-34a)

Durch die Hände der Apostel geschahen viele Zeichen und Wunder im Volk. … Die Kranken trug man auf die Straßen hinaus und legte sie auf Betten und Bahren, damit, wenn Petrus vorüberkam, wenigstens sein Schatten auf einen von ihnen fiel. Auch aus den Nachbarstädten Jerusalems strömten die Leute zusammen und brachten Kranke und von unreinen Geistern Geplagte mit. Und alle wurden geheilt. (Apg 5,12a.15-16)

Die junge Kirche bildet eine starke Gemeinschaft. Zunächst sehen wir eine tiefe Verankerung der Gemeinde in Jesus Christus. An seiner Lehre, die durch die Apostel überliefert wurde, halten alle fest und die Gläubigen versammeln sich zum Gebet und zur Feier der Eucharistie. Wir sehen auch den festen inneren Zusammenhalt der Gemeinde. In einer Gesellschaft, die keine sozialen Sicherungssysteme kannte, sorgte man hier füreinander, so dass keiner Not litt. Der Dienst der jungen Christen geht aber auch nach außen und zeigt sich in der Verkündigung und der Sorge um Kranke und Notleidende außerhalb der Gemeinde.

Die Apostelgeschichte zeigt uns, wie Barmherzigkeit konkret werden kann. Barmherzigkeit hat ihren Ursprung in der uns von Christus zugesagten Vergebung der Sünden. Wir sind hinein genommen in die Gemeinschaft mit Gott. Aus dieser Bindung an Gott geht der Zusammenhalt der Gläubigen hervor und erwächst der Dienst jedes einzelnen an den Brüdern und Schwestern innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft.

Maximus der Bekenner sagt:

Gott tat Außerordentliches, um die Menschen zu sich zurückzuführen, und hat uns den höchsten Beweis seiner unendlichen Güte gegeben. … Das göttliche Wort hat nicht nur mit der Macht seiner Wunder unsere Krankheiten geheilt, sondern auch die Gebrechlichkeit unserer Leidenschaften auf sich genommen und unsere Schuld durch die Qual des Kreuzes bezahlt, als ob er, der Unschuldige, schuldig gewesen wäre. Er hat und von zahlreichen und schrecklichen Sünden erlöst. Auch hat er uns mit vielen Beispielen angespornt, ihm ähnlich zu werden im Verständnis, in der Freundlichkeit und in der vollkommenen Liebe zu den Brüdern.

Der heilige Klemens von Rom bittet in seinem Brief an die Korinther Christus:

Leite unsere Schritte, dass wir wandeln in Heiligkeit des Herzens.

Papst Franziskus ruft die Kirche dazu auf, Gottes Barmherzigkeit erfahrbar werden zu lassen:

Es ist entscheidend für die Kirche und für die Glaubwürdigkeit ihrer Verkündigung, dass sie in erster Person die Barmherzigkeit lebt und bezeugt! Ihre Sprache und ihre Gesten müssen die Barmherzigkeit vermitteln und so in die Herzen der Menschen eindringen und sie herausfordern, den Weg zurück zum Vater einzuschlagen. Die erste Wahrheit der Kirche ist die Liebe Christi. Die Kirche macht sich zur Dienerin und Mittlerin dieser Liebe, die bis zur Vergebung und zur Selbsthingabe führt. Wo also die Kirche gegenwärtig ist, dort muss auch die Barmherzigkeit des Vaters sichtbar werden. In unseren Pfarreien, Gemeinschaften, Vereinigungen und Bewegungen, das heißt überall wo Christen sind, muss ein jeder Oasen der Barmherzigkeit vorfinden können.

 

1.4. Maria von Ägypten, Wüstenmutter

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Maria wurde in Ägypten geboren und ging im Alter von zwölf Jahren, die Zeit, als damals ein Mädchen zur Frau wurde und ins heiratsfähige Alter kam, in die ägyptische Großstadt Alexandrien. Dort arbeitete sie siebzehn Jahre lang als Prostituierte und „weigerte niemandem ihren Leib“.

Es war die Zeit, als das Christentum unter Kaiser Konstantin staatlich anerkannt und gefördert wurde. Die Mutter des Kaisers entdeckte damals das Heilige Kreuz Christi und am Ort der Kreuzigung wurde die Grabeskirche errichtet, Das waren Sensationen, die in aller Munde waren und auch Maria wollte das Kreuz sehen, an dem vor damals fast dreihundert Jahren dieser Jesus, von dem man sich so viel Wundersames erzählte, gestorben ist.

Es war wohl mehr Sensationsgier als ein echter tiefer Glaube, der damals viele Menschen nach Jerusalem aufbrechen lies. Auch für Maria war die Reise dorthin eher eine Lustreise als eine fromme Pilgerfahrt. Da sie kein Geld hatte, um die Überfahrt mit dem Schiff zu bezahlen, bot sie den Seeleuten ihren Leib als Fahrgeld an.

In Jerusalem wollte sie zusammen mit den anderen Reisenden in die Grabeskirche gehen und das Kreuz Christi anbeten. Doch sie konnte die Schwelle der Kirche nicht überschreiten. Immer, wenn sie es versuchte, hielt eine unsichtbare Kraft sie zurück. Da erkannte sie plötzlich ihre Unreinheit, in der sie viele Jahre so selbstverständlich gelebt hatte, und bereute zum ersten Mal ihre Taten.

Ich schlug an meine Brust und weinte bitterlich und seufzte aus dem tiefsten Grund meines Herzens. Als ich aber meine Augen erhob, sah ich das Bild Unserer Lieben Frau. Zu ihr betete ich mit bitteren Tränen, dass sie für mich die Vergebung meiner Sünden erwirken möge, damit ich eintreten und das Heilige Kreuz anbeten könne.

Nun war das Hindernis weg und Maria konnte in die Kirche gehen. Dieser Augenblick hat ihr Leben verändert. Es waren keine leeren Worte, mit denen sie zu Maria gebetet hat, sondern sie drückten ihre ganze Sehnsucht aus: Sie wollte das Kreuz Christi anbeten und in seine Nachfolge treten und fortan ein Leben reiner Buße und Entsagung führen.

In der Kirche begegnete ihr ein Mann, der ihr drei Geldstücke gab, mit denen sie sich drei Brote kaufen konnte. Sie hörte eine Stimme, die zu ihr sprach:

Geh über den Jordan, so wirst du gerettet.

So ging sie in die Wüste jenseits des Jordan und lebte dort in größter Einsamkeit. Die drei Brote dienten ihr siebenundvierzig Jahre lang als Nahrung. Als ihr die Kleider vom Leib fielen, blieb sie nackt, nur von ihrem Haar bedeckt.

Siebzehn Jahre bin ich in dieser Wüste noch von fleischlicher Anfechtung gepeinigt worden, aber ich habe sie besiegt mit der Hilfe Gottes.

Im mühsamen täglichen Kampf mit den Leidenschaften und Versuchungen hat sie den Sieg davon getragen. Ihre Bekehrung blieb nicht an der Oberfläche, sondern durchdrang ihr ganzes Wesen. So betet die Ostkirche an ihrem Festtag:

Du hast die Bilder deiner Leidenschaften aus der Seele weggefegt und die Urbilder der Tugend in deine Seele eingegraben.

Die heilige Einsiedlerin wurde nach 47 Jahren Einsamkeit von dem Mönch Zosimas entdeckt. Dieser lebte als strenger Asket und hielt sich darin für nahezu perfekt. Dennoch war er auf der Suche nach einem Mönch, der ihn etwas lehren könnte, das er bisher nicht wusste und ihm eine Form der Askese zeigen könnte, die er bisher noch nicht praktizierte. Gott hatte ihm offenbart, dass er diesen Lehrmeister finden werde.

Als Zosimas auf seiner Suche in die Wüste jenseits des Jordan kam, entdeckte er eine Gestalt, die allem Anschein nach nackt war. Da er tagelang keinem lebenden Wesen begegnet war, hielt er dies zunächst für ein Trugbild, dann aber überkam ihn große Freude. Als er sich aber der Gestalt nähern wollte, entfernte sich diese. Er eilte hinterher, bis ihm die Gestalt plötzlich zurief:

Abt Zosimas, warum verfolgst du mich? Was fällt dir ein, ein sündiges Weib anschauen zu wollen? Was willst du von mir lernen oder was willst du von mir sehen? Vergib mir, aber ich kann mich dir nicht zeigen, denn ich bin eine Frau und nackt. Gib mir deinen Mantel, damit ich mich bedecken und mich dir ohne Scham zeigen kann.

Abt Zosimas ist sehr verwundert. Woher kennt die Frau seinen Namen? Zudem sieht er sie nun mit ausgebreiteten Händen beten und dabei über der Erde schweben. Ist dies ein Trugbild des Teufels? Maria aber ruft ihm erneut zu:

Das verzeihe dir Gott, dass du mich arme Sünderin für einen unreinen Geist hältst!

Maria bittet Zosimas um seinen priesterlichen Segen, er aber will von ihr gesegnet werden, da er ihre Heiligkeit erkennt. Nun knien beide voreinander nieder. Gott hat Zosimas gezeigt, dass diese Frau einen noch höheren Grad an Heiligkeit erlangt hat, als er selbst. Er aber besitzt die Demut, dies zu akzeptieren und von dieser Frau zu lernen.

Maria erzählt Zosimas nun von ihrem Leben als Prostituierte und von ihrer wundersamen Bekehrung in Jerusalem vor genau 47 Jahren. Sie bittet ihn darum, im nächsten Jahr am Gründonnerstag mit dem heiligen Leib des Herrn wieder zu kommen, damit sie die heilige Kommunion empfangen könne.

Als Zosimas fast ein Jahr später am verabredeten Tag wieder in die Wüste kommen will, ist der Jordan über die Ufer getreten und er kann nicht hinüber. Maria aber steht am anderen Ufer, macht das Zeichen des Kreuzes und kommt über das Wasser zu ihm. Sie empfängt aus seinen Händen die heilige Eucharistie, und nachdem sie abermals das Zeichen des Kreuzes gemacht hat, schreitet sie über den Jordan zurück in die Wüste.

Ein Jahr später suchte Zosimas den Ort auf, an dem er Maria zum ersten Mal begegnet war. Da sah er sie tot liegen. Er erkannte, dass sie kurz nachdem sie im vergangenen Jahr den Leib des Herrn empfangen hatte, an diesen Ort zurückgekehrt und gestorben war. Ihr Leib war unverwest. Zosimas hatte aber nicht die Kraft, ein Grab auszuheben. Da sah er einen Löwen auf sich zukommen und erschrak. Der Löwe aber war sanft und grub das Grab, so dass Zosimas den Leib der Heiligen bestatten konnte. Schon im 6. Jahrhundert war Marias Grab Ziel von Wallfahrten. Als Urtyp der Büßerin wurde sie besonders im Mittelalter weithin hoch verehrt.