Der Ruf “Marana tha” stammt aus dem Aramäischen und hat sich ebenso wie das aramäische “Amen” in seiner Grundform von Jerusalem ausgehend in der ganzen Welt verbreitet, ohne in die jeweilige Landessprache übersetzt zu werden. Es handelt sich dabei sowohl um einen sehnsüchtigen Ruf nach dem Kommen des Herrn (Unser Herr, komm!), hat aber auch affirmativen Charakter und bestätigt, dass der Herr kommt (Unser Herr kommt!). Wir begegnen diesem Ruf auch am Ende der Offenbarung des Johannes und spätere Quellen zeigen, dass er in der Liturgie verwendet wurde, wohl um die Gegenwart des Herrn in der Eucharistie anzuzeigen.
Unser Herr, komm! Unser Herr kommt! Unser Herr ist gekommen! Der Ruf birgt in sich die ganze Bandbreite der Gegenwart des Herrn. Jesus ist gekommen als Mensch und hat den Menschen die Liebe Gottes offenbart und in dieser Liebe ist er für das Heil der Menschen in den Tod gegangen. Mit seiner Auferstehung hat er den Weg zum Himmel geöffnet. Dorthin wird er die Seinen zu sich holen, wenn er wiederkommt. Doch Jesus ist auch bleibend gegenwärtig in seiner Kirche, in ganz besonderer Weise in der Eucharistie.
Die Erwartung des Kommens des Herrn und das Bewusstsein seiner bleibenden Gegenwart sind ein zentrale Aspekte christlichen Lebens. Darauf hat Paulus schon zu Beginn des Briefes hingewiesen. Ständig ereignet sich das Kommen des Herrn, ständig müssen wir dafür bereit sein und bei seinem Kommen in Herrlichkeit wird sich alles vollenden. Angesichts dieses Kommens des Herrn verliert alles menschliche Gerangel um Vorrang und Macht an Bedeutung. Wer auf den Herrn schaut, der lernt, in demütiger Liebe als Gottes Kind zu leben.
Was heißt aber: “Marana tha”? Unser Herr kommt. Aus welchem Grund sagt er nun das? Um die Lehre von der Menschwerdung zu bestätigen, worauf er die Lehre von der Auferstehung gegründet hat. Allein nicht bloß darum, sondern auch, um sie zu beschämen, so als wollte er sagen: Unser aller Herr hat sich gewürdigt, so tief herabzusteigen, und ihr bleibt immer dieselben und fahrt fort, zu sündigen! Erstaunt ihr nicht ob diesem Übermaß von Liebe? Bedenkt doch nur dies, will er, sagen, und ihr werdet in aller Tugend voranschreiten und alle Sünden austilgen können. (Johannes Chrysostomus)