Wahl des Matthias zum Apostel

In diesen Tagen erhob sich Petrus im Kreis der Brüder – etwa hundertzwanzig waren zusammengekommen – und sagte: … (Apg 1,15)

Petrus hat nach der Himmelfahrt Jesu die Leitung der kleinen, aber ständig wachsenden Gruppe der Anhänger Jesu übernommen. Waren nach der Rückkehr vom Ort der Himmelfahrt zunächst nur etwa 20 Personen zum gemeinsamen Gebet versammelt, sind nun schon 120 zusammen gekommen. Diese Zahl entspricht dem symbolischen Wert 10×12, was eine Vielzahl von 12 meint. Die Zwölf steht für das Zwölfstämmevolk Israel. Wie die zwölf Söhne Jakobs die Stammväter Israels bilden, so sind die zwölf Apostel das Fundament des neuen Gottesvolkes. Wenn nun die 12 mit der 10 multipliziert wird, so steht dies symbolisch für das Wachstum der Kirche Gottes. Um aber diesen symbolischen Wert beizubehalten, musste der Kreis der Zwölf, der nach dem Verrat und Tod des Judas Iskariot eines seiner Mitglieder verloren hat, wieder zu seiner symbolischen Fülle ergänzt werden. Hierzu ergreift Petrus mit seinen Worten die Initiative:

Brüder! Es musste sich das Schriftwort erfüllen, das der Heilige Geist durch den Mund Davids im Voraus über Judas gesprochen hat. Judas wurde zum Anführer derer, die Jesus gefangen nahmen. Er wurde zu uns gezählt und hatte Anteil am gleichen Dienst. Mit dem Lohn für seine Untat kaufte er sich ein Grundstück. Dann aber stürzte er vornüber zu Boden, sein Leib barst auseinander und alle Eingeweide fielen heraus. Das wurde allen Einwohnern von Jerusalem bekannt; deshalb nannten sie jenes Grundstück in ihrer Sprache Hakeldamach, das heißt Blutacker. Denn es steht im Buch der Psalmen: Sein Gehöft soll veröden, niemand soll darin wohnen! und: Sein Amt soll ein anderer erhalten! (Apg 1,16-20)

Drastisch schildert Petrus hier das Ende des Judas Iskariot. An dem vom Lohn seines Verrats erworbenen Grundstück hatte er keine Freude, vielmehr erleidet er einen qualvollen Tod. Von Selbstmord ist hier nicht die Rede, das Hervorquellen der Eingeweide ist aber ein Bild für ein besonders schmerzhaftes und unrühmliches Lebensende. In allem was geschieht, erfüllt sich, was in den Psalmen verheißen ist. Sowohl der Verrat des Judas als auch sein Ende und die Verdammnis seines Besitzes (die Gegend um das Hakeldamach-Kloster, in der man den Blutacker vermutet, ist bis heute ein ungewöhnlicher Ort in Jerusalem) wird in den Psalmen vorgezeichnet. Der kundige Leser kann die Psalmenstellen (Ps 69,26; 109,8) auf diese Ereignisse deuten.
Aber noch etwas anderes ist in den Psalmen vorausgesagt: dass für das Apostelamt des Judas, das dieser durch sein Tun verloren hat, ein würdiger Nachfolger gefunden werden muss. die Kriterien für einen solchen Nachfolger lauten:

Einer von den Männern, die die ganze Zeit mit uns zusammen waren, als Jesus, der Herr, bei uns ein und aus ging, angefangen von der Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns ging und (in den Himmel) aufgenommen wurde, – einer von diesen muss nun zusammen mit uns Zeuge seiner Auferstehung sein. (Apg 1,21-22)

Der Kreis derer, die Jesus gefolgt sind, ging schon immer über die zwölf Apostel hinaus. So wird beispielsweise von einer Aussendung von zweiundsiebzig Jüngern berichtet (Lk 10,1-16). Auch wenn wir beim Lesen der Evangelien den Eindruck gewinnen, dass allein die Zwölf den harten Kern gebildet haben, der immer bei Jesus war, so wird hier deutlich, dass die Zahl derer, die Jesus vom Beginn seines Auftretens an nachgefolgt sind, weit größer ist. Den zwölf Aposteln kam in diesem Jüngerkreis wohl eine symbolische Bedeutung und eine hierarchische Vorrangstellung zu. Die Abweichungen in den Apostellisten der vier Evangelien, die die Exegese versucht, durch verschiedene Deutungen in Einklang zu bringen, könnten auch ein Hinweis darauf sein, dass es unterschiedliche Überlieferungen gab, wer genau dem Zwölferkreis angehörte. Außerdem müssen wir unterscheiden zwischen dem Begriff Apostel und dem Zwölferkreis. Auch Paulus sieht sich als Apostel, ebenso wie andere Missionare der “ersten Stunde”.
Hier wird auch die wichtigste Aufgabe der Apostel und aller Jünger Jesu genannt: Zeuge der Auferstehung Jesu Christi zu sein, das heißt, der Welt zu verkünden, dass Jesus lebt und das eigene Leben auf diesen Glauben zu bauen, dass Jesus von den Toten auferstanden ist und somit erfahrbar zu machen, dass für alle Menschen der Weg zu Himmel offen steht und Gott mit den Menschen ist und sich um die kümmert, die an seinen Namen glauben.

Und sie stellten zwei Männer auf: Josef, genannt Barsabbas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias. Dann beteten sie: Herr, du kennst die Herzen aller; zeige, wen von diesen beiden du erwählt hast, diesen Dienst und dieses Apostelamt zu übernehmen. Denn Judas hat es verlassen und ist an den Ort gegangen, der ihm bestimmt war. Dann gaben sie ihnen Lose; das Los fiel auf Matthias und er wurde den elf Aposteln zugerechnet. (Apg 1,15-26)

Zwei Männer erfüllen diese Voraussetzungen und werden zur Wahl aufgestellt: Josef, genannt Barsabbas und Matthias. Das Los soll entscheiden, aber wichtig ist auch das Gebet. Somit wird deutlich, dass durch den Losentscheid letztlich Gott seinen Willen offenbar werden lässt. Das Los fällt auf Matthias, der von nun an zu den zwölf Aposteln gehört.

Gemeinschaft der Heiligen (2)

Ein großes Geschenk des Zweiten Vatikanischen Konzils war es, eine auf “communio” – Gemeinschaft – gründende Sicht der Kirche wiedergewonnen zu haben. Das Konzil hat uns geholfen, besser zu verstehen, dass alle Christen als Getaufte die gleiche Würde vor dem Herrn besitzen und in derselben Berufung, der Berufung zur Heiligkeit, vereint sind.

Jetzt fragen wir uns: Worin besteht diese allgemeine Berufung zur Heiligkeit? Und wie können wir sie verwirklichen? Zunächst müssen wir uns zu Bewusstsein führen, dass Heiligkeit nicht etwas ist, das wir uns selbst erwerben können, das wir mit unseren Eigenschaften und mit unseren Fähigkeiten erlangen können. Heiligkeit ist ein Geschenk, sie ist das Geschenk, das der Herr uns macht, wenn er uns annimmt und uns mit sich selbst bekleidet, uns ihm ähnlich macht. …

Heiligkeit ist ein Geschenk, das ohne Ausnahme allen Menschen angeboten wird. Daher ist sie das Wesensmerkmal eines jeden Christen. All das lässt uns verstehen, dass man, um heilig zu sein, nicht Bischof, Priester, Ordensmann oder Ordensfrau sein muss: Nein, wir alle sind berufen, heilig zu werden! … Gerade dadurch, dass wir in der Liebe leben und im täglichen Tun unser christliches Zeugnis geben, sind wir berufen, heilig zu werden – und zwar in jeder Situation und in jedem Lebensstand. …

Ja, jeder Lebensstand führt zur Heiligkeit, immer! Bei dir zuhause, auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Kirche, in jedem Augenblick steht der Weg zur Heiligkeit offen. … Heiligkeit ist die Einladung, an der Freude des Herrn teilzuhaben und jeden Augenblick unseres Lebens mit Freude zu leben, Heiligkeit ist die Einladung, uns darzubringen und Christus gleich zu einer Liebesgabe für die Menschen um uns zu werden.

(Papst Franziskus)

Johannes Nepomuk Neumann (1811-1860)

Johann Nepomuk Neumann wurde am 28. März 1811 als ältestes von sechs Kindern der Familie Neumann in Prachatitz (Prachatice) im Böhmerwald, etwa 45 Kilometer westlich von Budweis (Ceske Budejovice), geboren. Sein Vater war von Beruf Strumpfwirker und erst 1802 aus dem unterfränkischen Obernburg am Main ausgewandert.

Nach dem Besuch der Elementarschule ging er nach Budweis auf das Gymnasium und begann nach dem Abitur das Studium der Theologie in Prag. Sein Ziel war es, Priester zu werden. Damals gab es jedoch in seiner Heimatdiözese genügend Priester, so dass er nicht zur Weihe zugelassen wurde. Über die Leopoldinen-Stiftung in Wien erfuhr er aber, dass in Nordamerika dringend Priester für die vielen deutschen Auswanderer gesucht wurden.

Am 11. Februar 1836 nahm Johann Nepomuk Neumann Abschied von seiner Heimat, reiste zu Fuß nach Frankreich, und bestieg am 20. April in Le Havre ein Schiff nach New York, wo er am 2. Juni ankam. Nur wenige Tage nach seiner Ankunft, am 24. Juni, wurde er zum Diakon und einen Tag später zum Priester geweiht. Seinen Dienst in der Fremde legte er ganz in Gottes Hand:

O mein Gott, der Gang meiner Unternehmungen behält noch immer den Charakter des Unerwarteten, des Misslingens aller meiner Versuche, der getäuschten Hoffnungen. Ich stehe an der Grenze eines weiten gefahrvollen Landes ohne einen anderen Führer als dich, mein Gott. Es kommt mir vor als wäre eine unbekannte Hand im Spiel. Aber mir wird nichts widerfahren, denn ich bin dein … und du bist allmächtig.

Über seine Briefe wissen wir viel von seiner ersten priesterlichen Tätigkeit in dem damals noch weitgehend unerschlossenen Gebiet bei Buffalo am Eriesee. Er erkannte jedoch, dass die umfangreiche Tätigkeit dort ohne den Rückhalt einer Gemeinschaft für einen einzelnen Priester zu viel war. Im November 1840 trat er bei den Redemptoristen ein, ebenso wie sein Bruder Wenzel, der ihm im Jahr 1839 nach Nordamerika gefolgt war. Es ist eine Zeit des Aufbruchs und noch ungefestigter Strukturen. Die Chronik des Noviziates vermerkt:

Dieser erste Novize unserer amerikanischen Provinz genoss nicht den regelmäßigen Unterricht und die sorgfältige Leitung eines geordneten Noviziates, dennoch ward er sogleich mit den Arbeiten reifer Ordensmänner betraut, und zeichnete sich aus durch treue Beobachtung der Ordensregeln, durch Liebe zur Kongregation und durch große Tugenden.

Seine erste Pfarrstelle nach dem Ablegen der Gelübde war die Seelsorge an der Alfonsus-Kirche in Baltimore, wo es damals 4000 deutsche Katholiken gab. Bald wurde er Stellvertreter des Provinzials und betreute auch die Armen Schulschwestern Unserer Lieben Frau, die von München nach Nordamerika gekommen waren und die ihn heute “als unseren Gründer in Amerika verehren”. 1844 wurde er Leiter des Klosters in Pittsburgh, 1847 Visitator aller amerikanischen Niederlassungen des Ordens, 1848 Vizeprovinzial. Er ließ Kirchen bauen und Schulen gründen, er predigte und hörte Beichte in sieben Sprachen, er gab zwei Katechismen heraus und veröffentliche Artikel. Vor allem die Erziehung der Jugend lag ihm am Herzen und er legte mit seinem Wirken den Grundstein für das kirchliche Pfarrschul-System in den heutigen USA.

Diese kurze Aufzählung lässt erahnen, wie umfangreich seine unermüdliche Tätigkeit war. Im Jahr 1852 wurde er schließlich zum Bischof von Philadelphia ernannt. Dabei lebte er in aller Bescheidenheit, kehrte sein Zimmer selbst und putzte sich selbst die Schuhe. Er nahm sich vor allem der einfachen und armen Leute an. Ihnen fühlte er sich verwandt, mit ihnen aß er Kartoffelsuppe, spülte selbst in der Küche. Ein Beispiel für seine Bescheidenheit und zugleich seinen Humor gibt die folgende Anekdote:

Jemand sagte zu ihm: “Herr Bischof, wechseln Sie doch ihre Schuhe, sie sind ja ganz durchgeweicht.” – “Die Schuhe wechseln? Da müsste ich ja den linken Schuh über den rechten Fuß anziehen …” – Er hatte nur ein Paar Schuhe.

Als Wahlspruch für sein Bischofswappen wählte er aus dem Gebet “Anima Christi” den Satz:

Leiden Christi, stärke mich!

Sein rastloser Einsatz zehrte an seiner Gesundheit. Im Alter von 49 Jahren brach er zusammen und starb am 5. Januar 1860. Sein Begräbnis war die größte Feier, die Philadelphia bis dahin erlebt hatte. Bereits wenige Jahre nach seinem Tod wurde der Seligsprechungsprozess eingeleitet. 1963 erfolgte die Selig- und 1977 die Heiligsprechung.

Seliger Winthir

Wer in München auf dem Rotkreuzplatz, dem Zentrum des Stadtteils Neuhausen, ankommt, entdeckt kurz vor dem Rotkreuzkrankenhaus die moderne Statue eines heiligen Mannes, der auf einem Esel sitzt und predigend das Kreuz emporhebt. Wer dann nicht auf der Nymphenburger Straße weitergeht, sondern die etwas abgelegene Winthirstraße Richtung Westen geht, entdeckt das alte Neuhauser Kirchlein mit dem Alten Friedhof.

All dies sind Gedenkmarken an einen Heiligen aus vergangener Zeit. Man weiß nicht einmal genau, wann der heilige Winthir hier in Neuhausen den Einwohnern des damals kleinen Ortes das Evangelium verkündet hat. War es bereits im 8. Jahrhundert oder doch erst im 12. Jahrhundert? Neuhausen wird erstmals im 13. Jahrhundert urkundlich erwähnt und die ältesten uns erhaltenen schriftlichen Zeugnisse über den seligen Winthir stammen aus dem 18. Jahrhundert.

Die frommen Überlieferungen aber wissen von einem Heiligen, der aus unbekannter Ferne kam und sich an diesem Ort niedergelassen hat. Er verdiente seinen Lebensunterhalt als Maultiertreiber und verkündete den Menschen, die hier lebten, das Evangelium von Jesus Christus. Zudem soll er auch wundersame Heilungen gewirkt haben. Die Echtheit seines Grabes in der Winthirkirche konnte nachgewiesen werden.

Es gab also diesen heiligen Mann, den seligen Winthir, dessen Andenken über die Jahrhunderte von den Menschen in Neuhausen bewahrt wurde. Bis heute ist er den Menschen als Volksheiliger im Gedächtnis geblieben und immer wieder geschehen Wunder auf seine Fürsprache hin. Noch heute mahnt uns sein erhobenes Kreuz, dass wir den nicht vergessen, der für uns als Kind in diese Welt gekommen ist und uns durch sein Leben, Sterben und Auferstehen den Weg zu einem neuen Leben erschlossen hat. Für diesen unseren Herrn Jesus Christus gibt der selige Winthir Zeugnis, damals wie heute.