Bei seiner 2. Missionsreise kommt Paulus auf seinem Weg durch Griechenland auch nach Athen. Diese Stadt hatte damals ihre politische Bedeutung verloren, die sie einst als mächtiger griechischer Stadtstaat gehabt hatte. Dennoch lebte ihr Ruhm als Stadt der Philosophen weiter und das Erbe der großen Philosophen wie Aristoteles, Platon und Epikur wurde hier weiter gepflegt. Doch trotz der differenzierten philosophischen Weltanschauung war auch der traditionelle Götterglaube in Athen fest verwurzelt und überall standen die Statuen dieser Götter. Griechische Bildhauerei war in der Antike berühmt, griechische Statuen besonders auch in Rom begehrt und noch heute können wir in vielen Museen solche antiken Statuen bewundern. Für Paulus aber waren sie keine wertvollen Kunstwerke, sondern erregten vor allem seinen Zorn. Wie viele Juden hatte er eine tiefe Verachtung gegenüber der heidnischen Vielgötterei.
Auch in Athen beginnt Paulus sogleich von seinem Glauben an Jesus Christus zu erzählen. Hier sind es aber nicht wie in vielen anderen Städten die Juden, mit denen er über die Auslegung der Heiligen Schriften und deren Deutung auf Jesus Christus hin diskutiert, sondern die Mitglieder der Philosophenschulen. Diese werden bald auf den fremden Wanderprediger aufmerksam und wollen mehr über seine Lehre erfahren. Sie laden Paulus ein, auf dem Areopag, dem altehrwürdigen Versammlungsort Athens, eine Rede zu halten.
Sicher war das damals eine besondere Ehre und es zeigt, dass Paulus als ernstzunehmender Diskussionspartner wahrgenommen wurde. Für Paulus war eine solche Rede aber weit schwieriger als die Predigt unter Juden und Gottesfürchtigen, bei denen er mit der Heiligen Schrift argumentieren konnte, die er in und auswendig kannte. Wahrscheinlich hatte Paulus in seiner Erziehung aber auch die Grundzüge griechischer Philosophie gelernt und genau dieses Wissen baut er nun geschickt in seine Rede ein.
Doch obwohl Paulus seine Rede mit einem Lob der Athener als besonders fromme Menschen beginnt und auf dem Höhepunkt seiner Rede sogar einen Philosophen wörtlich zitiert – was sicher bei seinen Zuhörern Eindruck machte – lehnen die meisten Athener seine Lehre ab. Zu stolz sind sie auf das Erbe ihrer großen Philosophen und zu fremdartig erscheint ihnen das, was Paulus sagt. Auferstehung passt in keines der philosophischen Konzepte und ein Erlöser aus dem unbedeutenden Judäa war auch nicht gerade attraktiv.
Es wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn sich die Schüler der Philosophen so schnell für den christlichen Glauben entschieden hätten. Die Auseinandersetzung mit der griechischen Philosophie prägt die ersten Jahrhunderte des Christentums. Und selbst als im 6. Jahrhundert unter Kaiser Justinian die letzte Philosophenschule in Athen geschlossen wurde, lebte die Lehre der Philosophen noch weiter fort. Gerade Platon und Aristoteles spielen bis heute eine bedeutende Rolle in der Theologie.
Während die Götter Griechenlands verschwunden sind, besteht die Kunst philosophischen Denkens bis heute fort und es ist gut, wenn sich Philosophie und Theologie gegenseitig ergänzen, denn in beiden Wissenschaften geht es ja um das Wahre, Schöne und Gute und um die rechte Lebensweise. Der Erfolg des Paulus war zwar nicht direkt offensichtlich, nur wenige Anhänger findet er in Athen, aber er stößt eine Entwicklung an, die bis heute von großer Bedeutung ist.