20.7. Apollinaris von Ravenna (+75 oder um 200)

Mit dem heiligen Apollinaris kommen wir sehr nah an die Zeit Jesu und der Apostel heran. Legenden berichten sogar davon, dass Apollinaris einer der 72 Jünger war, die Jesus ausgesandt hat. Dafür finden sich jedoch keine Belege. Andere Legenden berichten davon, dass Apollinaris ein Schüler des Apostels Petrus war und sich diesem entweder bereits in Antiochien oder später in Rom angeschlossen hat. Von Rom aus soll Petrus dann den Apollinaris in die Stadt Ravenna gesandt haben, um dort das Evangelium zu verkünden. Apollinaris wurde der erste Bischof der Stadt Ravenna und ist bis heute Schutzpatron dieser Stadt.

Möglicherweise spiegeln diese Legenden, die das Wirken des hl. Apollinaris eng mit dem Apostel Petrus verknüpfen, das Bestreben der Stadt Ravenna wieder, in ihrer Würde mit Rom gleichzuziehen. Ravenna war in den letzten Jahrzehnten des Weströmischen Reiches anstelle von Rom Kaiserresidenz. Nach dem Ende des Weströmischen Reiches (476) übernahmen die Ostgoten die Herrschaft. Unter Kaiser Justinian eroberte das Oströmische Reich Teile Italiens zurück. Von 540 bis 751 war das Exarchat Ravenna die wichtigste Stadt des Oströmischen Reiches in Italien. Im Jahr 751 eroberten die Langobarden die Stadt, unterlagen aber bald dem Heer des Karolingers Pippin des Jüngeren, dem Vater Karls des Großen. Dieser soll in der sogenannten Pippinischen Schenkung das eroberte Gebiet um Ravenna dem Papst vermacht haben, woraus sich dann der Kirchenstaat entwickelt hat.

Die Kirche von Ravenna sollte also mit Apollinaris einen Gründer haben, der in seiner Würde nur wenig geringer war als ein Apostel und durch die Verbindung mit Petrus eng mit dem Haupt des Apostelkollegiums verbunden war. Andere Legenden hingegen datieren die Lebenszeit des hl. Apollinaris erst auf das 2. Jahrhundert. Nach allen Legenden aber soll er als Märtyrer gestorben sein und während seines Wirkens in Ravenna viele Wunder vollbracht und unerschrocken den Glauben an Jesus Christus verkündet haben. So soll er durch sein Gebet einen Blinden geheilt und die verstorbene Tochter eines vornehmen Römers wieder zum Leben erweckt haben.

Die Tochter des Patriziers Rufus, eines Fürsten von Ravenna, wurde krank, und er rief den hl. Apollinaris herbei, damit er sie heile. Aber als der Heilige in sein Haus kam, starb die Tochter. Da sprach Rufus: “Wärst du doch nicht in mein Haus gekommen, siehe, nun sind die großen Götter zornig geworden und wollen meine Tochter nicht mehr heilen. Was aber kannst du schon für sie tun?” Apollinaris antwortete: “Hab keine Furcht, doch schwöre mir: wird deine Tochter wieder lebendig, so hindere sie nicht, ihrem Schöpfer nachzufolgen.” Das schwor der Vater. Da betete der hl. Apollinaris und die Jungfrau stand auf, bekannte den Namen Jesu Christi und empfing mit ihrer Mutter und vielen anderen die heilige Taufe, und blieb danach jungfräulich bis an ihren Tod. (Legenda Aurea)

Der Kaiser aber hörte von diesem Wunder und befahl daraufhin, Apollinaris zu zwingen, den christlichen Glauben zu leugnen und den Göttern zu opfern. Da dieser standhaft blieb, wurde er geschlagen, gefoltert und anschließend mit heißem Wasser übergossen. Danach wurde Apollinaris auf einem Schiff gefesselt in die Verbannung geführt. Das Schiff aber soll in Seenot geraten sein und allein Apollinaris und einige Soldaten, die sich von ihm taufen ließen, wurden gerettet. So kehrte Apollinaris nach Ravenna zurück, wurde aber sofort wieder festgenommen. Da er aber den blinden Sohn des Richters heilte, brachte ihn dieser vier Jahre lang in seinem Landgut in Sicherheit. Erst unter Kaiser Vespasian stellten die Heiden den Christen wieder stärker nach und spürten auch Apollinaris auf. Um das Jahr 75 wurde er von heidnischem Mob zu Tode geprügelt und starb den Märtyrertod. Andere Legenden datieren diese Ereignisse erst auf die Zeit um 200.

Über dem Grab des Heiligen in Classe, einem Vorort Ravennas, wurde um das Jahr 549 die weltberühmte dreischiffige Basilika S. Apollinare in Classe erbaut, im Jahr 856 wurden die Reliquien von dort in die Kirche S. Apollinare Nuovo im Zentrum der Stadt Ravenna übertragen. Seine Verehrung breitete sich von Ravenna über Rom und Mailand bis nach Südfrankreich und ins Elsass aus. Im Mittelalter kamen Reliquien des Heiligen nach Aachen, Siegburg, Düsseldorf und Remagen, wo die Verehrung des Heiligen bis heute lebendig ist. Apollinaris ist der Schutzpatron der Städte Düsseldorf und Remagen. Auf dem Apollinarisberg in Remagen, wo mit der Hauptreliquie die bedeutendste Reliquie des Heiligen aufbewahrt wird, ist seit dem 14. Jahrhundert eine Wallfahrt belegt, zu der auch heute noch jedes Jahr viele Pilger kommen.

Jes 55 – Gottes Wort wirkt

Wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt und nicht dorthin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt und sie zum Keimen und Sprossen bringt, wie er dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen, so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe. (Jes 55,10-11)

Der zweite Teil des Buches Jesaja beinhaltet Worte, die ein ansonsten unbekannter Prophet zur Zeit des babylonischen Exils gesprochen hat. Seine Worte wurden als sogenannter Deuterojesaja in das Buch Jesaja integriert. Von ihm stammen unter anderem die Lieder vom Gottesknecht und die hoffnungsvollen Worte über die Befreiung aus dem Exil in Babylon.

Die Verse über die Wirkkraft des Wortes Gottes stehen am Ende des Deuterojesaja. Sie sollen die Aussage des Propheten bekräftigen. Seine Worte sind nicht bloßes Gerede. Wenn Gott spricht, so wohnt seinem Wort auch die Kraft inne, das zu erfüllen, was er verheißen hat. Konkret heißt das hier, dass die Rede von der Befreiung aus dem Exil in Babylon nicht nur ein schöner Text ist, sondern dass diese Befreiung Wirklichkeit werden wird.

Der Prophet nutzt dazu den Vergleich mit Regen und Schnee. Bedenken wir einmal, wie lebenswichtig es ist, dass Wasser vom Himmel kommt. Wenn es zu wenig regnet, trocknet die Erde aus, die Pflanzen verdorren, die Fruchtbarkeit geht zurück und irgendwann merken auch wir Menschen, dass das Wasser knapp wird, das wie selbstverständlich aus unseren Leitungen fließt. Wie wichtig ist es, dass es genug regnet, wie zerstörerisch kann zu heftiger Niederschlag sein. Wenn genügend Regen fällt, dann wachsen die Pflanzen, und Mensch und Tier können gut leben.

Im trockenen Land sehnen sich die Menschen nach Regen. In manchen Teilen der Erde ist Regen auf eine bestimmte Jahreszeit beschränkt. Wenn die Erde immer mehr austrocknet, warten die Menschen sehnsüchtig auf den Beginn der Regenzeit. Bleibt sie aus, so führt das meist zu einer katastrophalen Hungersnot. Doch wenn der Regen kommt, wird aus dem ausgetrockneten Land nach kurzer Zeit eine grüne Welt.

So wie die Menschen sich im trockenen Land nach Regen sehnen, so ist auch Gottes Wort ein Sehnsuchtsziel des Menschen. Gottes Wort lässt seine Nähe erfahrbar werden, es zeigt, dass Gott um die Nöte der Menschen weiß und sich ihrer annimmt. Es gibt dem Leben Richtung und Ziel. Dass Gott zu uns Menschen spricht ist irgendwie ein Wunder, wie auch Regen und Schnee irgendwie ein Wunder sind. Regen und Schnee sind zwar einerseits ganz selbstverständliche Ereignisse und wissenschaftlich erklärbare Phänomene. Aber wenn wir etwas genauer hinsehen, entdecken wir wie einzigartig die Kristalle einer Schneeflocke sind oder wie verzaubernd die Stimmung an einem Regentag sein kann.

Gottes Wort bewirkt, was Gott will, es wirkt, so wie Gott es will. Es wirkt zu allen Zeiten, zur Zeit der alten Propheten, zur Zeit Jesu und auch heute. Immer gibt es Menschen, die vom Wort Gottes getroffen werden und dann ihr ganzes Leben nach diesem Wort ausrichten. Das soll uns Mut machen, wenn wir meinen, gerade heute würde das Wort Gottes ungehört verhallen. Machen auch wir uns bereit, sein Wort aufmerksam zu hören.

Mt 13 – Das Gleichnis vom Sämann

An jenem Tag verließ Jesus das Haus und setzte sich an das Ufer des Sees. Da versammelte sich eine große Menschenmenge um ihn. Er stieg deshalb in ein Boot und setzte sich; die Leute aber standen am Ufer. Und er sprach lange zu ihnen in Form von Gleichnissen. (Mt 13,1-2a)

Nach der Bergpredigt und der Aussendungsrede an die Jünger ist die Rede über das Himmelreich die dritte der fünf großen Reden Jesu im Matthäus-Evangelium. Wie die Bergpredigt richtet Jesus auch diese Rede an eine große Menschenmenge. Ist Jesus bei der Bergpredigt auf einen Berg gestiegen, um möglichst gut von allen gesehen und gehört zu werden, so fährt er nun mit einem Boot auf den See, um zu den Menschen am Ufer zu reden. Diesmal sind es vor allem Gleichnisse, mit denen Jesus deutlich machen möchte, wie sich das Wort Gottes unter den Menschen ausbreitet und damit Gottes Herrschaft in dieser Welt sichtbar wird. Das erste dieser Gleichnisse, das vom Sämann, gehört zu den bekanntesten Gleichnissen der Evangelien.

Er sagte: Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen. Als er säte, fiel ein Teil der Körner auf den Weg und die Vögel kamen und fraßen sie. Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte. Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat. Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte Frucht, teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreißigfach. Wer Ohren hat, der höre! (Mt 13,2b-9)

Jesus gebraucht wie in allen Gleichnissen ein Bild, das den Menschen der damaligen Zeit vertraut war. Damals wurde das Saatgut noch mit der Hand auf das Feld ausgestreut. Der Sämann hatte einen großen Korb mit dem wertvollen Saatgut umgehängt, griff mit der Hand hinein und warf die Körner in hohem Bogen über das Feld. Die Felder damals waren keine großen Äcker, sondern kleine Parzellen, umgeben von Dornengestrüpp und steinigem Boden. Daher fiel nur ein kleiner Teil des Samens auf fruchtbaren Boden. Doch trotz des Risikos, dass ein Teil des Samens nicht bis zur Reife gelangen wird, sät der Sämann mutig aus, weil er weiß, dass der Samen, der auf fruchtbaren Boden fällt, einen hohen Ertrag bringen wird, der den Verlust bei weitem ausgleicht.

Obwohl das Bild vom Sämann eigentlich verständlich ist, muss Jesus es auslegen, damit deutlich wird, was es mit Himmelreich und Jüngerschaft zu tun hat.

Hört also, was das Gleichnis vom Sämann bedeutet. Immer wenn ein Mensch das Wort vom Reich hört und es nicht versteht, kommt der Böse und nimmt alles weg, was diesem Menschen ins Herz gesät wurde; hier ist der Samen auf den Weg gefallen. Auf felsigen Boden ist der Samen bei dem gefallen, der das Wort hört und sofort freudig aufnimmt, aber keine Wurzeln hat, sondern unbeständig ist; sobald er um des Wortes willen bedrängt oder verfolgt wird, kommt er zu Fall. In die Dornen ist der Samen bei dem gefallen, der das Wort zwar hört, aber dann ersticken es die Sorgen dieser Welt und der trügerische Reichtum und es bringt keine Frucht. Auf guten Boden ist der Samen bei dem gesät, der das Wort hört und es auch versteht; er bringt dann Frucht, hundertfach oder sechzigfach oder dreißigfach. (Mt 13,18-23)

So wie der Sämann den Samen mutig ausstreut, ohne vorher zu überlegen, ob er auch wirklich Frucht bringen wird, weil er weiß, dass der Samen auf fruchtbarem Boden den Verlust des Samens auf schlechtem Boden bei weitem ausgleichen wird, so spricht Gott sein Wort zu allen Menschen, weil er weiß, dass unter den vielen immer einige sind, die es aufnehmen und danach leben. Das soll uns Mut machen, wenn wir meinen, gerade heute würde das Wort Gottes ungehört verhallen.

Es kommt zu allen Zeiten vor, dass Gottes Wort auf harte Herzen trifft, in die es keinen Einlass findet. Doch Gott kennt die Herzen der Menschen, er weiß, wer ein offenes Ohr für ihn hat. Er ist der Sämann, der den Samen des Wortes Gottes aussät und wir alle sind von ihm auf je eigene Weise in den Dienst der Verkündigung gerufen. Wir wissen nicht genau, wo der Samen des Wortes, das Gott durch uns aussät, hinfällt und wo er Frucht bringt.

Jesus gibt allen Menschen die gleiche Chance, sein Wort zu hören. Daher dürfen auch wir, die wir dazu berufen sind, sein Wort zu verkünden, uns nicht nur an die wenden, von denen wir meinen, dass sie gut genug wären, uns zu hören und von anderen denken: “Die begreifen das eh nicht, denen braucht man erst gar nicht anfangen, etwas zu erklären.” Wir wissen vorher nie, was das Wort Gottes in einem Menschen bewirkt. Erst mit der Zeit wird sich zeigen, welche Frucht es bringt. Geben wir dem Wort Gottes Raum, um zu wirken.

Römer 8 – Hoffnung

Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. (Röm 8,18)

Die Worte, die Paulus hier schreibt, sind Hoffnungsworte. Wir wissen, dass wir auch als erlöste Christen nicht frei sind von den Leiden dieser Welt. Auch viele fromme Menschen werden von Schicksalsschlägen getroffen, sie leiden unter Krankheiten, den plötzlichen Verlust eines lieben Menschen, Kriegen und Verfolgungen. Oft wird hier die Frage nach dem “Warum?” gestellt. Leid ist keine Strafe für Sünde. Diese ach so leichte Erklärung konnte noch nie eine befriedigende Antwort auf die Frage nach dem Leid geben. Kein Mensch wird diese Frage beantworten können.

Wir können dem Leid nur mit der Hoffnung begegnen. Der Hoffnung, dass Gott auch im Leid für uns sorgt, dass er eine schwere Krankheit heilen kann, die Hoffnung, dass auch sinnlos erscheinendes Leid nicht sinnlos ist, die Hoffnung, dass es immer einen Weg durch das Leid hindurch gibt, und dass Gott diesen Weg mit uns geht. Und nicht zuletzt auch die Hoffnung, dass ein neues Leben bei Gott auf uns wartet, in dem es kein Leid mehr geben wird.

Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat; aber zugleich gab er ihr Hoffnung: Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden. (Röm 8,19-23)

Zusammen mit uns Menschen wartet die gesamte Schöpfung auf die Zeit des Heils. Überall in der Schöpfung stoßen wir auf Leid. Die Natur ist kein Ort der Harmonie, sondern es tobt auf allen Ebenen ein Kampf ums Überleben. Auch hier wissen wir keine Antwort auf die Frage nach dem “Warum?”. Gott hat alles gut, ja sehr gut geschaffen. Kommt das Leid in der Schöpfung durch das Wirken des Menschen zustande? Oder ist eine Kraft am Werk, die Gottes Schöpfung stören und zerstören will?

Paulus gibt uns keine Antwort auf diese Frage. Für ihn ist das Leid eine Tatsache, die wir annehmen müssen. Zugleich aber gibt es Hoffnung für den Menschen und die gesamte Schöpfung. Gott lässt seine Schöpfung nicht allein. Er hört das Seufzen und Stöhnen der Schöpfung und der Menschen in ihr. Gott will den Menschen und die gesamte Schöpfung befreien von der Macht der Sünde und des Todes und er will die ganze Schöpfung mit sich vereinen.

Paulus spricht hier von Wehen, unter denen die Schöpfung seufzt. Wehen gehen der Geburt voraus. Durch den Schmerz der Wehen hindurch wird neues Leben geboren. Wenn das Kind dann auf der Welt ist, sind die Schmerzen der Wehen bald vergessen und es überwiegt die Freude über die Geburt des Kindes.

So ist auch die Zeit zwischen Jesu Auferstehung und seinem Kommen in Herrlichkeit eine Zeit der Wehen. Durch die Taufe werden Menschen neu geboren zu Kindern Gottes, aber sie leben weiterhin in einem irdischen Leib, der an die irdischen Umstände gebunden ist. Ihr Offenbarwerden als Kinder Gottes steht noch bevor. Wir leben in der Spannung zwischen dem “Schon” und “Noch nicht”. Wir sind bereits erlöst, unser Leib ist neu geboren aus dem Wasser der Taufe, wir sind Kinder Gottes, aber wir leben noch nicht bei Gott, wir leben noch auf der Erde.

Aber es gib Hoffnung, Hoffnung dass Gott bereits hier seinen Kindern einen Geschmack der Ewigkeit gibt, indem er das Leid mitträgt und seine Gaben schenkt. Hoffnung, dass die ganze Schöpfung wieder zu dem Paradies werden kann, das Gott geschaffen hat. Wir sind berufen, diese Hoffnung mir Gottes Hilfe Wirklichkeit werden zu lassen. Gott braucht Menschen, die seine Hoffnung in sich tragen und sie anderen weiter schenken.

Jesus, Lehrer der Weisheit Gottes (Mt 11)

In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. (Mt 11,25)

Nach seiner Unterweisung der Jünger wendet sich Jesus nun wieder an alle, die zu ihm gekommen sind, um seine Worte zu hören. Jesus wird dargestellt wie ein Weisheitslehrer, der Schüler und interessierte Zuhörer um sich schart. Bei ihm finden die Menschen das, wonach sie sich im Innersten sehnen. Doch es gibt zwei grundlegende Unterschiede zwischen der Lehre Jesu und der anderer Weisheitslehrer.

Weisheitslehrer wie beispielsweise die antiken Philosophen sammelten in ihren Schulen eine Elite von Gelehrten um sich, die durch immer tiefgründigere Gedanken zu immer komplexeren Erkenntnissen gelangen sollten. Vom Denken schloss man damals auf die Natur und erst langsam schlugen die Gelehrten den anderen Weg ein, von Naturbeobachtung zu Erkenntnissen zu gelangen.

Doch Jesus will uns nicht solches Wissen über die Welt vermitteln und auch keine Philosophie, die auf tiefgründigen Gedanken beruht. Jesus richtet sich nicht an die Philosophen, sondern gerade an einfache, unmündige Menschen. Ihnen eröffnet er Geheimnisse über Gott, die menschliches Denken allein nicht in der Lage ist zu ergründen. Wenn nämlich schon die Wirklichkeit der Welt weit größer ist, als wir sie mit unserem Wissen erfassen können, um wie viel mehr gilt das dann für die Wirklichkeit Gottes. Von Gott versteht mehr, wer mit demütigem und gläubigem Herzen seine Offenbarung annimmt, als wer ihn mit seinem Verstand zu ergründen sucht.

Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will. (Mt 11,27)

Ein zweites unterscheidet Jesus grundlegend von anderen Weisheitslehrern. Jesus hat seine Weisheit und Lehre sich nicht wie diese durch Nachdenken erarbeitet, sondern er selbst ist diese Wahrheit und Lehre. Er bringt mit seiner Lehre nicht etwas, das er erworben hat, sondern er bringt sich selbst. Er selbst ist die Wahrheit, von der er spricht und diese Wahrheit hat er von seinem Vater empfangen, mit dem er untrennbar verbunden ist.

Denn dadurch, dass er allein den Vater kennt, deutet er verborgen an, dass er gleichen Wesens mit ihm ist, so als wenn er sagen würde: Was ist es verwunderlich, wenn ich Herr über alles bin, da ich etwas anderes Größeres besitze, nämlich den Vater zu kennen und gleichen Wesens mit ihm zu sein?

(Johannes Chrysostomus)

Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. (Mt 11,28)

Jesus Christus, der Sohn des Vaters, ist von Ewigkeit her mit dem Vater und dem Heiligen Geist eines Wesens. Er ist gekommen, um die Menschen in die Gemeinschaft zu rufen, in der er mit dem Vater lebt. Sie ist der Ort, an dem wir Ruhe finden, ewiges Leben, das unvergänglich in Gott geborgen ist.

Jesus, in dem die Fülle der Gottheit wohnt, ist unsere Wohnung geworden. Indem er in uns Wohnung nimmt, können auch wir in ihm Wohnung nehmen. Indem er sich in unserem Innersten niederlässt, eröffnet er uns die Möglichkeit, an seiner eigenen Nähe zu Gott teilzuhaben. Indem er uns als seinen bevorzugten Wohnort wählt, lädt er uns ein, ihn als unseren bevorzugten Wohnort zu wählen. Das ist das Geheimnis der Inkarnation, der Menschwerdung Gottes.

(Henri Nouwen)

Der Friedenskönig (Sach 9)

Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft. (Sach 9,9a)

Viele Exegeten gehen davon aus, dass der zweite Teil des Buches Sacharja, aus dem dieser Ausspruch stammt, im 4. Jahrhundert v.Chr. entstanden ist, jener Zeit, in der Alexander der Große mit der Eroberung seines Weltreichs die ganze Welt des Nahen Ostens erschüttert und für alle Völker einschneidende Veränderungen gebracht hat. Seine Nachfolger teilten dann in zahlreichen Kriegen das Erbe unter sich auf. Es war eine Zeit der Globalisierung. Noch nie gab es ein Reich, das einen so weiten Raum umspannt und so viele Völker unter einer Herrschaft vereinigt hat. Man ist noch heute fasziniert vom Mut Alexanders des Großen, aber zugleich auch abgeschreckt von der Brutalität seiner Nachfolger. Sicher hat man sich damals bereits viele Geschichten über diese Ereignisse erzählt.

Der Friedenskönig, von dem der Prophet hier spricht und der auf dem Berg Zion in Jerusalem regiert, ist ein Gegenpol zu diesen Herrschern. Doch egal auf welche Zeit und Ereignisse der Spruch des Propheten zurückgeht, es gibt zu allen Zeiten Herrscher, die Krieg über die Erde bringen und Menschen unterdrücken. Jeder Herrscher steht in der Versuchung, sich zu überheben, und sich von der Gier nach immer größerer Macht blenden zu lassen. Somit ist die Sehnsucht nach einem Friedenskönig zu allen Zeiten lebendig. Was sind die Kennzeichen eines solchen Königs?

An erster Stelle steht die Gerechtigkeit. Der Friedenskönig sucht nicht seinen eigenen Vorteil und den seiner Getreuen, er entscheidet nicht blind zugunsten der Reichen, sondern er will Gerechtigkeit für alle. Er prüft auch die Klagen der einfachen Leute und schützt sie vor Ausbeutung und den Übergriffen der Mächtigen. Er hilft, oder besser gesagt er bringt das Heil. Viele Herrscher ließen sich als Heilsbringer verehren, aber brachten großes Unheil über die Völker. Die Sehnsucht der Menschen nach Heil wurde so oft enttäuscht.

Heilig und Heil sind Worte, die uns heute weitgehend fremd geworden sind und die im öffentlichen Wortschatz kaum mehr zu finden sind, sicher auch deshalb, weil sie zu oft missbraucht wurden. Heil ist aber ein wesentliches Produkt christlichen Lebens, das wir aufgrund unserer Berufung zur Heiligkeit mit Gottes Hilfe in der Welt konkret werden lassen sollen. Ein Heiliger ist ein Mensch, der Heil wirkt, in dessen Umgebung Wunden heilen, körperliche und geistige. Der Friedenskönig schafft die Voraussetzungen dafür, dass dieses Heil allen zuteilwerden kann.

Er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin. Ich vernichte die Streitwagen aus Efraim und die Rosse aus Jerusalem, vernichtet wird der Kriegsbogen. Er verkündet für die Völker den Frieden; seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Eufrat bis an die Enden der Erde. (Sach 9,9b-10)

Der Friedenskönig ist demütig, was dadurch zum Ausdruck kommt, dass er auf einem Esel reitet. Der Esel ist damals im Nahen Osten ein seit vielen Jahrhunderten bewährtes Lasttier, das sich auch einfache Leute leisten konnten. Im Gegensatz zum Pferd, das als Streitross und Zugtier für die schnellen Streitwagen diente und auf dem die Herrscher sich in allem Stolz präsentieren konnten, ist der Esel ein Bild für Bescheidenheit und Friedfertigkeit. Im Krieg kann der Esel allenfalls das für den Tross nötige transportieren, kommt aber sicher nicht im Kampf zum Einsatz.

Im Reich des Friedenskönigs gibt es keine Streitwagen und Kriegspferde und keine Bogenschützen. All das sind Kennzeichen der expandierenden Großmächte, die mit ihren Heeren einen schnellen Angriffskrieg führen. Doch nicht die Heere, die mit ihren Streitwagen die Erde verwüsten und Angst und Schrecken verbreiten, sind das Leitbild der Zivilisation. Das Reich des Friedenskönigs ist nicht auf Expansion ausgerichtet, sondern auf Stabilisierung im Innern. Der Friede, den er bringt, schafft die Voraussetzung dafür, dass sich eine Kultur des Friedens ausbreiten kann, dass Kunst, Kultur und Religion sich entwickeln können.

Was aber ist das für ein König, der statt auf einem Streitross auf einem Esel reitet? Wie setzt er sein Reich der Gerechtigkeit durch und kann dabei auf Streitwagen und Kriegsbogen vernichten? Welcher König bringt der Welt wirklich den Frieden? Die Heilige Schrift sieht diese Verheißung in Jesus Christus erfüllt, der am Palmsonntag als Friedenskönig auf einem Esel reitend in Jerusalem einzieht, und dem das Volk zujubelt. Jesus Christus als Friedenskönig hat keine andere Waffe als die Liebe Gottes zu seinem Volk. Daher wird er von den Mächtigen auch schnell aus dem Weg geräumt. Doch wir glauben, dass mit ihm das Friedensreich Gottes in dieser Welt angebrochen ist, über das er als der Auferstandene nun herrscht.

Oft wurde die Herrschaft Gottes falsch verstanden. Könige von Gottes Gnaden regierten im Namen Gottes mit der Gewalt des Schwertes. Aus Gottes Friedensreich wurde ein Reich wilder Krieger. Doch wer Gottes Herrschaft auf dieser Welt verteidigen will, muss den Weg Jesu gehen, in aller Demut und Heiligkeit, ohne Kriegswaffen, allein in der Liebe. Er muss dabei aber auch damit rechnen, dass ihn das gleiche Schicksal treffen kann wie Jesus Christus. Aber gerade in der Schwachheit erweist sich Gottes Kraft und wir dürfen darauf vertrauen, dass er selbst es ist, der seiner Liebe zum Sieg verhilft.

Leben in Christus

Wisst ihr denn nicht, dass wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben. (Röm 6,3-4)

Paulus will den Römern veranschaulichen, was Erlösung bedeutet. Im vorangehenden Kapitel hat er gezeigt, wie durch die Gnade Gottes die Sünde Adams getilgt wurde. Die Sünde ist durch die Verfehlung Adams in die Welt gekommen und gelangte so zur Herrschaft über alle Menschen. Durch die Gnade Gottes aber wird der sündige Mensch zu einem Gerechten. Die Gnade Gottes erweist sich umso mächtiger, je größer die Macht der Sünde ist. Das heißt aber nicht – wie vielleicht einige Paulus in den Mund gelegt haben – dass er damit lehrt, dass die Christen nun fleißig sündigen sollen, damit sich Gottes Gnade umso größer erweisen kann. Der Erweis der Gnade ist einmalig. Gott nimmt dem Menschen in der Taufe die Sünden hinweg. Von nun an ist der Mensch für die Sünde tot, das heißt, er lebt nicht mehr unter ihrer Herrschaft, sondern unter der Herrschaft Gottes.

Wie aber geschieht diese Verwandlung des Menschen? Jesus Christus ist am Kreuz gestorben und wurde begraben, ist aber aus dem Grab mit der Kraft neuen Lebens auferstanden. Ebenso stirbt der alte, von der Sünde beherrschte Mensch in der Taufe und der Getaufte bekommt ein neues Leben geschenkt, in dem er von der Macht der Sünde frei ist. Dies wird symbolisiert durch das Untertauchen in Wasser, wie es früher bei der Taufe praktiziert wurde und auch heute noch bei einigen christlichen Gemeinschaften üblich ist. Der alte Mensch verschwindet unter dem Wasser und taucht als neuer Mensch aus dem Wasser auf, rein gewaschen von der Sünde. Auch das weiße Taufgewand symbolisiert diese Reinheit, die aus der Taufe hervorgeht.

Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein. Wir wissen doch: Unser alter Mensch wurde mitgekreuzigt, damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet werde und wir nicht Sklaven der Sünde bleiben. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde.
Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. Wir wissen, dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Denn durch sein Sterben ist er ein für allemal gestorben für die Sünde, sein Leben aber lebt er für Gott. So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus. (Röm 6,5-11)

Gottes Gnade schenkt dem Menschen in der Taufe ein neues Leben. Auch wenn sich der Mensch rein äußerlich dadurch nicht verändert hat, ist er doch in seinem Inneren vollkommen neu. Sünde und Tod haben keine Macht mehr über ihn. Er lebt ein neues Leben als Kind Gottes. Dies gilt es stets vor Augen zu haben. Gott schenkt dem Menschen diese Würde. Der Getaufte aber muss dieses neue Leben in Ehren halten. Er darf nicht wieder in die alte Sünde zurückfallen.

Am Wichtigsten ist, sich stets des kostbaren Guts bewusst zu sein, das Gott uns geschenkt hat. Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es. Unser Leben leben wir für Gott. Dieses Bewusstsein müssen wir stets in uns wachhalten. Wir müssen immer mehr danach streben, diese Erfahrung zu machen, was es heißt, Kind Gottes zu sein.

Nimm mich Herr
und verwandle mich.
Lass mich durchdrungen sein
von deiner Gegenwart.
Lass mich ergriffen sein
von der Kraft des neuen Lebens
das du mir geschenkt hast.
Lehre mich beten,
lehre mich in seiner Gegenwart zu leben,
lehre mich so zu leben
dass ich der Ehre würdig bin
Kind Gottes zu sein.
Amen.

Elischa und die Frau aus Schunem

Eines Tages ging Elischa nach Schunem. Dort lebte eine vornehme Frau, die ihn dringend bat, bei ihr zu essen. Seither kehrte er zum Essen bei ihr ein, sooft er vorbeikam. (2Kön 4,8)

Schunem ist eine Stadt in Israel, etwa 30 km südlich des Sees Gennesaret zwischen dem Berg Tabor und Jesreel gelegen. Sie gehört zum Gebiet des Stammes Issachar. Wir wissen nicht, warum der Prophet Elischa hier regelmäßig vorbeikam. Möglicherweise lag der Ort an der wichtigen Handelsstraße, die von der Mittelmeerküste über Megiddo und Hazor weiter nach Damaskus verlief. Es wird berichtet, dass Elischa auch in Damaskus tätig war.

In Schunem lebte eine vornehme Frau, ihren Namen erfahren wir nicht. Ihr war aufgefallen, dass Elischa hier öfter auf der Durchreise ist. Der Prophet war kein Unbekannter und sicher sorgte sein Erscheinen überall für Aufregung und die Menschen kamen zusammen, um ihn zu sehen. Wir wissen um die Gastfreundschaft in orientalischen Ländern. So ist es nahezu eine Selbstverständlichkeit, dass Elischa auf der Reise mit Essen, Trinken und einem Nachtlager rechnen kann.

Die vornehme Frau aber tut noch mehr. Sie bittet ihren Mann, eines der Zimmer im Haus dauerhaft für den Propheten herzurichten. Die Erwähnung eines gemauerten Hauses mit Obergemächern zeigt, dass es sich wirklich um eine reiche Familie handelte, die wahrscheinlich das größte Haus im Ort besaß. Auch Bett, Stuhl, Tisch und Leuchter waren damals Einrichtungsgegenstände, die sich nur reiche Leute leisten konnten.

Als Elischa fragte seinen Diener Gehasi, was man für die Frau tun könne. Dieser sagte: Nun, sie hat keinen Sohn, und ihr Mann ist alt. Da befahl er: Ruf sie herein! Er rief sie, und sie blieb in der Tür stehen. Darauf versicherte ihr Elischa: Im nächsten Jahr um diese Zeit wirst du einen Sohn liebkosen. (2Kön 4,15-16)

Elischa will der Frau für ihre Gastfreundschaft etwas zurückgeben. Die Frau aber lehnt zunächst dankend ab. Sie hat alles, was sie braucht. Neben dem Reichtum ihres Mannes lebt sie zudem inmitten ihrer Verwandten, was ihr zusätzliche Sicherheit verleiht, wenn ihrem Mann einmal etwas zustoßen sollte. Familienbande waren im Alten Orient von größter Bedeutung und mehr wert, als eine Empfehlung beim König.

Doch Gehasi, der Diener Elischas, weiß um den Schwachpunkt der auf den ersten Blick so perfekten Familie. Die Frau ist kinderlos und das ließ sie trotz ihres Reichtums im Ansehen der Menschen sinken. Zudem gab es dadurch keinen Stammhalter, der den Reichtum und das Ansehen der Familie in der nächsten Generation hätte bewahren können.

Elischa gibt der Frau daher die Verheißung, dass sie im nächsten Jahr ein Kind, ja sogar einen Sohn, haben wird. Das ist der größte Lohn, den sie für ihre Gastfreundschaft erhalten kann. Die Frau ist zunächst skeptisch, eine verbreitete Reaktion auf solche Verheißungen, wie wir es bereits bei Abrahams Frau Sarah sehen. Umso größer erscheint dann das Wunder, dass die Frau tatsächlich schwanger wird und zur verheißenen Zeit einen Sohn zur Welt bringt.

Die Geschichte aber geht noch weiter. Als das Kind einige Jahre alt ist, stirbt es plötzlich. Wir können uns den Schmerz der Frau vorstellen und zudem ihre Verwirrung. Denn warum hat Gott ihr ein Kind geschenkt, wenn er es ihr wieder nimmt? Da wäre es besser gewesen, kinderlos zu bleiben, als diesen zusätzlichen Schmerz zu ertragen. Sie eilt zu Elischa, ihrer einzigen Hoffnung. Und der Prophet wirkt ein noch größeres Wunder, er erweckt den toten Sohn wieder zum Leben.

Die Erzählung zeigt uns die wundermächtige Kraft des Propheten Elischa und die Macht Gottes, der sich um sein Volk sorgt und den Schoß eine kinderlosen Frau öffnen, ja sogar Tote zum Leben erwecken kann. Sie zeigt aber auch den Lohn der Gastfreundschaft. Diese ist keine einseitige Zuwendung. Gastfreundschaft bedeutete die Pflicht, dem Gast das Kostbarste, das man bieten konnte, vorzusetzen, ja sogar die letzten Vorräte aufzutischen. Umso größer wird der Lohn für diejenigen sein, die dazu bereit sind.

Von diesem Lohn für die gastfreundliche Aufnahme der Jünger spricht auch Jesus im heutigen Evangelium.

Prophet Jeremia

Ich hörte das Flüstern der Vielen: Grauen ringsum! Zeigt ihn an! Wir wollen ihn anzeigen. Meine nächsten Bekannten warten alle darauf, dass ich stürze: Vielleicht lässt er sich betören, dass wir ihm beikommen können und uns an ihm rächen.
Doch der Herr steht mir bei wie ein gewaltiger Held. Darum straucheln meine Verfolger und kommen nicht auf. Sie werden schmählich zuschanden, da sie nichts erreichen, in ewiger, unvergesslicher Schmach. Aber der Herr der Heere prüft den Gerechten, er sieht Herz und Nieren. Ich werde deine Rache an ihnen erleben; denn dir habe ich meine Sache anvertraut. Singt dem Herrn, rühmt den Herrn; denn er rettet das Leben des Armen aus der Hand der Übeltäter. (Jer 20,10-13)

Es ist Krieg in Jerusalem, ein furchtbarer Krieg. Die Stadt wird von den Feinden eingeschlossen, das Elend ist groß, Hunger und Krankheiten fordern täglich mehr Opfer. Doch die Menschen verstehen nicht, was geschieht. Das Volk und seine Anführer glauben weiterhin daran, dass Gott sein auserwähltes Volk verschonen wird, dass die Stadt mit dem Tempel des Herrn niemals von Feinden eingenommen werden kann.

Doch sie täuschen sich. Längst hat der Herr schon durch die Propheten das Unheil der Stadt vorausgesagt, weil ihre Bewohner nicht mehr nach dem Willen des Herrn leben. Sie geben zwar noch vor, fromm zu sein, aber es ist äußerer Schein. In ihrem Inneren werden sie bestimmt von der Grier nach Reichtum und Genuss. Die Oberschicht bereichert sich auf Kosten der Armen und der Gottesdienst ist zu einem leeren Ritual geworden.

In dieser Zeit hält Jeremia den führenden Männern der Stadt ihr Unrecht vor, sagt ihnen deutlich, dass es die Folge ihrer Vergehen ist, was nun mit der Stadt geschieht, und er macht ihnen klar, dass Gott sie nicht retten wird. Gott hat einen Neuanfang beschlossen und damit dieser geschehen kann, muss erst die alte Stadt untergehen. Das bevorstehende Exil in Babylon wird das Denken Israels und seine Beziehung zu Gott entscheidend verändern.

Jeremia ist den führenden Männern lästig. Sie können es nicht ertragen, dass da einer die Wahrheit sagt und noch dazu, dass er im Namen Gottes den Untergang der Stadt prophezeit. Sie sperren Jeremia ein, er sitzt in einem finsteren Loch und ist kurz vor dem Verhungern. Er denkt an seinen Dienst für Gott und wohin ihn dieser Dienst nun geführt hat. Vielleicht zweifelt er auch an diesen Gott, in dessen Namen er aufgetreten ist. Behandelt Gott so seine Diener?

Doch der Prophet ist durch und durch von Gott ergriffen. Er kann Gott nicht verleugnen und kann nicht aufhören, von dem zu reden, was Gott ihm gezeigt hat. Er wird die Worte Gottes verkünden, egal was seine Gegner ihm antun mögen. Dabei ist er sich sicher, dass Gott ihn retten wird. Gott wird seinen Propheten nicht verlassen. Auch wenn er jetzt in der Dunkelheit des Kerkers dahinschmachtet, er kann das Licht der Rettung sehen und glaubt an die Größe Gottes, der sein Wort in Erfüllung gehen lässt.

Herr, ich habe dir meine Sache anvertraut.

Du wirst nicht säumen, Herr,
wenn ich hoffend auf dich warte.

(Hl. Johannes vom Kreuz)