Johannes von Damaskus (um 650-754)

Johannes wurde um das Jahr 650 in einer syrisch-stämmigen Damaszener Familie geboren. Wenige Jahre zuvor, im Jahr 635, wurde Damaskus von den Muslimen erobert. Es war eine Zeit des Umbruchs, und die bis dahin weitgehend christliche Stadt wurde zu einem Zentrum der neuen Welt des Islam. Die Kalifen der  Dynastie der Umayyaden herrschten bis 750 von Damaskus aus über ihr neu entstehendes Weltreich, unter den Abbasiden wurde das Kalifat dann nach Bagdad verlegt.

Die Christen sind plötzlich zu Menschen zweiter Klasse geworden. Zwar wurden fähige Christen weiterhin auch in hohen Positionen geschätzt, ihre Rechte waren jedoch gegenüber den Muslimen eingeschränkt. Der Vater des Johannes gehörte zu den Christen, die eine solche hohe Position hatten. Er war Finanzminister unter dem Kalifen von Damaskus. Johannes selbst erhielt eine umfassende Ausbildung und lebte sogar zeitweise als Spielgefährte des Sohns des Kalifen am Hof. Später trat er wie sein Vater in den Dienst des Kalifen.

Unter dem byzantinische Kaiser Leo III. (695-741) kam es unter den Christen zum sogenannten Bilderstreit, einer Auseinandersetzung, in wie weit christlichen Bildern Verehrung entgegen gebracht werden darf. Vielleicht hatte das strikte Bilderverbot des Islam im Zusammenhang mit manchen Fehlentwicklungen auf christlicher Seite diesen Streit begünstigt. Eine starke christliche Partei unter Führung des Kaisers war gegen die Verehrung der Bilder und es kam zu einem Bildersturm im byzantinischen Reich. Die sogenannten Ikonoklasten zerstörten alle christlichen Bilder, die sie finden konnten.

Obwohl Damaskus nicht mehr zum byzantinischen Reich gehörte, waren auch hier die Auswirkungen dieses Streits zu spüren. Johannes war einer der Vorkämpfer der Gegenpartei, die sich für die Verehrung der Bilder aussprach. Er setzte sich in Wort und Tat vehement gegen die Zerstörung der Ikonen ein. Die Menschwerdung Gottes ist für ihn der Beweis, christliche Ikonen erlaubt sind. Er schreibt:

„Weil Gott unsichtbar ist, mach dir kein Bild von ihm. Aber da du sehen kannst, dass der Körperlose einen menschlichen Leib angenommen hat, mache ein Bild der menschlichen Gestalt. Wenn der Unsichtbare im Fleisch sichtbar wird, male das Abbild des Unsichtbaren.“

Die entschiedene Haltung des Johannes kam dem Kaiser in Byzanz zu Ohren, und da seine Macht nicht nach Damaskus reichte, bediente er sich mit einer Liste des Kalifen. Er ließ in der Handschrift des Johannes einen Brief abfassen, der eindeutig gegen den Kalifen gerichtet war und lies diesen Brief dem Kalifen zuspielen. Dieser war von der Urheberschaft des Johannes überzeugt und ließ aus Strafe Johannes die rechte Hand abschlagen. „Auf diese Weise“, so wird wörtlich überliefert, „wurde die Hand, die zuvor im Kampf gegen die Feinde des Herrn mit Tinte befleckt war, rot gefärbt durch ihr eigenes Blut.“

Johannes aber vertraute in seiner Not auf die Hilfe der Muttergottes. Er hatte eine Ikone mit der Gottesmutter vor den Ikonoklasten versteckt gehalten. Den Kalifen aber bat er um die abgeschlagene Hand. Mit ihr trat er vor das Bild der Gottesmutter und flehte sie an, ihm Heilung zu schenken, damit er die Verteidigung der Ikonen wieder aufnehmen könne. Die Ikone begann zu leuchten und die Gottesmutter versprach, ihn zu heilen.

Während Johannes schlief, soll eine Hand aus der Ikone hervorgekommen sein, die die verblutete Hand des Johannes wieder mit dem Stumpf zusammenfügte. Die Hand wuchs an und die Wunde verheilte, doch blieb eine rote Linie um das Handgelenk sichtbar als Zeichen für das, was sich ereignet hatte. Aus Dankbarkeit ließ Johannes eine silberne Hand fertigen und befestigte sie an der Ikone. Dies ist der Ursprung der „Ikone der Gottesmutter mit drei Händen“, auf Griechisch: „Tricherusa“. (Wer mehr zu diesem Thema erfahren möchte, dem empfehle ich das Buch von Peter Dyckhoff, Gottesmutter mit drei Händen, ISBN 978-3-9454010-4-0.)

Um das Jahr 715 kam es in Damaskus zu einer verstärkten Islamisierung der Gesellschaft. Christen konnten nur dann ihre Stellung behalten, wenn sie zum Islam übertraten. Dies kam für Johannes nicht in Frage, und daher musste er sein Amt am Hof des Kalifen aufgeben. Johannes hat erkannt und am eigenen Leib erfahren, dass der Islam, sobald er an der Macht ist, eine zutiefst intolerante Religion ist, die sowohl die staatliche als auch die religiöse Herrschaft beansprucht.

Johannes zog sich schließlich zusammen mit seinem Adoptivbruder Kosmas in das Kloster des heiligen Sabbas zurück, das in der Wüste nahe bei Jerusalem lag. Johannes nahm die Ikone mit, und fast vierhundert Jahre blieb sie dort. Mar Saba ist eines der ältesten Klöster Palästinas. Es entstand um das Jahr 483 nahe der vom Mönchsvater Sabbas (439-532) bewohnten Höhle. Dort ergänzte Johannes seine theologische Ausbildung und wurde vom Patriarchen Johannes V. (706-735) zum Priester geweiht. Doch das Klosterleben war für Johannes nicht so beschaulich, wie er es sich gewünscht hätte. Auf Grund seiner umfassenden theologischen Bildung musste er sich in wachsendem Maße der Belange des kirchlichen Lebens annehmen, vor allem als Berater von Bischöfen und als theologischer Schriftsteller. Er schreibt:

„Wer von Gott reden oder hören will, muss sich klar sein, dass in der Gotteslehre wie in der Heilsordnung weder alles unaussprechbar noch alles aussprechbar, weder alles unerkennbar noch alles erkennbar ist. Etwas anderes ist das Erkennbare und etwas anderes das Aussprechbare, wie etwas anderes das Reden und etwas anderes das Erkennen ist. Darum kann man vieles von dem, was sich von Gott schwer erkennen lässt, nicht in den rechten sprachlichen Ausdruck bringen. Vielmehr sehen wir uns genötigt, das, was über uns hinausliegt, nach unserer menschlichen Art auszudrücken. So z. B. reden wir bei Gott von Schlaf, Zorn, Sorglosigkeit, Händen und Füßen und dergleichen.“

Johannes vergleicht sich einmal selbst mit einer Biene, die unermüdlich von überallher den Honig sammelt. So ist sein theologisches Hauptwerk „Die Quelle der Erkenntnis“ ein mit unermesslichem Sammelfleiß zusammengetragenes Kompendium der gesamten kirchlichen Lehrüberlieferung aus den Schriften der früheren Väter des Ostens und aus den Akten der Konzilien. Johannes hat so eine Art Handbuch der Dogmatik geschaffen, das seither in der orthodoxen Kirche zu allen Zeiten von großer Bedeutung ist.

Die Schriften des Johannes beschränken sich jedoch nicht auf Dogmatik oder die Auseinandersetzungen in der Kirche, wie den Bilderstreit. er hat sich auch als Ausleger der Heiligen Schrift, Philosoph, Hagiograph und Dichter kirchlicher Hymnen einen im Osten bis heute unvergessenen Namen gemacht. Über die Heilige Schrift sagt er:

„Sie ist ein wunderschöner, duftender Garten. Sie klingt in unseren Ohren wie ein Liebeslied von lieblicher, göttlicher und geistlicher Melodie. Sie berührt unser Herz, gibt uns Kraft in Trauer, beruhigt uns im Ärger und erfüllt uns mit ewiger Freude.“

Johannes durfte die Vollendung dieser Freude erfahren. Er starb um das Jahr 754 und wurde im Sabbaskloster beigesetzt. Seine Schriften hatten großen Einfluss auf die orthodoxe Theologie. Im Westen waren sie lange Zeit die wichtigste Quelle zur Kenntnis des Islam. In der östlichen Tradition wurde er schon immer als Kirchenvater verehrt, die katholische Kirche ließ ihm erst im Jahr 1890 offiziell diese Ehre zukommen.

Thomas (1)

O2A_Wunden

Weil aber ihr Glaube noch schwankte beim Anblick seines Leibes, den sie sehen konnten, zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Nägel hatten seine Hände durchbohrt, die Lanze seine Seite geöffnet: Hier blieben die Spuren der Wunden erhalten, um die Herzen der Zweifelnden zu heilen. (Gregor der Große)

Verwundet geht Jesus in den Himmel ein. Die Wunden, die ihm die Menschen zugefügt haben, bleiben an seinem verklärten Auferstehungsleib in Ewigkeit.

Liebe macht verwundbar. Was könnte ein deutlicheres Zeichen dafür sein, dass Gott es ernst gemeint hat mit seiner Liebe zu uns Menschen, als die Wundmale Jesu?

Mit ihnen gehen alle Schmerzen und Verletzungen, die Menschen einander zufügen, für immer ein in Gottes Herrlichkeit.

Aus Liebe verwundet kehrt Gottes Sohn zum Vater zurück. Die Wundmale am verklärten Leib zeigen den Sieg der Liebe über allen Hass. Wenn auch rein irdisch gesehen der Schmerz und das Leid das letzte Wort haben, so sehen wir doch im Licht der Auferstehung, dass allein die Liebe bleibt.

Die Erfahrung der Macht der Liebe gab den Aposteln und Glaubenszeugen durch die Jahrhunderte hinweg die Kraft, den Glauben wider alle Anfeindungen zu verkünden. Lassen wir auch in uns die Erfahrung der Macht der Liebe immer mehr wachsen, um so glaubhafte Zeugen der Auferstehung Jesu zu sein.

Das Evangelium gehört denen, die Hoffnung haben, die an Jesus glauben, an das Leben, das Licht und Freude wird.

Das Evangelium des Johannes ist ein Evangelium des Lebens, die Botschaft von Christus, der auferstanden ist in unsere Mitte, damit wir Leben haben, in das wir eintreten, wenn wir in seinem Namen glauben. Darin ist die Erfahrung der Begegnung mit dem lebendigen Herrn zusammengefasst. (Carlo M. Martini)

Karwoche (2)

Denn siehe, durch das Holz des Kreuzes kam Freude in alle Welt.

So heißt es in einem alten Text. Ich bin diesen Worten begegnet, als ich auf die Schnelle nach einem Text für die Kartage gesucht habe.

Auf die Schnelle … Ja dieses Jahr waren die Wochen vor Ostern sehr dicht, ein Umzug, Überstunden auf der Arbeit … Und dann die Frage: Wie soll ich Ostern feiern mitten im Alltag?

Für viele geht die Fastenzeit fast spurlos vorüber, man nimmt sich vielleicht am Aschermittwoch etwas vor, verschiebt aber die Umsetzung und dann ist plötzlich schon Ostern da. Die Arbeit, das Familienleben, alles läuft weiter. Wie kann das Osterfest mehr werden als ein langes Wochenende?

Sicher ist die Vorbereitung wichtig. Nicht umsonst kennt die Kirche die Fastenzeit. Fasten, das bedeutet sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sicher ist es hier besser, sich etwas Kleines vorzunehmen, das auch wirklich umsetzbar ist, als etwas Großes, das sich dann doch als undurchführbar erweist. Sich von den Texten der Heiligen Schrift ansprechen lassen, vielleicht einmal Schritt für Schritt jeden Tag einen Abschnitt aus dem Evangelium lesen und jetzt in der Karwoche die Berichte über Tod und Auferstehung des Herrn in den letzten Kapiteln der Evangelien.

Vor allem muss Ostern mich ganz persönlich treffen. Ostern ist der Höhepunkt im Jahr der Kirche – und in meinem Jahr? Was sind für mich die Höhepunkte des Jahres?

Denn siehe, durch das Holz des Kreuzes kam Freude in alle Welt.

Einen Gott am Kreuz anbeten, kann das ein Höhepunkt sein? Bleibe ich verständnislos stehen, unberührt von dem, was da geschieht, oder trifft es mich persönlich? Lukas berichtet von der Betroffenheit der Menschen, die Jesu Todesstunde erlebten:

Alle, die zu diesem Schauspiel herbeigeströmt waren und sahen was sich ereignet hatte, schlugen sich an die Brust und gingen betroffen weg. (Lk 23,48)

Betroffen, weil sie gemerkt haben, dass es hier persönlich um jeden einzelnen Menschen geht? Weil sich in diesem „Schauspiel“ Heil und Rettung für jeden einzelnen ereigneten?

In seinem Buch „Jenseits des Schweigens“ über die sieben letzten Worte Jesu am Kreuz zeigt Timothy Radcliffe, wie Jesus uns mit diesen Worten immer näher kommt:

„Die Worte Jesu zeigen uns die fortschreitenden Stufen eines sich vertiefenden Ausdrucks seiner Liebe zu uns.

Vergib ihnen, denn die wissen nicht, was sie tun. (Lk 23,34)

Mit diesen Worten spricht er uns nicht unmittelbar an, sondern seinen Vater.

Heute wirst du mit mir im Paradies sein. (Lk 23,43)

Hier zeigt sie die Liebe zu uns bereits inniger; er spricht uns an, aber doch eher von oben herab, als König.

Das ist deine Mutter, das ist dein Sohn. (Joh 19,26f)

Hier spricht er uns nicht mehr als König an, sondern als Bruder, ein weiterer Schritt der Nähe auf uns zu.

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Mk 15,34)

Dieser Schrei ist uns so nahe, dass er in unsere Seele eindringt und unsere eigene Verzweiflung umarmt. Aber die vollkommene Liebe liegt in den Worten:

Ich habe Durst. (Joh 19,28)

Die Fülle der Liebe ist erreicht, wenn Jesus etwas von uns erbittet und es dankbar in Empfang nimmt. Damit ist die Liebe vollkommen.“

Gott schenkt uns seine Liebe. Er wartet auf ein Liebeszeichen von uns und mag es noch so klein sein. Fühlen wir uns angerührt von dieser Liebe? Von einem Gott, der mitten in unser Leben treten will, der mit uns in die tiefsten Abgründe des Lebens steigt, um uns zu den höchsten Gipfeln des Glücks zu tragen? Lasse ich Jesus in mein Leben? Lasse ich mich von ihm berühren? Berühren nicht nur als ein Empfinden innerer Rührung, sondern als eine Nähe, die keine Distanz mehr zulässt? Aber geht das überhaupt? Wie soll Jesus mich berühren können? Wir werden ein Leben lang mit der Erfahrung solcher Nähe ringen. Werden sie uns wünschen und sie dann doch wieder erschreckt von uns weisen, weil wir uns vor den Folgen dieser Nähe fürchten, davor, wie sie unser Leben grundlegend verändern kann. Und doch steht Gott immer vor uns mit seiner Liebe, die vor allem anderen ist, die bleibt, auch wenn sie nicht erwidert wird. Sie ist da, jeden Augenblick. Und jeden Augenblick können wir den Schritt tun in Gottes offene Arme. Doch sollten wir nicht zu lange zögern, sonst könnten wir etwas Wesentliches in unserem Leben verpassen.