Station 4: Ölberg

Dann verließ Jesus die Stadt und ging, wie er es gewohnt war, zum Ölberg; seine Jünger folgten ihm.

Lk 22,39

Nach dem letzten Abendmahl mit dem Hinweis auf den Verräter und einem abschließenden Wort an Petrus und die anderen Jünger verlässt Jesus zusammen mit ihnen die Stadt. So hat er es auch bereits in den vergangenen Tagen, an denen er mit seinen Jüngern in Jerusalem war, gemacht. Sie haben ihr Übernachtungsquartier in Betanien, auf der anderen Seite des Ölbergs. Nun aber geht er nicht direkt dorthin, sondern macht bei einem Grundstück am Fuße des Ölbergs halt. Anders als Matthäus und Markus erwähnt Lukas den Namen Getsemani des Grundstücks nicht. Auch weist Jesus bei Lukas die Jünger nicht an, auf ihn zu warten, während er sich zum Gebet zurückzieht, sondern er fordert sie auf zum Gebet und geht dann selbst weg, um zu beten, allein, ohne Petrus, Jakobus und Johannes, wie es die anderen Evangelisten berichten.

Als er dort war, sagte er zu ihnen: Betet, dass ihr nicht in Versuchung geratet! Dann entfernte er sich von ihnen ungefähr einen Steinwurf weit, kniete nieder und betete.

Lk 22,40-41

Lukas ist sehr präzise, wenn er die Entfernung mit der Weite eines Steinwurfs angibt. Wahrscheinlich war das die Distanz, die sich Jesus gewöhnlich von seinen Jüngern entfernte, um in das vertraute Gespräch mit seinen Vater einzutreten. Die Jünger wussten um das Besondere dieser Beziehung Jesu zum Vater, auch wenn Sie es wahrscheinlich nicht vollkommen verstehen konnten. Alle drei Synoptiker berichten den Inhalt des Gebetes Jesu:

Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen.

Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Und er betete in seiner Angst noch inständiger und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte.

Lk 22,42-44

Jesus weiß um das, was ihm bevorsteht. Er hat Angst. Sein Schweiß tropft dick wie Blut auf den Boden. Aber er bekommt Kraft im Gebet. Vielleicht ist es nicht so sehr seine Angst um sein eigenes irdisches Leben, die ihn beschäftigt, sondern die Sorge um seine Jünger, die Sorge um das Reich Gottes. Wird das, was nun geschehen wird, den Aufbau des Reiches Gottes fördern? Sind die Jünger schon reif dafür, ohne seine irdische Anwesenheit das Reich Gottes aufzubauen, oder werden sie zerstreut und aufgerieben werden? Wie Jesus nach seinem Gebet die Jünger vorfindet, ist nicht gerade ermutigend.

Nach dem Gebet stand er auf, ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend; denn sie waren vor Kummer erschöpft. Da sagte er zu ihnen: Wie könnt ihr schlafen? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet!

Lk 22,44-46

Betet, dass ihr nicht in Versuchung geratet! Dieses Wort Jesu ist aus meiner Sicht der zentrale Punkt des Gebetes Jesu am Ölberg. Es geht Jesus nicht um sich, nicht um seine eigenen Ängste, es geht Jesus um uns. Er weiß was ihm bevorsteht, er weiß, dass der Wille des Vaters für ihn gut ist. Aber was wird mit den Jüngern geschehen, wenn sie das erleben? Wenn sie ihn am Kreuz sterben sehen? Noch kennen sie nicht die Kraft der Auferstehung, noch kennen sie nicht den Sieg des Lebens über den Tod. Werden sie beisammen bleiben, bis die Kraft des Heiligen Geistes, den Jesus senden wird, ihnen die Kraft zum Zeugnis geben wird?

Werden die Jünger in der Versuchung standhalten? Judas Iskariot ist ihr bereits erlegen und wird in der nächsten Szene die Truppen anführen, die Jesus gefangen nehmen. Jesus weiß, mit welch hinterlistigen Argumenten der Versucher an die Menschen herantritt, um sie zu täuschen. Er findet Argumente, um das Böse gut erscheinen zu lassen und das Gute böse. Es erfordert viel Kraft und Ausdauer, um seinen Einflüsterungen zu widerstehen. Die wichtigste Waffe gegen ihn ist das Gebet.

Wenn wir uns am Gründonnerstag zur Ölbergstunde zum Gebet zusammenfinden, wollen wir besonders daran denken, wie wichtig es für uns ist, zu beten, dass wir nicht in Versuchung geraten, dass wir in der Versuchung standhaft sind und uns nicht von den scheinbar so einleuchtenden Argumenten des Versuchers verführen lassen. Jesus steht uns bei im Kampf gegen das Böse. Seine größte Sorge galt seinen Jüngern und damit auch uns, dass wir standhaft bleiben in der Versuchung und so zu aufrichtigen Zeugen des Reiches Gottes werden. Wie viele sind dem Versucher zum Opfer gefallen und haben die Kirche in Verruf gebracht. Beten wir auch für sie, verurteilen wir sie nicht. Wir wissen, dass auch wir selbst anfällig sind für die Versuchung. Wenn uns der Versucher bedrängt, denken wir an die Ölbergstunde Jesu und seine Sorge um uns. Schöpfen wir die Kraft, dem Versucher zu widerstehen, aus dem festen Vertrauen darauf, dass Jesus uns allezeit nahe ist.

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