3 Dein ist die Herrschaft am Tage deiner Macht (wenn du erscheinst) in heiligem Schmuck; ich habe dich gezeugt noch vor dem Morgenstern, wie den Tau in der Frühe.
Psalm 110 ist im Neuen Testament der meistzitierte alttestamentliche Text. Kein anderer Psalm macht so deutlich, was die Menschen von Jesus Christus glauben. Auch in diesem Vers bekommen die Bilder aus dem altorientalischen Königsritual im Licht Christi eine ganz neue Bedeutung. Die orientalischen Könige waren prächtig gekleidet als Zeichen ihrer Erhabenheit und ihrer Entrücktheit in den Bereich des Göttlichen. Kein gewöhnlicher Mensch durfte ihr Gesicht sehen, der Thron war durch eine Reihe von Schleiern verhüllt, hinter denen der König hervortrat, wenn er sich offenbarte, das heißt dem Volk zeigte.
Doch die Erwähnung prächtiger Kleider allein reicht nicht aus, um die Majestät des Königs ausreichend zu schildern. Es werden Bilder aus der Schöpfung bemüht. Prächtig wie der Morgenstern, der nach der Nacht am Himmel glänzt und der niemals untergeht und der Tau in der Frühe, der sich auf wundersame Weise über die trockene Erde legt und eine wohltuende Erfrischung spendet, ein glitzernd prächtiges Kleid, das sie Schöpfung über Nacht anlegt.
Die frühe Kirche, der anders als uns heute die Pracht orientalischer Könige lebendig vor Augen stand, wusste um die enge Verbindung des Psalms mit Jesus Christus. Am Hochfest Epiphanie, dem ursprünglichen Weihnachtsfest der orientalischen Kirche, verwendet die erste Antiphon der Laudes das Bild dieses Psalms und besingt so Christus den Herrn, der vor aller Zeit vom Vater gezeugt, sich als göttlicher Heiland im ewigen Heute aller Welt offenbart.
Ante luciferum genitus, et ante saecula, Dominus Salvator noster hodie mundo apparuit.
Gezeugt vor dem Morgenstern und vor aller Zeit, ist der Herr, unser Heiland, heute der Welt erschienen.
4 Der Herr hat geschworen und nie wird’s ihn reuen: “Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks.”
Orientalischen Königen kam oft neben ihrer Herrscherrolle auch die Würde des höchsten Priesters zu. Zwar war in Israel diese Rolle streng getrennt, da nur der Stamm Levi den Dienst am Altar verrichten durfte und den Nachkommen Aarons in besonderer Weise das Priestertum zukam. David und seine Nachkommen aber gehörten dem Stamm Juda an. Dennoch wird von David berichtet, dass er Opfer dargebracht hat. Als Psalmendichter kommt ihm die Ehre zu, Lieder für den Gottesdient geschaffen zu haben. Sein Sohn Salomo lässt den Tempel errichten. So trägt auch David priesterliche Züge.
Der Hebräerbrief gibt in den Kapiteln 4-10 eine lange und ausführliche Deutung darüber, wie durch Jesus Christus der alttestamentliche Gottesdienst durch das neue und unvergängliche Priestertum Jesu Christi abgelöst wird. Hierbei spielt die Person des Melchisedek eine entscheidende Rolle und Psalm 110,4 ist eine wichtige Legitimation für das königliche Priestertum, das Jesus Christus nach Gottes Verheißung zukommt.
Dieser Melchisedek, König von Salem und Priester des höchsten Gottes; er, der dem Abraham, als dieser nach dem Sieg über die Könige zurückkam, entgegenging und ihn segnete und welchem Abraham den Zehnten von allem gab; er, dessen Name “König der Gerechtigkeit” bedeutet und der auch König von Salem ist, das heißt “König des Friedens”; er, der ohne Vater, ohne Mutter und ohne Stammbaum ist, ohne Anfang seiner Tage und ohne Ende seines Lebens, ein Abbild des Sohnes Gottes: dieser Melchisedek bleibt Priester für immer. (Hebr 7,1-3)
So deutet der Hebräerbrief Genesis 14, wo die Begegnung zwischen Abraham und Melchisedek geschildert wird. Das Priestertum des Melchisedek wird höherwertiger als das levitische Priestertum gesehen, da durch den Stammvater Abraham auch dessen Nachkomme Levi dem Melchisedek den Zehnten darbrachte und somit dessen unvergängliches Priestertum anerkannte. Melchisedek vereint Königtum und Priestertum in seiner Gestalt und wird so zum Vorbild Jesu Christi. Melchisedek wird zum Zeichen dafür, dass das Priestertum des Neuen Bundes auf rechtmäßige Weise das levitische Priestertum des Alten Bundes abzulösen vermag und zudem auch das jüdische Gesetz seine Bedeutung verliert.
Denn sobald das Priestertum geändert wird, ändert sich notwendig auch das Gesetz. Der nämlich, von dem das gesagt wird, gehört einem anderen Stamm an, von dem keiner Zutritt zum Altar hat; es ist ja bekannt, dass unser Herr dem Stamm Juda entsprossen ist, und diesem hat Mose keine Priestersatzungen gegeben. Das ist noch viel offenkundiger, wenn nach dem Vorbild Melchisedeks ein anderer Priester eingesetzt wird, der nicht, wie das Gesetz es fordert, aufgrund leiblicher Abstammung Priester geworden ist, sondern durch die Kraft unzerstörbaren Lebens. Denn es wird bezeugt: Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks. (Hebr 7,12.17)