Papias war Bischof von Hierapolis in Phrygien, einer damals sehr bedeutenden Stadt, deren Ruinen heute im türkischen Landkreis Pamukkale zu finden sind. Irenäus nennt Papias „einen Hörer des Johannes, Freund des Polykarp und Mann aus alter Zeit“. Seine um 130 verfasste „Darstellung der Herrenworte” in fünf Büchern ist uns nicht erhalten. Eusebius von Caesarea, der um das Jahr 325 seine Kirchengeschichte schreibt, hatte das Werk offenbar noch vorliegen und geht im 39. Kapitel des dritten Buches ausführlich darauf ein.
Aus dem Zitat des Irenäus darf man nicht schließen, dass Papias ein direkter Schüler der Apostel war. Er hat deren Lehren von den Presbytern übernommen, wie in einem Zitat aus dem Werk des Papias bei Eusebius deutlich wird:
Nicht an denen, die viele Worte machen, sondern an denen, welche die Wahrheit lehren, hatte ich meine Freude. Ich folgte auch nicht denen, welche die fremden Gebote anführen, sondern denen, welche die vom Herrn dem Glauben gegebenen und aus dem Glauben entspringenden Gebote der Wahrheit lehren. Kam einer, der den Presbytern gefolgt war, dann erkundigte ich mich nach den Lehren der Presbyter und fragte: Was sagte Andreas, was Petrus, was Philippus, was Thomas oder Jakobus, was Johannes oder Matthäus oder irgendein anderer von den Jüngern des Herrn? Und was sagen Aristion und der Presbyter Johannes, die Jünger des Herrn?
Bereits Eusebius bemerkt, dass Papias hier zweimal einen Johannes erwähnt, einmal in Zusammenhang mit den Aposteln, einmal mit den Presbytern. Somit wird deutlich, dass in der frühen Kirche Kleinasiens neben dem Apostel Johannes auch ein Presbyter namens Johannes eine herausragende Stellung eingenommen hat. Von letzterem stammen wahrscheinlich die Johannesbriefe und die Offenbarung oder wurden zumindest in seinem Namen geschrieben.
Durch das Hören der Augenzeugen Jesu wird für Papias das Evangelium lebendig,
denn die aus Büchern geschöpften Berichte können für mich nicht denselben Wert haben wie die Worte frischer, noch lebender Stimmen.
Auch uns führen die wenigen Zeilen, die Eusebius uns aus dem Werk des Papias übermittelt, näher an die Zeit der frühen Kirche heran. Papias berichtet vom Apostel Philippus und Justus Barsabas, den wir aus der Apostelgeschichte (Apg 1,23) kennen. Philippus hatte zwei Töchter, die Papias in Hierapolis kennen gelernt hat und die ihm eine wunderbare Geschichte von einer Totenerweckung durch den Apostel berichteten. Von Justus Barsabas erwähnt Papias, dass er tödliches Gift getrunken habe, ohne dass es ihn geschadet hat. Eusebius schreibt weiter:
Papias bietet auf Grund mündlicher Überlieferung auch noch andere Erzählungen, nämlich unbekannte Gleichnisse und Lehren des Erlösers und außerdem noch einige sonderbare Berichte. Zu diesen gehört seine Behauptung, dass nach der Auferstehung der Toten tausend Jahre kommen werden, in denen das Reich Christi sichtbar auf Erden bestehen werde.
Eusebius kritisiert diese Anschauung über die tausendjährige Herrschaft Christi, jedoch finden wir diese Prophezeiung auch im 20. Kapitel der Offenbarung des Johannes, was wiederum die enge Verbindung von Johannes und Papias, von der Irenäus berichtet, bestätigt. Gerne würden wir mehr über das erfahren, was die beiden miteinander geredet haben. Das würde uns auch helfen, die Offenbarung des Johannes besser zu verstehen. Wenn man die Offenbarung liest, kann man daraus schließen, dass die Christen zur Zeit des Papias große Not und Bedrängnisse erfahren haben. Die Kirche hat sich nicht in einer ihr wohlgesonnenen Umgebung ausgebreitet. Sie hat auch nicht den Leuten nach dem Mund geredet und in das Horn des Zeitgeistes geblasen. Vielmehr war es die Standhaftigkeit zum Zeugnis des Glaubens in der Bedrängnis bis zum Tod, was die Christen attraktiv machte.
Nach einem Zitat bei Eusebius berichtet uns Papias über die Evangelisten Markus und Matthäus mit folgenden Worten:
Markus hat die Worte und Taten des Herrn, an die er sich als Dolmetscher des Petrus erinnerte, genau aufgeschrieben. Zwar hatte er nicht selbst den Herrn gehört und begleitet, wohl aber folgte er später dem Petrus, welcher seine Lehrvorträge nach den jeweiligen Bedürfnissen einrichtete, nicht aber so, dass er eine zusammenhängende Darstellung der Reden des Herrn gegeben hätte. Markus trug dafür Sorge, nichts von dem, was er gehört hatte, auszulassen. … Matthäus hat in hebräischer Sprache die Reden zusammengestellt, ein jeder aber übersetzte dieselben so gut er konnte.
Über das Leben des Papias haben wir keine Berichte. Späteren Legenden zu Folge soll er als Märtyrer gestorben sein.