Nach dem Auszug aus Ägypten und dem triumphalten Durchzug durch das Schilfmeer ist Israel nun in der Wüste unterwegs. Nach drei Monaten Wüstenwanderung sind sie am Horeb, dem Gottesberg, angekommen. Hier wird Gott den Bund, den er einst mit Abraham und den Stammvätern Israels geschlossen hat, erneuern. Er wird dem Volk seine Gebote übermitteln und so den Weg zeigen, wie das Volk seine Erwählung sichtbar werden lassen kann.
Wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein Herzenseigentum sein. Mir gehört die ganze Erde, ihr aber sollt mir als ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören. (Ex 19,5-6a)
Herzenseigentum – so nennt Gott sein auserwähltes Volk, das heilige Volk, das Gott in ganz besonderer Weise gehört und für das Gott auch in ganz besonderer Weise sorgt. Den Menschen früherer Zeiten war mehr als uns heute bewusst, was Heiligkeit bedeutet. Sie meint, dass eine Person oder ein Gegenstand dem alltäglichen weltlichen Gebrauch entzogen wird und in ganz besonderer Weise rein gehalten wird für den Dienst an Gott. So galten die Geräte des Tempels heilig, sie durften nur von bestimmten Menschen für bestimmte Handlungen verwendet werden und waren dabei mit höchster Sorgfalt zu behandeln.
Auch Menschen können heilig sein, das bedeutet nicht unbedingt, dass einer in ein Kloster geht oder Priester wird. Hier hören wir, dass Gott ein ganzes Volk erwählt hat, heilig zu sein. Auch die Briefe des Paulus reden alle Gläubigen als Heilige an. Es ist die Berufung und Erwählung von uns allen, solche Heilige zu werden.
Was ist der Sinn der Erwählung, welchen Sinn hat es für das Gottesvolk, sich an all die Gebote zu halten, die zum Bund zwischen Gott und seinem Volk gehören, und dadurch heilig zu sein? Das erwählte, heilige Volk soll ein Segen sein, ein Segen für die Welt. Das war der Sinn der Erwählung des Volkes Israel und das ist der Sinn der Heiligkeit zu allen Zeiten.
Menschen, die ein Segen sind, danach dürstet die Welt. Solche Menschen sind dazu bereit, Entbehrungen auf sich zu nehmen, sich an Regeln und Gebote zu halten. Sie suchen nicht ihren eigenen Vorteil, sondern sind darauf bedacht, dass sie durch ihre Entfaltung nicht das Leben anderer behindern, sondern fördern.
In einer Zeit, in der Gewinn und Wachstum an erster Stelle stehen, brauchen wir solche Menschen mehr denn je. Es ist nicht alles erlaubt, was möglich ist. Der Sinn des Lebens besteht nicht darin, den eigenen Reichtum so weit wie möglich zu maximieren, egal auf wessen Kosten. Regeln und Gebote sollen sicherstellen, dass alle genug zum Leben haben und den Raum, den sie zum Leben brauchen.
Wir müssen keine Angst haben, dass wir zu kurz kommen, wenn wir nicht mit unseren Ellenbogen uns den Weg erkämpfen. Gott sorgt für die Menschen, die um seinetwillen und um der Menschen willen Verzicht üben. Auch wenn sie in den Augen dieser Welt für dumm gehalten werden, ihr Licht, das Licht Gottes, das sie in sich tragen, leuchtet in der Finsternis.
Herzenseigentum – Gott kümmert sich um sein Volk, Gott ist nahe in allen Nöten und Leiden. Gott nimmt sich seines Volkes an. Das ist der Trost, der in diesen Worten liegt. Gott ist nicht ein Gott, der fern von allem lebt, sondern ein Gott, der mitten in seinem Volk gegenwärtig ist. Diese Gegenwart Gottes zeigt uns die Geschichte des Volkes Israel immer wieder und auch wir, als Gottesvolk des neuen Bundes, können diese Gegenwart Gottes erfahren.
Herr, lass uns ganz dein eigen sein.
Lass uns Heilige sein in dieser Welt,
Menschen, durch die dein Licht leuchtet.
Herr lass uns ganz dein eigen sein.
Lass uns Boten deines Segens sein,
zum Heil der Welt.