Lk 14 Jesu Mahl bei den Pharisäern

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Als Jesus an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Essen kam …

So übersetzt die Einheitsübersetzung Lk 14,1, im Original aber heißt es genauer:

zum Brot-Essen.

Wenn wir weiterlesen, stoßen wir in 14,15 auf den Ausruf von einem der Gäste:

Selig, wer im Reich Gottes am Mahl teilnehmen darf!

oder genauer übersetzt:

Selig, wer das Brot essen darf im Reich Gottes.

Der Sabbat beginnt am Freitag-Abend mit einem Gottesdienst in der Synagoge und einem gemeinsamen Mahl zuhause. Das Mahl wird begleitet von verschiedenen Gebetssprüchen. Zu Beginn des Mahles werden die Sabbatbrote, die festlich verhüllt auf dem Tisch stehen, enthüllt und verzehrt. Wahrscheinlich spielt Lukas mit seiner für uns ungewöhnlichen Formulierung des Brot-Essens auf diese Zeremonie an. Jesus hat den Sabbat traditionell im Kreis der Juden in der Synagoge und bei einem vornehmen Gastgeber gefeiert.

Jesus nimmt die Einladung bei dem führenden Pharisäer als Gelegenheit, diesem und den anderen – sicher auch sehr vornehmen – Gästen eine Lehre zu erteilen. Als Gast soll man sich nicht den Ehrenplatz aussuchen und als Gastgeber nicht nur Gleichgesinnte einladen, sondern auch Arme und Kranke. Jesus stellt sich damit offensichtlich gegen das überhebliche Gebaren der Reichen. Johannes Chrysostomus sagt dazu:

Weil der Bescheidenheit nichts gleich kommt, führt er die Hörer zum Gegenteil des Hochmuts: Er verbietet nicht nur das Streben nach dem Ehrenvorrang, sondern er befiehlt sogar, nach dem Geringsten zu trachten.

Doch ist das Wort Jesu nur an vornehme Pharisäer gerichtet?  Wenn wir das Wort Brot hören, denken wir als Christen sofort an ein anderes Brot, die Eucharistie. Brotessen oder Brotbrechen kann so auch eine Umschreibung des christlichen Gottesdienstes sein. Dann erhält das Evangelium einen für die Zeitgenossen des Lukas und auch für uns aktuellen Sinn. Die Worte Jesu sind dann nicht an vornehme Juden gerichtet, sondern meinen indirekt die Mitglieder der christlichen Gemeinde.

Im 11. Kapitel des 1. Korintherbriefs und im 2. Kapitel des Jakobusbriefes hören wir von gravierendem Fehlverhalten während des Gottesdienstes. Da setzen sich die Reichen auf die besten Plätze und den Armen wird ein untergeordneter Platz zugewiesen. Bei der anschließenden Agapefeier lassen die einen es sich gut gehen und sind nicht bereit, mit denen zu teilen, die nichts haben.

Genau solche Missstände werden im heutigen Evangelium kritisiert. Lukas ist ja bekannt als Evangelist, der immer wieder auf die Armen hinweist. Bei ihm heißt es nicht wie bei Matthäus „Selig die Armen im Geiste“, sondern „Selig die Armen“, ganz konkret. Sicher haben Lukas Erfahrungen in den ihm bekannten Gemeinden zu dieser Haltung veranlasst. Lukas will den Menschen deutlich machen: wenn ihr in der Gemeinde solche Unterschiede zwischen Arm und Reich macht, wenn sich die Reichen die Ehrenplätze suchen und die Armen auf die letzten Plätze verwiesen werden, dann handelt ihr nicht im Sinne Jesu. Welchen Platz haben Arme, Krüppel, Lahme und Blinde in der Gemeinde? Was gibt dir, Reicher, die Gewissheit, dass du mehr wert bist als dieser Arme?

Es ist eine ernste Mahnung, die das Evangelium ausspricht, auch für uns heute. Dabei müssen mit den Reichen nicht nur die ganz Reichen gemeint sein. Auch weniger bemittelte Menschen können herabschauen auf die, die noch weniger haben. Es geht hier auch nicht um die Frage der sozialen Hilfe. Diese ist notwendig, aber oft steht der, der gibt, über dem, der empfängt.  Es geht hier vielmehr um die Frage, ob wir bereit sind, andere Menschen, die vielleicht nicht unserem sozialen Status entsprechen, als gleichwertige Mitglieder in der Gemeinde zu betrachten.

Wir wollen also anderen nicht in dieser Hoffnung Gutes erweisen, dass sie es uns vergelten. Denn das ist kalte Berechnung. Daher wird eine solche Freundschaft nicht lange halten. Wenn du aber einen Armen einlädst, wirst du Gott als Schuldner haben, der dich nie vergisst. … Je geringer nämlich der Bruder ist, umso mehr kommt durch ihn Christus und besucht dich. … Es soll uns also nicht stören, wenn wir für eine gute Tat keine Belohnung erhalten, sondern vielmehr wenn wir eine erhalten! Denn wenn wir sie hier bekommen, werden wir dort im Himmel keine weitere mehr erhalten. Wenn aber der Mensch dir nichts als Dank gibt, dann wird Gott es dir dort vergelten. (Johannes Chrysostomus)