Wertvoll

Jetzt aber – so spricht der Herr, der dich erschaffen hat, Jakob, und der dich geformt hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir! Wenn du durchs Wasser schreitest, bin ich bei dir, wenn durch Ströme, dann reißen sie dich nicht fort. Wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt, keine Flamme wird dich verbrennen.

Denn ich, der Herr, bin dein Gott, ich, der Heilige Israels, bin dein Retter. Ich habe Ägypten als Kaufpreis für dich gegeben, Kusch und Seba an deiner Stelle. Weil du in meinen Augen teuer und wertvoll bist und weil ich dich liebe, gebe ich Menschen für dich und für dein Leben ganze Völker.

Jes 43,1-4

“Jetzt aber!” Mit diesen Worten beginnt etwas Neues, dieser Ruf des Propheten steckt voller freudiger Erwartung. Jetzt ist die Zeit vorbei, da sich die Menschen von Gott verlassen fühlten. Gott zeigt sich ganz neu als Vater und Beschützer der Seinen. Er sagt einem jeden von uns: Fürchte dich nicht, ich habe dich erschaffen und in die Welt gebracht, ich werde dich auch beschützen. Ich kenne deinen Namen, ich kenne den Namen jedes einzelnen Menschen. “Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt”, (Mt 10,30) sagt Jesus einmal zu seinen Jüngern. Wie könnten wir da meinen, dass Gott sich nicht um uns sorgt und uns nicht kennt?

Selbst in den größten Gefahren ist Gott nahe, er leitet den Weg sicher durch reißende Ströme und loderndes Feuer, durch die Hitze der Wüste. Gott erweist sich als Retter. Er löst sein Volk aus der Gefangenschaft aus, ganze Völker gibt er als Kaufpreis für sein Volk, ja er selbst gibt sich für sie hin.

In Jesus Christus ist diese Zuwendung Gottes zu den Menschen selbst Mensch geworden. In allem, was er tut, zeigt Jesus, dass wir uns nicht zu fürchten brauchen. In Krankheit und Not schenkt er Rettung und Heil, ja er hat selbst die Kraft, Tote zum Leben zu erwecken. Die Gesetze des Verfalls scheinen nicht mehr zu gelten. Alles wird neu im Licht der Liebe Gottes.

Wir zweifeln oft daran, dass es eine Kraft geben kann, die alles erneuert. Schicksalsergeben fügen wir uns dem Lauf der Geschichte. Doch die Welt gehört denen, die den Mut haben, aufzustehen und die Zukunft selbst zu gestalten. Wir haben jederzeit die Möglichkeit, dieses “Jetzt aber!”, von dem der Prophet hier spricht, in unserem Alltag Wirklichkeit werden zu lassen.

Ostern ist für uns das beste Beispiel dafür. Alles läuft darauf hinaus, dass Jesus vernichtet wird. Scheinbar schicksalsergeben fügt Jesus sich dem, was geschieht. Aber wenn wir die Evangelien genau lesen, so entdecken wir, dass Jesus selbst das Geschehen lenkt. Er nimmt bewusst an, was seine Feinde ihm zufügen, weil er weiß, dass es zur Rettung der Menschen geschieht. Er wehrt sich nicht dagegen, sondern gestaltet die Ereignisse selbst mit. Somit wird aus der scheinbaren Erniedrigung Jesu die Inszenierung seiner Krönung zum König der ganzen Welt.

Vielleicht helfen uns die Worte des Propheten Jesaja, das Geschehen um Jesu Tod besser zu verstehen. Jesus Christus gibt sich für uns hin, weil er weiß, dass dies der Preis dafür ist, alle Menschen aus der Macht der Sünde und des Todes zu retten.

Wie leicht lassen wir uns von den Gegnern des Christentums treiben, indem wir versuchen, auf ihre Argumente einzugehen und nur reagieren, anstatt selbst zu agieren. Wir brauchen wieder neu die Flamme des Heiligen Geistes, die uns dazu fähig macht, den Gegnern das Heft aus der Hand zu nehmen und selbst Regie zu führen.

Denken wir stets daran: wir sind von Gott geliebt, alle Menschen sind von Gott geliebt. Gott ist Herr der ganzen Welt und er hat die Macht, alles zu bestimmen. Vertrauen wir uns dieser Macht Gottes an und lassen wir uns nicht von den Mächten der Welt gefangen nehmen. Haben wir den Mut, unser Leben von Gott bestimmen zu lassen und so stets getragen zu sein vom Strom seiner Liebe.

Gottes Worte, die uns Kraft geben und uns an seine Zusage erinnern, sollen wir nie vergessen:

Weil du in meinen Augen teuer und wertvoll, und weil ich dich liebe, geb’ ich für dich alle Länder und Völker und für dein Leben mich selbst.

Gott – Herr der ganzen Erde

Singt dem Herrn ein neues Lied, seinen Ruhm vom Ende der Erde her, die ihr das Meer befahrt, seine Fülle, die Inseln und ihre Bewohner! Die Wüste und ihre Städte sollen sich freuen, die Dörfer, die Kedar bewohnt. Die Bewohner von Sela sollen singen vor Freude und jubeln auf den Gipfeln der Berge. Sie sollen dem Herrn die Ehre geben, sein Lob auf den Inseln verkünden.

Jes 42,10-12

Der Prophet ruft zu einem Loblied auf für Gott, das auf der ganzen Erde erschallen soll. Es ertönt auf dem Festland und über dem Meer, in der Ebene der Wüste mit ihren Städten und Dörfern und auf den Gipfeln der Berge, also einfach überall in der damals bekannten Welt, in der man noch nichts wusste von fernen Kontinenten, die man über das Meer erreicht, und von fernen Ländern, die sich hinter dem Horizont auftun.

Der Gott Israels ist Herr der ganzen Erde und das unscheinbare Volk Israel sah sich im Zentrum der Weltgeschichte. Die großen Mächte hatten es auf dieses kleine Volk abgesehen und Gott hatte erlaubt, dass sie es besiegen durften. Doch nun bedient sich Gott erneut der fremden Völker und zwar des größten aller Herrscher, um sein Volk zu retten. Er erwählt den mächtigen Perserkönig Kyros zum Retter, der sein Volk heimführen wird aus der Verbannung.

Warum soll da nicht die ganze Welt widerhallen vom Lob Gottes, ist er es doch, der die Geschicke aller Völker lenkt, der darüber bestimmt, welches Volk Erfolg hat im Krieg und mächtig wird und welches untergeht.

Der Herr zieht in den Kampf wie ein Held, er entfacht seine Leidenschaft wie ein Krieger. Er erhebt den Schlachtruf und schreit, er zeigt sich als Held gegenüber den Feinden. Ich hatte sehr lange geschwiegen, ich war still und hielt mich zurück. Wie eine Gebärende will ich nun schreien, ich stöhne und ringe um Luft. Die Berge und Hügel dörre ich aus und lasse ihr Gras völlig vertrocknen. Flüsse mache ich zu Inseln und Teiche lege ich trocken.

Jes 42,13-15

Gott hat lange wie ein unbeteiligter Zuschauer das Geschick seines Volkes mitverfolgt und zugelassen, dass es in die Verbannung geführt wird. Damit ist nun aber Schluss. Gott greift wieder aktiv in die Geschichte ein und zeigt damit, dass in seiner Hand das Geschick der ganzen Welt liegt. Sein Eingreifen ist unüberhörbar wie der Schrei einer Gebärenden und übersehbar ist das, was er tut.

Gott macht aus dem fruchtbaren grünen Land ein trockenes Ödland wegen der Schuld seiner Bewohner, ein Bild, das wir so öfter in der Heiligen Schrift finden, und das gerade heute wieder an Brisanz gewinnt. Auch die Menschen früherer Zeiten erlebten bereits Klimaveränderungen. Ganze Völker gingen unter, weil es plötzlich nicht mehr genug Regen gab, damit genügend Getreide geerntet werden konnte, um die Bevölkerung zu ernähren und den Wohlstand des Landes zu sichern.

Die Gier der Menschen und die Zerstörungen durch den Krieg vernichten immer wieder große Flächen an Kulturland. Sie vernichten Gottes Schöpfung, die ja wie ein üppig grüner Garten von Gott angelegt worden ist. Was bleibt ist dürres Land, dem die Menschen mit all ihrer Mühe kaum einen Grashalm entlocken können. Doch die Menschen fahren fort in ihrer Gier, versuchen mit immer aufwändigeren Methoden, Herr über die Natur zu werden, und erkennen nicht, wie einfach es wäre, die zerstörte Natur widerherzustellen, wenn sie im Einklang mit Gott und seiner Schöpfung leben würden.

Aber damit dies geschehen könnte, müsste ja jeder verzichten auf vieles, das ihm lieb ist, müssten alle lernen, bescheidener zu sein und verantwortungsvoller mit den Geschenken der Natur umzugehen. Vor allem müssten die Menschen erkennen, dass diese Geschenke für alle da sind und nicht nur der Bereicherung einiger weniger dienen, die sich dann noch untereinander bekämpfen.

Wie können wir es schaffen, in Frieden miteinander zu leben? Beten wir täglich für diesen Frieden. Beten wir täglich darum, dass die Menschen lernen, verantwortungsvoll mit Gottes Schöpfung umzugehen. Beten wir täglich darum, dass die Menschen lernen, miteinander zu teilen, anstatt sich auf Kosten anderer zu bereichern.

Fünfter Fastensonntag

Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, achtet nicht mehr! Siehe, nun mache ich etwas Neues. Schon sprießt es, merkt ihr es nicht?

Jes 43,18-19a

Das ganze Kapitel 43 des Jesajabuches ist voll positiver Energie und schildert mit machtvollen Worten die Befreiung des Volkes aus dem Exil in Babylon durch seinen Gott. Das Volk war voller Trauer über den Verlust des Heiligen Landes, ja mehr noch, es fühlte sich von seinem Gott verlassen, denn eigentlich hätte es nie zu dieser Katastrophe kommen dürfen.

Doch Gott macht einen neuen Anfang mit seinem Volk. Durch die Worte des Propheten, der von der Bibelwissenschaft Deuterojesaja genannt wird, macht er seine Liebe zu seinem Volk deutlich. Nichts mehr wird dem Volk Gottes Schaden zufügen. Die Menschen können bald wieder in Frieden und Sicherheit in ihrem Land wohnen. Gott führt sie aus der Gefangenschaft, wie er einst das Volk aus Ägypten durch die Wüste geführt hat. Alles wird neu werden, und der Anfang dieses Neuen ist schon jetzt spürbar, wenn auch das Volk noch in Babylon lebt und die Heimkehr in scheinbar weiter Ferne liegt.

Die Liturgie präsentiert uns diesen Text am Fünften Fastensonntag, dem Passionssonntag. An diesem Tag werden die Kreuze verhüllt und bleiben es bis zum Karfreitag. Die Feier von Jesu Leiden und Auferstehung steht nahe bevor, die österliche Bußzeit neigt sich ihrem Ende zu und bald kommt die frohe Osterzeit. Auch in der Natur sprießt frisches Grün und wir erfreuen uns an den ersten warmen Frühlingstagen.

Gott macht alles neu, er schenkt Wärme nach dem eisigen Winter, schenkt Trost in der Trübsal und Freude nach einer Zeit der Schmerzen. Das Evangelium dieses Sonntags berichtet von der Rettung und Vergebung, die Jesus der zur Steinigung verurteilten Ehebrecherin schenkt.

Gottes neue Welt braucht aber auch Menschen, die sich dafür einsetzen, die dem Beispiel Jesu folgen und andere nicht verurteilen, sondern nach Wegen der Vergebung suchen, Menschen, die für andere da sind und einander annehmen, auch über die Gräben von Vorurteilen hinweg. Bei Deuterojesaja ist es der Gottesknecht, der die ihm von Gott zugedachte Aufgabe der Rettung seines Volkes ausführt. Die Exegeten sind sich nicht einig darüber, wer dieser Gottesknecht ist. Etwa der Prophet selbst? Oder der Perserkönig Kyros, der die Heimkehr des Volkes aus dem Exil ermöglicht und Mittel zum Wiederaufbau Jerusalems zur Verfügung stellt?

Der Gottesknecht aus dem Buch Jesaja ist auch Vorausbild für Jesus Christus. Er ist der Retter aus dem Gefängnis von Sünde und Tod, er öffnet den Weg zu neuem Leben in unüberbietbarer Weise. Es braucht aber zu jeder Zeit “Gottesknechte”, die Jesu Botschaft immer wieder neu lebendig werden lassen und für die Menschen das befreiende dieser Botschaft erfahrbar werden lassen, die andere hinführen zu einer lebendigen Begegnung mit Jesus Christus.

Die Worte des Propheten Jesaja sind also nicht nur für Menschen einer fernen Vergangenheit gesprochen. Sie wurden auch für uns heute aufgezeichnet. Sie sollen uns Mut machen und Kraft schenken, unser Leben in Gottes Licht zu stellen und mit ihm unser Leben zu gestalten, so dass Gottes Licht so auch auf andere übergeben kann.

Immer wieder einen neuen Anfang machen, das war ein Lebensmotto der frühen Wüstenväter. Wir machen immer wieder Fehler, aber es bringt nichts, wenn wir uns deswegen ständig Vorwürfe machen. Fehler sind dazu da, aus ihnen zu lernen und dann mit neuer Kraft weiter zu gehen. Es bringt auch nichts, einer schönen Vergangenheit nachzutrauern. Wir können sie nicht zurückholen. Es gilt vielmehr, in der Gegenwart zu leben und an einer Zukunft zu bauen, die noch schöner wird als die Vergangenheit.

Haben wir Mut, das Neue anzunehmen, das Gott uns schenken will. Lassen wir uns von ihm überraschen und sagen wir Ja zu dem was kommt, im festen Vertrauen darauf, dass alles, was Gott uns schenkt, das Beste für uns ist das uns passieren kann.