Wer vom Fleisch bestimmt ist, kann Gott nicht gefallen. Ihr aber seid nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt, da ja der Geist Gottes in euch wohnt. Wer den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu ihm. (Röm 8,8-9)
Paulus nennt hier das Grundcharakteristikum christlichen Lebens: das Leben aus dem Geist. Das jüdische Gesetzt, über dessen Bedeutung Paulus in den vorangegangenen Kapiteln nachgedacht hat, blieb der menschlich-fleischlichen Ordnung verhaftet. Es hob den Menschen nicht über sich hinaus. Erst mit Christus ist etwas Neues geschehen. Er hat den Geist gesandt, und zwar unbegrenzt.
Zwar war Gottes Geist auch schon vorher am Werk, aber sein Wirken blieb auf einige wenige Menschen begrenzt. Der Geist wurde den Propheten und einigen anderen besonderen Menschen zuteil, aber nie dem ganzen Volk. So lesen wir im Alten Testament, dass er auch auf die Ältesten herabkam, die Mose als Stammesführer bestellt hatte.
Eine Ausnahme im Alten Testament stellt wahrscheinlich die Vision des Ezechiel dar, in der der Geist Gottes die in einer Ebene verstreuten Gebeine des Gottesvolkes neu belebt. Hier meint der Prophet die verzweifelten Israeliten in der Verbannung in Babylon, die durch Gottes Geist neue Kraft und neues Leben geschenkt bekommen. Doch das ist eine Vision. Die Wirklichkeit sah auch nach dem Ende der babylonischen Gefangenschaft anders aus. Erst Christus hat das erfüllt, was der Prophet geschaut hat. Erst mit Christus kam der Geist auf alle herab, wie wir im Neuen Testament vor allem in der Apostelgeschichte immer wieder lesen.
Das Erfüllt-Sein mit dem Heiligen Geist ist ein Wesensmerkmal der Christen. Doch ist dem auch so? Sehen wir nicht auch unter Christen das menschlich-fleischliche Element überwiegen? Schon Paulus kritisiert seine Gemeinden scharf, weil sie trotz ihrer Berufung zur Heiligkeit noch stark im Irdischen verhaftet geblieben sind, was beispielsweise erkennbar wird durch interne Streitigkeiten, Neid, Gier nach Macht und Reichtum oder einen unsittlichen Lebenswandel. Daran hat sich bis heute wenig geändert.
Ist das Leben aller Getauften aus dem Geist also nicht mehr als eine fromme Wunschvorstellung? Wie können wir Realität werden lassen, wozu wir berufen sind?
Wenn Christus in euch ist, dann ist zwar der Leib tot aufgrund der Sünde, der Geist aber ist Leben aufgrund der Gerechtigkeit. (Röm 8,10)
Die Worte des Paulus sind nicht leicht zu verstehen. Aber wir können eine Ahnung davon bekommen, was sie bedeuten. In der menschlich-fleischlichen Ordnung kümmern wir uns hauptsächlich um unseren Leib. Wir schauen darauf, dass wir einen guten Beruf haben, genug verdienen, damit wir uns auch möglichst viel leisten können und so ein möglichst komfortables Leben haben. Eine schöne Wohnung, schöne Kleidung, gutes Essen. Diese Dinge sind an sich nicht schlecht, bringen uns aber im Glauben nicht weiter, ja bergen das Risiko in sich, dass wir durch sie weiter in der Sünde verhaftet bleiben. Machen wir uns nichts vor. Unser Reichtum ist nur möglich, weil es auf der anderen Seite der Welt Armut gibt, Menschen, die sehr wenig verdienen, um das, was wir uns kaufen wollen, möglichst billig zu produzieren. Unser hoher Lebensstandard geht auf Kosten anderer Menschen und der Umwelt. Andere werden für unseren Komfort zahlen, Menschen, die schon jetzt von den Folgen des Klimawandels betroffen sind und vor allem die nachfolgenden Generationen, denen wir eine zerstörte Natur hinterlassen. Welches Wort wäre also treffender für unsere Lebensform als das Wort Sünde?
Wenn wir aus dem Geist leben, dann verlieren die Werte dieser Welt an Bedeutung. Wir können zwar auch so nicht ohne Geld leben, aber wir werden uns nur das kaufen, was wir wirklich brauchen. Aber das bestimmt nicht mehr unser Denken, es ist eine Nebensache, die uns nicht weiter beschäftigt, weil wir wissen, dass Gott uns alles geben wird, was wir brauchen, wenn wir das unsere dazu tun. Vielmehr werden wir danach streben, Gott in allem zu verherrlichen, und seine Liebe in der Welt Wirklichkeit werden zu lassen.
Somit ist, wie Paulus schreibt, unser Leib tot. Nicht, weil wir ihn abgetötet haben, sondern weil uns seine Bedürfnisse nicht mehr beschäftigen, sondern wir ihre Erfüllung quasi nebenbei erledigen, ohne dass uns die Sorge darum die ganze Zeit beschäftigt.
Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt. (Röm 8,11)
Wenn wir in der neuen Ordnung des Geistes leben, dann haben wir ein neues Leben, ein Leben, das zwar von außen her sich nicht von dem Leben anderer Menschen unterscheidet, im Inneren aber sind wir grundlegend neu gestaltet. Der alte Mensch, der dem Irdischen verpflichtet war, ist tot. Der neue Mensch lebt aus dem Geist ein Leben der Gotteskindschaft, ein Leben, das bestimmt wird von der Liebe.
Wie ein solches Leben aussieht, können wir beispielsweise in der Bergpredigt nachlesen. Der neue Mensch verlässt sich ganz auf Gott, verzichtet darauf, über andere zu richten und andere zu verurteilen und lebt ganz aus der Liebe, einer Liebe, die auch vor dem Feind nicht Halt macht. Auch wenn wir als schwache Menschen wohl nie vollkommen aus der Liebe leben können, muss dies doch unser Ziel sein. Jeden Tag können wir aufs Neue damit beginnen. Jeden Tag können wir dem Geist Gottes mehr Raum in uns verschaffen, bis er irgendwann uns ganz mit seiner Kraft erfüllt.
Wenn wir als Christen so aus dem Geist leben, dann verschaffen wir unserer Botschaft, unserem Glauben neue Glaubwürdigkeit. Dann wird es uns gelingen, die Menschen um uns wieder mit dem Feuer des Geistes anzustecken und dann wird Gottes Liebe wieder mächtig sein in dieser Welt. Bitten wir Gott um den Mut, uns von seinem Geist leiten zu lassen.
Entfache dein Feuer, Geist des auferstandenen Christus, Geist des Mitleids, Geist des Lobpreises, deine Liebe zu jedem Menschen wird nie vergehen.
Geist des lebendigen Gottes, wenn Zweifel und Zögern, dich einzulassen, alles zu verschlingen scheinen, dann bist du da, dann bist du zugegen.
Du entfachst das Feuer, das inwendig unter unserer Asche glimmt. Du nährst dieses Feuer mit unseren Anfechtungen, mit unseren Dornen, mit allem, was uns an uns selbst und bei anderen wehtut, so dass durch dich sogar die Steine unseres Herzens verglühen, du Licht in unserer Finsternis, du Morgenglanz unserer Dunkelheit.
(Frere Roger Schutz)