Über den Propheten Habakuk wissen wir nicht viel. Die moderne Forschung geht davon aus, dass der Prophet Habakuk um das Jahr 600 v.Chr. in Jerusalem aufgetreten ist. In seinem Worten spiegelt sich die unruhige Zeit vom Beginn der Eroberungen des neubabylonischen Reiches im Vorderen Orient bis kurz vor dem Untergang Jerusalems wieder. Nach der Schlacht bei Karkemisch im Jahr 605 v.Chr. fiel Nebukadnezzar der ganze Vordere Orient zu und seine Vormachtstellung war nun gesichert. Im Jahr 597 v.Chr. kam es dann zur ersten Belagerung Jerusalems.
In dieser Zeit ist das Ende der alten Ordnung deutlich erkennbar und die Menschen blicken auf eine ungewisse Zukunft, von der man nicht weiß, ob sie das Ende alten Unrechts oder noch größeres Unrecht bringen wird. Während der König und die Oberschicht in Jerusalem noch relativ sorglos leben und sich durch Ausbeutung des Volkes bereichern, kommt der Untergang immer näher. Die Rufe des Propheten nach Recht und Gerechtigkeit verhallen ins Leere.
Der Prophet stellt sich die Frage nach dem Warum. Warum muss Jerusalem, Gottes geliebte Stadt, so leiden, warum lässt Gott ihren Untergang zu. Warum dürfen die Feinde mit solch gewaltiger Macht und Brutalität gegen Gottes Volk vorgehen? Gott lässt das Strafgericht zu, doch auch die Neubabylonier als Vollstrecker dieses Gerichts werden bestraft werden.
“Bis wann noch, DU!” habe ich gefleht und du hörst nicht, ich schreie zu dir: “Gewalt !” und du befreist nicht.
So klingt Hab 1,2 eindrücklich in den Worten Martin Bubers. Was als Klage an Gott gerichtet ist, ist eine Klage über das Tun der Menschen. Nicht Gott übt Gewalt. Die Menschen tun einander Gewalt an. Das Böse hat die Macht und drückt mit gnadenloser Grausamkeit die Hilflosen und Schwachen nieder. Warum lässt Gott das zu? Warum lässt er in seinem Volk das zu? Warum lässt er zu, dass die Gerechtigkeit, für die Gottes Gesetz steht, unwirksam, ja machtlos ist?
Der Prophet versucht zu verstehen. Nur, wenn Gott Herr ist über alle Völker, ergibt das alles einen Sinn. Dann hat er die Macht, fremde Völker zu rufen, um das Strafgericht über sein Volk auszuführen, aber er hat auch die Macht, die fremden Völker in ihre Schranken zu weisen und sein Volk wieder aufzurichten.
Es bleibt die Mahnung, es mit der Gerechtigkeit ernst zu nehmen. Gott steht für Gerechtigkeit ein. Auch wenn zunächst die Mächte der Gewalt erfolgreich zu sein scheinen, wenn der ungerechte Reichtum immer mehr wächst, so geht das nicht endlos so weiter. Es wird eine Zeit kommen, in der ein gerechter Zustand wiederhergestellt wird, auch wenn es dazu zunächst einer Phase noch größerer Gewalt bedarf. Gottes Zusage an den Gerechten bleibt unerschütterlich bestehen.
Es kommt und bleibt nicht aus: Wer nicht rechtschaffen ist, schwindet dahin, der Gerechte aber bleibt wegen seiner Treue am Leben. (Hab 2,2-4)