Gewissheit der Liebe Gottes

Paulus hat im 8. Kapitel des Römerbriefes viele Bilder gebraucht, um die Zuversicht zum Ausdruck zu bringen, die ihn als Glaubenden erfüllt. Doch alle Bilder verblassen angesichts der Erfahrung, die er gemacht hat. Nur wer sich selbst auf Jesus Christus einlässt, kann erfahren, was Paulus hier meint. Und um seinen Worten Nachdruck zu geben, spricht er am Ende des Kapitels noch einmal ganz deutlich. Er ist sich gewiss. Das was er sagt, steht für ihn unumstößlich, ohne jeden Zweifel fest. Nichts kann größer sein als die Liebe Gottes und nichts kann uns trennen von diesem liebenden Gott.

Ein großes Wort! Aber wir verstehen es nicht, weil wir nicht dieselbe Liebe haben wie Paulus. Und dennoch, der Apostel will zeigen, dass alles, so groß es auch sein mag, nichts ist im Vergleich zu der Liebe, mit der Gott uns umfängt. …
Der Sinn dieser Worte ist folgender: Was ist es nötig, von zeitlichen Drangsalen zu reden, von Leiden, die das Los dieses Lebens sind? Wenn mir einer von den gewaltigen Wesen des Jenseits reden würde, von Tod und Leben, von Engeln und Erzengeln, von der ganzen jenseitigen Welt, das alles kommt mir gering vor im Vergleich zur Liebe Christi. Wenn mir auch jemand mit dem Tod im Jenseits drohen würde, der niemals stirbt, um mich von Christus zu trennen, wenn mir jemand nie endendes Leben in Aussicht stellte, ich würde auch einen solchen Antrag zurückweisen. Gar nicht zu reden von irdischen Königen und Konsuln, von diesem oder jenem Mächtigen. Ja wenn du mir auch von Engeln sprichst, von allen himmlischen Mächten, von allem, was jetzt ist und was sein wird, so erscheint mir das alles klein und unbedeutend, alles auf der Erde und im Himmel und unter der Erde und über dem Himmel, im Vergleich zu jener Liebe.
Und als ob das noch nicht genug wäre, geht er noch über das Gesagte hinaus, um die Liebe, die ihn beseelt, auszudrücken, und fügt hinzu: “Noch irgendetwas anderes Erschaffenes”. Das heißt: selbst wenn es noch eine andere Welt gäbe, so groß wie die sichtbare und so herrlich wie die Geisterwelt, auch sie könnte mich von jener Liebe nicht trennen. Das sagte er nicht, als ob die Engel oder die andern seligen Geister je einen Versuch dieser Art machen würden, nein, sondern er wollte nur das Übermaß der Liebe ausdrücken, die er zu Christus hat. Er liebte nämlich Christus nicht wegen der von ihm zu erwartenden Gaben, sondern er liebte diese wegen Christus, und nur eines schwebte ihm als etwas Entsetzliches vor Augen, nur eines fürchtete er, nämlich, dass er seine Liebe verlieren könnte. Das war für ihn entsetzlicher als die Hölle selbst, wie andererseits das Verbleiben in dieser Liebe ihm begehrenswerter vorkam als das Himmelreich selbst. (Johannes Chrysostomus)

Vertrauen

Herr, schenke auch mir ein hörendes Herz, das auf deine Stimme achtet. Lass mich nicht auf die Stimmen hören, die mich dazu drängen, immer mehr zu besitzen, lass mich nicht auf die Stimmen hören, die über andere lästern, lass mich nicht auf die Stimmen hören, die mir Angst machen wollen, vor dem was kommt. Lass mich auf deine Stimme hören, die mir zeigt, was wirklich wichtig ist im Leben, lass mich mit deinem Blick der Liebe auf die Menschen schauen und gib mir die Zuversicht, dass du in allem, was geschieht, zu mir sprichst und du alles zum Guten führen wirst, wenn ich auf dich vertraue. Amen.

Petrus Chrysologus

Wer dem Hungrigen sein Brot bricht, gibt sich selbst das Himmelreich! Der aber wird sich die Quelle des Lebens versiegen machen, der dem Durstigen den Wasserbecher verweigert! Aus Liebe zu den Armen verkauft Gott sein Reich, und damit jeder Mensch es sich kaufen kann, bietet er es an für den Preis eines Stückes Brot. Weil er wollte, dass alle es erhalten sollen, setzt er den Preis so gering an, dass jeder Mensch ihn zahlen kann. … Mensch, du gibst dir, wenn du dem Armen gibst; denn was du dem Armen nicht gibst, wird ein anderer einheimsen; dir wird nur das bleiben, was du dem Armen gibst!

Gleichnis vom Fischnetz

Weiter ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Netz, das man ins Meer warf, um Fische aller Art zu fangen. (Mt 13,47)

Jesus vergleicht das Himmelreich mit einem Netz, das ins Meer geworfen wird, um damit Fische aller Art zu fangen. Es wird nicht nur im See Gennesaret ausgeworfen, an dem Jesus seine ersten Jünger berufen hat und sie von Fischern vom See zu Menschenfischern gemacht hat. Die Fanggründe der Fischer des Himmelreiches sind nicht mehr in einem kleinen See im abgelegenen und unbedeutenden Galiläa, sondern im großen Meer dieser Welt.

Die heilige Kirche wird mit einem Netzt verglichen, da sie Fischern anvertraut ist und durch sie ein jeder aus dem Gewoge der gegenwärtigen Welt ins ewige Reich gezogen wird, um nicht in der Tiefe des ewigen Todes zu versinken. (Gregor der Große)

Doch das Netzt der Kirche wird nur noch selten ausgeworfen. Es hat Risse bekommen, und fängt nur noch wenige Fische, wenn es einmal wieder benutzt wird. Nahezu tatenlos sehen wir dabei zu, wie immer mehr Menschen die Kirche verlassen und wie ein Großteil der Menschen “in der Tiefe des ewigen Todes zu versinken” droht. Die linksgerichtete Philosophie, dass jeder Mensch selbst seinen Heilsweg bestimmen kann und daher jede Form der Mission verpönt ist, ist bis in das Herz der Kirche gedrungen.

Die Lehre vom ewigen Gericht wird als eine heute überwundene Denkform früherer Zeiten abgetan. Kein Mensch benötigt Erlösung und nach dem Tod wird entweder nichts mehr sein oder es wird allen gleich ergehen. Wichtig ist es, im hier und jetzt zu leben. Wozu sich also noch mit den Geboten der Kirche herumschlagen, die so viele Generationen geknechtet haben, wozu noch Mission und Bekehrungen?

Wir müssen lernen, das Evangelium mit neuen Worten zu  verkünden, die auch den Menschen unserer Tage die Notwendigkeit der Umkehr vor Augen führen. Freilich sollen wir nicht zu den Worten einer Drohbotschaft zurückkehren, die Bekehrungen nur angesichts der Vermeidung einer ewigen Verdammnis als sinnvoll erscheinen lässt. Das Evangelium muss Frohbotschaft sein, die zeigt, dass der Glaube an Jesus Christus Glück und Heil schenkt, das sonst nirgendwo zu finden ist.

Jeder Schriftgelehrte also, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt. (Mt 13,52)

Gregor der Große versteht das Alte als die Tatsache, “dass die Menschheit für ihre Schuld in ewiger Strafe zugrunde geht”. Das Neue aber ist das Evangelium, die Botschaft davon, “dass, wer sich bekehrt, im Reich lebt”. Das bedeutet für die Verkünder des Evangeliums:

Derjenige ist in der heiligen Kirche ein unterrichteter Verkündiger, der es versteht, Neues über die Schönheit des Reiches vorzubringen. (Gregor der Große)

Zwar fügt Gregor der Große auch noch an, dass dieser Verkünder ebenso “Altes über den Schrecken der Strafe” hervorzubringen weiß, jedoch muss heute das Neue über die Schönheit des Reiches im Vordergrund stehen. Wir leben in einer Zeit, die viele Annehmlichkeiten zu bieten hat. Was gibt es für einen Grund, auf diese um eines verborgenen Himmelreiches willen zu verzichten? Wir erkennen aber auch die Brüchigkeit dieses irdischen Glücks, wenn Beziehungen zerbrechen, eine plötzliche Krankheit das Leben verändert, oder plötzlich das Geld knapp wird. Wer oder was trägt uns auch durch schwere Zeiten? Gibt es ein unvergängliches Glück?

Menschen suchen und fragen. Wir dürfen nicht mit Antworten kommen, die hundert Jahre oder älter sind. Das Umfeld der Menschen verändert sich, heute schneller als je zuvor. Die Fragen und das Suchen der Menschen sind gleich geblieben, die Antworten aber müssen mit der Zeit gehen. Die Botschaft von Jesus Christus ist zeitlos. Man kann heute die Evangelien noch genauso gut lesen und verstehen wie vor 1000 Jahren. Wir brauchen Verkünder, die es verstehen, den Schatz des Evangeliums auch heute wieder zum Glänzen zu bringen, die ihn attraktiv sein lassen für die Menschen unserer Zeit.

Herr Jesus Christus, gib uns Phantasie und deinen Geist, damit wir die Botschaft vom Himmelreich auch heute so verkünden, dass sie die Menschen ins Herz trifft und dass sie in dir den Schatz sehen, der sie reich und glücklich macht.

Salomos Weisheit (1Kön 3)

Salomo aber liebte den Herrn und befolgte die Gebote seines Vaters David; nur brachte er auf den Kulthöhen Schlachtopfer und Rauchopfer dar. So ging der König nach Gibeon, um dort zu opfern; denn hier war die angesehenste Kulthöhe. Tausend Brandopfer legte Salomo auf ihren Altar. In Gibeon erschien der Herr dem Salomo nachts im Traum und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll. (1Kön 3,3-5)

In Israel gab es zu Beginn der Herrschaft Salomos noch kein zentrales Heiligtum. König David war es verwehrt, dem Herrn in Jerusalem einen Tempel zu bauen. Erst sein Sohn und Nachfolger Salomo wird den Tempel in Jerusalem errichten. Noch verehrt das Volk seinen Gott an verschiedenen heiligen Orten. Einer dieser Kultorte ist in Gibeon. Dorthin geht auch Salomo, um dem Herrn sein Opfer darzubringen. Dort erscheint der Herr dem König, der ganz am Beginn seiner Regierungszeit steht, im Traum. Träume sind seit alters her eine Form, wie Gott sich den Menschen offenbart.

Salomo hatte sich vorbereitet. Frisch gewaschen, kein einziger Fleck auf seiner Kleidung, ein Wohlgeruch umströmte ihn. So näherte er sich dem besonderen Ort. Was dann geschah, übertraf alle seine Erwartungen. Es kam zu einem traumhaften Gespräch zwischen ihm und Gott im Dunkel der Nacht. Ein unsichtbares Band zwischen Bitten und Erfüllen, ein Bund, zu Gottes Bedingungen, der gibt, worum du nicht gebeten hast, der aber erwartet, dass du das erbittest, was er als erstes geben will, das was hinter dem Vordergründigen steht und dieses übertrifft.

Salomo antwortete: Du hast deinem Knecht David, meinem Vater, große Huld erwiesen; denn er lebte vor dir in Treue, in Gerechtigkeit und mit aufrichtigem Herzen. Du hast ihm diese große Huld bewahrt und ihm einen Sohn geschenkt, der heute auf seinem Thron sitzt. So hast du jetzt, Herr, mein Gott, deinen Knecht anstelle meines Vaters David zum König gemacht. Doch ich bin noch sehr jung und weiß nicht, wie ich mich als König verhalten soll. Dein Knecht steht aber mitten in deinem Volk, das du erwählt hast: einem großen Volk, das man wegen seiner Menge nicht zählen und nicht schätzen kann. Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht. Wer könnte sonst dieses mächtige Volk regieren? (1Kön 3,6-9)

Salomo darf vor Gott eine Bitte aussprechen. Zunächst aber dankt er Gott für das, was er an ihm getan hat. Gott hat seinem Vater David seine Huld erwiesen und ein Zeichen dieser Huld ist es, dass nun Davids Sohn Salomo auf dem Thron Israels sitzen darf. David galt als weiser und vorbildlicher Herrscher, der zwar nicht ohne Fehler war, aber doch immer wieder zu Reue und Umkehr bereit war. Die von der Tradition dem König David zugeschriebenen Psalmen geben Einblick in dessen tiefen Glauben an den Gott Israels.

Salomo will seinem Vater ähnlich sein. Er ist noch sehr jung, ihm fehlt es an Erfahrung. Er weiß, dass er nur dann vor Gott und für das Volk ein guter Herrscher sein kann, wenn er Weisheit besitzt, wenn er das Gute vom Bösen zu unterscheiden vermag. Um diese Weisheit zu erlangen, benötig er ein hörendes Herz. Er muss dazu bereit sein, zu lernen, darf sich nicht gleich mit seinem jugendlichen Elan und Tatendrang in die Regierungsgeschäfte stürzen. Er muss den Rat erfahrener Männer prüfen und er muss bereit sein, auf das zu hören, was Gott zu ihm sagt.

Salomo hat ein offenes Ohr und Herz für Gott, das zeigt sich bereits darin, dass Gott zu ihm im Traum sprechen kann. Diese Offenheit für Gott muss er sich bewahren und sie vertiefen. Er darf sich nicht von Macht, Reichtum und Erfolg blenden lassen. Er muss sich immer dessen bewusst sein, dass er dies nicht durch eigene Kraft erwerben und bewahren kann, sondern dass alles ein Geschenk Gottes ist, das er auch im Namen Gottes verwalten soll.

König Salomo wird hier zu einem idealen Herrscher stilisiert, zugleich aber zeigt die Bibel von Salomo ein ambivalentes Bild. Er macht Israel mächtig, aber nach seinem Tod zerfällt das Reich, der unermessliche Reichtum Salomos, von dem die Bibel berichtet, war nicht nur durch Weisheit, sondern zu einem großen Teil auch durch Ausbeutung erworben. Salomo besaß eine Autorität und Machtfülle, an die seine Nachfolger nie mehr herankamen.

Sicher wussten die Verfasser dieses Textes um diese Ambivalenz. Vielleicht sind die Worte, die sie Salomo in den Mund legen, eher Wunsch als Wirklichkeit, ein Wunsch an spätere Könige, dass sie so handeln mögen, wie es hier von Salomo heißt. Doch nicht nur Könige, sondern jeder Mensch sollte so vor Gott sein, wie dieser idealisierte König Salomo.

In Märchen und anderen Geschichten begegnet uns oft das Bild vom einen freien Wunsch oder den drei freien Wünschen. Nicht immer können die Menschen damit klug umgehen. Manche Wünsche erweisen sich, wenn sie in Erfüllung gehen, eher als Fluch denn als Segen. So wäre König Midas fast verhungert, weil sein Wunsch in Erfüllung ging, dass alles, was er berührt, zu Gold wird. Wenn wir wirklich sehnsüchtige Wünsche haben, gilt es tiefer zu blicken und die Folgen zu bedenken. Was kann uns wirklich glücklich machen?

Das hörende Herz, das sich König Salomo wünscht, kann ihn glücklich machen. Ein hörendes Herz, das bedeutet, dass er nicht von Anfang an alles weiß. Aber wenn er hören kann, zeigt ihm Gott durch seine innere Stimme stets das, was in einer Situation wichtig ist. Wir kennen diese innere Stimme. Plötzlich haben wir einen Geistesblitz und entdecken, wonach wir lange gesucht haben, oder wir werden vor einer Gefahr gewarnt, oder bei einer Entscheidung zeigt sich ein Weg. Doch da sind noch die vielen anderen Stimmen. Die Weisheit besteht darin, aus den vielen Stimmen die eine richtige zu hören und auch zu verstehen, was diese Stimme uns sagen will.

Ein hörendes Herz, das bezieht sich nicht nur auf unseren Umgang mit Gott, sondern auf den Umgang mit der Wirklichkeit überhaupt und mit anderen Menschen. Ein hörendes Herz heißt im Umgang mit anderen Menschen achtsame Liebe. Das bedeutet, die Andersheit des Anderen wirklich wahrzunehmen und ihn so zu verstehen, wie er ist. Nicht einfach nur gute Ratschläge zu erteilen, sondern zu erkennen, was ein anderer Mensch wirklich braucht. Ein hörendes Herz sieht die Welt nicht als Ziel der Ausbeutung des Menschen, sondern als Gottes gute Schöpfung, die es zu pflegen und zu bewahren gilt.

Unkraut im Weizen (Mt 13)

Und Jesus erzählte ihnen noch ein anderes Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging wieder weg. Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. (Mt 13,24-26)

Das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen folgt auf das Gleichnis vom Sämann. In beiden geht es um das Wort, das ausgesät wird. Das Gleichnis vom Sämann endet damit, dass das Wort Frucht bringt, wenn es auf guten Boden fällt. Ein solches fruchtbares Feld kommt nun in diesem Gleichnis in den Blick. Der Samen ist aufgegangen und bringt reichlich Frucht. Damit könnte ja alles gut sein, aber so einfach ist es nicht. Der Feind, der schon einen Teil des Samens am Wachstum gehindert hat, sät nun auch noch Unkraut unter den guten Weizen.

Matthäus ist der einzige Evangelist, der ein solches Wort Jesu über die Saat des Bösen überliefert. Wahrscheinlich bringt er damit die Erfahrung der Gemeinden in seinem Umfeld zum Ausdruck, dass leider auch die Kirche keine ideale Gemeinschaft ist, sondern dass es auch in ihr Streitigkeiten gibt und Menschen, die den Frieden stören. Auch die Erfahrung des Leids gehört weiterhin zur Wirklichkeit der Christen. Diese Spannung zwischen einem perfekten Ideal und einer als unvollkommen erfahrenen Gegenwart gilt es auszuhalten.

Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? (Mt 13,27)

Die Saat des Bösen geht auf und wird für alle sichtbar. Auf dem reichlich Frucht tragenden Acker des Wortes Gottes sprießt auf einmal auch Unkraut unter dem Weizen. Woher kommt das Unkraut? So fragen die Knechte und wer von uns hat diese Frage nicht auch schon an Gott gestellt. Du hast doch eine gute Schöpfung gemacht, warum gibt es dann darin so viel Böses? Ja selbst im neuen Volk Gottes, der Kirche, gibt es viele, die trotzdem weiter Böses tun. Und wenn ich auf mich selbst blicke: trotz aller Bemühungen und aller guten Vorsätze falle ich doch immer wieder in Schuld und Sünde.

Er antwortete: Das hat ein Feind von mir getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? Er entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. Lasst beides wachsen bis zur Ernte. Wenn dann die Zeit der Ernte da ist, werde ich den Arbeitern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune. (Mt 13,28-30)

Am liebsten würden die Knechte das Unkraut ausreißen. Doch der Herr mahnt zur Vorsicht. Allzu leicht könnten sie dabei auch das gute Getreide erwischen und zusammen mit dem Unkraut vernichten. Sicher werden beim Gang durch das Feld auch so manche Halme zertreten. Der Schaden würde also auf jeden Fall größer werden, als er ohnehin schon ist. Es ist eine zwar unschöne, aber dennoch unumgängliche Tatsache, dass unter jedem guten Samen auch Unkraut wächst. Es gibt nicht die perfekte Gesellschaft, in der alle nur gut sind. Es wird immer Menschen geben, die Fehler machen, aus Schwäche oder aber auch aus Bosheit. Dies muss jede Gemeinschaft ertragen können. Menschliches Reinheitsstreben schießt oft über das Ziel hinaus. Die Geschichte liefert uns genug Beispiele dafür, dass sogenannte Säuberungsaktionen oft in brutaler Gewalt geendet haben und Gemeinschaften der “Reinen” sich durch ihren Wahn selbst aufgefressen haben.

Jesus mahnt zur Geduld. Gott wird zur gegebenen Zeit das Unkraut vom Weizen trennen. Aber es fällt uns oft schwer, Raum für Gottes Wirken zu lassen. Wir wollen lieber selbst alles in die Hand nehmen und die großen Macher sein. Es braucht ohne Frage Menschen, die Verantwortung übernehmen. Wir sollen nicht über jedes Fehlverhalten einfach hinwegsehen. Brüderliche Ermahnung gehört von Anfang an zu einem Charakteristikum christlicher Gemeinschaften. Aber wir können nicht verhindern, dass die Saat des Bösen immer wieder aufgeht und wir müssen es auch nicht verhindern. Es gibt sicher einen gerechtfertigten heiligen Eifer, der die Kinder Gottes gegen das Böse verteidigen will, aber er darf nicht zu der Utopie werden, dass wir mit unserer eigenen Kraft Gottes Gerechtigkeit in dieser Welt durchsetzen könnten.

Fanatischer Eifer reißt mit den Bösen auch viele gute Menschen aus, weil unser Urteilsvermögen einfach begrenzt ist. Gott allein kommt es zu, zu richten, er allein besitzt unumschränkte Macht. Gerade aber weil Gott über allem steht und er allein Gott ist, muss er seine Macht nicht immer wieder neu beweisen, denn es gibt niemand, der sie ihm ernsthaft streitig machen könnte. Gott hat es nicht nötig, wie ein Tyrann, der immer um seine Herrschaft fürchten muss, alle sofort zu vernichten, die nur den Anschein erwecken, etwas gegen ihn zu haben. Er kann es sich erlauben, Nachsicht zu üben, weil ihm letztlich keiner schaden kann.