Der Zöllner Zachäus

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Dann kam er nach Jericho und ging durch die Stadt. (Lk 19,1)

Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Jericho ist die letzte größere Stadt vor Jerusalem, bevor der Weg durch unwegsames Gelände von der Jordansenke in das judäische Bergland hinaufführt. In allen Evangelien geschieht vor dem Einzug Jesu in Jerusalem noch einmal ein bedeutendes Wunder. Bei Johannes ist es die Auferweckung des Lazarus in Betanien, bei den Synoptikern ist Jericho die letzte Station Jesu vor Jerusalem. Sie berichten uns von der Heilung eines Blinden (bei Matthäus sind es zwei) in dieser Stadt, Markus nennt diesen Blinden mit Namen, Bartimäus, und macht ihn so zu einem der großen “Stars” der Evangelien. Bei den anderen bleibt er namenlos. Lukas erwähnt als einziger Evangelist einen anderen “Star”, der in Jericho ein ganz besonderes Erlebnis mit Jesus hatte.

Dort wohnte ein Mann namens Zachäus; er war der oberste Zollpächter und war sehr reich. (Lk 19,2)

Zachäus war ein beim ganzen Volk verhasster Mensch. Wir werden in den nächsten Versen sehen, dass sich diesmal nicht nur die besonders frommen Juden über die Begegnung Jesu mit diesem Menschen aufregen, sondern das ganze Volk. Zachäus gehörte zu den Zöllnern, ja er war sogar der oberste Zollpächter der Stadt. Wie wir wissen, durften Zöllner damals eigentlich nur den festgesetzten Zoll abkassieren, den sie an die römische Besatzungsmacht abzuliefern hatten, sie kannten aber ihre speziellen Tricks, wie sie die Menschen betrügen konnten, um selbst mehr Gewinn zu machen. Mit gefälschten Gewichten beispielsweise wird die zu verzollende Ware natürlich schwerer und teurer. So hatte Zachäus, wie viele seiner Kollegen, auf Kosten seiner Landsleute ein beträchtliches Vermögen angehäuft.

Er wollte gern sehen, wer dieser Jesus sei, doch die Menschenmenge versperrte ihm die Sicht; denn er war klein. Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen musste. (Lk 19,3-4)

Zachäus war klein. Er ist vielleicht der einzige Mensch in den Evangelien, dessen Körpergröße wir bis heute kennen. Dies mag zum einen daher kommen, dass Lukas uns verständlich machen will, warum er auf einen Baum steigen muss, um Jesus zu sehen. Wir können uns aber auch vorstellen, dass Zachäus zur Gemeinde der frühen Christen gehört hat und man seine Geschichte, die Lukas dann in seinem Evangelium aufgenommen hat, gerne als Anekdote erzählte. Schaut mal, da ist der Zachäus. Er hat Jesus persönlich getroffen. Frag ihn mal, wie es damals war. So ähnlich können wir uns ein Gespräch unter den ersten Christen vorstellen.
Zachäus ist neugierig. Er will Jesus sehen. Hat er eine besondere Erwartung an ihn, oder ist es einfach nur der Wunsch, diesen Wunderheiler, von dem die Leute so viel erzählen, mit eigenen Augen zu sehen? Wir wissen es nicht. Es muss damals ein ganz schönes Gedränge gegeben haben, als Jesus durch Jericho zog. Wir können uns gut vorstellen, wie Zachäus hinter den Menschen, die dicht gedrängt an der Straße standen, immer wieder hochgehüpft ist, um doch einen Blick auf Jesus zu erhaschen. Durch die Menge hindurch nach vorne ist er nicht gekommen. Er wurde sofort erkannt und überall, wo er durchschlüpfen wollte, schlossen sich die Menschen noch fester zusammen.
Da sieht Zachäus diesen Baum und er weiß, dass seine einzige Chance, Jesus zu sehen, darin besteht, auf eben diesen Baum zu klettern. Ihm ist es in diesem Moment egal, dass er sich damit zum Gespött der Menschen machen könnte. Er muss Jesus einfach sehen, koste es, was es wolle.

Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein. Da stieg er schnell herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf. (Lk 19,5-6)

Zachäus musste Jesus unbedingt sehen, und genau deshalb muss Jesus auch unbedingt in seinem Haus zu Gast sein. Jesus sieht in ihm nicht den verhassten Zöllner, sondern einen von Gott geliebten Menschen. Jesus hat bemerkt, dass Zachäus etwas ganz außergewöhnliches getan hat und darum schenkt er ihm auch eine außergewöhnliche Begegnung. Dies macht die Liebe deutlich, die Gott allem schenkt, was er geschaffen hat. Denn Gott hasst zwar die Sünde, aber nicht den Sünder, der ja als Mensch ein Geschöpf Gottes ist. Gott ist immer wieder dazu bereit, einen Menschen anzunehmen, wenn er sich nur von Gott lieben lassen will. Das ist die wahre Schöpfungsordnung Gottes, dass über allem seine Liebe steht.
Machen wir uns einmal bewusst, wie wir auf andere Menschen blicken. Da gibt es zum einen prominente Persönlichkeiten. Presse und Fernsehen vermitteln uns ein Bild von diesen Menschen. Ah das ist der und der, sagen wir, wenn wir von ihnen hören. Sie gehen für uns ganz in ihrer Rolle auf und nur selten sehen wir den wahren Menschen hinter dieser Rolle. So hatte auch Zachäus eine Rolle in Jericho. Er war der oberste Zollpächter. Als solchen sah ihn das Volk. Aber den Menschen, der dahinter stand, kannten sie nicht. Jesus aber sieht diesen Menschen Zachäus mit seinen Freuden und Schmerzen, seinen Fragen und dem, was ihn bewegt. Diesen Menschen ruft Jesus vom Baum herab und kehrt bei ihm ein.

Als die Leute das sahen, empörten sie sich und sagten: Er ist bei einem Sünder eingekehrt. Zachäus aber wandte sich an den Herrn und sagte: Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben, und wenn ich von jemand zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück. (Lk 19,7-8)

Mit Zachäus geschieht nun etwas Außergewöhnliches. Umkehr nennen wir das auch und es ist wirklich eine Wende um 180 Grad. Zachäus ist bereit, auf seinen ganzen Reichtum, den er im Laufe der Jahre angehäuft hat, zu verzichten. Die eine Hälfte seines Vermögens schenkt er den Armen und die andere Hälfte wird wohl dafür drauf gehen, dass er denen, von denen er zu viel verlangt hat, dies vierfach ersetzt.
Die Menschen aber sind entsetzt. Wie kann Jesus gerade bei diesem Sünder einkehren. Sie wissen nichts von der Umkehr des Zachäus und wissen nur wenig von Gottes Barmherzigkeit. Auch heute können wir mit Gottes Barmherzigkeit wenig anfangen. Es ist leichter, nach vorgefertigten Mustern zu denken, als sich immer wieder seine vorgefasste Meinung auf den Kopf stellen zu lassen. Doch Jesus nachfolgen heiß auch, nie über einen Menschen geringschätzig zu denken oder ihn zu verurteilen, sondern immer neu mit dem Wunder der Barmherzigkeit Gottes zu rechnen.

Da sagte Jesus zu ihm: Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist. Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist. (Lk 19,9-10)

Soviel wir auch gesündigt haben, Gott ist immer wieder bereit, uns anzunehmen, wenn wir aufrichtig umkehren zu ihm. Er fragt auch uns heute:

Warum klagt ihr mich an, wenn ich Sünder aufrichte? Denn soweit entfernt von mir ist der Hass auf die Sünder, dass ich ihretwegen gekommen bin. Als Arzt bin ich gekommen, nicht als Richter; deshalb werde ich zum Gast der Kranken und ertrage ihren Gestank, um ihnen Heilmittel zu verschaffen. (Johannes Chrysostomus)

Jesus ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist. Lassen auch wir uns von Jesus finden, so wie Zachäus auf einen Baum gestiegen ist, damit Jesus ihn auf jeden Fall finden kann. Die Sünde muss sich verstecken, wer aber umkehrt und das Gute tut, der darf sich offen zeigen, auch wenn er sich dadurch vielleicht auch mal zum Narren macht. Das Ergebnis lohnt den Einsatz.

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