Herz Jesu

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Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wieder gefunden, das verloren war. Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren. (Lk 15,4-7)

Im Lesejahr C hören wir am Herz-Jesu-Fest im Evangelium das Gleichnis vom verlorenen Schaf. Jesus offenbart uns darin die Tiefe der Liebe des göttlichen Herzens. Bevor Jesus das Gleichnis erzählt, berichtet Lukas davon, dass alle Zöllner und Sünder zu Jesus kommen. Darüber empören sich die Pharisäer und Schriftgelehrten. Mit solchen Menschen darf ein Frommer keinen Umgang haben.

Die Welt ist klar geordnet. Auf der einen Seite die Guten, auf der anderen die Bösen. Jeder entscheidet selbst, wo er hingehören will. Wer sich für die böse Seite entscheidet, der ist verloren und abgeschrieben. Er ist selbst schuld an seinem Schicksal. Hätte er mal früher bedacht, was er tut. Soll er doch sehen, wohin er mit seiner Einstellung kommt.

Sind die Hirten wirklich so, wie Jesus sie beschreibt? Kann sich ein Hirte wirklich erlauben, dem einen verlorenen Schaft nachzugehen, und die anderen allein zurück zu lassen? Selbst wenn er es sucht, wird er es dann nicht viel mehr voller Zorn mit vielen Schlägen zur Herde zurück treiben, anstatt es auf den Schultern zu tragen?

Nur wer die Liebe kennt, kann sich vorstellen, was der Verlust eines geliebten Menschen bedeutet. Nur wer liebt, wird seine ganze Mühe daran setzen, den geliebten Menschen rastlos zu suchen. Und wenn er ihn gefunden hat, wird er alle Sorge um den Vermissten vergessen, aus lauter Freude über das Wiedersehen. Er denkt gar nicht daran, dem anderen Vorwürfe zu machen, sondern allein die Freude erfüllt nun sein Herz.

Diese Freude ist das zentrale Geheimnis des Gleichnisses. Nur wer diese Freude der Liebe kennt, weiß etwas vom Herzen Gottes. Gott geht dem Verlorenen nach und seine Arme sind weit ausgestreckt, um jeden zu umfassen, der sich ihm zuwendet. Wer Gottes Liebe kennt, wird keinen Menschen mehr verurteilen und über niemand mehr richten. Er wird erkennen, wie sehr er selbst ständig der göttlichen Liebe und Barmherzigkeit bedarf.

Wir alle sind wie verirrte Schafe. Nie werden wir vollkommen den Willen Gottes erfüllen. Immer werden wir unseren eigenen Weg gehen und brauchen den guten Hirten, der uns voller Liebe sucht und an sein Herz zurückholt. Gott wird nicht müde, sich an uns zu freuen, wenn er uns an sein Herz drücken kann.

Beten wir mit der Hl. Gertud von Helfta darum, dass unser Herz dem Herzen Gottes immer ähnlicher werde:

Ich grüße dich, Heiligstes Herz Jesu, du lebendige und lebendig machende Quelle des ewigen Lebens, du unendlicher Schatz der Gottheit und flammender Glutofen der göttlichen Liebe! Du bist mein Ruheplatz und mein Zufluchtsort. O mein göttlicher Erlöser, entflamme mein Herz mit der heißen Liebe, von der dein Herz ganz verzehrt wird! Gieße aus in mein Herz die großen Gnaden, deren Quelle du bist, und mach, dass mein Herz sich so mit dem deinen vereine, dass dein Wille der meine sei, und dass mein Wille auf ewig dem deinigen gleichförmig sei; denn ich wünsche fortan deinen heiligen Willen zur Richtschnur aller meiner Handlungen zu haben. Amen.

Barmherzigkeit

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Verlangt Jesus nicht etwas Unmögliches von uns? Zunächst verlangt er von uns die Feindesliebe. Was uns andere auch antun mögen, wir sollen stets gut zu ihnen sein. Ok, man kann seine Rachegelüste zähmen, versuchen, ruhig zu bleiben. Aber wenn im Herzen der Groll aufsteigt, dann wünscht man dem anderen doch leicht alles Mögliche nicht so gute. Stattdessen nicht nur im Stillen dem anderen nichts Böses wünschen, sondern etwas Gutes tun, übersteigt das nicht alle menschlichen Möglichkeiten? Und: wo kommen wir denn dann selbst hin, wenn alle auf uns rumtrampeln können, ohne dass wir uns wehren.

Genau hier müssen wir einlenken. Den Feinden Gutes tun ist eine aktive Handlung. Sie erfordert Größe. Das ist etwas ganz anderes, als auf sich herumtrampeln zu lassen. Wenn wir statt einem Blick voll Hass ein Geschenk der Liebe machen, dann ist der andere zunächst überrascht und vielleicht denkt er dann darüber nach, was er tut. Wer auf Feindschaft mit Hass antwortet, der vertieft den Graben zwischen den Menschen und wird selbst vom Sog des Hasses in die Tiefe gezogen. Wer aber mit einem Geschenk des Guten antwortet, nimmt dem Hass und der Feindschaft die Kraft und lässt die Möglichkeit des Friedens entstehen.

Jesus begründet seine Forderung nach Nächstenliebe und Feindesliebe mit der Barmherzigkeit des Vaters. Weil Gott an uns barmherzig gehandelt hat, sollen auch wir barmherzig sein. Gottes barmherziges Tun an uns geht all unserem Tun voraus. Gott handelt an uns barmherzig, noch bevor wir selbst etwas getan haben. Um Christ zu werden und das Heil zu empfangen, bedarf es keiner langen Jahre der Askese oder einer Reihe von Wiedergeburten durch mehrere Leben hindurch. Es braucht nur etwas Wasser und einen anderen Menschen, der die Taufformel spricht.

Wir sollen barmherzig sein, weil uns Barmherzigkeit zuteil wurde, nicht damit uns Barmherzigkeit zuteil wird. (Raniero Cantalamessa)

Gott bedarf unserer Barmherzigkeit nicht. Er handelt nicht gut an uns, damit wir uns ihm gegenüber als gut erweisen. Er lenkt unsere Barmherzigkeit hin auf unsere Mitmenschen. Ihnen gegenüber sollen wir das erfahrbar machen, was Gott uns hat erfahren lassen: dass wir bedingungslos geliebt und von Gott unendlich beschenkt sind.

Der Nächste, der Mitmensch, ist für mich das sichtbare Antlitz Gottes. (Raniero Cantalamessa)

Wir vergessen leicht, was Gott für uns getan hat, gerade in der heutigen Zeit, wo die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen in den Hintergrund gedrängt wurde. Unsere Leistung steht im Vordergrund und wenn es einer zu etwas bringen will, so muss er sich über andere behaupten, besser sein als andere. Wer sich umwendet, um einem anderen zu helfen, bleibt oft selbst zurück.

Das oberste Ziel unserer kapitalistischen Welt ist der Profit und dabei sind es einige wenige, die wirklich großen Profit machen. Noch hat ein relativ großer Teil unserer Gesellschaft teil an diesem Profit und kann sich mit Konsum und Unterhaltung vergnügen, aber immer deutlicher wird das Ausmaß der Zerstörung, die das kapitalistische Denken anrichtet. Die Menschen, die davon nicht profitieren, drängen sich immer stärker in unser Bewusstsein. Immer deutlicher wird das Ausmaß der Zerstörung der Erde.

Nur die Barmherzigkeit, die Barmherzigkeit Gottes zu den Menschen und der Menschen untereinander, kann die Welt retten.

Himmlischer Vater, durch die Verdienste deines Sohnes, der sich am Kreuz für uns „zur Sünde machte“, lösche aus den Herzen der Menschen, der Familien und der Völker die Rachsucht und gib, dass wir uns in die Barmherzigkeit verlieben. Gib, dass der Absicht des Heiligen Vaters beim Ausrufen dieses Heiligen Jahres der Barmherzigkeit eine konkrete Antwort unserer Herzen folgt, und dass allen die Freude zuteil wird, sich mit dir versöhnen zu lassen. Amen. (Raniero Cantalamessa)

Sonntag der Barmherzigkeit

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An allen drei Lesejahren hören wir am zweiten Sonntag der Osterzeit einen Text aus der Apostelgeschichte, der das Leben der jungen Kirche schildert. In diesen Texten wird deutlich, wie die Frucht der Barmherzigkeit lebendig werden kann.

Die Gläubigen hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten. … Und alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. (Apg 2,42.43)

Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam. Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn, und reiche Gnade ruhte auf ihnen allen. Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt. (Apg 2,32-34a)

Durch die Hände der Apostel geschahen viele Zeichen und Wunder im Volk. … Die Kranken trug man auf die Straßen hinaus und legte sie auf Betten und Bahren, damit, wenn Petrus vorüberkam, wenigstens sein Schatten auf einen von ihnen fiel. Auch aus den Nachbarstädten Jerusalems strömten die Leute zusammen und brachten Kranke und von unreinen Geistern Geplagte mit. Und alle wurden geheilt. (Apg 5,12a.15-16)

Die junge Kirche bildet eine starke Gemeinschaft. Zunächst sehen wir eine tiefe Verankerung der Gemeinde in Jesus Christus. An seiner Lehre, die durch die Apostel überliefert wurde, halten alle fest und die Gläubigen versammeln sich zum Gebet und zur Feier der Eucharistie. Wir sehen auch den festen inneren Zusammenhalt der Gemeinde. In einer Gesellschaft, die keine sozialen Sicherungssysteme kannte, sorgte man hier füreinander, so dass keiner Not litt. Der Dienst der jungen Christen geht aber auch nach außen und zeigt sich in der Verkündigung und der Sorge um Kranke und Notleidende außerhalb der Gemeinde.

Die Apostelgeschichte zeigt uns, wie Barmherzigkeit konkret werden kann. Barmherzigkeit hat ihren Ursprung in der uns von Christus zugesagten Vergebung der Sünden. Wir sind hinein genommen in die Gemeinschaft mit Gott. Aus dieser Bindung an Gott geht der Zusammenhalt der Gläubigen hervor und erwächst der Dienst jedes einzelnen an den Brüdern und Schwestern innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft.

Maximus der Bekenner sagt:

Gott tat Außerordentliches, um die Menschen zu sich zurückzuführen, und hat uns den höchsten Beweis seiner unendlichen Güte gegeben. … Das göttliche Wort hat nicht nur mit der Macht seiner Wunder unsere Krankheiten geheilt, sondern auch die Gebrechlichkeit unserer Leidenschaften auf sich genommen und unsere Schuld durch die Qual des Kreuzes bezahlt, als ob er, der Unschuldige, schuldig gewesen wäre. Er hat und von zahlreichen und schrecklichen Sünden erlöst. Auch hat er uns mit vielen Beispielen angespornt, ihm ähnlich zu werden im Verständnis, in der Freundlichkeit und in der vollkommenen Liebe zu den Brüdern.

Der heilige Klemens von Rom bittet in seinem Brief an die Korinther Christus:

Leite unsere Schritte, dass wir wandeln in Heiligkeit des Herzens.

Papst Franziskus ruft die Kirche dazu auf, Gottes Barmherzigkeit erfahrbar werden zu lassen:

Es ist entscheidend für die Kirche und für die Glaubwürdigkeit ihrer Verkündigung, dass sie in erster Person die Barmherzigkeit lebt und bezeugt! Ihre Sprache und ihre Gesten müssen die Barmherzigkeit vermitteln und so in die Herzen der Menschen eindringen und sie herausfordern, den Weg zurück zum Vater einzuschlagen. Die erste Wahrheit der Kirche ist die Liebe Christi. Die Kirche macht sich zur Dienerin und Mittlerin dieser Liebe, die bis zur Vergebung und zur Selbsthingabe führt. Wo also die Kirche gegenwärtig ist, dort muss auch die Barmherzigkeit des Vaters sichtbar werden. In unseren Pfarreien, Gemeinschaften, Vereinigungen und Bewegungen, das heißt überall wo Christen sind, muss ein jeder Oasen der Barmherzigkeit vorfinden können.