Pfingsten (2)

Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. (Apg 2,4)

Die Jünger haben die Anwesenheit Gottes erfahren. Das erste, das der Geist bewirkt ist, dass die Verwirrung der Sprachen ein Ende nimmt. In Jerusalem sind jüdische Pilger aus allen Regionen des Römischen Reiches und sie alle können die Jünger verstehen, die getrieben von der Kraft des Heiligen Geistes auf die Straße gehen, um Gottes machtvolle Taten zu verkünden.

In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. (Apg 2,5-6)

Die Verwirrung der Sprachen war nach biblischer Schilderung im alten Babylon entstanden (Gen 11,1-9). Dort taten sich die Menschen zusammen, um einen Turm zu bauen, bis in den Himmel. So wollten sie sich selbst und Gott beweisen, wie groß sie sind. Doch Gott verwirrte ihre Sprache. Die Menschen konnten einander nicht mehr verstehen, und sie hörten auf, an dem Turm zu bauen.

Bis heute hat jedes Volk, ja jeder Stamm seine eigene Sprache. Menschen grenzen sich gegeneinander ab. Die verschiedenen Sprachen machen es noch schwerer, dass Menschen sich über Grenzen hinweg verständigen können. Doch es gibt Weltsprachen, mit denen man sich vielerorts verständigen kann. Damals waren dies Griechisch und Latein, heute ist es Englisch.

Als er vom Himmel herabstieg
und die Sprachen verwirrte,
hat der Höchste die Völker zerstreut.
Als er die Zungen des Feuers
verteilte, rief er alle zur Einheit.
Mit gemeinsamer Stimme ehren
wir den allheiligen Geist.
(Gebet der Ostkirche)

Das Sprachwunder an Pfingsten, als alle Menschen die Worte der Apostel verstehen konnten, meint mehr, als dass diese in einer bekannten Weltsprache gesprochen hätten. Was nützt eine gemeinsame Sprache, wenn die Menschen weiter untereinander uneins sind?

Vielleicht ist die Sprache des Heiligen Geistes die Sprache der Herzen. Die Menschen aller Völker und Sprachen wissen, was Liebe ist. Sie erkennen, ob jemand mit guten Absichten kommt oder Streit sucht. Die Sprache, die alle Menschen erreicht, ist die Sprache der Liebe. Nicht mit Gewalt missionieren die Apostel. Sie geben mit ihrem Leben, ihren Worten und ihrem Tun Zeugnis von Jesus Christus. Sie geben Zeugnis von der Liebe, die Gott uns durch seinen Sohn erwiesen hat. Gott ist uns nahe gekommen. Wo Menschen Gott in ihr Leben lassen, da können auch sie einander nahe kommen.

Das kann ein Aufruf für uns heute an Pfingsten sein. Wir erleben, wie heute die Feindschaft zwischen den Religionen vielleicht stärker ist denn je. Versuchen wir, im Heiligen Geist eine Atmosphäre der Toleranz zu schaffen, die zum eigenen Erbe steht, aber auch die Überzeugungen des anderen akzeptiert. Nicht Angst und Gewalt sind Früchte des Geistes, sondern Friede und Langmut. Schaffen wir so den Raum, in dem Gott die Herzen der Menschen anrühren kann.

Am Pfingstfest zeigt sich der Heilige Geist durch das Zeichen eines Sturmwindes, durch Feuerzungen und das Sprechen der Apostel in allen Sprachen. Das ist ein Zeichen dafür, dass die babylonische Zersplitterung – Ergebnis des Hochmuts, der die Menschen trennt – in dem Geist, der Liebe ist und Einheit in der Verschiedenheit spendet, überwunden ist. Die Kirche spricht vom ersten Augenblick ihres Bestehens an in allen Sprachen – durch die Kraft des Heiligen Geistes und der Feuerzungen – und lebt in allen Kulturen; sie zerstört nichts von den verschiedenen Gaben, von den verschiedenen Charismen, sondern fasst alles in einer großen und neuen Einheit zusammen, die versöhnt: Einheit und Vielgestaltigkeit. (Benedikt XVI.)

Pfingsten (1)

Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. (Apg 2,1)

Das Wort “Pfingsten” kommt vom griechischen Wort “Pentekoste”, zu Deutsch “der fünfzigste Tag”. Pfingsten wird 50 Tage (7×7+1, was der Zahlensymbolik nach Überfülle bedeutet) nach Ostern gefeiert und bildet den Abschluss der 50-tägigen Osterzeit.

Wie das christliche Osterfest in engem Zusammenhang zum jüdischen Pessach-Fest steht, so entspricht Pfingsten dem jüdischen Schawuot oder Wochenfest, das 50 Tage nach dem Pessach-Fest gefeiert wird. Dies war ursprünglich ein Erntefest als Dank für die Erstlingsfrüchte, später wurde es zu einem Fest des Gedenkens an die Offenbarung der Zehn Gebote Gottes am Berg Sinai. Die Chronologie von Lukasevangelium und Apostelgeschichte verknüpft die beiden bedeutenden christlichen Heilsgeheimnisse des Todes Jesu Christi und der Geistsendung mit diesen beiden großen jüdischen Wallfahrtsfesten. Am Pessach-Fest wurde Jesus hingerichtet und am Schawuot-Fest kam der Heilige Geist auf die Jünger herab.

Die Christen feierten zunächst die heiligen fünfzig Tage der Osterzeit “wie einen einzigen Festtag”. Im 4. Jahrhundert bekam jedoch das Fest Christi Himmelfahrt am 40. Tag nach Ostern eine immer eigenständigere Bedeutung, was zur Folge hatte, dass die Einheitlichkeit der fünfzig Tage durchbrochen wurde. Dadurch wurde auch das Pfingstfest nicht mehr als Abschluss der fünfzig Tage gesehen, sondern als eigenständiger Festtag, was sich auch darin zeigt, dass es eine eigene Oktav erhalten hat. Nach Wegfall der Pfingstoktav kommen heute wieder die fünfzig Tage der Osterzeit stärker zum Vorschein. Der Pfingstmontag als letzter Rest der Pfingstoktav und zweiter Feiertag des Pfingstfestes ähnlich dem Ostermontag bildet ein gewisses Kuriosum, da er liturgisch schon zur Zeit im Jahreskreis gehört.

Die neun Tage zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten haben als Pfingstnovene eine besondere Bedeutung. Hier folgt die Kirche dem Vorbild der Apostelgeschichte, die uns die Jünger zusammen mit Maria und den anderen Frauen im Abendmahlssaal zum Gebet versammelt zeigt. Auch die Nachwahl des Matthias zum Apostel als Ersatz für Judas fällt in diese Tage. Am fünfzigsten Tag waren dann alle Jünger Jesu beisammen und der Heilige Geist, den Jesus ihnen verheißen hatte, kam auf sie herab.

Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. (Apg 2,2-3)

Der Heilige Geist kommt vom Himmel mit einem Brausen wie ein Sturm, der das ganze Haus durchweht und wie Feuerzungen, die sich auf alle verteilen. Wahrscheinlich ist es Lukas nicht leicht gefallen, das Pfingstereignis in angemessene Worte zu fassen. Die Herabkunft des Heiligen Geistes ist ein geistliches Ereignis, das aber auch materiell erfahrbar wird.

Vielleicht haben wir alle schon einmal einen solchen Sturm erlebt, dessen Wucht man selbst bei gut gebauten Häusern noch merkt, der durch alle Ritzen zieht und an den Fenstern rüttelt. Eine gewaltige Kraft. Sturm ist auch in Alten Testament oft ein Bild für eine Erscheinung Gottes. Sehr intensiv schildert dies der Psalm 29:

Die Stimme des Herrn erschallt über den Wassern. Der Gott der Herrlichkeit donnert, der Herr über gewaltigen Wassern.
Die Stimme des Herrn ertönt mit Macht, die Stimme des Herrn voll Majestät.
Die Stimme des Herrn zerbricht die Zedern, der Herr zerschmettert die Zedern des Libanon.
Er lässt den Libanon hüpfen wie ein Kalb, wie einen Wildstier den Sirjon.
Die Stimme des Herrn sprüht flammendes Feuer, die Stimme des Herrn lässt die Wüste beben, beben lässt der Herr die Wüste von Kadesch. (Ps 29,3-8)

Auch Feuer ist ein Bild für die Anwesenheit Gottes. Als Mose auf den Sinai stieg, um von Gott die Zehn Gebote zu empfangen, war der Berg in Feuer gehüllt:

Am dritten Tag, im Morgengrauen, begann es zu donnern und zu blitzen. Schwere Wolken lagen über dem Berg und gewaltiger Hörnerschall erklang. Der ganze Sinai war in Rauch gehüllt, denn der Herr war im Feuer auf ihn herabgestiegen. Der Rauch stieg vom Berg auf wie Rauch aus einem Schmelzofen. Der ganze Berg bebte gewaltig und der Hörnerschall wurde immer lauter. (Ex 19,16.18)

Ein Gebet der Ostkirche versucht das, was Lukas schreibt, zu einem neuen Bild zu formen und uns bewusst zu machen, dass jede Darstellung von Pfingsten nicht einmal annähernd das beschreiben kann, was die Jünger erfahren haben:

Des Geistes Quell kam zu den Erdenbewohnern;
in feuerfließenden Strömen verteilte er sich, geistig,
und fiel wie Tau auf die Apostel und machte sie licht und hell.
Es ward ihnen zu einer Wolke von Tau das Feuer,
und es erleuchtete sie eine regenspendende Flamme.
Von ihnen haben wir empfangen die Gnade
durch Feuer und Wasser.
Erschienen ist das Licht des Trösters
und hat die Welt erleuchtet.