Karwoche (2)

Denn siehe, durch das Holz des Kreuzes kam Freude in alle Welt.

So heißt es in einem alten Text. Ich bin diesen Worten begegnet, als ich auf die Schnelle nach einem Text für die Kartage gesucht habe.

Auf die Schnelle … Ja dieses Jahr waren die Wochen vor Ostern sehr dicht, ein Umzug, Überstunden auf der Arbeit … Und dann die Frage: Wie soll ich Ostern feiern mitten im Alltag?

Für viele geht die Fastenzeit fast spurlos vorüber, man nimmt sich vielleicht am Aschermittwoch etwas vor, verschiebt aber die Umsetzung und dann ist plötzlich schon Ostern da. Die Arbeit, das Familienleben, alles läuft weiter. Wie kann das Osterfest mehr werden als ein langes Wochenende?

Sicher ist die Vorbereitung wichtig. Nicht umsonst kennt die Kirche die Fastenzeit. Fasten, das bedeutet sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sicher ist es hier besser, sich etwas Kleines vorzunehmen, das auch wirklich umsetzbar ist, als etwas Großes, das sich dann doch als undurchführbar erweist. Sich von den Texten der Heiligen Schrift ansprechen lassen, vielleicht einmal Schritt für Schritt jeden Tag einen Abschnitt aus dem Evangelium lesen und jetzt in der Karwoche die Berichte über Tod und Auferstehung des Herrn in den letzten Kapiteln der Evangelien.

Vor allem muss Ostern mich ganz persönlich treffen. Ostern ist der Höhepunkt im Jahr der Kirche – und in meinem Jahr? Was sind für mich die Höhepunkte des Jahres?

Denn siehe, durch das Holz des Kreuzes kam Freude in alle Welt.

Einen Gott am Kreuz anbeten, kann das ein Höhepunkt sein? Bleibe ich verständnislos stehen, unberührt von dem, was da geschieht, oder trifft es mich persönlich? Lukas berichtet von der Betroffenheit der Menschen, die Jesu Todesstunde erlebten:

Alle, die zu diesem Schauspiel herbeigeströmt waren und sahen was sich ereignet hatte, schlugen sich an die Brust und gingen betroffen weg. (Lk 23,48)

Betroffen, weil sie gemerkt haben, dass es hier persönlich um jeden einzelnen Menschen geht? Weil sich in diesem „Schauspiel“ Heil und Rettung für jeden einzelnen ereigneten?

In seinem Buch „Jenseits des Schweigens“ über die sieben letzten Worte Jesu am Kreuz zeigt Timothy Radcliffe, wie Jesus uns mit diesen Worten immer näher kommt:

„Die Worte Jesu zeigen uns die fortschreitenden Stufen eines sich vertiefenden Ausdrucks seiner Liebe zu uns.

Vergib ihnen, denn die wissen nicht, was sie tun. (Lk 23,34)

Mit diesen Worten spricht er uns nicht unmittelbar an, sondern seinen Vater.

Heute wirst du mit mir im Paradies sein. (Lk 23,43)

Hier zeigt sie die Liebe zu uns bereits inniger; er spricht uns an, aber doch eher von oben herab, als König.

Das ist deine Mutter, das ist dein Sohn. (Joh 19,26f)

Hier spricht er uns nicht mehr als König an, sondern als Bruder, ein weiterer Schritt der Nähe auf uns zu.

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Mk 15,34)

Dieser Schrei ist uns so nahe, dass er in unsere Seele eindringt und unsere eigene Verzweiflung umarmt. Aber die vollkommene Liebe liegt in den Worten:

Ich habe Durst. (Joh 19,28)

Die Fülle der Liebe ist erreicht, wenn Jesus etwas von uns erbittet und es dankbar in Empfang nimmt. Damit ist die Liebe vollkommen.“

Gott schenkt uns seine Liebe. Er wartet auf ein Liebeszeichen von uns und mag es noch so klein sein. Fühlen wir uns angerührt von dieser Liebe? Von einem Gott, der mitten in unser Leben treten will, der mit uns in die tiefsten Abgründe des Lebens steigt, um uns zu den höchsten Gipfeln des Glücks zu tragen? Lasse ich Jesus in mein Leben? Lasse ich mich von ihm berühren? Berühren nicht nur als ein Empfinden innerer Rührung, sondern als eine Nähe, die keine Distanz mehr zulässt? Aber geht das überhaupt? Wie soll Jesus mich berühren können? Wir werden ein Leben lang mit der Erfahrung solcher Nähe ringen. Werden sie uns wünschen und sie dann doch wieder erschreckt von uns weisen, weil wir uns vor den Folgen dieser Nähe fürchten, davor, wie sie unser Leben grundlegend verändern kann. Und doch steht Gott immer vor uns mit seiner Liebe, die vor allem anderen ist, die bleibt, auch wenn sie nicht erwidert wird. Sie ist da, jeden Augenblick. Und jeden Augenblick können wir den Schritt tun in Gottes offene Arme. Doch sollten wir nicht zu lange zögern, sonst könnten wir etwas Wesentliches in unserem Leben verpassen.

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