1. Adventssonntag

AA1_GasseNun ist sie wieder da, die Adventszeit. Die Zeit der Weihnachtsmärkte und des Geschenkekaufens, die Zeit des Plätzchenbackens und der Lebkuchen in den Supermärkten. Die Zeit der Weihnachtsbeleuchtung und der Lichter. Auch wenn so Vieles kommerziell ausgeschlachtet wird, gelingt es doch immer noch, in dieser Zeit gewisse Gefühle zu wecken. Und vielleicht gelingt es uns, all den Konsum-Rummel draußen zu lassen und uns in unserer Wohnung eine kleine Advents-Oase einzurichten mit dem zart duftenden Grün der Zweige am Adventskranz und dem sanften Licht der Kerzen. Dann kann der Advent auch eine Zeit der Stille werden, eine Zeit der Besinnung und der Vorbereitung auf das Kommen des Herrn.

Der Advent lädt uns ein, innezuhalten und zurückzublicken auf das vergangene Jahr. Was ist in diesem Jahr alles geschehen, an schönen und an weniger erfreulichen Ereignissen? Welchen Menschen bin ich in diesem Jahr begegnet? Welche Menschen sind neu in meinen Bekanntenkreis getreten, welche haben sich daraus – vielleicht für immer – verabschiedet? Welche Veränderungen haben sich im Beruf ergeben? Lässt mir die Arbeit auch genügend Zeit für mich und die Menschen, die mir wichtig sind? Wo kann ich die Spuren Gottes entdecken in dieser Zeit? Wo fühlte ich mich von ihm getragen – wo hätte ich mir mehr seine Hilfe gewünscht? Gibt es etwas, das ich als ein ganz besonderes Geschenk betrachte?

Mit all diesen Gedanken können wir – nicht nur im Advent – an einem ruhigen Ort, vor einer brennenden Kerze, einem schönen Platz in der Natur oder in einer Kirche vor Gott hintreten. Wir schauen auf das, was vergangen ist, aber wir schauen auch aus nach dem, was kommt. Welche Entscheidungen stehen in der nächsten Zeit an? Was möchte ich in meinem Leben verändern – beruflich, im Umgang mit Menschen, in meinem Denken und Handeln? Was macht mir Sorgen? Worüber freue ich mich besonders? Was meine ich leicht zu schaffen, wo wünsche ich mir Hilfe? Wir dürfen alles in Gottes Hand legen und ihn um seinen Segen bitten für unseren Lebensweg und dem unserer Lieben.

In der ersten Lesung hören wir heute von der großen Wallfahrt der Völker zum Berg Zion, nach Jerusalem, der Stadt Gottes mit dem Tempel, in dem das Volk Israel die Wohnung Gottes unter den Menschen sieht. Ich möchte das Bild etwas umdeuten, damit es vielleicht etwas mehr in unsere Lebenswirklichkeit passt. Wir sind alle unterwegs auf dem Weg des Lebens, sind alle unterwegs zu einem Ziel – oder irren wir doch manchmal einfach ziellos umher? Es gibt viele Straßen, auf denen die Menschen gehen. Breite Straßen wie die Einkaufsmeilen unserer Städte, voller Lichter und Reklamen, voll mit Menschen. Wo führen sie hin? Haben sie ein Ziel? Oder halten sie die Menschen, die auf ihnen gehen, nur davon ab, vorwärtszukommen, weil die Menschen feststecken im Gedränge, von einem Geschäft zum nächsten gehen, aber ohne Richtung und Ziel sind?

Dann gibt es dunkle Gassen, in die niemand gehen möchte. Sie sind oft gleich hinter den hell erleuchteten Einkaufsmeilen, aber niemand will sie sehen. Dort ducken sich Menschen nieder, die gezeichnet sind vom Leben und die nicht hineinpassen in diese Welt des Glitzers und des Konsums. Einsam stehen sie da, eingehüllt in dicke Mäntel, die sie etwas vor der Kälte des Winters schützen, aber nicht vor der Kälte der Herzen, die ihnen entgegenschlägt. Biegen wir manchmal ab in diese dunklen Gassen, um dort ein kleines Licht anzuzünden?

Es gibt auch kleine, verborgene Wege, die man so leicht nicht findet. Man muss etwas die Augen zusammenkneifen, um nicht zu sehr geblendet zu werden vom Licht der hellen Schaufenster an den breiten Straßen. Dann entdeckt man zwischen all den Glitzerfassaden vielleicht einen kleinen unscheinbaren Durchlass. Und dann tut sich ein geheimnisvoller Weg auf, an dem es Vieles zu entdecken gibt. Hier können uns Menschen begegnen, die nicht in Hetze sind, sondern Zeit haben für ein Gespräch. Hier gibt es einen Ort der Stille, an dem wir zu uns selbst finden können, einen Ort, an dem wir unsere Gedanken ordnen können, um neu die Richtung für unser Leben zu bestimmen. Und dann werden wir merken, dass auch wir den Menschen ganz anders begegnen, die wir auf diesem Weg antreffen. Unser Herz wird weit. Wir merken, dass wir selbst ein Licht sind, das immer heller leuchtet.

Und dann entdecken wir am Ende dieser Straße ein schwaches Leuchten, und wenn wir näher kommen und genauer hinsehen, dann erkennen wir den Stall von Betlehem und das Kind in der Krippe. Dann erleben wir Weihnachten ganz neu. Wir erfahren, dass es nicht ein Geschehen ist, das längst vergangen ist und um uns herum geschieht, sondern dass wir mitten drin sind in diesem Fest, dass Weihnachten immer neu wird, wo ein Mensch zum Licht wird und Gottes Licht in die Welt trägt.

Apostel Andreas

Andreas_3Die Szene der Berufung von Petrus und Andreas finde ich sehr schön dargestellt auf dem Bild von Giusto de’ Menabuoi. In einer Predigt am Festtag des hl. Andreas spricht Gregor der Große davon, was es bedeutet, alles zu verlassen, um Jesus nachzufolgen:

Manch einer mag denken, was haben denn diese Fischer aufgegeben, die so gut wie nichts besaßen? … Viel hat verlassen, wer nichts für sich zurückbehielt, viel verließ, wer alles aufgab, mag es auch noch so wenig sein.

Ohne Zweifel besitzen wir unsere Habe mit Liebe, und was wir nicht haben, verlangen wir voller Leidenschaft. Viel haben also Petrus und Andreas verlassen, als beide sogar das Verlangen aufgaben, etwas ihr Eigen zu nennen. Viel hat verlassen, wer zusammen mit dem Besitz auch auf die Begierden verzichtet. Von denen, die nachfolgten, wurde also so viel verlassen, wie von denen, die nicht nachfolgten, begehrt werden konnte.

Niemand möge also zu sich sagen, auch wenn er sieht, wie einige viel aufgegeben haben: Ich will diese Weltverächter schon nachahmen, doch habe ich nichts, was ich aufgeben könnte. Viel gibt der auf, der auf irdisches Verlangen verzichtet. Denn unsere noch so geringen äußeren Gaben genügen dem Herrn. Er schaut nämlich auf das Herz, nicht auf die Sache; auch erwägt er nicht, wie viel ihm zum Opfer gebracht wird, sondern aus welcher Gesinnung heraus.

Denn wenn wir die äußere Sache erwägen: Seht, wie unsere heiligen Händler das ewige Leben der Engel um den Preis ihrer Netze und ihres Bootes erworben haben. Es gibt zwar keinen festen Preisanschlag, doch kostet das Reich Gottes so viel, wie du besitzt. Es kostete nämlich Zachäus die Hälfte seines Vermögens … Petrus und Andreas den Verzicht auf Netzt und Boot … die Witwe zwei kleine Münzen … einem anderen einen Becher kühlen Wassers. Bedenkt also, ob es etwas für einen geringeren Preis zu kaufen, etwas Kostbareres zu besitzen gibt.

Geduld (2)

Man berichtet vom Altvater Gelasios, dass er oft von dem Gedanken angefochten wurde, sich in die Wüste zurückzuziehen. Eines Tages sagte er zu seinem Schüler: „Tu mir den Gefallen, Bruder, und ertrage, was immer ich auch tue, und sprich die ganze Woche nicht mit mir!“

Er nahm einen Palmstab in die Hand und begann in seinem Hof herumzugehen. Wenn er müde wurde, setzte er sich ein wenig, und dann erhob er sich wieder und ging umher. Als es Abend wurde, sagte er zu sich selbst: „Wer in der Wüste umhergeht, hat kein Brot zum Essen, sondern nur Gras. Du aber in deiner Schwäche, iss ein wenig Keingemüse.“

Er machte es so, und dann sagte er zu sich: „Der in der Wüste schläft nicht unter einem Dach, sondern unter freiem Himmel, mach es also auch so!“ Er legte sich nieder und schlief im Hof. Das machte er drei Tage: Er ging im Hof herum, am Abend aß er ein paar Salatblätter, die Nächte verbrachte er im Freien schlafend, und dann war er erschöpft.

Da schalt er den Gedanken, der ihn belästigte und tadelte sich mit den Worten: „Wenn du die Werke der Wüste nicht erfüllen kannst, dann bleibe in Geduld in deinem Kellion sitzen und beweine deine Sünden und treib dich nicht herum. Denn überall blickt das Auge Gottes auf die Werke der Menschen, und nichts ist ihm verborgen, und er erkennt diejenigen, die das Gute tun.

Apophthegmata Patrum

Geduld

Ausgehend von einem Gespräch der Jünger über die Pracht des Tempels weist Jesus auf die Vergänglichkeit alles Irdischen hin und macht deutlich, dass eine Zeit kommen wird, in der all diese Pracht vergeht. Wir sprechen davon, dass Gott kommen wird zum Gericht, dass er es sein wird, der das Ende herbeiführt. Das ist richtig. Aber wenn wir genau hinsehen, so wird deutlich, dass letztlich die Menschen selbst schuld daran sind, dass es so weit kommt. Ohne Sünde könnte diese Welt sicher friedvoll eingehen in die Herrlichkeit Gottes, so aber bedarf es des Gerichtes, um die rechte Ordnung wieder herzustellen und die Welt für Gott bereit zu machen. Gregor der Große sagt über die Nöte der Endzeit:

„All dies stammt nicht von der Ungerechtigkeit des Strafenden, sondern von der Schuld der Welt. … Zuerst werden die Herzen der Menschen und später die Elemente verwirrt, damit, wenn die Ordnung der materiellen Welt erschüttert wird, sich zeigt, aus welcher Vergeltung heraus dies nun geschieht.“

Die aber, deren Herzen fest im Herrn verankert sind, brauchen sich in dieser Not nicht zu sorgen. Denn wenn auch Untergang und Zusammenbruch um sie herum herrschen, so wird ihnen doch „kein Haar gekrümmt werden“. Wie wir aber unsere Herzen fest machen im Herrn und das Leben gewinnen können, sagt uns Jesus im letzten Satz des Evangeliums:

„Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.“ (Lk 21,19)

Eindrücklicher wird für mich dieser Satz, wenn ich ihn im Lateinischen höre:

„In patientia vestra possidebitis animas vestras.“

„In eurer Geduld werdet ihr eure Seelen besitzen.“

Patientia, das meint Standhaftigkeit und Geduld, die Fähigkeit, auszuharren. Und das ist eine Tugend, die nicht nur für das Ende, von dem im Evangelium die Rede ist, notwendig ist, sondern unser ganzes Leben prägen sollte.

Wir kommen immer wieder in Situationen, in denen unser Leben zu stagnieren scheint, in denen wir verzweifelt sind und in denen wir meinen, dass uns – scheinbar unüberwindliche – Hindernisse in den Weg gelegt werden. Wie oft schon wollten wir aufgeben, meinten uns den Herausforderungen nicht gewachsen.

Aber wenn wir dabei bleiben, nicht aufgeben, weiter nach einem Weg suchen und darauf vertrauen, dass es jemanden gibt, der uns einen Weg öffnet, da ging es dann plötzlich wieder vorwärts.

Andererseits haben wir vielleicht auch manchmal schon aufgegeben, etwas weiter zu verfolgen, haben einen anderen, leichteren, Weg gewählt und dann mussten wir hinterher sehen, dass sich die Lage doch verändert hat. Hätten wir noch etwas gewartet, dann hätten wir erreicht, was wir damals so sehr ersehnt haben, nun aber haben wir uns selbst abgewandt und es ist durch unser eigenes Verschulden in unerreichbare Ferne gerückt, weil wir uns nicht mit genügend Ausdauer darum bemüht haben.

Es ist die Aufgabe unseres Lebens, unsere Ziele zu suchen, näherliegende hier in diesem Leben und das Ziel, auf das unser ganzes Leben hinsteuert. Jeder muss herausfinden, welche Ziele es sind, für die sich der volle Einsatz lohnt. Diese Ziele dürfen wir dann nicht mehr aus den Augen verlieren, auch wenn sie manchmal in unerreichbare Ferne gerückt scheinen und wir keinen Weg sehen, sie zu erreichen. Wenn wir ein Ziel wirklich geprüft und als das richtige erkannt haben, dann dürfen wir stets darauf vertrauen, dass uns einmal ein Weg dorthin aufgetan wird, zum Herzen eines Menschen und zum Herzen Gottes, der uns alle ruft in sein Reich.

Hören wir dazu noch einige Worte Gregors des Großen:

„Deshalb wird der Besitz der Seele in die Tugend der Geduld verlegt, weil die Geduld Wurzel und Hüterin aller Tugenden ist. Durch die Geduld aber besitzen wir unsere Seelen, da wir, wenn wir lernen, uns selbst zu beherrschen, anfangen, gerade das zu besitzen, was wir sind.“

Trauer und Trost

Von Abbas Poimen heißt es in den Apophthegmata Patrum:

Als er einmal nach Ägypten wanderte, sah er an einem Grab eine Frau sitzen, die bitterlich weinte. Und er sagte:

„Wenn alle Annehmlichkeiten der Welt zu ihr kämen, sie würden ihre Seele nicht aus der Traurigkeit bringen. So muss auch der Mönch immer Traurigkeit im  Herzen haben.“

Jeder von uns kennt die Traurigkeit. Sie kommt über uns, wenn wir einen geliebten Menschen verloren haben, wenn eine Beziehung oder Freundschaft in die Brüche geht oder wenn Misserfolg unser Leben in eine Richtung führt, in die wir nicht gehen möchten.

Traurigkeit hat ihren Platz im Leben, aber es gibt auch eine Traurigkeit, die uns vom Leben abhält. Wenn der Schmerz nicht aufhört, kann die Lebensfreude letztlich ganz verloren gehen. Dann gilt es, einen Weg aus der Traurigkeit zu finden.

Paulus weist in dem Zitat aus der zweiten Lesung auf Christus hin, der uns in seiner Liebe Trost und Hoffnung geschenkt hat. Er kennt unsere Not und Traurigkeit, er hat geweint über das Schicksal der Stadt Jerusalem und war voller Angst am Ölberg. Er hat die Qualen der Kreuzigung durchlitten. Doch dann ist er glorreich auferstanden.

Jesus zeigt uns, dass alles Leid ein Ende hat. All unsere Traurigkeit und unser Leid sind aufgehoben bei Gott. Er trägt es mit uns. Mit ihm dürfen wir hoffen, dass es aus jeder Not einen Ausweg gibt.

Abbas Neilos sagte: „Das Gebet ist das Schutzmittel gegen Traurigkeit und Mutlosigkeit.“

Apophthegmata Patrum

Diese Worte wollen kein billiger Trost sein. Jeder von uns kennt die Zeiten, in denen der Schmerz so sehr quält und jeder Trost so fern erscheint. Aber irgendwo in uns steckt auch immer eine Hoffnung, und diese Hoffnung ist nicht vergebens.

Oft finden wir aus der Traurigkeit, wenn wir etwas Neues anpacken, eine neue Perspektive gewinnen. Dann bekommt unser Leben plötzlich einen neuen Sinn. Diese Kraft ist es, die Paulus der Gemeinde in seinem Brief wünscht. Sie erwächst aus der Hoffnung, dass trotz Scheitern und Misserfolg unser Tun nicht vergeblich ist und dass jeder Mensch seinen Platz in der Welt hat.

So will ich anfangen, jetzt und heute.

Hl. Leonhard von Limoges (um 500 – 559)

Leonhard_2Der heilige Leonhard zählt besonders im süddeutschen Raum zu den populärsten Heiligen. Grund dafür ist sicher seine Rolle als Schutzheiliger von Vieh und Pferden. Ihn rief man bei den nicht selten auftretenden Viehseuchen um Hilfe an und nicht wenige Wallfahrtskirchen sind ihm zu Ehren als Dank für den erwiesenen Beistand erbaut worden. Bis heute gehören Leonhardiritte und Leonhardifahrten in manchen Orten Südbayerns zu den Höhepunkten im jährlichen Brauchtum.

Leonhard stammt aus adligem Haus. Seine Eltern lebten am Hof des Merowinger-Königs Chlodwig. Dort wurde Leonhard um das Jahr 500 geboren. Getauft wurde er von keinem Geringeren als dem heiligen Remigius, Erzbischof von Reims. Dieser übernahm auch die Ausbildung des Knaben.

Leonhard stand beim König in so hoher Gunst, dass alle Gefangenen, für die er Fürsprache einlegte, sogleich freigelassen wurden. Der König wollte den fähigen jungen Mann zum Bischof machen, doch Leonhard lehnte ab. Ihn zog es in die Einsamkeit. Zunächst lebte er eine gewisse Zeit in einem Kloster bei Orleans, dann ließ er sich in einem Wald nahe der Stadt Limoges nieder.

Als der König eines Tages mit seinem Gefolge in diesem Wald zur Jagd ging, überkamen die Königin, die ihn begleitete, die Wehen. Man fürchtete schon um das Leben von Mutter und Kind. Da kam Leonhard herbei, der in seiner Einsiedelei den Lärm der aufgeregten Schar vernommen hatte. Auf sein Gebet hin wurden Mutter und Kind gerettet. Als Dank wollte ihm der König viel Gold und Silber schenken, doch Leonhard sagte, er solle das lieber den Armen geben.

„Von all dem bedarf ich nichts. Ich begehre nichts anderes, als allein zu leben in diesem Wald, und fern von allen Schätzen der Welt, Gott dem Herrn zu dienen.“ (Legenda Aurea)

Daraufhin wollte der König ihm den ganzen Wald schenken, doch Leonhard wollte nur so viel annehmen, wie er in einer Nacht mit seinem Esel zu umreiten vermochte. In diesem Wald nun gründete er ein Kloster und wirkte viele Wunder.

Besondere Hilfe erwies Leonhard den Gefangenen. Wer im Gefängnis seinen Namen anrief, dem fielen die Fesseln ab, heißt es in der Legenda Aurea. Viele der Befreiten kamen zu ihm in den Wald, um ein frommes Leben zu führen. Man hat den Eindruck, dass der Wald des hl. Leonhard eine Zufluchtsstätte für Menschen wurde, für die die Gesellschaft keinen Platz hatte.

Der Ruf seiner Heiligkeit verbreitete sich rasch. Nach seinem Tod errichtete man eine neue Kirche, die leichter zugänglich war als das mitten im tiefen Wald gelegene Kloster, denn es kamen viele Pilger an das Grab des Heiligen. Viele brachten ihre Ketten mit als Zeichen des Dankes für die Rettung aus der Gefangenschaft. Wie groß dieser Dank gewesen ist, mag man ermessen, wenn man sich die Haftbedingungen der damaligen Zeit vor Augen führt, wo die Gefangenen in einem finsteren Verließ gehalten wurden.

Damals ließ der Graf von Limoges zur Abschreckung die Gefangenen an einer langen Eisenkette, die mit einer Stange an einem Turm befestigt war, aufhängen. Einer rief St. Leonhard an, woraufhin die Kette zerbrach. Der Befreite schleppte sie zur Kirche des Heiligen und brachte sie ihm zum Dank. Ein anderer Graf wollte St. Leonhard trotzen und ließ seine Gefangenen nicht in Eisen legen, sondern sperrte sie in eine tiefe Höhle. Doch auch von dort drang der Hilfeschrei an das Ohr des Heiligen und die Gefangenen wurden befreit.

Weite Verbreitung fand die Verehrung des hl. Leonhard durch die Kreuzfahrer. Diese verehrten Leonhard sehr, denn sie waren stets in Gefahr, durch die Kämpfe in fremden Ländern in Gefangenschaft zu geraten. Die Fürsprache des Heiligen sollte sie davor bewahren.

Wahrscheinlich übertrug sich durch die wichtige Bedeutung der Pferde für die Kreuzfahrer das Patronat des Heiligen auch auf die Tiere. Eine andere Erklärung besagt, dass die Eisenketten, mit denen Leonhard dargestellt wird, später als Viehketten fehlgedeutet wurden und er so zum Patronat von Vieh und Pferden kam.